Die Möwe - Anton Tschechow - E-Book

Die Möwe E-Book

Anton Tschechow

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Beschreibung

Rowohlt E-Book Theater Dem Weltliteraten Anton Tschechow galt die Prosa immer als Ehefrau. Das Theater bezeichnete er sein Leben lang als Geliebte. Präzise charakterisiert er seine Figuren durch das, was sie sagen und nicht sagen. Nach einer grandios gescheiterten Uraufführung geriet bereits die zweite Vorstellung von «Die Möwe» zu einem Triumph. Seitdem liefert Tschechows diagnostischer Blick auf eine bürgerliche Sommergesellschaft immer wieder den Stoff für Sternstunden des Schauspiels. Kostja lädt zur Uraufführung seines ersten Stücks, das er seiner Freundin Nina auf den Leib geschrieben hat. Die Aufführung wird zur persönlichen Prüfung, und sie endet in einem Fiasko.

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Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Anton Tschechow

Die Möwe

Komödie in vier Akten

 

 

Aus dem Russischen von Ulrike Zemme

 

Über dieses Buch

Rowohlt E-Book Theater

 

Dem Weltliteraten Anton Tschechow galt die Prosa immer als Ehefrau. Das Theater bezeichnete er sein Leben lang als Geliebte. Präzise charakterisiert er seine Figuren durch das, was sie sagen und nicht sagen. Nach einer grandios gescheiterten Uraufführung geriet bereits die zweite Vorstellung von «Die Möwe» zu einem Triumph. Seitdem liefert Tschechows diagnostischer Blick auf eine bürgerliche Sommergesellschaft immer wieder den Stoff für Sternstunden des Schauspiels. Kostja lädt zur Uraufführung seines ersten Stücks, das er seiner Freundin Nina auf den Leib geschrieben hat. Die Aufführung wird zur persönlichen Prüfung, und sie endet in einem Fiasko.

Impressum

Deutsche Erstausgabe

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, März 2014

Copyright © 2014 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag, Hamburger Straße 17, 21465 Reinbek

Umschlaggestaltung any.way, Cathrin Günther

(Foto: thinkstockphotos.de)

Satz Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-644-90601-3

www.rowohlt-theater.de

 

Originaltitel: Čajka

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Personen

IRINA NIKOLAJEWNA ARKADINA,verheiratete Trepljowa, Schauspielerin

KONSTANTIN GAWRILOWITSCH TREPLJOW,ihr Sohn, junger Mann

PJOTR NIKOLAJEWITSCH SORIN,ihr Bruder

NINA MICHAJLOWNA SARETSCHNAJA,junges Mädchen, Tochter eines reichen Gutsbesitzers

ILJA AFANASJEWITSCH SCHAMRAJEW,Leutnant im Ruhestand, Sorins Gutsverwalter

POLINA ANDREJEWNA,seine Frau

MASCHA,seine Tochter

BORIS ALEXEJEWITSCH TRIGORIN,Schriftsteller

JEWGENIJ SERGEJEWITSCH DORN,Arzt

SEMJON SEMJONOWITSCH MEDWEDENKO,Lehrer

JAKOW,Arbeiter

EIN KOCH

EIN DIENSTMÄDCHEN

Ort der Handlung: Sorins Landgut. Zwischen dem dritten und vierten Akt vergehen zwei Jahre.

Erster Akt

Ein Teil des Parks auf Sorins Landgut. Eine breite Allee führt vom Zuschauer weg in die Tiefe des Parks zum See. Die Allee ist durch eine Bühne versperrt, die man provisorisch für eine Privataufführung aufgebaut hat, der See ist nicht zu sehen. Links und rechts von der Bühne Gebüsch. Einige Stühle, ein kleiner Tisch. Kurz nach Sonnenuntergang. Auf der Bühne, hinter dem geschlossenen Vorhang, hört man Jakow und andere Arbeiter husten und hämmern. Von links kommen Mascha und Medwedenko von einem Spaziergang zurück.

MEDWEDENKO

Warum gehen Sie immer in Schwarz?

MASCHA

Ich trauere um mein Leben. Ich bin unglücklich.

MEDWEDENKO

Warum? (Nachdenklich.) Verstehe ich nicht … Sie sind gesund, Ihr Vater ist kein Krösus, aber er hat genug Geld. Ich bin viel ärmer als Sie. Ich verdiene nur 23 Rubel im Monat, und davon ziehen sie mir noch die Rentenversicherung ab, aber ich gehe nicht in Schwarz. (Sie setzen sich.)

