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Die Kurzgeschichten speisen sich aus der Erinnerung. Mit dem zeitlichen Abstand zu den Ereignissen ist eine Betrachtung derselben möglich. Verlust ist der Motor, der uns treibt. Menschen gehen, die für uns eine Bedeutung haben. Wir bleiben zurück mit einem Korb Früchte, die mit den Jahren gereift sind.
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Seitenzahl: 76
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Dank
Wenn das Scheisshaus stinkt
Mit IRa bei NEON
Allein. Mütter in Lichtenbroich
Siebenbürgische Hochzeit
Schnee am Nikolaustag
Der letzte Tanz
Mein erster Kuss mit 9
Die Nadel im Heuhaufen
Impressum
Danke für deine Geduld.
Danke für deine Mühe.
Danke für dein Durchhalten.
die Produzentin
Wenn das Scheißhaus stinkt
– Tag 3 -
oder
Von der Unabhängigkeit des Plumsklos
Die Herren sitzen da wie ein Kollektiv Sphinxen. Mitten in Düsseldorf. Und nun unwürdig wegen Umbau in Containern vor dem Haus der Häuser gelandet.
Jeder einzelne von ihnen sieht aus wie der Direktor persönlich. Gestylt und abweisend: „Was will dieser Pöbel hier? Auf der Straße ist doch Platz genug.“
Ich ziehe eine Nummer und warte. Habe das Gefühl, ich bin ein Krebsgeschwulst. Unerwünscht. Denn eigentlich sitzen sie da nur um gesehen zu werden. Um eine gute Figur zu machen. In ihren Anzügen. Denn das steht eindeutig in der Stellenbeschreibung.
Ich komme nicht dran. Stattdessen der Mann, der nach mir kam.
Ich beschwere mich bei den Göttern, die da sitzen in den Anzügen.
Nicht auf der Kö, nein, auf dem Höher Weg.
Der Vortänzer im Container hat sofort die Antwort parat: der Kunde nach mir hatte sich eine liegengebliebene Nummer gegriffen und so war er vor mir dran.
Die Götter sind unschuldig. Das weiß doch jedes Kind.
Dann ist erst einmal das Warten angesagt, denn ich bin eine Verbrecherin, denn ich habe mich beschwert und habe damit den Olymp entweiht.
Keiner wartet. Nur ich. Die Herren machen alle angestrengt Etwas. Alle Augen sind auf die PC s oder aber auf wichtige Dokumente auf den Schreibtischen gerichtet.
Ich verstehe: Ich muss für die Sünde, die ich mir geleistet habe büßen.
Dann sind weitere kostbare Lebensminuten ins Land gegangen und ich warte weiter.
Noch einmal beschweren? Bei wem? Will ich geschlagen werden?
Ich stehe meine Strafe ab. Habe mir ein Papier und einen Stift gegriffen und schreibe am Stehtisch. Schließe mich der kollektiven Geschäftigkeit an.
Doch dann, ich weiß schon gar nicht mehr warum ich hier bin, bin ich dann doch dran.
Ein Gott im Anzug empfängt mich mit kalten Augen.
„Ich will den günstigsten Stromtarif“, entspringt es meinem sündigen Munde.
Fülle Antrag aus. Gehe nach Hause.
Herren in Anzügen sitzen weiter ante portas.
Dann kommt die Jahresabrechnung kurz vor Weihnachten, sozusagen als Vorweihnachtsgeschenk.
Wir müssen mehr zahlen, mehr als vorher, obwohl wir den günstigsten Strom haben.
Tue wieder meinen sündigen Mund auf. Es wird nachgerechnet. Von EUR 910,00 kommen die Herren in den Anzügen auf EUR 685,00 nun. Ich meine, die Endrechnung ist für Strom, Gas und Wasser, und dass die Konten miteinander kommunizieren.
Eine Ratenzahlung wird vereinbart. Januar bis Juni 2015.
Wir zahlen. Das Geld versackt im Bermunda Dreieck Höher Weg.
Keine Mahnung nur ein Außendienst Mitarbeiter, der uns ohne Ankündigung aufsucht und uns nicht findet. Das Wasser dadurch nicht sperren kann.
Tja, gehen die Herren in den Anzügen davon aus, dass Alle Hartz IV Empfänger sind, wir inklusive?
