Notärztin Andrea Bergen 1456 - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1456 E-Book

Hannah Sommer

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Beschreibung

So gerne wäre Stella Koppenhöfer ein ganz normaler Teenager, doch seit ihrer Geburt leidet sie an Thalassämie. Die Blutkrankheit bremst sie aus, verzögert ihre Entwicklung, und sie merkt immer mehr, dass sie mit ihrer Clique nicht mithalten kann. Einzig die regelmäßigen Bluttransfusionen helfen ihr, ihren Alltag einigermaßen zu bestreiten. Aber Stella wünscht sich, genauso normal wie ihre Freundinnen zu sein, und beginnt, die Behandlung abzulehnen. So werden die anstehenden Transfusionstermine zunehmend zu einem Kampf um jeden Tropfen Blut.
Auch ihre Mutter Beate leidet unter der angespannten Situation. Sie will ihrer Tochter unbedingt helfen, ein weitestgehend normales Leben zu führen. Als sie den Hämatologen Dr. Thies Neumann kennenlernt und dieser ihr von einer neuen Behandlungsmethode erzählt, schöpft die alleinerziehende Mutter neue Hoffnung. Stella jedoch fasst die Nachricht ganz anders auf als erwartet, und vor dem nächsten Behandlungstermin ist sie plötzlich spurlos verschwunden ...


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Seitenzahl: 126

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Inhalt

Cover

Kampf um jeden Tropfen Blut

Vorschau

Impressum

Kampf um jeden Tropfen Blut

Wo ist Stella Koppenhöfer? Nach der Nachmittagsvisite ist die Fünfzehnjährige aus dem Krankenhaus weggelaufen – und das, obwohl unser Hämatologe Dr. Thies Neumann wunderbare Nachrichten für die Patientin hatte! Seit ihrer Geburt überschattet die Blutkrankheit Thalassämie Stellas Leben und macht ständige Transfusionen und Klinikaufenthalte nötig. Doch eine neuartige Gentherapie könnte Stella nun endlich ermöglichen, ein Leben zu führen wie die anderen Mädchen ihres Alters ...

Aber anstatt überglücklich über die guten Neuigkeiten zu sein und sich zu freuen, dass ihr größer Traum schon bald wahr werden könnte, ist Stella in bittere Tränen ausgebrochen und fortgelaufen. Dabei benötigt sie noch heute Nacht eine weitere lebensnotwendige Blutgabe! Ohne sie ist Stella verloren ...

»Mensch, Josi, jetzt mach halt mal die Tür auf!« Wieder pochte Nathalie gegen die Toilettentür auf der Mädchentoilette der Schule.

»Gleich!«, ertönte es aus der Kabine.

Genervt stieß Stella Koppenhöfer die Luft aus. »Komm schon, der Matheunterricht fängt gleich an. Was machst du denn so lange da drin?«

»Vielleicht lackiert sie sich die Zehennägel«, überlegte Nathalie laut, und die anderen Mädchen fingen an zu kichern.

Endlich hörte man die Toilettenspülung, die Tür ging auf, und Josi trat aus der Kabine, ein stolzes Lächeln im Gesicht. »Ihr werdet es mir nicht glauben, Mädels, aber ich habe gerade meine Tage bekommen!«

»Was?«, kreischten die anderen, und dann plapperten und lachten alle wild durcheinander. »Jetzt bist du auch eine von uns!«

Stellas Magen krampfte sich zusammen. Sie war die Einzige aus der Clique, die noch immer darauf wartete, ihre Periode zu bekommen. Alle anderen Mädchen hatten in diesem Jahr ihre Tage bekommen, nur sie nicht. Das lag bestimmt an ihrer blöden Krankheit.

Nathalie hängte sich bei Josi unter, und gemeinsam verließen sie die Toilette. Stella lief ihnen mit hängenden Schultern hinterher. Heute fühlte sie sich wieder einmal schlapp und müde, und dass sie nicht in die Pubertät kam, zog ihre Laune noch ein wenig mehr nach unten. Sie wünschte sich so sehr, wie die anderen zu sein! Aber sie wusste, dass sie das nicht war, denn Stella war krank. Seit ihrer Geburt begleitete sie die Thalassämie wie andere ihr Schatten.

