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In "Die Mysteriendramen: Die Pforte der Einweihung + Die Prüfung der Seele (Nachspiel zur Pforte der Einweihung)" entfaltet Rudolf Steiner ein tiefgreifendes und vielschichtiges Werk der spirituellen Dramaturgie. Die Szenen sind mit philosophischen und esoterischen Symbolen durchzogen, die dem Leser einen einzigartigen Zugang zu den Mysterien des Lebens und der menschlichen Seele bieten. Steiner verwendet eine poetische Sprache, die sich durch eine harmonische Verbindung von Mystik und Dramatik auszeichnet, wodurch er den Leser mit auf eine Reise in die inneren Dimensionen des Bewusstseins nimmt. Die Ergründung der seelischen Prüfungen und deren Bedeutung für die individuelle Entwicklung steht im Zentrum dieser eindringlichen Dramaturgie. Rudolf Steiner, ein bedeutender Denker, Pädagoge und Begründer der Anthroposophie, verknüpft in seinem Werk persönliche Erfahrungen mit tiefen philosophischen Einsichten. Diese Dramen entstanden aus Steiners Überzeugung, dass die Menschheit auf einem Weg zu höherem Bewusstsein und spiritueller Erkenntnis ist. Sein reichhaltiger Hintergrund in Philosophie, Kunst und Naturwissenschaft zeigt sich in seinen klaren und dennoch mystischen Darstellungen, die die Leser zur Auseinandersetzung mit ihren eigenen spirituellen Erfahrungen anregen. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die an der Schnittstelle von Spiritualität, Kunst und Menschlichkeit interessiert sind. Es empfiehlt sich insbesondere für jene, die tiefer in die Fragen der Seele und der Einweihung eintauchen wollen. Steiners Mysteriendramen bieten nicht nur literarische Höhepunkte, sondern auch wertvolle Einsichten für den modernen Menschen auf der Suche nach Sinn und Verständnis in einer komplexen Welt. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Diese Werksammlung vereint mit Die Pforte der Einweihung und Die Prüfung der Seele (Nachspiel zur Pforte der Einweihung) zwei dramatische Hauptstücke aus Rudolf Steiners Zyklus der Mysteriendramen. Der Band bündelt damit zusammengehörige Bühnenarbeiten, deren innere Kontinuität sich in Stoff, Figurenkonstellation und Fragestellungen fortschreibt. Ziel ist es, den Einstieg in Steiners dramatisches Denken zu erleichtern und die Entwicklung von Motivik und Ton zwischen dem ersten Drama und seinem unmittelbaren Nachspiel im Zusammenhang erkennbar zu machen. Die Texte werden nicht als Einzelausflüge, sondern als komplementäre Stationen einer künstlerisch-philosophischen Unternehmung präsentiert, die den Leser behutsam an eine moderne Einweihungsthematik heranführt.
Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, entwarf die Mysteriendramen in den frühen 1910er Jahren als künstlerische Form, um Fragen geistiger Entwicklung, Freiheit und Verantwortung in dramatischer Handlung sichtbar zu machen. Die vorliegende Zusammenstellung repräsentiert den Auftakt eines aus vier Stücken bestehenden Zyklus, innerhalb dessen Die Pforte der Einweihung den Ausgangspunkt markiert, während Die Prüfung der Seele die begonnenen Linien unmittelbar weiterführt und vertieft. Als Werke für die Bühne konzipiert, verbinden sie philosophische Reflexion mit theatralischer Gestaltung und zeigen, wie Steiners geistige Arbeit in eine eigenständige Gattung mündet, die traditionelle Formen aufnimmt und in zeitgemäße Ausdrucksweisen überführt.
Es handelt sich um Dramen, nicht um Romane oder Essays: Rollen sprechen, Szenen wechseln, Bühnenanweisungen strukturieren Orte und Stimmungen. Zugleich erweitern die Texte den Horizont des bürgerlichen Dialogdramas, indem sie das dramatische Geschehen zwischen Alltagsraum und geistigen Erfahrungsräumen ansiedeln. Die Gattung des Mysteriendramas knüpft an die Idee sinnvermittelnder, erkenntnisorientierter Bühnenkunst an und öffnet das Theater für innere Vorgänge, die sonst dem Essay oder der philosophischen Abhandlung vorbehalten wären. In dieser Sammlung stehen daher dramatische Rede, symbolisch verdichtete Situationen und psychologische Gespräche nebeneinander und bilden eine Textsorte, die den Gedanken im Spiel erfahrbar macht.
Verbindende Themen sind die Suche nach Erkenntnis, die Bewährung des Ich im Spannungsfeld von Schicksal und Freiheit sowie das Verhältnis von sichtbarer und übersinnischer Welt. Eine Gruppe zeitgenössischer Figuren wird an eine Schwelle geführt, an der Lebensentscheidungen und innere Prüfungen sich zu geistiger Verantwortung verdichten. Die Pforte der Einweihung skizziert die Ausgangslage dieser Entwicklung und die ersten Schritte der Annäherung, während Die Prüfung der Seele die zuvor geweckten Fragen weiterspannt und ihre seelischen Konsequenzen erkundet, ohne das Geheimnis der künftigen Stationen vorwegzunehmen. So entsteht ein thematisch geschlossenes Diptychon, das den weiteren Zyklus vorbereitet.
