Die Ostpark-Saga - Literaturkanzlei Wien - E-Book

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Literaturkanzlei Wien

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Beschreibung

Die Ostpark-Saga ist die Geschichte eines verunglückten Immobilienprojektes am Rande der oststeirischen Bezirksstadt Hartberg. Im Frühjahr 2003 wurde mit dem Bau eines Einkaufszentrums - des Ostparks - begonnen, aber schon im Herbst desselben Jahres wurde der Bau eingestellt, nachdem sich die Projektanten untereinander zerstritten hatten. Der halbfertige Rohbau steht nun seit fast einem Jahrzehnt traurig in der Landschaft und wird von der einheimischen Bevölkerung als 'Leich' tituliert. Die Ereignisse hinter den Kulissen des Ostparks wurden ein Fall für die Justiz, zur Zeit der Drucklegung sind die Prozesse noch nicht abgeschlossen. Der erste Teil des Romans erzählt die Chronologie der Ereignisse, das Zerwürfnis der Projektanten untereinander und das 'Mailänder Dilemma', in das einer der Gesellschafter beim Versuch des Verkaufs des Ostpark geschlittert ist. Der zweite Teil des Romans besteht aus fünfzehn Noten aus der Literaturkanzlei des Autors, die sich allesamt auf Ereignisse rund um das fehlgeschlagene Projekt beziehen, und auf das Verhalten der dabei beteiligten Personen. Die Noten sind das Sittenbild, das die sehr merkwürdigen Vorgänge rund um den Ostpark erhellt und erklärt.

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Seitenzahl: 299

Veröffentlichungsjahr: 2013

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© 2012 Literaturkanzlei Wien & CFJoellinger, Genève

Umschlaggestaltung, Illustration: Autor

Lektorat, Korrektorat: Mag. Birgit Laback, Wien

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8472-4166-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Der Raubzug des Konsuls

I. Die Achsen des Bösen

II. Der Kompagnon vor Ort

III. Der sehr flexible Notarius

IV. Das Sakko des Balkanesen

Der Dornröschenschlaf

V. Die schwarzen Berge von Guinea

VI. Am Fuße des Masenbergs

VII. Die Hohe Salv in Tirol

VIII. Alpenpässe aufi und owi

IX. Am Fuße des Hünenbergs

Der Raubzug des Scheichs

X. Ein Hoppala in Lugano

XI. Ein Hoppala in Mailand

XII. Ein Hoppala in Klagenfurt

Noten aus der Literaturkanzlei zur Saga

Noten an den Anton aus Tirol …

… und weitere Noten:

an einen ziemlich löblichen Notarius

an einen rabiaten Kompagnon

an Xing-Chang-Long-Ri

www.tredition.de

Der Raubzug des Konsuls

I. Die Achsen des Bösen

Fragt man sich, was Schildbach mit Saint-Tropez zu tun hat, so drängen sich die Antworten nicht wirklich auf. Was das eine am Fuße eines Berges liegt, liegt das andere am Meer, was das eine mondän ist, ist das andere einfach und bodenständig, wo man da gerne Fische aus dem Meer fischt, geht man dort gerne in den Stall und sticht eine Sau ab, wenn man Hunger hat. Die Liste ist sehr lang, nicht enden wollend, man will und will auf keine Gemeinsamkeiten kommen. Und doch sind die beiden Orte fatal miteinander verknüpft, man glaubt es kaum. Und doch ist es so.

Fragt man sich, was Schildbach mit Guinea zu tun hat, so drängen sich die Antworten noch weniger auf. Was die Schildbacher im Winter blass und im Sommer rot sind, sind die Guinesen das ganz Jahr über gleichmäßig schwarz, was in Schildbach die Straßen asphaltiert sind, sind sie in Guinea schlecht geschottert und haben abenteuerliche Schlaglöcher, was den Schildbachern auf ihren Bäumen die Äpfel sind, sind den Guinesen die Bananen und Ananas. Die Liste ist sehr lang, nicht enden wollend, man will und will auf keine Gemeinsamkeiten kommen. Und doch sind die beiden Orte fatal miteinander verknüpft, man glaubt es kaum. Und doch ist es so.