»Weißt du was? Wir gehen heute nach der Schule in die Stadt und essen einen richtig großen Eisbecher!«, schlug Nathalie vor. Natürlich waren die anderen Mädchen sofort begeistert. »Was ist mit dir, Stella? Kommst du auch mit?« Nathalie, die schon am oberen Treppenabsatz im ersten Stock angekommen war, drehte sich zu ihr um.

Stella hatte Mühe, die Treppen nach oben zu laufen. Bei körperlicher Anstrengung war sie sofort aus der Puste. Und auch jetzt hatte sie wieder Luftnot, und es bereitete ihr Mühe zu atmen.

»Nein«, lehnte sie deshalb ab, als sie oben angekommen war. »Ich muss mich heute ein wenig ausruhen.«

»Ach, Mensch.« Josi schob ihre Unterlippe vor. »Komm schon, das ist so ein wichtiger Tag für mich.«

Ihre Worte waren für Stella wie ein Schlag in die Magengrube. So gerne würde sie zu ihren Freundinnen dazugehören, aber sie schaffte es nicht. Ihr Körper bremste sie ständig aus. Die gemeinsamen Freizeitaktivitäten waren für Stella oftmals zu viel, und dass sie mit ihrem krankheitsbedingten, veränderten Aussehen nicht dem Schönheitsideal entsprach, entging ihr keinen Tag.

»Macht ihr mal«, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab. »Nächstes Mal gehe ich bestimmt wieder mit.«

Nathalie zuckte mit den Schultern. »Na schön, wie du meinst«, meinte sie, drehte sich um und ging mit den anderen kichernd in den Klassenraum, während sie Pläne schmiedeten, wie sie Josis Periodenparty gestalten wollten.

Der Unterricht zog sich, und Stella war heilfroh, als es endlich läutete. Sie war so unendlich müde und erschöpft. Sie schleppte sich nach Hause, wo ihre Mutter mit dem Essen schon auf sie wartete.

»Stella, Liebes, was ist denn mit dir los?«, fragte Sofie besorgt, als ihre Tochter zur Tür hereinkam.

»Gar nichts.«

»Ist etwas in der Schule passiert?«, wollte ihre Mutter wissen.

»Nein«, brummte Stella, aber da rann schon die erste Träne über ihre Wange und tropfte zu Boden. »Ich bin immer außen vor!«, rief Stella auf einmal aufgebracht und schleuderte ihren Schulrucksack in eine Ecke. »Immer!«

»Aber warum denn? Du hast doch Josi und Nathalie«, sagte sie mitfühlend.

»Heute hat auch noch Josi ihre Tage bekommen – und ich nicht. Wegen dieser Scheißkrankheit!«

Verwundert und hilflos blickte ihre Mutter sie an. »Stella, das ist doch nicht wichtig, ob du jetzt schon deine Tage hast oder in ein paar Monaten oder vielleicht sogar erst nächstes Jahr.«

»Für dich ist es vielleicht nicht wichtig. Aber für mich schon!«, rief Stella wütend. »Immer bremst mich die Thalassämie aus! Und heute schon wieder. Ich kann nicht mit in die Stadt gehen, weil ich mich einfach zu schlapp fühle. Ich komme ja kaum die Treppe bis zu meinem Klassenraum nach oben.«

»Morgen hast du deine nächste Bluttransfusion. Da bekommst du deine neuen Superkräfte.« Sofie rang sich ein Lächeln ab, aber Stella sah sie nur aus dunkel unterlaufenen Augen verbittert an.

»An das Märchen glaube ich schon lange nicht mehr, Mama.«

»Ach, Stella, ich verstehe ja, wie du dich fühlst.« Hilflos sah Sofie sie an.

»Ja, wirklich? Verstehst du das?«, giftete Stella. »Weißt du, wie es ist, wenn man immer nur anders ist? Wenn man nicht dazugehört? Wenn einem der Körper einen Strich durch die Rechnung macht und man absolut nichts machen kann, weil man einfach zu schlapp ist? Weißt du, wie das ist, wenn man nie mitmachen kann? Wenn alle auf einen Rücksicht nehmen, aber man sich nur wie ein Bremsklotz fühlt? Ich hab keine Lust mehr auf diese blöden Transfusionen und die ständigen Krankenhausbesuche!«

Ihre Mutter presste betreten die Lippen aufeinander.