Stilistisch verbinden die Stücke nüchterne Dialogführung mit symbolischer Intensität. Die Sprache bleibt klar, gedanklich präzise und zugleich bildhaft, sodass Reflexion und Szene sich gegenseitig tragen. Realistische Gesprächssituationen wechseln mit visionär gefärbten Momenten, in denen das Unsichtbare zu dramaturgischer Gegenwart wird. Wiederkehrende Motive – etwa Schwelle, Prüfung und Wandlung – strukturieren den Verlauf, ohne in bloße Allegorie zu verfallen. Charaktere werden nicht typisierend reduziert, sondern in ihrer inneren Bewegtheit gezeigt; dadurch gewinnen ethische und erkenntnistheoretische Fragen theatralische Spannung. Diese Verbindung von gedanklicher Strenge und poetischer Bildkraft prägt die besondere Tonlage der Mysteriendramen.
Die anhaltende Bedeutung dieser Werke liegt in ihrer Doppelbewegung: Sie eröffnen einen Zugang zu anthroposophischen Fragestellungen und wahren zugleich Eigenständigkeit als Kunst. Wer sie liest, begegnet einem Theater, das das Selbstverständnis des modernen Menschen befragt und die Möglichkeit realer innerer Entwicklung behauptet, ohne den Anspruch der Vernunft preiszugeben. Die Dramen haben damit eine Brückenfunktion zwischen Lebenspraxis, Erkenntnisstreben und ästhetischer Form. Sie sprechen Leserinnen und Leser an, die literarische Dichte suchen, ebenso wie solche, die Theater als Medium geistiger Erfahrung ernst nehmen und die Spannung zwischen Sinneswelt und geistiger Dimension produktiv erkunden möchten.
Indem dieser Band Die Pforte der Einweihung mit dem Nachspiel Die Prüfung der Seele zusammenführt, macht er die organische Fortsetzung der Fragen, Figurenbeziehungen und Motivketten unmittelbar erfahrbar. Die Anordnung folgt der inneren Dramaturgie des Zyklusbeginns und legt nahe, beide Texte in zeitlicher Nähe zu lesen, um Entwicklung und Vertiefung präzise nachzuvollziehen. Wer diesen Auftakt durchmisst, gewinnt Orientierung für die späteren Stationen, ohne dass hier etwas von deren Verlauf vorweggenommen würde. Damit bietet die Sammlung eine konzentrierte, aber offene Einführung in Steiners dramatische Welt – eine Einladung, den Weg der Einweihung als Theatererfahrung mitzuvollziehen.
Zwischen 1900 und 1914 suchte der deutschsprachige Kulturraum intensiv nach neuen geistigen Orientierungen. Neben naturwissenschaftlichem Positivismus gewannen Okkultismus, Lebensreform und symbolistische Kunst an Wirkung. Auf Bühnen, die von Wagner-Nachwirkungen und Maeterlincks Andeutungsdramatik geprägt waren, entstand ein Interesse an rituellen Formen des Theaters. Rudolf Steiner griff diese Strömungen auf, verband sie mit westlicher Esoterik und transformierte das mittelalterliche Mysterienmotiv in eine moderne Initiationsdramaturgie. In diesem Klima wurden die Mysteriendramen konzipiert, die statt äußerer Handlung innere Entwicklungsprozesse, karmische Verflechtungen und ethische Bewährungsproben ins Zentrum rücken und so einen Gegenentwurf zum naturalistischen Zeitdrama boten.
Steiners Werdegang prägte diese Ausrichtung. In den 1890er Jahren arbeitete er am Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar an Goethes naturwissenschaftlichen Schriften und vertiefte seine Idee einer „Geisteswissenschaft“. Ab 1897 in Berlin, wirkte er als Vortragsredner und Kulturpublizist, bevor er 1902 die Leitung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft übernahm. Die europaweiten Vortragsreisen und der Kontakt zu Künstlerinnen und Künstlern ließen den Wunsch entstehen, Einsichten nicht nur theoretisch, sondern performativ zugänglich zu machen. So reifte das Projekt von Bühnenwerken, die Erkenntniswege sichtbar machen und Sprache, Farbe, Musik sowie sprechkünstlerische Schulung zu einem bewusstseinsbildenden Theater verbinden.