Jetzt wird sich der eine oder andere fragen, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, Schildbach mit Guinea zu verknüpfen. Es wird sich der eine oder andere auch fragen, wo denn Guinea überhaupt liegt (ja wo liegt es denn überhaupt?) – an der westafrikanischen Küste, die Küste selber ein undurchdringlicher, endloser und nur vom Wasser her zu erreichender Mangrovenwald, eine Eisenerz-Landzunge, auf der sich Conakry, die Hauptstadt des Landes, etabliert hat, die zugleich auch den einzig nennenswerten Hafen des Landes besitzt. Hinter dem Küstenstrich gibt es teilweise Savanne. Der größte Teil Guineas ist aber tropischer Dschungel, sehr fruchtbar und das Wasserreservoir Westafrikas. Alle westafrikanischen Ströme und Flüsse entspringen im Hochland Guineas – der Niger, der Senegal, der Gambia.

Guinea ist aber nicht nur sehr wasserreich, es ist auch reich an Bodenschätzen. Die größten bekannten Bauxitvorkommen der Erde lagern in Guinea, was die Aluminium-Produzenten sehr freut, was aber nicht besonders glamourös ist. Die Fantasien und die Leidenschaften der Menschen werden bekanntlich von anderen Elementen angeregt: Gold und Diamanten. Auch damit kann Guinea dienen – und zwar in hohem Maße. Die Diamantenvorkommen in Guinea werden auf 25 Millionen Karat geschätzt. Frankreich hat während der Kolonialzeit innerhalb von dreißig Jahren eine Million Unzen Gold aus Guinea bezogen. Da denkt man sich, dass Guinea ein wohlhabendes Land sein müsse, ist es aber nicht. Nach der Unabhängigkeit von Frankreich etablierte sich in Guinea eine kommunistische Militärdiktatur, die sich um die Infrastruktur des Landes nicht allzu sehr scherte. Dementsprechend schauen nun die wirtschaftlichen Zahlen des Landes aus und Guinea gehört trotz seiner Bodenschätze zu den ärmsten Ländern der Welt. Und wenn man den Statistiken von Transparency International Glauben schenken darf, ist Guinea auch eines der korruptesten Länder und wird in diesem Punkte nur von wenig anderen Ländern übertroffen, beispielsweise Nordkorea, Somalia oder Burma.

Bietet es sich da nicht an, ja drängt es sich nicht geradezu auf, in diesem Land segensreich wirken zu wollen, zumindest ein bisserl, wo hier doch ein gewisser Nachholbedarf herrscht? Ja, es drängt sich auf. Und so kam es, dass ein Immobilienkaufmann aus Wien sein ganzes Gutmenschentum verdichtet hat und sich selbstlos und uneigennützig in den Dienst der guten Sache gestellt hat. Er traf den Botschafter von Guinea in Deutschland, er traf den Außenminister von Guinea in Paris und dann dauerte es auch nicht mehr allzu lange und schon war er Honorarkonsul von Guinea. Nur ganz böse Zungen behaupteten, dass der Titel des Honorarkonsuls gekauft worden sei. Da stand er nun, der frischgebackene Honorarkonsul, Diplomatenpass in der Sakkotasche, CD-Pickerl am Auto und die Völkerverständigung im Hinterkopf, oder sonst wo. Nur ganz böse Zungen behaupteten, dass die Völkerverständigung den Hinterkopf des Konsuls nie erreicht hat, angeblich überhaupt keinen Körperteil des Konsuls je erreicht hat, weil die Völkerverständigung dem frischgebackenen Konsul am Arsch vorbeipfiff, wie man so schön sagt, aber nur ganz böse Zungen sagten das. Andere wiederum sagten, dass sich der frischgebackene Konsul mit der Völkerverständigung nur deshalb sehr schwer getan hat, weil er die Guinesen überhaupt nicht verstanden hat. Mit der Amtssprache Französisch hat der frischgebackene Konsul nichts am Hut gehabt und mit den einheimischen Sprachen Susu, Malinke und Fula schon überhaupt nicht. Wo hätte da auf die Schnelle eine Völkerverständigung herkommen sollen? So einfach geht das dann auch wieder nicht. Da stand er nun also, der neue Konsul von Guinea, und weil er nach wie vor nicht den Eindruck eines Guinesen hinterlassen hat, war er im Kreise seiner Geschäftspartner und Freunde bald nicht mehr der Konsul von Guinea, sondern der Konsul vom Eichberg bei Hartberg, wo seine heimatliche Scholle liegt und wo er nach einer anstrengenden Arbeitswoche in Wien oder sonst wo auf der großen weiten Welt gerne ein geruhsames Wochenende an der guten steirischen Luft verbringt.