»Aber du brauchst die Transfusion, damit du wieder fit wirst.«

»Und für wie lange?«, fragte Stella mit bebender Stimme. »Zwei bis drei Wochen. Und dann geht alles wieder von vorne los. Ich hab es so verdammt satt!« Dicke Tränen rannen über ihre Wangen, doch als ihre Mutter aufstand, um sie zu umarmen, trat Stella bloß einen Schritt zurück. »Lass mich!«, rief sie. »Du verstehst gar nichts!«

Wütend wandte sie sich ab, rannte die Treppe nach oben und schloss sich in ihrem Zimmer ein.

Dort warf sie sich auf ihr Bett und vergrub das Gesicht in den Kissen. Was würde sie dafür geben, einfach nur ein normaler Teenager zu sein! So gerne würde sie dazugehören. Josi hatte seit drei Wochen sogar schon einen Freund. Okay, es war nur eine Internetbekanntschaft, aber trotzdem. Und Nathalie war unsterblich in Fabian verliebt, der aber was mit Thea hatte. Und sie? Für sie würde sich vermutlich niemals ein Junge interessieren, und das lag nur an dieser blöden Blutkrankheit.

Wieso war das Leben nur so verdammt ungerecht?

***

»Einen schönen guten Morgen!«, rief Dr. Thies Neumann fröhlich, als er den Bereitschaftsraum der Notaufnahme betrat.

»Guten Morgen«, grüßte Andrea Bergen, die Notärztin des Elisabeth-Krankenhauses, und sah mit einem Lächeln auf. »Sie sind immer so gut gelaunt«, stellte sie fest.

»Sie wissen doch, wie es heißt: Morgenstund' hat Gold im Mund.«

»Sagen Sie das mal meiner Tochter!«, erwiderte Andrea Bergen und lachte.

»Kaffee?«, fragte Thies, als er sich eine Tasse aus dem Regal nahm und unter die Kaffeemaschine stellte.

»Gern.«

Er brühte zwei Tassen Kaffee auf und überreichte eine davon der Notärztin, als er sich ihr gegenübersetzte.

»Wie war Ihre Nachtschicht?«

»Relativ ruhig«, berichtete Andrea Bergen. »Wir hatten einen Knochenbruch, und eine Schwangere mit frühzeitigen Wehen wurde zur Überwachung in die Klinik gebracht. Wir haben sie zur Beobachtung hierbehalten, da ihr Blutbild auf einen Eisenmangel hingedeutet hat.«

Der Hämatologe horchte auf. »Haben Sie Ihre Aufnahmepapiere hier?«

Andrea Bergen reichte ihm die Patientenakte, und Thies warf einen Blick darauf.

»Ansonsten sieht alles unauffällig aus«, stellte er fest. »Ich werde der Patientin trotzdem noch einen Besuch abstatten, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.«

»Und Jonas Greve ist leider auch außerplanmäßig wieder hier. Er hatte einen Schwächeanfall. Seine Mutter hat uns angerufen und ist mit ihm ins Krankenhaus gekommen.«

»Oje, der arme Junge«, sagte Thies Neumann mitfühlend.

Der sechzehnjährige Jonas hatte zwei defekte Nieren und war auf eine Spenderniere angewiesen. In letzter Zeit hatte er öfter mit Schwächeanfällen zu kämpfen.

»Vielleicht stufen sie ihn dieses Mal auf der Empfängerliste höher.« Er seufzte. »Ich werde mir nachher mal sein Blutbild ansehen. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen berichten, ob mir etwas auffällig vorkam.«

Die Notärztin nickte. Sie arbeitete gern mit Dr. Neumann zusammen, denn er kümmerte sich ausgezeichnet um seine Patienten. Schon oft hatte er Fälle übernommen, die Andrea Bergen mit dem Notarztwagen ins Elisabeth-Krankenhaus gebracht hatte, und für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, dass er sie darüber informierte, wie sich der Gesundheitszustand der Patienten entwickelt hatte.