Wir zahlen. Per Mail wird für Wasser eine Überzahlung von EUR 64,00 bestätigt.
Trete zum Appell an, bei den Herren in den Anzügen, die da sitzen und warten, dass keiner kommt.
Sphinx artig sitzen nun alle im Gebäude. Alles frisch, alles in Grün. Erspart Ausgaben für Grünpflanzen. Raffiniert.
Spreche mit Mitarbeiter, er kann mir leider nicht helfen, dann Audienz beim Chef.
Er rechnet mir was vor.
Unsere Schulden sind von 457 am 22.05. 2015 sind am 27 desselben Monats auf EUR 512,00 gestiegen. Einfach nur so auf dem Weg von Kürten Straße in Unterrath zum Höher Weg.
Die Raten wurden auf das falsche Konto überwiesen. Zum Wasser. Dort ist ein Plus, dennoch wird Wasser gesperrt weil beim Strom ein minus ist.
Also kommunizieren die Konten doch miteinander denn für den Normalo hätte dann doch der Strom gesperrt werden müssen.
David gegen Goliath – wer gewinnt?
Kündige den Strom.
Die Herren in den Anzügen sitzen da und schauen uns Sphinx artig zu wie bei uns das Scheisshaus stinkt.
Soll auch noch andere Stromanbieter geben. Habe ich gehört. Nicht nur Goliath hat Strom, denkt sich die kleine Davidine.
Martha hatte Freundin IRa mitgenommen zu der Vernissage von NEON. Sie war für Martha ein eher vorsichtig zu genießender Umgang. Zu oft benutzte sie die Worte: rattig sein, Ficken wollen und ähnliches. Schwanz kam recht häufig in ihrer Wortwahl vor. Oder IRa beschrieb die letzten Schwänze, die sie beehrt hatten. In welchen Kreis war Martha da hineingeraten? War dies nicht die Vorstufe zur Gosse? Oder war es schon die Gosse selbst? Kannte Martha die Gosse überhaupt? Oder meinte sie, eventuell Gestalten aus diesem Bereich zu kennen?
Mit einem hautengen, schwarzen Oberteil, sehr eng anliegender Hose bekleidet, nahm IRa den Kampf an der Männerfront auf. Kniehohe schwarze Stiefel rundeten ihr Outfit ab. Martha wurde den Gedanken nicht los, dass IRa sich gerne als Femme fatale sah. Gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst – wer konnte es so genau sagen, welche Absichten IRa im Gepäck mit sich trug. Das gesamte Ensemble kam unheimlich nah an - nicht edel wie wohl beabsichtigt - sondern eher an den Begriff NUTIG heran.
Wir aßen beim Empfang Brezeln und tranken eine lecker Weinchen. Vor allem aber lauschten wir den schlauen Reden. Herr Nandon von der Kunstgruppe sprach die einleitenden Worte zu dem zahlreich erschienen und sehr gut gekleideten Publikum.
Frank, ein Teilnehmer aus dem B-Portal, kam 20:00 Uhr und stellte sein Auto frontal zum Haus Scheibenstraße 20.
IRa stand vor ihm wie das Kaninchen vor der Schlange. War sie bereits betört von dem was kommen sollte? Sie ging wie benommen auf ihn zu, stieg ins Auto und war weg. Komplett weg sollte sich in den nächsten Tagen herausstellen.
„Wir sind die halbe Nacht herumgezogen, haben geredet, berichtete IRa zu einem späteren Zeitpunkt 3 Whiskey Cola hatte IRa getrunken. Und dadurch wurde sie wild. Sie küssten sich. Sie entflammte und er hatte sie dort wo er sie haben wollte. Sie fuhren zu ihr nach Hause und hatten geilen Sex. So O-Ton IRa. Besser ging schon gar nicht mehr. Und alles bis zum Morgengrauen.
IRa hatte das gekonnt eingefädelt. Ihre 8-jährige Tochter hatte sie zur Oma weggebracht. Den kleinen Säugling, erst wenige Wochen alt, verschwieg sie Frank, dem Mann aus Aachen. Da die Altbauwohnung auch relativ groß und weitläufig war, war das Weinen des Kindes wohl nicht zu hören.