Die theosophische Bewegung bot organisatorischen Rückhalt, erzeugte jedoch zugleich Spannungen, die die Mysteriendramen mitprägten. Nach dem Münchner Kongress von 1907 verstärkte Steiner seine künstlerischen Experimente. Als die internationale Leitung in Adyar um 1911/12 Jiddu Krishnamurti als „Weltlehrer“ herausstellte, kam es zum Bruch. 1913 gründete Steiner in Dornach die Anthroposophische Gesellschaft, die westlich-christliche Einweihung betonte. Diese Auseinandersetzungen führten zu einer klareren Profilierung der Dramen: Sie inszenieren individuelle Freiheit, Verantwortung und Erkenntnis im Rahmen eines mitteleuropäischen, rosenkreuzerisch gefärbten Esoterikverständnisses und richteten sich an ein Publikum, das geistige Vertiefung jenseits östlicher Heilsversprechen suchte.
Vor diesem Hintergrund wurden Die Pforte der Einweihung 1910 und Die Prüfung der Seele 1911 in München uraufgeführt und anschließend in Städten wie Berlin, Zürich und Wien gezeigt. Marie von Sivers, Steiners künstlerische Partnerin und spätere Marie Steiner, prägte Dramaturgie, Rezitation und Ensemblearbeit maßgeblich. Die Inszenierungen wollten seelische Prozesse durch Sprachgestaltung, symbolische Farbdramaturgie und eine bewusst reduzierte Mimik sichtbar machen. Handwerklich versierte Bühnenbildnerinnen und -bildner aus dem anthroposophischen Umfeld schufen stilisierte Räume, während zeitgenössische Musiker Beiträge lieferten. Damit positionierten sich die Produktionen als Alternative zur naturalistischen Psychologie und zum aufkommenden expressionistischen Gestus.
Zeitgleich wandelten Industrialisierung und Urbanisierung die Gesellschaft rasant. Debatten um Arbeiterrechte, Frauenbildung, Gesundheitsreform und Pädagogik prägten das Milieu der bürgerlichen Reformkreise, aus dem ein wesentlicher Teil des Publikums stammte. Lebensreformbewegungen propagierten vegetarische Kost, Naturheilkunde und freies Siedeln; Monismus- und Freiheitsdiskurse durchzogen die Presse. Die Mysteriendramen reagierten darauf, indem sie karmische Ursachen und individuelle Gewissensbildung mit Fragen sozialer Verantwortung verschränkten. Figuren erfahren Prüfungen, die Beruf, Wissenschaft, Kunst und Gemeinschaft berühren, und spiegeln somit die Suche nach einer ethisch fundierten Modernität, die rationales Denken nicht aufgibt, aber um spirituelle Selbstbildung ergänzt. Diese Resonanz verband private Sinnsuche mit öffentlichen Reformprojekten.
Die künstlerische Umsetzung gewann zusätzliche Impulse durch neue anthroposophische Künste. Ab 1912 entwickelte sich die Eurythmie als sichtbare Sprache und Tonbewegung, deren Gestik und Raumführung die Idee eines seelisch-geistigen Theaters stützte. 1913 begann in Dornach bei Basel der Bau des ersten Goetheanum, eines holzplastischen Festspielhauses, das als Zentrum für Forschung und Aufführung dienen sollte. Architektur, Farbgestaltung und Bühnenraum orientierten sich an organisch-dynamischen Formen der Zeit, zwischen Jugendstil und expressionistischer Tendenz. Die Mysteriendramen wurden als Kernrepertoire eines Gesamtkunstwerks geplant, in dem sprechkünstlerische Schulung, Musik, Bewegung und Architektur eine einheitliche Erkenntniserfahrung ermöglichen.
Die zeitgenössische Rezeption fiel gemischt aus. Münchner und Berliner Kritiker bemängelten didaktische Züge und eine „sektenhafte“ Ausrichtung, während Befürworter die Erneuerung der Bühnenmittel und die Aufwertung ethischer Fragen lobten. Vor dem Hintergrund nationalistischer Spannungen und des Balkankonflikts wirkten die universalen Motive von Verantwortung und Schicksal teils anachronistisch, teils versöhnend. Der Erste Weltkrieg unterbrach Aufführungsserien, doch Lesungen und kleinere Szenen blieben in anthroposophischen Kreisen präsent. Nach 1918 verschob die Revolutionserfahrung den Fokus: Steiners sozialer Dreigliederungsimpuls von 1919 sensibilisierte das Publikum dafür, die Dramen als Beiträge zur Gestaltung von Recht, Wirtschaft und Kultur zu lesen.
Langfristig prägten die Werke die anthroposophische Bühnenpraxis. Trotz des Brandes des ersten Goetheanum in der Silvesternacht 1922/23 wurden die Dramen in provisorischen Räumen gepflegt; mit dem 1928 eröffneten zweiten Goetheanum erhielten sie eine neue Heimat. Die Gründung der ersten Waldorfschule 1919 in Stuttgart, ebenso aus Steiners Impuls erwachsen, verknüpfte Bildungsfragen mit den im Drama verhandelten Entwicklungsstufen. In der Theatergeschichte gelten die Mysteriendramen heute als Teil esoterischer Moderne, die spirituelle Sinnsuche, Reformbewegungen und avantgardistische Formen verknüpfte. Wiederaufnahmen in Dornach und in freien Ensembles zeigen die anhaltende Resonanz auf Fragen nach Freiheit, Schuld und Gemeinschaft.