Das freute Andrea Bergen, denn auch ihr war eine funktionierende Zusammenarbeit sehr wichtig, und sie machte sich immer Gedanken, wie es den Menschen wohl ging, die sie ins Krankenhaus gebracht hatte.

»Haben Sie eigentlich mal wieder Lust, gemeinsam etwas zu unternehmen?«, wechselte Andrea Bergen jetzt das Thema.

Thies musste lachen. »Sie wollen mich doch nur wieder verkuppeln!«, sagte er amüsiert.

Er hatte nämlich das Gefühl, dass Andrea Bergen ihn wieder an die Frau bringen wollte, nachdem sie erfahren hatte, dass er seit zwei Jahren Single war. Dabei hatte Thies momentan überhaupt kein Interesse an einer neuen Partnerschaft. Er wollte sich lieber auf seine Arbeit konzentrieren. Das machte ihm Spaß und füllte ihn aus. Und wenn er daran dachte, wie seine letzte Beziehung nach einem unschönen Streit in die Brüche gegangen war, wollte er sich lieber überhaupt nicht mehr binden.

»Ach was, da unterstellen Sie mir jetzt aber etwas«, entgegnete die Notärztin amüsiert.

»Dann fanden Sie es also völlig in Ordnung, dass Sie mich mit der netten Brünetten neulich an der Bar zurückgelassen haben?«

Andrea Berger schmunzelte. »Na gut, das war vielleicht ein bisschen zu offensichtlich«, gab sie zu. »Aber ich bin mir sicher, dass auch Sie wieder Ihr Glück finden.«

»Ja, irgendwann vielleicht«, sagte Thies gelassen. »Aber momentan ist es gut, so wie es ist.«

»Es freut mich, dass Sie zufrieden sind«, sagte Andrea Bergen, und ihre Worte klangen aufrichtig. »Dann können wir ja vielleicht trotzdem etwas gemeinsam trinken gehen. Mein Mann wäre bestimmt gern mit von der Partie.«

Über Dr. Neumanns Lippen zuckte ein Lächeln. »Gerne, liebe Kollegin. Wie wäre es übermorgen nach Feierabend?«

Andrea Bergen nickte, dann musste sie gähnen und hielt sich verhalten eine Hand vor den Mund.

»Verzeihung«, sagte sie. »Ich muss zugeben, dass ich nach der Nachtschicht doch ein wenig müde bin.«

»Dafür habe ich vollstes Verständnis«, erwiderte Thies. Sein Blick wanderte auf die Uhr. »Haben Sie nicht auch schon seit einer halben Stunde Feierabend?«

Die Notärztin zuckte mit den Schultern. »Ich wollte nicht unhöflich sein, und einfach gehen. Außerdem habe ich mich gefreut, Sie einmal wiederzusehen und mit Ihnen zu sprechen. Schade, dass momentan unsere Dienstpläne nicht übereinstimmen. Ich hätte gerne mehr über Ihre Recherchen zur Thalassämie erfahren. Sind Sie diesbezüglich denn vorangekommen?«

»Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ja übermorgen davon berichten«, bot Thies an. »Dann bleiben mir vielleicht auch Ihre Kuppelversuche erspart«, setzte er zwinkernd hinzu.

»Das müssen Sie unbedingt. Sie wissen doch, dass mein Mann in seiner Kinderarztpraxis eine Patientin mit der Blutkrankheit betreut. Und der rege Austausch mit einem Fachmann aus der Hämatologie ist für uns sehr wertvoll.«

Thies nickte. »Das sehe ich ganz genauso«, sagte er. »Aber jetzt entlasse ich Sie erst einmal in Ihren wohlverdienten Feierabend. Schlafen Sie sich aus, liebe Kollegin.«

»Mach' ich«, sagte Andrea Bergen und gähnte noch einmal.

***

»Ich will aber an dem Schulausflug nach England teilnehmen!« Stella verschränkte wütend die Arme. »Meine ganze Klasse fährt!«

Sofie sah ihre Tochter mit einem Stich im Herzen an.