Da ist unser Konsul also wieder einmal am Wochenende in der Heimat, man planscht ein bisserl im Biotop, geht auf eine Brettljause und ein paar Achterln in die Buschenschank und nimmt wachen Ohres die Geburten, Hochzeiten und Todesfälle auf – und was es an Tratsch noch so alles aufzunehmen gibt. Da sitzt er nun im Kreise seiner Lieben und hört, dass neben der Wechsel Bundesstraße am westlichen Stadtrand von Hartberg ein paar Hektar Freiland in Gewerbefläche umgewidmet werden sollen, damit dort ein Einkaufszentrum und ein Gewerbegebiet entstehen können. Da hat der Konsul gleich ganz große Ohren bekommen und ein paar Tage später war er dann auch schon beim Bürgermeister der kleinen Gemeinde, die an Hartberg grenzt. Ja, es stimmt, es soll umgewidmet werden. Die Gemeinde – groß an Quadratkilometern, aber klein an Bewohnern – brauche wirtschaftliche Impulse und die Fläche südlich der Wechsel Bundesstraße in Schildbach bot sich da gut an.

Es war nicht so, dass der Konsul nun seine Pflichten rund um die Völkerverständigung deswegen gleich aufgegeben hätte, aber es war doch so, dass die Geschichte in Schildbach ihn sehr beschäftigte. Ganz Immobilienkaufmann, wie der frischgebackene Konsul nun einmal war, brauchte er auch nicht lange zu überlegen, wie die Geschichte mit der Umwidmung für ihn am profitabelsten wäre. Irgendjemand kauft die Grundstücke billig ein, verkauft einem anderen die Grundstücke dann teuer weiter, und der Gewinn, abzüglich der Spesen und der Kosten für die Dummen, die das Spiel mitspielen, ist für ihn. So die Überlegung des Konsuls, so geschehen rund um den Jahreswechsel 2001/2002 – kurz nachdem ein paar böse Wüstensöhne das New Yorker World Trade Center in Schutt und Asche gelegt hatten. Die vielen Toten und der viele Schutt in New York haben sehr schnell dazu geführt, dass man sich in weiten Teilen der Welt über die Achse des Bösen einig war. Alle Welt schaute auf die große Achse des Bösen:

Afghanistan – Iran – Irak – Syrien

Das traf sich für den Konsul vom Eichberg bei Hartberg oder von Guinea, je nachdem wie man es nimmt, ganz wunderbar. Wenn alle Welt auf die große Achse des Bösen schaute, schaute niemand auf die kleinen Achsen des Bösen. Also nahm der Konsul einen Globus zur Hand, dazu zwei Pin-Nadeln, und schuf seine eigene Achse des Bösen, die ordentlich mit Geld geschmiert werden und von Diamanten glänzen sollte:

Lungitzbach – Corniche du Sud, Conakry

Was aber half einem die beste Achse, wenn diese nicht rotierte? Leben musste in die Achse gebracht werden, das Rad musste sich drehen, wie es so schön heißt. Also fackelte der Konsul nicht lange herum und machte sich ans Werk: Geld aus der oststeirischen Erde herauspressen, das Geld dann nach Westafrika bringen, dort Diamanten aus dem Dschungel herausklauben. Und weil die Diamanten nicht so schön glänzen, wenn sie nicht geschliffen sind, eine Diamantenschleiferei an den Rand des Dschungels stellen und die kleinen Steinchen schön schleifen und polieren lassen, damit das Ganze ein glänzendes Geschäft wird. Man kann nicht gerade behaupten, dass die Diamantenschleiferei in Guinea eine lange Tradition hatte, aber es geht ja nicht immer um Tradition.