Zwei miteinander verbundene Mysteriendramen verfolgen den Weg einer modernen Einweihung: Ein Kreis von Suchenden tastet sich von Alltagskonflikten über seelische Krisen zu übersinnlichen Erfahrungen vor und ringt darum, Erkenntnis, Freiheit und Verantwortung zu verbinden.
Vom ersten Überschreiten der Schwelle in Die Pforte der Einweihung bis zu den inneren Bewährungsproben des Nachspiels Die Prüfung der Seele zeigt sich eine Vertiefung vom Erkenntnisimpuls zur ethisch-praktischen Läuterung; wiederkehrende Motive wie Karma, das Zusammenwirken von Denken, Fühlen und Wollen sowie der Wechsel zwischen realistischen Dialogen und symbolischen Schauplätzen prägen Ton und Verlauf.
Inhaltsverzeichnis
Ein Rosenkreuzermysterium durch Rudolf Steiner
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
– des Vorspiels und des Zwischenspiels:
Sophia Estella Zwei Kinder
– des Mysteriums:
Johannes Thomasius Maria Benedictus Theodosius, dessen Urbild im Verlaufe als Geist der Liebe sich offenbart Romanus, dessen Urbild im Verlaufe als Geist der Tatkraft sich offenbart Retardus, nur als Geist wirksam German, dessen Urbild im Verlaufe als Geist des Erdgehirns sich offenbart Helena, deren Urbild im Verlaufe als Lucifer sich offenbart Maria Philia, Astrid, Luna, deren Urbilder im Verlaufe als Geister von Marias Seelenkräften sich offenbaren Professor Capesius Doktor Strader, der sich als ein Träger des Naturgeistes offenbart Felix Balde, Frau Balde Die andre Maria, deren Urbild im Verlaufe sich als Seele der Liebe offenbart Theodora, Seherin Ahriman, nur als Seele wirksam gedacht Der Geist der Elemente, nur als Geist wirksam gedacht Ein Kind, dessen Urbild im Verlaufe als junge Seele sich offenbart
Inhaltsverzeichnis
Zimmer der Frau Sophia, in gelbrötlichem Farbenton gehalten. (Sophia mit ihren beiden Kindern, einem Knaben und einem Mädchen, dann Estella.)
Singen der Kinder: (Sophia begleitet auf dem Klavier) Der Sonne Licht durchflutet des Raumes Weiten, der Vögel Singen durchhallet der Luft Gefilde, der Pflanzen Segen entkeimet dem Erdenwesen, und Menschenseelen erheben in Dankgefühlen sich zu den Geistern der Welt.
Sophia: Und nun, Kinder, geht in eure Stube und überdenkt die Worte, die wir eben geübt haben (Sophia geleitet die Kinder hinaus, Estella tritt ein.)
Estella: Sei mir gegrüsst, meine liebe Sophie. Ich störe dich doch nicht.
Sophia: Nein, meine gute Estella. Sei mir herzlich willkommen. (Fordert Estella zum Sitzen auf und setzt sich selbst.)
Estella: Hast du gute Nachrichten von deinem Manne?
Sophia: Recht gute. Er schreibt mir, dass der Kongress der Psychologen ihn interessiere, trotzdem die Art, wie da manche grosse Frage behandelt wird, wenig ansprechend sei. Ihn als Seelenforscher interessiert aber gerade, wie die Menschen sich durch eine bestimmte Weise geistiger Kurzsichtigkeit die freie Aussicht auf die eigentlichen Geheimnisse unmöglich machen.
Estella: Nicht wahr, er hat doch vor, selbst über ein wichtiges Thema zu sprechen?
Sophia: Ja, über ein Thema, das ihm und auch mir sehr wichtig scheint. Eine Wirkung verspricht er sich allerdings nicht von seinen Ausführungen, in Anbetracht der wissenschaftlichen Vorstellungsarten der Kongressteilnehmer.
Estella: Es führt mich ein Wunsch zu dir, meine liebe Sophie. Könnten wir diesen Abend nicht gemeinsam verbringen? Es ist heute die Aufführung der »Enterbten des Leibes und der Seele«, und du könntest mir keine grössere Freude machen, als wenn du mit mir zusammen die Vorstellung besuchen wolltest.
Sophia: Es ist dir entfallen, liebe Estella, dass heute abend gerade für unsere Gesellschaft selbst die Aufführung ist, auf die wir uns seit langer Zeit vorbereitet haben.
Estella: Ach ja, das hatte ich vergessen. So gern hätte ich diesen Abend mit der alten Freundin verlebt. Ich freute mich von ganzem Herzen, an deiner Seite in die tiefen Untergründe unseres gegenwärtigen Lebens zu schauen. – Doch deine mir so fremde Ideenwelt wird auch noch den letzten Rest des schönen Bandes zerstören, das unsere Herzen verknüpft, seit wir zusammen auf der Schulbank gesessen.
