Die Opern-Stagioni der Brüder Mingotti - Rainer Theobald - E-Book

Die Opern-Stagioni der Brüder Mingotti E-Book

Rainer Theobald

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Beschreibung

Zwischen 1731 und 1766 machten die Opern-Impresari Angelo und Pietro Mingotti mit wandernden Ensembles die venezianische Oper diesseits der Alpen einem großen bürgerlichen Publikum bekannt. die beiden Brüder gastierten fast im gesamten Gebiet des alten Reiches sowie in Skandinavien, errichteten hölzerne Opernhäuser, beschäftigten Dirigenten wie Christoph Willibald Gluck und Giuseppe Sarti und erregten Aufsehen mit Primadonnen wie Regina Mingotti oder Marianne Pircker. Der Siegeszug der Opera buffa um die Mitte des Jahrhunderts wurde wesentlich gefördert durch die Zusammenarbeit Angelo Mingottis mit Carlo Goldoni in Venedig. Bisher waren 43 Stagioni der Brüder Mingotti bekannt. Der Berliner Theaterwissenschaftler Rainer Theobald hat durch langjährige Quellenstudien die Anzahl auf das Doppelte erweitert und entsprechend auch die Zahl der ermittelten Aufführungen erhöht. Die Chronologie ist mit zeitgenössischen Kupferstichen zu den Opern illustriert und zeigt anhand von Bauplänen erstmals Ansichten eines Opernhauses der Mingotti.

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Rainer Theobald

Die Opern-Stagioni derBrüder Mingotti

1730–1766

Ein neues Verzeichnis der Spielorte und Produktionen

Chronologie aus Quellen zur Verbreitung und Rezeptionder venezianischen Oper nördlich der Alpen

Mit einer Einleitung vonReinhard Strohm

Cornelia hätte sich gefreut

Rainer Theobald: Die Opern-Stagioni der Brüder Mingotti. 1730–1766. Ein neues Verzeichnis der Spielorte und Produktionen. Chronologie aus Quellen zur Verbreitung und Rezeption der venezianischen Oper nördlich der Alpen.

Wien: HOLLITZER Verlag 2015

© HOLLITZER Verlag, Wien 2015

HOLLITZER Verlag

der HOLLITZER Baustoffwerke Graz GmbH

www.hollitzer.at

Druck: trigger.medien.gmbh, BerlinGestaltung und Satz: Stefanie Löhr

Alle Rechte vorbehalten. Die Abbildungsrechte sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft worden. Im Falle noch offener, berechtigter Ansprüche wird um Mitteilung des Rechteinhabers ersucht. Für den Inhalt der Beiträge sind die Autorinnen bzw. Autoren verantwortlich.

ISBN 978-3-99012-255-6 hbk

ISBN 978-3-99012-256-3 pdf

ISBN 978-3-99012-257-0 epub

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Chronologie der Stagioni und Aufführungen

Register der Opern

Register der Darsteller und der Impresari

Register der Spielorte

Die Mingotti im Urteil von Zeitgenossen und Nachwelt

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Angelo Mingotti 1765 in Münster

Vorwort

„L’attività dei Mingotti esercitò un influsso di vasta portata nella vita musicale della Germania alla metà del Settecento“. Diese Einschätzung Paul Nettls im Artikel „Mingotti“ der „Enciclopedia dello Spettacolo“ teilte die Musikwissenschaft schon einige Jahrzehnte früher, nachdem Erich Hermann Müller mit seinem Buch „Angelo und Pietro Mingotti. Ein Beitrag zur Geschichte der Oper im XVIII. Jahrhundert“ ein außerordentlich materialreiches und zuverlässiges Quellenwerk über die mehr als dreißig Jahre währende Tätigkeit der Brüder Mingotti als Impresari wandernder Operntruppen vorgelegt hatte.