»Ich weiß«, sagte sie bekümmert. »Aber es geht nicht. In der Woche hast du einen Infusionstermin.«

»Das ist mir egal. Dann verschieben wir den eben.«

»Du weißt, dass das nicht möglich ist«, entgegnete Sofie sanft. »Du brauchst doch deine Superkräfte.«

»Mama!« Stella verdrehte genervt die Augen. »Jetzt fang nicht schon wieder mit dem Blödsinn an. Ich bin fünfzehn und keine fünf. Und ich will auf diesen Schulausflug mitfahren.«

Sofie seufzte kaum merklich. Als Stella klein gewesen war, war es einfacher, mit ihr über die Behandlung zu sprechen. Sofie hatte ihr damals erzählt, dass in der Bluttransfusion Superkräfte steckten, die sie stark machten wie einen ihrer Superhelden aus den Comics, die sie immer zusammen im Krankenhaus gelesen hatten.

»Ich fürchte, das geht nicht«, sagte Sofie bekümmert. »Du brauchst deine Infusion. Du weißt doch, dass es dir sonst wieder so schlecht geht.«

»Das ist so verdammt unfair.« Stella kämpfte schon wieder mit den Tränen. »Ich will einfach nur einmal auch das machen können, was die anderen machen!«, schrie sie. »Ständig blockiert mich diese blöde Blutkrankheit! Alle aus meiner Klasse haben mittlerweile ihre Periode bekommen. Nur ich nicht. Und Jungs sind ohnehin nicht an mir interessiert.«

»Ach, Unsinn«, widersprach Sofie. »Bestimmt war der Richtige einfach bloß noch nicht dabei.«

»Hast du mal gesehen, wie ich aussehe?« Stellas Augen funkelten bei ihren Worten. »Ich bin ein Monster!«, rief sie. »Ich sehe aus wie ein Alien!«

Die Worte ihrer Tochter schmerzten Sofie. Durch die Thalassämie war es bei Stella zu einem veränderten Knochenwachstum gekommen. Ihr Schädelknochen hatte sich vergrößert, und ihre Stirn, der Oberkiefer und das Jochbein waren dadurch vorgewölbt. Trotzdem hatte Sofie ihre Tochter nie als hässlich oder unansehnlich wahrgenommen. Natürlich merkte sie, dass man ihr auf der Straße den ein oder anderen scheuen Blick zuwarf, doch sie hatte Stella vom ersten Moment an, als sie in ihren Armen gelegen hatte, geliebt.

Dennoch konnte sich Sofie vorstellen, wie schwierig es für ein Mädchen von fünfzehn Jahren war, wenn man nicht dem herrschenden Schönheitsideal entsprach. Auch so war es in der Pubertät ja schon anstrengend genug, seinen eigenen Platz in der Welt zu finden, doch für Stella war es noch einmal um einiges schwerer. Zum Glück wurde sie wenigstens in der Schule nicht gehänselt, und sie hatte Lehrkräfte und Freunde, die sie so annahmen, wie sie war. Immerhin das machte es ein wenig leichter, auch wenn es sich für Stella momentan unerträglich anfühlen musste.

»Und ich kann nie etwas machen!«, schluchzte Stella jetzt. »Immer bin ich müde, oder mir ist schwindlig, oder ich habe Kopfschmerzen. Ich muss mich dauernd ausruhen und zu Hause bleiben, während die anderen in die Stadt gehen oder ins Kino oder zum Sport. Warum bin ich so anders? Warum kann ich nicht einfach normal sein?«

»Stella ...« Sofie zerriss es das Herz, ihre Tochter so verzweifelt zu sehen.

»Jetzt sagst du gleich wieder, dass ich etwas ganz Besonderes bin. Aber das bin ich nicht! Ich bin ein Scheusal!«

»Nein ...« Sofie hätte jetzt so gerne etwas Tröstendes erwidert, doch sie wusste, dass die Worte nicht zu Stella durchdrangen. Wenn sie doch nur etwas für sie tun könnte!

»Und jetzt schon wieder!«, rief Stella. »Ich will etwas machen, aber mein blöder Körper lässt das nicht zu!« Sie hielt sich am Türrahmen fest.

Sofie beobachtete genau, wie Stella schwankte, aber zum Glück fing sie sich wieder. »Leg dich doch ein bisschen aufs Sofa und sieh fern«, schlug sie vor, aber Stella schüttelte bloß den Kopf.

»Ich fühl mich gerade nicht danach«, murmelte sie. »Ich geh lieber ins Bett.«