Sophia: Das sagtest du mir schon oft; doch hast du mir immer wieder zugeben müssen, dass unsere Meinungen keine Scheidewand aufzurichten brauchten zwischen den Gefühlen, welche seit der gemeinsam verlebten Jugend in jeder von uns für die andere leben.
Estella: Es ist wahr, das habe ich oft gesagt. Doch erweckt es mir immer wieder Bitternis, wenn ich sehen muss, wie mit jedem Jahre fremder dein Empfinden wird allem, was mir im Leben wertvoll scheint.
Sophia: Wir könnten einander eben dadurch viel sein, dass wir uns gegenseitig gelten liessen in dem, wozu unsere verschiedenen Anlagen uns geführt.
Estella: Ach, oft lasse ich mir von meinem Verstande sagen, dass du darinnen recht hast. Und doch ist etwas in mir, was sich auflehnt gegen die Art, wie du das Leben betrachtest.
Sophia: Gib dir doch ernstlich einmal zu, dass du damit eigentlich von mir die Verleugnung meines innersten Wesenskernes verlangst.
Estella: Ja, ich wollte das auch alles gelten lassen, wenn nur eines nicht wäre. Ich kann mir ganz gut denken, dass Menschen verschiedener Vorstellungsarten sich in völliger Sympathie der Gefühle begegnen. Deine Ideenrichtung legt dir aber förmlich die innere Verpflichtung zu einer gewissen Überhebung auf. Andere Menschen können ganz gut so zueinander stehen, dass sie von ihren Ansichten denken, diese seien durch veaschiedene mögliche Standpunkte bedingt und stehen als gleichberechtigt nebeneinander. Deine Anschauung aber gibt sich allen anderen gegenüber als die tiefere. Sie sieht in den andern nur Ausflüsse eines untergeordneten menschlichen Entwicklungsgrades.
Sophia: Aus dem, was wir so oft besprochen, könntest du aber wissen, dass meine Gesinnungsgenossen den Wert des Menschen im letzten Grunde doch nicht nach seiner Meinung und seinem Wissen bemessen. Und wenn wir auch unsere Ideen als diejenigen betrachten, ohne deren lebendige Erfassung alles andere Leben ohne rechten Grund ist, so bemühen wir uns doch so ernstlich als möglich, den Menschen deshalb nicht zu überschätzen, weil er sich zum Werkzeug gerade unseres Lebensinhaltes machen darf.
Estella: Das scheint alles schön gesprochen. Es will mir aber einen Argwohn nicht nehmen. Denn ich kann mich davor nicht verschliessen, dass eine Weltansicht, welche sich eine unbedingte Tiefe zuschreibt, nur auf dem Umweg einer vorgetäuschten Tiefe zu einer gewissen Oberflächlichkeit führen muss. Du bist mir eine viel zu liebe Freundin, als dass ich dir kommen möchte mit dem Hinweis auf diejenigen deiner Gesinnungsgenossen, die auf eure Ideen schwören und den geistigen Hochmut in schlimmster Art zur Schau tragen, trotzdem die Leerheit und Banalität ihrer Seele aus jedem ihrer Worte und aus ihrem ganzen Verhalten spricht. Und auch darauf will ich dich nicht weisen, wie stumpf und gefühllos gegen ihre Mitmenschen gerade manche eurer Anhänger sich zeigen. Deine grosse Seele hat sich ja doch niemals dem entziehen können, was das tägliche Leben nun einmal von jedem Menschen verlangt, der im echten Sinne als ein guter bezeichnet werden muss. Doch gerade, dass du mich heute allein lässt, da, wo echtes, künstlerisches Leben spricht, das zeigt mir auch an dir, dass eure Ideen doch gegenüber diesem Leben – verzeihe das Wort – eine gewisse Oberflächlichkeit erzeugen.
Sophia: Und wo liegt diese Oberflächlichkeit?
Estella: Du solltest doch wissen, da du mich so lange kennst, wie ich mich losgerungen von einer Lebensart, die von Tag zu Tag nur jagt nach dem, was Herkommen und banale Meinungen vorschreiben. Ich habe gesucht, kennenzulernen, warum so viele Menschen anscheinend unverdient leiden müssen. Ich bestrebte mich, den Niederungen und den Höhen des Lebens nahezutreten. Ich habe auch die Wissenschaften, soweit sie mir zugänglich sind, befragt, um allerlei Aufschlüsse zu erlangen. – Nun, halten wir uns an Einen Punkt, der gerade durch diesen Augenblick geboten ist. Es ist mir bewusst geworden, was echte Kunst ist. Ich glaube zu verstehen, wie sie das Wesen des Lebens erfasst und die wahre, die höhere Wirklichkeit vor unsere Seele hinstellt. Ich meine den Pulsschlag der Zeit zu Spüren,wenn ich solche Kunst auf mich wirken lasse. Und mir graut, wenn ich nun denken soll: Du, meine liebe Sophie, ziehst diesem Interesse an lebensvoller Kunst etwas vor, was mir doch nichts anderes zu sein scheint als die abgetane lehrhaft-allegorische Art, welche puppenhafte Schemen statt lebendiger Menschen betrachtet und sinnbildliche Vorgänge bewundert, die fernstehen allem, was im Leben täglich an unser Mitleid, an unsere tätige Anteilnahme sich wendet.