Anders als in Italien, Frankreich und England war in den deutschsprachigen Ländern das Publikum des professionellen Theaters im 17. und dem größten Teil des 18. Jahrhunderts so strukturiert, daß stabile Bühnen mit wenigen Ausnahmen nur an den Fürstenhöfen existieren konnten, vom Souverän finanziert, aber auch dann noch oft auf zusätzliche Einnahmen durch öffentliche Vorstellungen und Abstecher angewiesen. Insbesondere die Oper mit ihrem kostspieligen Bedarf an professionellen Sängern und Musikern galt, nachdem mehrere Versuche mit festen „bürgerlichen“ Opernhäusern sich als nicht tragfähig erwiesen hatten, als spezifisch „höfische“ Kunstform. Wollte also jemand diese scheinbar allein dem Adel vorbehaltene Kunst, die etwa im Zeitraum zwischen 1730 und 1770 im deutschen Sprachraum eine ausschließlich italienische war, dem aufstrebenden Bürgertum in Mitteleuropa nahebringen, so mußte er die hier noch übliche Betriebsform der mobilen Stagione wählen. Angelo und Pietro Mingotti erkannten diese „Marktlücke“. So wie zu Shakespeares Zeit die englischen Schauspieltruppen den Kontinent durchreisten und mit der Neuheit ihrer fremdartigen und professionellen Kunstfertigkeit Aufsehen erregten, so sahen die Brüder Mingotti die Chance, in den volkreichen Handelsstädten neben aristokratischem Mäzenatentum ein wohlhabendes Bürgertum zu erreichen, das bereit war, für den Genuß der virtuosen Künste der aktuellen italienischen Oper so viel zu bezahlen, daß die Existenz der Truppe für jeweils wenigstens eine der durch kirchliche Feiertage und landesherrliche Erlasse vielfach eingeschränkten Spielzeiten gesichert war. Es war nicht nur das sichere Gespür für musikalische Qualität, das Angelo und Pietro Mingotti auszeichnete (zu den Mitgliedern ihrer Truppen zählten bekanntlich der junge Gluck, Giuseppe Sarti, Regina Mingotti, Marianne Pirker, Rosa Costa und andere Berühmtheiten ihrer Zeit), sondern auch das frappierende organisatorische Talent, das sie befähigte, an ihren Gastspielorten eigene hölzerne Opernhäuser zu errichten und zugleich unablässig für Nachschub an routinierten, oft hochrangigen Sängern und Musikern aus Italien zu sorgen. Allein die Tatsache, daß die Brüder Mingotti mehr als drei Jahrzehnte lang von Laibach bis Kopenhagen, von Graz bis Hamburg, von Brünn bis Frankfurt a. M. nahezu ununterbrochen die erfolgreichsten Produkte der Opera seria und dazu eine Reihe von Intermezzi zur Aufführung brachten, läßt ihr Unternehmen als das vielleicht bedeutendste unter den in Mitteleuropa wandernden Operntruppen des 18. Jahrhunderts erscheinen. Daß sie sich nicht auf Wanderzüge zu den großen Handelsstädten beschränkten, sondern in ihrer Spätzeit bemüht waren, in höfische Dienste zu treten, ist ein Indiz für die unsicheren wirtschaftlichen Verhältnisse, denen selbst ein so attraktives und ausgezeichnet organisiertes Unternehmen ausgeliefert war.

Für den Mingotti-Forscher Erich Hermann Müller lagen die Anfänge ebenso wie das Ende der Mingottischen Unternehmungen noch im Dunkeln. Er kannte weder das erste Erscheinen Angelo Mingottis in Vicenza, noch seine späteren Unternehmungen in Venedig, er wußte nichts von den Gastspielen in Hannover und Köln oder den späten Aufenthalten in Wien, Preßburg, Prag und Münster. Angelo Mingottis höchst bedeutsame Zusammenarbeit mit Carlo Goldoni, der seine ersten komischen Opern für Mingotti schrieb, war Müller gänzlich unbekannt. Dennoch kann und will die vorliegende Arbeit das reichhaltige und solide musikwissenschaftliche Grundlagenwerk Müllers nicht ersetzen, sondern vielmehr als theater- und musikhistorisches Quellenverzeichnis die Forschungen zur Rezeption und itinerär bedingten Aufführungspraxis der italienischen Oper des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa durch neue gesicherte Fakten unterstützen.