IRa musste zur Arbeit. Er wartete auf sie in ihrem Heim und hatte für das Mittagessen eingekauft. Er hatte sogar die Küche geputzt. „Das hat bis jetzt noch keiner für mich gemacht“, berichtete Ira der erstaunten Martha ganz aufgeregt. Das Erstaunen war ihr Stunden danach noch anzuhören und anzusehen.
„Es ist alles so geil und unbeschreiblich.“ waren IRas Worte.
„Was weist du über ihn“, bohrte Martha weil IRa vor lauter Euphorie die Bodenhaftung zu verlieren schien. Er ist KFZ- Mechaniker. Sein Auto war komplett getunt. Nebenbei fährt er behinderte Kinder. Er lebt in Belgien. Dort hat seine Mutter ein Haus für ihn gekauft. Er ist gerade dabei dieses Haus sanieren und restaurieren zu lassen. Er bereitet es für eine Familie vor. Sein eigener Sohn lebt bei seiner Mutter im Allgäu.
Mehrfach hatte das Jugendamt IRa, die alleinerziehende Mutter besucht.
Ihr letzter Freund hatte sie an einem Samstagmorgen - es war gerade mal 5 Uhr morgens – lebensgefährlich verletzt. Sie hatten einen heftigen Streit weil Stefan so spät aus der Kneipe um die Ecke ankam. Dabei sollte er früh morgens zur Arbeit gehen. Bei dem Alkohol Pegel konnte er seine Arbeit jedoch vergessen. Schon wieder sollte IRa in der Arbeit anrufen und Stefan krank melden. IRa weigerte sich. Das führte dazu, dass Stefan mit dem Brotmesser auf IRa losging. Sie wurde an der rechten Schulter verletzt und schrie vor lauter Angst das ganze Haus zusammen.
Mit letzter Kraft und völlig aufgelöst rief IRa die Polizei, besser gesagt sie schrie in den Hörer um Hilfe. Die Polizei kam und sah und rief den Krankenwagen, der IRa ins Krankenhaus brachte. Um die Pflege ihrer Kinder kümmerte sich das Jugendamt. Der Freund bekam Hausverbot. IRa wurde aus dem Krankenhaus entlassen und war nun bei ihren Kindern zu Hause.
Ira war es, die Stefan anrief und ihn bat vorbei zu kommen. Doch Stefan hatte schiss. Er hätte es wohl tun wollen, fürchtete jedoch gegen die polizeiliche Auflage zu verstoßen. IRa war verzweifelt. Sie hatte das Gefühl, sie schafft es nicht allein.
Das Kind, Ihre älteste Tochter bekam sie von einem, den sie im Internet kennengelernt hatte. Nur einmal waren sie zusammen. Auch hatte sie im Anschluss die Pille danach genommen. Hatte aber nichts gebracht. Das Kind wurde geboren. Sabia war ihr ein und alles. Sie hatte sich schon immer ein Kind gewünscht. Nun war dieses Wunschkind endlich da.
Ihre Tochter Sabia, 8 Jahre alt ließ sie in der Wohnung allein mit dem Säugling. Die Tochter misshandelt den Säugling, sie gibt ihm keine Nahrung und – wenn er weint – schließt sie ihn in die Speisekammer ein.
IRa hatte den Kopf nicht frei. Nicht für die Tochter, nicht für den kleinen Säugling. Sie war gerade mit ihrer Schwester beschäftigt. Besser gesagt mit dem Tod ihrer Schwester Diana. Ihre Schwester war die Nutte von Flingern, die ihr Geld auf dem Strich in der Charlottenstraße verdiente.
Diana sah aus wie ein bunter Vogel. Sie hatte eine sehr glatte Gesichtshaut und war immer mit einem sehr stark geschminkt unterwegs. Erstaunlich dieses faltenfreie Gesicht mit ihren 54 Jahren. Die Haare trug sie zu einem fast visionär anmutenden Gebilde aufgetürmt. Durch die Haare war eine zierliche Person glatte 25 cm höher.
Sie war meist mit sehr kurzen Röcken und sehr hohen Plateau Schuhen zu sehen. In einem kleinen Ensemble von 2 Wohnhäusern im Zwickel zwischen Bruchstraße und Cranach Straße wohnte sie. Ein Spielplatz vor den Häusern signalisierte, dass dort Kinder herum tobten, dass dort Leben war.