Sophia: Meine liebe Estella, du willst eben nicht begreifen, dass da erst das reichste Leben sein kann, wo du nur ausgeklügelte Gedanken siehst. Und dass es Menschen geben darf, welche deine lebensvolle Wirklichkeit dann arm nennen müssen, wenn sie nicht gemessen wird an dem, woraus sie eigentlich hervorsprudelt. Es mag dir manches herb klingen an meinen Worten. Allein unsere Freundschaft fordert ungeschminkte Aufrichtigkeit. Du kennst, wie so viele, von dem, was Geist genannt wird, nur das, was Träger des Wissens ist; du hast nur ein Bewusstsein von der Gedankenseite des Geistes. Auf den lebendigen, den schöpferischen Geist, der Menschen gestaltet mit elementarer Macht, wie Keimeskräfte in der Natur Wesen gestalten, willst du dich nicht einlassen. Du nennst wie so viele zum Beispiel in der Kunst das naiv und ursprünglich, was den Geist in meiner Auffassung verleugnet. Unsere Art der Weltauffassung vereinigt aber volle bewusste Freiheit mit der Kraft des naiven Werdens. Wir nehmen bewusst in uns auf, was naiv ist, und berauben es dadurch nicht der Frische, Fülle und Ursprünglichkeit. Du glaubst, man könne sich nur Gedanken über einen menschlichen Charakter machen: dieser aber müsse sich gleichsam von selbst formen. Du willst nicht einsehen, wie der Gedanke in den schaffenden Geist taucht, an des Daseins Urquell rührt und sich entpuppt als der schöpferische Keim selbst. – So wenig die Samenkräfte die Pflanze erst Lehren, wie sie wachsen soll, sondern sich als lebendig Wesen in ihr erweisen, so lehren unsere Ideen nicht: sie ergiessen sich, Leben entzündend, Leben spendend in unser Wesen. Ich verdanke den Ideen, die mir zugänglich geworden sind, alles, was mir das Leben sinnvoll erscheinen lässt[1q]. Ich verdanke ihnen den Mut nicht nur, sondern auch die Einsicht und die Kraft, die mich hoffen lassen, aus meinen Kindern Menschen zu machen, die nicht nur im hergebrachten Sinne arbeitstüchtig und für ein äusseres Leben brauchbar sind, sondern die innere Ruhe und Befriedigung in der Seele tragen werden. Und, um nicht in alles mögliche zu verfallen, will ich dir nur noch sagen: Ich glaube zu wissen, dass die Träume, welche du mit so vielen teilst, sich nur dann verwirklichen können, wenn es den Menschen gelingt, das, was sie Wirklichkeit und Leben nennen, anzuknüpfen an die tieferen Erfahrungen, die du Phantastereien und Schwärmereien so oft genannt hast. Es mag dir sonderbar erscheinen, wenn ich dir gestehe, dass ich so manches, was dir echte Kunst dünkt, nur als unfruchtbare Lebenskritik empfinde. Denn es wird kein Hunger gestillt, keine Träne getrocknet, kein Quell der Verkommenheit geschaut, wenn man bloss die Aussenseite des Hungers, der tränenvollen Gesichter, der verkommenen Menschen auf den Brettern zeigt. Wie das gewöhnlich gezeigt wird, steht den wahren Tiefen des Lebens und den Zusammenhängen der Wesenheiten unsäglich ferne.
Estella: Wenn du so sprichst, bist du mir nicht etwa unverständlich, sondern du zeigst mir nur, dass du eben doch lieber in Phantasien schwelgen willst, als des Lebens Wahrheit schauen. Auf diesen Wegen gehen wir ja doch auseinander. – Ich muss heute abend auf meine Freundin verzichten. (Aufstehend.) Jetzt muss ich dich verlassen; ich denke, wir bleiben doch die alten Freundinnen.
Sophia: Wir müssen es wirklich bleiben.
(Während die letzten Worte gesprochen werden, geleitet Sophia die Freundin zur Türe. Der Vorhang fällt.)
Inhaltsverzeichnis
Zimmer in rosenrotem Grundton, rechts, vom Zuschauer aus gemeint, die Tür zu einem Versammlungssaal; die Personen kommen aus diesem Saal nach und nach heraus; eine jede verweilt noch einige Zeit in diesem Zimmer. Während dieses Verweilens sprechen sich die Personen über mancherlei aus, was in ihnen durch eine Rede angeregt worden ist, die sie in dem Versammlungssaal gehört haben. (Maria und Johannes kommen zuerst, dann treten andere hinzu. Es ist die gehaltene Rede seit einiger Zeit zu Ende, und die folgenden Reden sind Fortsetzungen von Gesprächen, welche die Personen schon im Versammlungssaal geführt haben.)