Nachdem rund neunzig Jahre lang nur wenige neue Erkenntnisse über die Brüder Mingotti zutage gefördert worden waren, ist in den letzten Jahren von verschiedenen Forschern im Rahmen lokal- oder personenbezogener Untersuchungen die Mingotti-Ära eingehender beleuchtet worden. Insbesondere der Goldoni-Experte Giovanni Polin hat neuerdings in der historisch-kritischen Goldoni-Ausgabe und im „Dizionario Biografico degli Italiani“ wichtige Fakten zur Tätigkeit Angelo Mingottis, seiner Beziehungen zu Carlo Goldoni sowie seiner unternehmerischen Bemühungen in vielen Regionen südlich und nördlich der Alpen geliefert. Sie sind erst spät zu meiner Kenntnis gelangt, konnten aber hier noch berücksichtigt werden. Auch in brieflichen Kontakten mit Musik- und Theaterwissenschaftlern aus mehreren Ländern ist die vorliegende Chronik durch Übermittlung von Quellenmaterial sowie durch Sach- und Literaturhinweise ganz wesentlich gefördert und bereichert worden. Mein herzlicher Dank gilt vor allem Manuel Bärwald in Leipzig, Gunilla Dahlberg in Lund (Schweden), Margita Havlícková in Brno, Bärbel Rudin in Kieselbronn, Jana Spácilová in Brno und Paul S. Ulrich in Berlin sowie den hilfsbereiten Mitarbeitern des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen und des Kupferstichkabinetts in Dresden. Auch dem Bischöflichen Generalvikariat Münster, dem Staatsarchiv Münster und dem Hauptstaatsarchiv Düsseldorf bin ich – trotz negativer Auskünfte – für Recherchen durch die Mitarbeiter zu Dank verpflichtet. In ganz besonderem Maße aber habe ich Reinhard Strohm (Oxford) zu danken, der als überragender Kenner der Musik des Settecento mir nicht nur freundlich und geduldig mit einer Vielzahl von Hinweisen, aktueller Spezialliteratur und wichtigen Korrekturen geholfen hat, sondern sich überdies bereit erklärte, das Anliegen dieser Arbeit mit einer Einleitung sachkundig zu umreißen.

Rainer Theobald

Francesco Bassano: Figurine für Regina Mingotti als „Ipermestra“

Einleitung

Erich H. Müllers Dokumentation der Mingottischen Opernunternehmungen ist nun 100 Jahre alt. Das Werk entstand als Leipziger Dissertation in Musikwissenschaft 1915 und wurde im Promotionsjahr noch gedruckt (Die Mingottischen Opernunternehmungen, 1732–1756, Dresden: Hille, 1915); schon zwei Jahre später erfolgte eine revidierte Neuausgabe (Angelo und Pietro Mingotti. Ein Beitrag zur Geschichte der Oper im XVIII. Jahrhundert, Dresden: Bertling, 1917). Daß das Werk auf keiner ernstzunehmenden bibliographischen Vorlage aufbauen konnte und in der schwierigen Situation des ersten Weltkriegs fertiggestellt wurde, gereicht ihm zur Ehre. Die damals einflussreichsten Opernchronologien (Wiel 1897, von Weilen 1901, Sonneck 1914, Fassini 1914)1 wurden Müller vielleicht noch zugänglich; doch war ihre jeweilige Beschränkung auf ein einziges Opernzentrum bzw. eine bestimmte Librettosammlung (Sonneck) eine entscheidende arbeitstechnische Erleichterung gewesen. Der Erforscher der Mingotti-Opern hingegen musste fast ebenso viele Quellenfundorte in Betracht ziehen wie die von der damaligen Operistentruppe bespielten Aufführungsstätten. Müller war auch der einzige, der neben Libretti vor allem archivalische Quellen und Theaterzettel systematisch suchte und wiedergab. Für viele Heutige, deren Interesse der Operngeschichte Zentraleuropas im 18. Jahrhundert gilt, ist die Arbeit von Müller ein autoritatives Quellenwerk und wird es bleiben.

Nun erweitert die hier vorgelegte Chronologie von Rainer Theobald die Datengrundlage dieses Werkes auf das Doppelte, indem sie gegenüber Müllers 43 von den Mingotti veranstalteten Spielzeiten (stagioni) insgesamt deren 86 nachweist. Dieser verblüffend große Zuwachs hat seinen eigenen Entstehungshintergrund, zu dem Rainer Theobalds Wirken als Theaterwissenschaftler und Privatsammler theatergeschichtlicher Quellen gehört. Auf die Frage jedoch, warum so große Lücken in Müllers Werk nicht früher entdeckt wurden, oder warum angesichts rapide anwachsender technologischer Mittel keine frühere Revision zustandekam, lässt sich nur antworten, daß expandierende Information auch wachsende Ansprüche mit sich bringt und daß es einer besonderen wissenschaftlichen Courage bedarf, einen allseits bewunderten Forschungsbeitrag noch verbessern zu wollen. Dies scheint im vorliegenden Fall tatsächlich gelungen. Daß Müllers archivalische Belegstücke, Theaterzettel und Abbildungen nicht ebenfalls aufgestockt wurden, wird der Benutzer hinnehmen, dem bewusst ist, daß von dem vorliegenden, grundlegenden Aufführungsverzeichnis zu einer vollen, multimedialen Dokumentation ein noch viel größerer Schritt zu unternehmen sein wird.