Als Erstes galt es einen Dummen im Dorf zu finden, der die Grundstücke in Schildbach kaufte, die der Konsul später teuer weiterverkaufen konnte. Da sich das ganze Geschäft um die kleine Achse des Bösen drehen sollte, war klar, dass der Kompagnon auch ein Böser sein musste, der Böse aus dem Dorf, ein Bösdorfer sozusagen. Schnell das Telefonbuch aufgeschlagen, hineingeschaut, und siehe da, es dauerte nicht lange, bis der Konsul fündig wurde. Ein Bösdorfer war bald gefunden und der Konsul hatte den Kompagnon vor Ort, den er für seinen Plan brauchte. Man setzte sich zuerst an den Wirtshaustisch, war sich bald handelseins, und gar nicht so viel später saß man in der Kanzlei eines hochlöblichen Notarius, vorsichtshalber gute hundert Kilometer von Schildbach entfernt und gute zweihundert Kilometer von Wien, damit der Dorftratsch am Fuße des Masenbergs nicht gleich sinnlos blühte.

Was die beiden beim Notarius im Frühjahr 2002 vereinbarten, der Konsul und der Kompagnon, war gar nicht so kompliziert: Der Kompagnon solle die Grundstücke von den Eigentümern zu dem Preis kaufen, den die Gemeinde mit den Eigentümern bereits vereinbart hatte, der Konsul würde dann die Grundstücke teuer weiterverkaufen – an einen zweiten Dummen, der noch gesucht werden musste, aber der schon zu finden sein würde. Es wurde auch gleich vereinbart, wie der Gewinn aus dem Geschäft zu teilen sein würde – nämlich rund zwei Drittel für den Konsul, rund ein Drittel für den Kompagnon. Die beiden zückten ihre Kugelschreiber, machten ihre Kratzel auf das Papier, der Notar haute seinen Stempel drauf. Damit hatte die Geschichte ihre Ordnung, jeder wusste, was er zu tun hatte: der Kompagnon vor Ort die Grundstücke zusammenkaufen, der Konsul einen Käufer suchen, der vom Kompagnon das Gelände kauft, der Notar die Papierln vorbereiten. So geschah es im Wesentlichen auch. Der Sommer 2002 zog ins Land. Und wenn sich der Konsul nicht gerade um die Völkerverständigung kümmerte, suchte er mit Nachdruck einen Käufer für das Gelände. Natürlich hätte der Konsul auch selber das Gelände kaufen und zum Blühen bringen können, doch das war nicht sein Begehr. Sein Begehr war ein schneller Schnitt und das möglichst unerkannt.

II. Der Kompagnon vor Ort

So wie jeder Mensch seine Essgewohnheiten hat und seine Schlafgewohnheiten, so haben die meisten auch ihre Urlaubsgewohnheiten. Der eine geht gern wandern, der nächste legt sich immer wieder gerne ans Meer an einen Sandstrand, dann gibt es die, die sich im Urlaub gerne etwas anschauen, Kirchen von außen und von innen, Museen von innen, zerfallene Tempel und Statuettln von außen, Weinkeller von innen, gar mannigfaltig sind die diesbezüglichen Gewohnheiten wie auch die Wesen der Menschen.

Einzelne Menschengruppen haben, ihren Neigungen, ihrer Zeit oder ihrer sozialen Schicht entsprechend, ihre Lieblings-Reiseziele. Verliebte fahren gerne nach Paris, Extrembergsteiger auf den Himalaja, Surfer nach Mahé. Neben den Dauerbrennern unter den Destinationen gibt es auch welche, die nur zwischendurch einmal in sind, wie man so schön sagt, wo sich Reich und Schön eine Zeit lang trifft oder der Jet-Set. Und wenn Reich und Schön dann weiterziehen, dann sind sie wieder, was sie zuvor auch schon gewesen sind, nette Destinationen, die eine Zeit lang der Nabel der Welt gewesen sind. Beispiele dafür gibt es viele. Einer dieser Orte ist Saint-Tropez. In den Sechzigern brachte Brigitte Bardot hier Gunter Sachs mit ihrem Schmollmund um den Verstand. Der flog mit dem Flugzeug über den Strand und warf ihr Rosen aus dem Cockpit hinunter auf den Liegestuhl und die halbe Welt wollte beim Spektakel dabei sein. In den Sechzigern und Siebzigern war Saint-Tropez angesagt, und die in die letzten Kriegsjahre, in die Trümmer, das Elend, in das grau in grau Hineingeborenen, die hatten es nun, zwei Jahrzehnte später, in Saint-Tropez schön bunt.

Einer, der in diese letzten Kriegsjahre und dieses Elend hineingeboren worden war, und dann das bunte Treiben in Saint-Tropez umso mehr geschätzt hat, ist Le Ludwig. Le Ludwig heißt so, weil er einerseits so heißt, Ludwig, und weil er sich andererseits im Laufe der Zeit zu einem Original entwickelt hat, ‚Le’ Ludwig. Aber nicht alle sagen Le Ludwig zu ihm, viele seiner Freunde nennen ihn einfach Spaghetti. Das hängt einerseits damit zusammen, dass er stets auf seine Figur geachtet hat und ziemlich dünn ist, sich nie auch nur den Ansatz eines Bäuchleins geleistet hat und seine Gigolo-Figur durch die Lebensjahre mitgenommen hat. Andererseits hat Le Ludwig durchaus italienische Züge, sodass der Spitzname Spaghetti schon auch deshalb seine Berechtigung hat. Im Laufe der Zeit hat sich sein Haaransatz deutlich nach hinten verschoben, was ihm wegen der Ähnlichkeit mit dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten zwei weitere Spitznamen eingebracht hat, nämlich Mini-Berlusconi und Alpen-Berlusconi. Die Berlusconi-Spitznamen haben sich bei ihm auf die Dauer nicht so recht durchgesetzt, weil ihn das Politische nie so interessiert hat. Geblieben sind Spaghetti und Le Ludwig, weil ihn schnelle Autos und junge Frauen viel eher interessiert haben. Schwer durchgesetzt haben sich bei Ludwig jedoch nicht nur die Berlusconi-Spitznamen, sondern auch die Reifeprozesse. Ludwig, Le Spaghetti, ist in der Saint-Tropez-und-Brigitte-Bardot-Phase stecken geblieben. Ludwig kauft sich zwar immer wieder gerne ein neues Gewand, wobei er auch gerne mit der Zeit geht. Nur beim Alter seiner Begleiterinnen und bei seiner Lebenseinstellung ist er in den bunten Siebzigern stecken geblieben. Seine Freundinnen waren damals stets Mitte zwanzig bis höchstens Mitte dreißig. Das hat sich seither auch nicht mehr geändert. Zwischendurch leistete sich Le Ludwig einmal eine etwas längere Lebensgemeinschaft mit einer nur fünfundzwanzig Jahre Jüngeren. Als die dann aber auf die vierzig zuging, war es auch mit ihr aus. Seither ist Ludwig, Le Spaghetti, wieder sich selber und den bunten Siebzigern treu und greift nichts an Weiberleuten an, was über dreißig ist. Heikel ist er auch noch geworden! Je dünner, desto besser. Dazu besonders hohe Absätze, weil es eh schon wurscht ist, ob die Gespielin an seiner Seite um einen oder um zwei Köpfe größer ist als er.

So wie Le Ludwig seit gut drei Jahrzehnten seinem Frauenmodell treu ist, so hält er auch die Treue zu seiner Feriendestination Saint-Tropez, wo er sich im Sommer, ebenfalls seit Jahrzehnten, sehr gerne an den Nikki Beach legt – in wechselnder Begleitung, aber mit konstanten Trinkgewohnheiten: Champagner Rosé bis zum Umfallen, rund um die Geisterstunde in irgendeiner Disco ein wenig herumhupfen, am Vormittag den Rausch ausschlafen, am Nachmittag wieder mit Champagner Rosé volltanken und hoffen, dass man mit der frisch gfangten Langbeinigen irgendwie das Hotelzimmer wiederfindet. Was bei Twens bis Mitte dreißig nicht unüblich und zwischendurch akzeptabel ist, wirkt mit Mitte sechzig durchaus skurril. Le Spaghetti hingegen meint, dass es ihn jung halte. Was stimmen mag oder auch nicht.

Ein anderer, der in die letzten Kriegsjahre und das Elend hineingeboren worden war und dann das bunte Treiben in Saint-Tropez sehr geschätzt hat, ist der Anton aus Tirol. Der Anton aus Tirol heißt so, weil er einerseits so heißt, