Die Ostereier - Christoph von Schmid - E-Book

Die Ostereier E-Book

Christoph von Schmid

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Beschreibung

Es lebten einmal, vor vielen hundert Jahren, in einem kleinen Tal tief im Gebirge, einige arme Kohlenbrenner. Das enge Tal war rings von Wald und Felsen eingeschlossen. Die Hütten der armen Leute lagen im Tal umher zerstreut. Einige Kirschen- und Pflaumenbäume bei jeder Hütte, etwas Ackerland mit Sommergetreide, Flachs und Hanf, eine Kuh und einige Ziegen waren all ihr Reichtum. Indes erwarben sie noch einiges mit Kohlenbrennen für die Eisenschmelze im Gebirge. So wenig aber die Leute hatten, so waren sie dennoch ein sehr glückliches Völklein; denn sie wünschten sich nicht mehr. Sie waren bei ihrer harten Lebensart, bei steter Arbeit und strenger Mäßigkeit vollkommen gesund, und man sah in diesen armen Hütten - was man in Palästen vergebens suchen würde - Männer, die über hundert Jahre alt waren. ...

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Die Ostereier

Die OstereierErstes Kapitel: „Oh weh, da gibt's noch nicht einmal Hühner!“Zweites Kapitel: „Gottlob, nun sind doch einmal die Hühner da!“Drittes Kapitel: „Jetzt gibt es Eier im Überfluss.“Viertes Kapitel: Das Fest der gefärbten Eier, ein KinderfestFünftes Kapitel: Ein paar Eier – mehr wert, als wenn sie von Gold wärenSechstes Kapitel: Ein Ei, das wirklich in Gold und Perlen gefasst wirdImpressum

Die Ostereier

Christoph von Schmid

Eine Ostergeschichte

Erstes Kapitel: „Oh weh, da gibt's noch nicht einmal Hühner!“

Es lebten einmal, vor vielen hundert Jahren, in einem kleinen Tal tief im Gebirge, einige arme Kohlenbrenner. Das enge Tal war rings von Wald und Felsen eingeschlossen. Die Hütten der armen Leute lagen im Tal umher zerstreut. Einige Kirschen- und Pflaumenbäume bei jeder Hütte, etwas Ackerland mit Sommergetreide, Flachs und Hanf, eine Kuh und einige Ziegen waren all ihr Reichtum. Indes erwarben sie noch einiges mit Kohlenbrennen für die Eisenschmelze im Gebirge. So wenig aber die Leute hatten, so waren sie dennoch ein sehr glückliches Völklein; denn sie wünschten sich nicht mehr. Sie waren bei ihrer harten Lebensart, bei steter Arbeit und strenger Mäßigkeit vollkommen gesund, und man sah in diesen armen Hütten – was man in Palästen vergebens suchen würde – Männer, die über hundert Jahre alt waren.

Eines Tages, da schon der Hafer anfing sich zu bleichen und es in dem Gebirge sehr heiß war, kam ein Köhlermädchen, das die Ziegen hütete, fast außer Atem nach Hause gesprungen, und brachte ihren Eltern die Nachricht, es seien fremde Leute in dem Tal angekommen, von gar wundersamer Tracht und seltsamer Redensart: eine vornehme Frau und zwei Kinder, und ein sehr alter Mann, der, ob er gleich sehr prächtige Kleider anhabe, doch nur ihr Diener scheine. „Ach“, sagte das Mädchen, „die guten Leute sind hungrig und durstig, und sehr müde. Ich traf sie, als ich eine verlorene Ziege suchte, ganz ermattet im Gebirge an, und zeigte ihnen den Weg in unser Tal. Wir wollen ihnen doch etwas zu essen und zu trinken hinaus tragen, und sehen, ob wir sie diese Nacht bei uns und den Nachbarn nicht unterbringen können. Die Eltern nahmen sogleich Haferbrot, Milch und Ziegenkäse und gingen hin.

Die Fremden hatten sich indes in den Schatten einer buschigen Felsenwand gelagert, wo es sehr kühl war. Die Frau saß auf einem bemoosten Felsenstück und hatte ihr Angesicht mit einem weißen Schleier von feinem Flor bedeckt. Eines der Kinder, ein zartes, wunderschönes Fräulein, saß ihr auf dem Schoß. Der alte Diener, ein ehrwürdiger Greis, war damit beschäftigt, das schwer beladene Maultier abzupacken, das sie bei sich hatten. Das andere Kind, ein munterer schöner Knabe, hielt dem Tiere einige Disteln hin, an denen es begierig fraß.

Der Kohlenbrenner und sein Weib näherten sich der fremden Frau mit Ehrerbietung. Denn an ihrer edlen Gestalt, ihrem Anstand und ihrem langen, weißen Gewande merkte man sogleich, dass sie von hohem Stande sein müsse. „Sieh' nur“, sagte die Kohlenbrennerin leise zu ihrem Mann, „den zierlich ausgezackten stehenden Halskragen, die feinen Spitzen, aus denen die zarten Hände nur zur Hälfte hervorblicken, und – potz tausend! – sogar die Schuhe sind so weiß wie Kirschblüte, und mit silbernen Blümchen geziert!“ Der Mann tadelte aber sein Weib und sagte zu ihr: „Dir steckt doch nichts im Kopf, als die Eitelkeit! Den höheren Ständen geziemt eben eine vornehmere Kleidung. Indes macht das Kleid den Menschen um nichts besser, und mit den zierlichen Schuhen hat die gute Frau wohl schon manchen harten Tritt tun und manche rauen Wege gehen müssen.“

Der Köhler und die Köhlerin boten der fremden Frau jetzt Milch, Brot und Käse an. Die Frau schlug den Schleier zurück, und beide wunderten sich über die Schönheit und die edle, sanfte Gesichtsbildung der Frau. Sie dankte freundlich und ließ sogleich das Kind auf dem Schoß aus der irdenen Schale voll Milch trinken – und die hellen Tränen drangen ihr aus den Augen und benetzten die blühenden Wangen, als das Kleine die Schale mit beiden Händchen festhielt und begierig trank. Auch der liebliche Knabe kam herbei und trank. Darauf teilte sie von dem Brot aus – und dann trank sie selbst, und aß von dem Brot. Der fremde Mann aber schnitt große Stücke von dem Käse ab und ließ sich ihn sehr gut schmecken. Während sie aßen, kamen aus allen Hütten die Kinder, Mütter und Väter herbei, standen im Kreise umher, und betrachteten neugierig und wundernd die neu angekommenen Fremden.

Nachdem der alte Mann satt war, bat er flehentlich, die Leute möchten der Frau doch in irgendeiner Hütte auf einige Zeit ein kleines Stübchen einräumen; sie werde ihnen nicht zur Last fallen, sondern alles, was sie nötig habe, reichlich bezahlen. „Ach ja“, sagte die Frau, mit sanfter, lieblicher Stimme, „erbarmt euch einer unglücklichen Mutter und ihrer zwei Kleinen, die durch ein schreckliches Schicksal aus ihrer Heimat vertrieben wurden.“ Die Männer traten sogleich zusammen und hielten Rat, in welches Haus man sie am füglichsten aufnehmen könne.

Oben im Tal brach aus rötlichem Marmorfelsen ein Bächlein hervor, stürzte sich, schäumend und weiß wie Milch, von Felsen zu Felsen, und trieb eine Mühle, die gleichsam nur so an den Felsen dort hing. Auf der andern Seite des Bächleins hatte der Müller noch ein anderes nettes Häuschen gebaut. Freilich war es, wie alle übrigen Häuser im Tal, nur ganz von Holz; aber gar freundlich anzusehen, von Kirschbäumen lieblich beschattet, und von einem kleinen Gärtchen umgeben. Dieses Häuschen bot der Müller der fremden Frau zur Wohnung an.

„Mein neues Hüttchen da droben“, sagte er, indem er mit der Hand hinauf zeigte, „räume ich euch, wie es dasteht, herzlich gern ein. Es ist funkelnagelneu, und noch kein Mensch hat darin gewohnt. Ich baute es eigentlich, um einmal dahin zu ziehen, wenn ich die Mühle meinem Sohn übergeben werde. Wie doch der liebe Gott – ihm sei Dank! – so wunderbar für euch sorgt! Erst gestern bin ich damit vollends fertig geworden, und heute könnt ihr nun schon einziehen – gerade so, als wenn ich es nur für euch gebaut hätte. Es wird euch gewiss gefallen!“

Die gute Frau war über dieses freundliche Anerbieten hoch erfreut. Nachdem sie etwas ausgeruht hatte, ging sie sogleich hinauf. Sie trug das kleine Fräulein auf dem Arme, und der alte Mann führte den Knaben an der Hand. Der Müller aber besorgte das Maultier. Die Frau fand das Häuschen, zur großen Freude des Müllers, ganz unvergleichlich. Mit einem Tisch, einigen Stühlen und Bettstellen war es schon versehen. Schöne Teppiche und prächtige Decken zur Nachtruhe hatte die Frau auf dem Maultier mitgebracht. Sie übernachtete daher sogleich da, und dankte Gott mit ihren beiden Kleinen vor dem Schlafengehen noch herzlich, dass er sie nach langem Herumirren einen so angemessenen Zufluchtsort habe finden lassen. „Wer hätte es geglaubt“, sagte sie, „dass ich, in Palästen erwachsen, mich noch glücklich schätzen würde, in eine solche Hütte aufgenommen zu werden. Wie nötig hat auch der Höhere gegen den Niedrigsten gut und gefällig zu sein! Könnte er auch so hart sein, es nicht aus Menschenfreundlichkeit zu tun, so sollte ihn doch die Klugheit dazu bewegen. Denn kein Mensch weiß, was ihm bevorsteht.“

Am folgenden Morgen kam die Frau in aller Frühe mit ihren Kleinen aus der niederen Wohnung hervor, sich ein wenig in der Gegend umzusehen. Denn am Tage zuvor waren sie dazu allzu müde. Mit Entzücken betrachtete sie die schöne Aussicht ins Tal. Die Hütten der Köhler lagen tief unten im grünen Tal wie hin gesät, nur immer zwei oder drei beisammen. Das Mühlbächlein schlängelte sich hell wie Silber mitten durch das Tal. Die bunten Felsen voll grüner Sträucher, an denen die Ziegen nagten, hätte man, so wie sie jetzt von der Morgensonne beleuchtet waren, nicht schöner malen können.