Maria: So nahe geht es mir, mein Freund[2q], dass ich dich welken seh’ an Geist und Seele. und fruchtlos sehen muss ich auch das schöne Band, das zehen Jahre uns vereint. Auch diese inhaltvolle Stunde, in welcher wir so vieles hören durften, was Licht in dunkle Seelentiefen strahlt, sie hat nur Scharten dir gebracht. Ich konnte nach so manchem Worte, das unser Redner eben sprach, im eignen Herzen mitempfinden, wie tief es dich verwundet. – – – – – – – – – – – – – –
Ich sah in deine Augen einst: sie spiegelten Freude nur an aller Dinge Wesenheit, und deine Seele hielt in schönheitvollen Bildern fest, was Sonnenlicht und Luft, die Körper überflutend und offenbarend Daseinsrätsel, in flücht’gen Augenblicken malen. Noch war gelenk nicht deine Hand, in derber Farbenpracht nicht konnte sie verkörpern, was lebensvoll vor deiner Seele schwebte. In unsrer beider Herzen lebte der schöne Glaube doch, dass sicher dir die Zukunft bringen müsse die Kunst der Hand zur frohen, in des Geschehens Grund so innig-tief ergossnen Seele. Und was vom Daseinswesen offenbart so wunderbar des Geistes Forscherkraft, es werde Seelenwonnen aus deiner Kunst Geschöpfen in Menschenherzen giessen: so dachten wir in jenen Zeiten. der Zukunft Heil im Spiegel höchster Schönheit, entspringend deinem Können: so malte deiner Seele Ziel die meine sich. Und nun ist wie erloschen in deinem Innern alle Kraft, wie tot ist deine Schaffensfreude, gelähmt fast scheint der Arm, der jugendfrisch vor Jahren den Pinsel kräftig führte.
Johannes Thomasius: So leider ist es. Ich fühle wie verschwunden der Seele früh’res Feuer. Und stumpf nur schaut mein Auge den Glanz der Dinge, den Sonnenlicht verbreitet über sie. Fast fühllos bleibt mein Herz, wenn wechselnde Luftstimmung hingleitet über meinen Umkreis. Es regt sich nicht die Hand, zu zwingen in die bleibende Gegenwart, was flüchtig Elementgewalten aus Daseinsgründen zaubern vor die Sinne. Es quillt mir lustvoll nicht mehr der Schaffenstrieb. Und Dumpfheit breitet über all mein Leben sich.
Maria: Beklagen muss ich tief, dass solches dir erwächst aus allem, was mir das Höchste, was Strom des heiligen Lebens mir ist. O Freund, in jenem Wechselspiel[3q], das Menschen Dasein nennen, verbirgt ein ewig geistig Leben sich. Und jede Seele webt in diesem Leben. Ich fühle mich in Geisteskräften, die wirken wie in Meerestiefen, Und seh’ der Menschen Leben wie Wellenkräuseln an des Wassers Oberfläche. Ich fühle eins mit allem Lebenssinne mich[4q], nach dem die Menschen rastlos streben, und welcher mir nur scheint des eignen Wesens Offenbarung. Ich sah, wie oft er sich verband mit eines Menschen Seelenkern, zum Höchsten ihn erhebend, was nur das Herz erflehen kann. Doch wie er lebt in mir, erweist als böse Frucht er sich, berührt mein Wesen sich mit andrer Menschen Wesen. Es zeigt sich dies mein Schicksal auch in allem, was dir ich geben wollte, der liebend sich mir nahte. An meiner Seite wolltest du die Wege wacker gehen, die dich zu edlem Schaffen führen sollten. Und was ist nun geworden! Was stets als reinstes Leben sich mir offenbart, in seines eignen Wesens Wahrheit, es war der Tod für deinen Geist.
Johannes: Es ist so. Was deine Seele trägt in lichte Himmelshöhen, will stürzen mich, erleb ich es mit dir, in finstre Todesgründe. Als du in unsrer Freundschaft Morgenröte mich führtest zu der Offenbarung, die Licht verbreitet in den Finsternissen, die ohne wissend Leben jede Nacht betritt die Menschenseele; in welche wandert des Menschen irrend Wesen, wenn Todes Nacht zu spotten scheint des Lebens wahrem Sinn; und als du wiesest mir die Wahrheit von der Wiederkehr des Lebens, – da konnte ich mir denken, dass ich erwachsen werde zum echten Geistesmenschen. Und sicher schien es mir, dass eines Künstlerauges Schärfe und alles Künstlerschaffens Sicherheit mir erst erblühen werden durch deines Feuers edle Kraft. Ich liess auf mich nun wirken dieses Feuer, da raubt’ es mir der Seelenkräfte Ineinanderfliessen; es presste allen Glauben an die Welt erbarmungslos mir aus dem Herzen. Und nun bin ich so weit gekommen, dass Klarheit mir auch darin fehlt, ob ich bezweifeln soll, ob glauben die Offenbarung aus den Geisteswelten. Und dazu selbst ermangle ich der Kraft, zu lieben, was in dir des Geistes Schönheit kündet.
Maria: Ich muss seit Jahren es erkennen, dass meine Art, das Geistesselbst zu leben, ins Gegenbild sich wandelt, durchdringt es manches andern Menschen Art. Und sehen muss ich auch wie segenspendend sich die Geisteskraft erweist, gelangt auf andern Wegen sie in Menschenseelen.
(Es treten Philia, Astrid und Luna ein.)
Sie wird im Worte ausgesprochen, doch wird das Wort zur Kraft und lenkt in Weltenhöhen der Menschen Denkungsart. Es schafft da frohe Stimmung, wo trüber Sinn erst lebte; imstande ist es, umzuwandeln die Flüchtigkeit des Geistes in würdig ernstes Fühlen; dem Menschenwesen gibt es sich’re Prägung. Und ich, ich bin ergriffen ganz von dieser Geisteskraft, und muss gewahren, dass Schmerzen und Verwüstung sie mit sich trägt, ergiesst aus meinem Herzen sie in andre Herzen sich.
Philia: Es war, als ob ein ganzer Chor (Es treten Professor Capesius und Doktor Strader ein.) aus Meinungen und Gesinnungen zusammentönte in dem Kreise, der eben uns vereinte. Der Harmonien gab es viele, doch auch so manche herbe Dissonanz.
Maria: Wenn vieler Menschen Worte in solcher Art sich vor die Seele stellen, dann ist’s, als ob geheimnisvoll dazwischenstünde des Menschen volles Urbild; es zeigt in vielen Seelen sich gegliedert, wie das Eine Licht im Regenbogen sich in vielen Farbenarten offenbart.
Capesius: So hat man denn in vielen Jahren ernsten Strebens durchwandert mancher Zeiten wechselnd Wesen, zu forschen stets nach allem, was lebte in den Menschengeistern, die künden wollten Daseinsgründe und weisen Lebensziele ihrem Wirken. Man glaubte, in der eignen Seele des Denkens hohe Macht belebt zu haben und manchen Schicksals Rätsel. man konnte meinen, dass man fühle im Innern alles Urteils feste Stützen, wenn neu Erlebtes fragend sich vor die Seele drängt. Doch wankend wird die Stütze mir bei allem, was ich schon früher, und auch in dieser Stunde wieder, mit Staunen habe hören können von dieser hier gepflegten Denkungsart. Und wankend wird sie vollends, wenn ich bedenke, wie gewaltig die Wirkung sich erweist im Leben. So manchen Tag hab’ ich damit verbracht: was ich den Zeitenrätseln abgelauscht, in solchen Worten auszusprechen, die Herzen fassen und erschüttern können. Und froh schon war ich, wenn nur die kleinste Ecke im Seelenwesen meiner Hörerschar ich voll erwärmen konnte. Und manches schien mir auch erreicht. Nicht klagen kann ich über Misserfolg. doch alles Wirken solcher Art, es konnte mich nur führen zur Anerkennung jener Meinung, die so geliebt wird und betont im Reich der Tatenmenschen: dass in des Lebens Wirklichkeit Gedanken nichts als blasse Schatten sind. Sie könnten wohl befruchten die Schaffensmächte unsres Lebens; sie zu gestalten aber ist ihnen nicht gegeben. Und längst hab’ ich mich abgefunden mit dem bescheidnen Wort: wo nur Gedanken-Blässe wirkt, erlahmt das Leben und auch alles, was sich dem Leben zugesellt. Und stärker als die reifsten Worte mit ihrer inhaltvollen Kunst erweist im Leben sich Begabung als Naturgeschenk, erweist das Schicksal sich. Die Bergeslast der Überlieferung und dumpfer Vorurteile Alp, sie werden stets erdrücken der besten Worte Kraft. Was hier jedoch sich zeigt, gibt viel zu denken Menschen meiner Art. Erklärlich schien uns solche Wirkung, wo überhitzter Sektengeist, die Seelen nur betörend, sich über Menschen giesst. Doch hier ist nichts von solchem Geist zu sehn. Man will nur durch Vernunft zur Seele sprechen. und doch: man schafft durch Worte echte Lebenskräfte, und spricht zum tiefsten Herzensgrund. Und selbst des Wollens Reich ergreift das sonderbare Etwas, das jenen, die gleich mir in alten Bahnen wandeln, als blasses Denken nur erscheinen will. Ich bin ganz unvermögend, zu leugnen solche Wirkung; ich kann nur nicht mich selber ihr ergeben. Es spricht dies alles zu mir so ganz eigenartig: nicht so, als ob an mir es wäre, zurückzustossen das Erlebte; es scheint mir fast, als könnte dieses Etwas meine Art in sich nicht dulden.