MASCHA

Geld ist unwichtig. Auch ein Bettler kann glücklich sein.

MEDWEDENKO

Theoretisch vielleicht, aber praktisch sieht es so aus: Ich muss mit 23 Rubel die Mutter, zwei Schwestern und den kleinen Bruder erhalten. Wir müssen essen und trinken. Tee und Zucker kaufen. Tabak. Oder nicht? Wie soll man dieses Kunststück schaffen.

MASCHA

(sieht zur Bühne hin) Bald fängt die Vorstellung an.

MEDWEDENKO

Ja. Die Saretschnaja wird spielen, in einem Stück von Konstantin Gawrilowitsch. Sie sind ineinander verliebt, und heute werden ihre Seelen zu einem gemeinsamen künstlerischen Höhepunkt kommen. Aber in unseren beiden Seelen sucht man vergeblich nach Gemeinsamkeiten. Ich liebe Sie, die Sehnsucht treibt mich aus dem Haus, jeden Tag laufe ich sechs Werst zu Ihnen und sechs Werst zurück, und was habe ich davon – Ihre Indifferenz. Logisch. Ich habe kein Geld, aber eine große Familie … Wer will schon einen Mann, der nichts zu bieten hat?

MASCHA

Lächerlich. (Sie schnupft Tabak.) Ihre Liebe ist rührend, aber ich empfinde nichts für Sie, Punktum. (Sie hält ihm die Tabakdose hin.) Greifen Sie zu.

MEDWEDENKO

Keine Lust.

(Pause.)

MASCHA

So schwül, in der Nacht kommt sicher ein Gewitter. Entweder Sie philosophieren oder Sie reden vom Geld. Für Sie gibt es nichts Schlimmeres als finanzielle Probleme, aber mir wäre es tausendmal lieber, in Lumpen zu gehen und zu betteln, als … Aber das begreifen Sie sowieso nicht …

(Von rechts kommen Sorin und Trepljow.)

SORIN

(auf einen Stock gestützt) Das Landleben ist nichts für mich, mein Freund, ganz klar, und ich werde mich auch nie daran gewöhnen. Gestern abend bin ich um zehn eingeschlafen, und heute morgen um neun brummt mir der Schädel, vom langen Schlafen, sozusagen. (Er lacht.) Nach dem Mittagessen bin ich aus Versehen wieder eingeschlafen, und jetzt komme ich mir vor wie nach einer Gehirnwäsche, sozusagen …

TREPLJOW

In der Stadt ginge es dir besser. (Er sieht Mascha und Medwedenko.) Ich rufe Sie, wenn es anfängt, aber jetzt sind Sie hier überflüssig. Gehen Sie, bitte.

SORIN

(zu Mascha) Marja Iljinitschna, haben Sie die Güte und bitten Sie Ihren Papa, den Hund von der Kette zu lassen, sonst jault er pausenlos. Meine Schwester hat schon wieder die ganze Nacht kein Auge zugemacht.

MASCHA

Sagen Sie es ihm selbst, ich habe keine Lust. Lassen Sie mich in Ruhe, bitte. (Zu Medwedenko.) Kommen Sie!

MEDWEDENKO

(zu Trepljow) Sie rufen uns also, bevor es anfängt. (Sie gehen ab.)

SORIN

Das heißt, wir müssen uns wieder die ganze Nacht das Gejaule anhören. Immer dasselbe, nie kann ich das Landleben genießen, wie ich will. Ich habe mir zum Beispiel 28 Tage Urlaub genommen und bin hergefahren, um mich zu erholen, sozusagen, aber die haben mich hier so tyrannisiert mit allem möglichen Blödsinn, dass ich gleich am ersten Tag wieder verschwinden wollte. (Er lacht.) Ich bin immer gerne von hier weggefahren … Aber jetzt, im Ruhestand, wo soll ich hin, sozusagen. Und wenn ich mich auf den Kopf stelle, ich muss hier durchhalten …

JAKOW

(zu Trepljow) Konstantin Gawrilowitsch, wir gehen schwimmen.

TREPLJOW

Gut, aber in zehn Minuten seid ihr zurück. (Er sieht auf die Uhr.) Es fängt bald an.

JAKOW

In Ordnung. (Er geht ab.)

TREPLJOW

(lässt den Blick über die Bühne schweifen) So stelle ich mir Theater vor. Vorhang, erste Gasse, zweite Gasse, dann der leere Raum. Keine Dekoration. Ein freier Blick auf den See und den Horizont. Punkt halb neun, wenn der Mond aufgeht, öffnen wir den Vorhang.

SORIN

Phantastisch.

TREPLJOW

Wenn die Saretschnaja zu spät kommt, ist die ganze Wirkung im Eimer. Sie müsste längst hier sein. Aber ihr Vater und die Stiefmutter sperren sie ein, jedes Mal muss sie von zu Hause ausbrechen wie eine Gefangene. (Er richtet Sorins Krawatte.) Dein Haar und dein Bart sind struppig. Du musst zum Friseur …

SORIN

(streicht sich über den Bart) Das ist die Tragödie meines Lebens. Schon als junger Mann habe ich immer ausgesehen, als hätte ich die ganze Nacht gesoffen, sozusagen. Die Frauen konnten mich nie leiden. (Er setzt sich.) Warum ist meine Schwester so gereizt?

TREPLJOW

Warum? Sie stirbt vor Langeweile. (Er setzt sich zu ihm.) Und vor Eifersucht. Ich, die Aufführung und mein Stück gehen ihr jetzt schon auf die Nerven, denn ihr Schriftsteller könnte die Saretschnaja womöglich gut finden. Sie hasst mein Stück, schon bevor sie es gesehen hat.

SORIN

(lacht) Das bildest du dir ein, wirklich …

TREPLJOW

Sie platzt fast vor Wut, weil die Saretschnaja auf dieser kleinen Bühne Erfolg haben wird und nicht sie. (Er sieht auf die Uhr.) Meine Mutter ist ein psychologisches Phänomen. Sie hat Talent, keine Frage, sie ist klug, sie kann sogar weinen, wenn ihr eine Erzählung gefällt, sie kennt den ganzen Nekrassow auswendig und pflegt dich wie ein Engel, wenn du krank bist. Aber sag einmal neben ihr, dass du die Duse gut findest! Oh! Nur sie ist gut, nur über sie dürfen Artikel erscheinen, nur wegen ihrer sensationellen Leistung in der «Kameliendame» oder im «Dunst des Lebens» darf man in Ekstase geraten. Aber hier auf dem Dorf gibt es dieses Affentheater nicht, also stirbt sie vor Langeweile, führt sich auf wie eine Furie, wir alle sind ihre Feinde, wir alle sind schuld. Außerdem ist sie abergläubisch – drei Kerzen, die Zahl dreizehn, und sie gerät in Panik. Und ihr Geiz. Siebzigtausend hat sie auf der Bank in Odessa, das weiß ich todsicher. Aber frag sie einmal, ob sie dir Geld leiht, da bricht sie in Tränen aus.

SORIN

Du redest dir ein, dass dein Stück deiner Mutter nicht gefällt, und verlierst gleich die Nerven, sozusagen. Keine Sorge, deine Mutter betet dich an.

TREPLJOW

(zupft Blätter von einem Blümchen ab) Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht. (Er lacht.) Siehst du, meine Mutter liebt mich nicht. Kein Wunder! Sie will das Leben genießen, die Liebe, sich anziehen wie ein junges Mädchen, aber ich bin schon fünfundzwanzig, und mein Anblick beweist ihr pausenlos, dass sie nicht mehr jung ist. Bin ich weg, ist sie erst zweiunddreißig, bin ich da, ist sie schon dreiundvierzig, und dafür hasst sie mich. Außerdem weiß sie, das ich das konventionelle Theater verachte. Sie liebt es, sie bildet sich ein, dass sie die Menschheit beglückt, der heiligen Kunst dient, aber für mich ist das heutige Theater routiniert und stockkonservativ. Der Vorhang geht auf, und diese grandiosen Künstler, diese Oberpriester der Kunst, tappen bei schummeriger Beleuchtung in einem Zimmer mit drei Wänden herum und demonstrieren, wie Menschen essen, trinken, lieben, gehen und sich kleiden. Der Text kann noch so banal sein – sie entdecken ihre armselige, harmlose, spießige Moral zwischen den Zeilen und verkünden in tausend Variationen immer denselben Schwachsinn. Tut mir leid, da muss ich flüchten, wie Maupassant vor dem Eiffelturm, weil er ihm das Hirn mit seiner Banalität verklebt hat.

SORIN

Um das Theater kommen wir nicht herum.

TREPLJOW

Wir brauchen neue Formen. Neue Formen – oder gar nichts. (Er sieht auf die Uhr.)