Widmung in „La verità nell'inganno“, Preßburg 1741

Es würde hier zu weit führen, die Errungenschaften der opernbibliographischen Literatur der letzten 50-60 Jahre auch nur skizzieren zu wollen, etwa um zu zeigen, welchen Ort Theobalds Chronologie in dieser Geschichte einnimmt. Doch sei auf zwei Aspekte verwiesen, in denen sie zum Weiterforschen und -denken anregt.

Der erste betrifft die Stellung der Operngeschichte zwischen den humanwissenschaftlichen Disziplinen der Literatur- Musik-, Theater-, Kunst- und Sozialwissenschaft, ja womöglich noch anderen. Bibliographien und Chronologien historischer Opernaufführungen sind in den letzten Jahrzehnten in gleichsam spontaner Hilfsbereitschaft von mehreren dieser Disziplinen zusammengetragen worden; in unserem Fall hat ein Theaterhistoriker die Arbeit eines Musikwissenschaftlers vervollständigt. Scheinbar entspricht dieses Zusammenwirken dem „Gesamtkunstwerk“ der Oper des 18. Jahrhunderts selbst. Jedoch war die damalige Verbindung verschiedener performativer und werkförmiger Künste in der Oper etwas ganz anderes als eine moderne Multi-Disziplinarität, die wissenschaftliche Fragestellungen zu koordinieren sucht. Was die moderne multidisziplinäre Opernforschung erst noch zu entwickeln hätte, wäre eine Geschichtsschreibung der Performanz – des nicht im Text festgeschriebenen künstlerischen Handelns. Es mag überraschen, aber gerade für eine solche Geschichtsschreibung bietet unsere Aufführungschronologie relevante Daten an, nämlich die Namen und implizite die Karrieren der aufführenden Sänger. Würden die musikalischen Quellen der Mingotti-Produktionen hinzugezogen, mit denen sich die Musikwissenschaft seit nicht allzu langer Zeit beschäftigt, so könnten geradezu performative Itinerarien oder Biographien damaliger Opernmusiker entstehen. Eine fast noch einfachere Frage, die in der Literatur zu selten erwähnt wird, ist die der Aufführungssprachen und der Kommunikation mit dem Publikum. Was bedeutete es für italienische Operntruppen, daß ihre Sprache und Literatur keineswegs in allen bespielten Regionen als lingua franca des öffentlichen Lebens gelten konnte, sondern allenfalls (und nicht ohne Widerstand) auf der Bühne toleriert wurde?

Der zweite Aspekt, zu dessen Neuerforschung die Chronologie Theobalds anregt, ist die Stellung der Mingotti-Kompanie innerhalb des gesamten Opernwesens der betroffenen Länder und Regionen. Ausgehend von den zuverlässigen Informationen zu Spielorten, Text- und Musikautoren, wie sie dieses Verzeichnis bietet, kann nun schon viel besser eingeschätzt werden, was das Publikum Zentraleuropas landauf, landab, zu Gehör bekam. Setzen wir einmal voraus, daß entsprechend gründliche Verzeichnisse auch für die italienischen Rivalen der Mingottis (Peruzzi, Bambini, Lapis, Nicolini, Locatelli und andere) greifbar wären, so ergäbe sich ein realistischeres Bild der Opernpflege Zentraleuropas. Das historiographische Gewicht würde sich von der Geschichte etablierter Hofopern wie Wien, Dresden, München und Berlin auf die Seite der städtischen und ephemeren Gastspielkultur neigen. In der letzteren hörte man kaum weniger bedeutende Komponisten (Galuppi, Gluck, Bernasconi, Sarti usw.) und durchaus vergleichbare Gesangsstars (Marianne Pirker, Regina Mingotti, Filippo Finazzi, Settimio Canini und viele andere). Vor allem würde die in Glucks Biographie bisweilen mit Verwunderung beobachtete Vernetzung zwischen beiden Welten, der höfischen und der städtischen, immer offensichtlicher. Die intensivere Erforschung der Mingotti-Business könnte schließlich dazu führen, daß der starre Dualismus „Wandertruppe-Hofoper“ aufgebrochen würde, und die mächtige Zwischenkategorie der „Pendleroper“ Gestalt annähme: In dieser Praxis wurden nämlich Reisen sternförmig ausstrahlend von bestimmten Fixpunkten unternommen, wie die Mingottis es 1736–1746 von Graz und Giovanni Battista Locatelli 1748–1752 von Prag aus taten; oder die Sänger selbst pendelten von festen Wohnorten nach verschiedenen Aufführungstätten.2 In der allgemeinen Operngeschichte ist die Blütezeit der italienischen Operntruppen, die um 1765 ihrem Ende zugeht, dialektisch verknüpft mit der Opernkrise der Region, in der schließlich Nationalsprache, bürgerliches Trauerspiel und bürgerliche Komödie auch dem dramma per musica den Rang ablaufen. In dieser Entwicklung darf die Aktivität der Operntruppen als epochaler Katalysator betrachtet werden.3

Ein Verzeichnis von Opernaufführungen anhand bestimmter Textquellen wie Libretti ist zunächst ein bibliographisches Hilfmittel für den Forscher, es ist jedoch auch mehr. Besonders in Verbindung mit bestimmten Orten und Veranstaltern, wie im vorliegenden Fall, zeichnet es eine konkrete geschichtliche Spur. Opernlibretti entstehen nicht zufällig und auch nicht nur für den Augenblick. Sie dokumentieren eine performative Leistung und einen künstlerischen Entwurf. Die damaligen Veranstalter wussten natürlich, daß diese Veröffentlichungen dramatischer Texte, zusammen mit der Information zu den Aufführungen, die sie von Werkausgaben unterschied, von vielen Zuschauern gesammelt und als Zeitzeugen aufbewahrt wurden. Man las sie als Unterhaltungsliteratur und als Erinnerung an gehörte Musik. Auch heute ist jedes dieser kleinen Büchlein nicht nur ein Absatz in einer Bibliographie, sondern ein Mosaikstein materieller und ideeller Geschichte.

Reinhard Strohm

Ein bisher unbekanntes Libretto mit Widmung Antonio Mingottis

Chronologie der Stagioni und Aufführungen

Hinweise zur Benutzung

Wichtigste Primärquellen sind überall die erhaltenen Libretti. Die Abkürzung „Libr.“ bedeutet die Existenz eines Librettos, die Abkürzung AM oder PM dahinter zeigt an, daß der Druck eine von Angelo oder Pietro Mingotti als Impresario unterzeichnete Widmung enthält. Wo Bibliographien wie Müller oder Sartori ohne Seitenangabe nur mit einer Nummer zitiert werden, handelt es sich um die laufende Nummer in dem dort abgedruckten Libretti-Verzeichnis. Die Angabe „Müller“ bezieht sich auf dessen Buch „Angelo und Pietro Mingotti“, die Angabe „Meyer“ bezieht sich auf dessen „Bibliographia dramatica“. „Ms“ bedeutet mündliche oder schriftliche Mitteilung des Forschers. Die Namen des ermittelten Personals sind alphabetisch geordnet. Auf die jeweilige Angabe der Rollenbesetzung, die nur bei der Existenz von Libretti, und auch hier nur teilweise, möglich gewesen wäre, wurde verzichtet, weil die Chronologie sonst einerseits extrem ausgeweitet, andererseits bei der stark schwankenden Ergiebigkeit der Quellen allzu ungleichmäßig und unübersichtlich geraten wäre. Da die Quelle aber in jedem Einzelfall präzise angegeben ist, kann nötigenfalls die Besetzung dort eingesehen werden.

(1-Antonio Mingotti)

1730: VICENZA

(Teatro delle Grazie)

L’amor della patria. Dramma per musica (Libr. Nuovo Teatro delle Grazie in Vicenza, 1730, gedruckt in Venedig. - Mit Widmung Antonio Mingottis) (Slg Theobald)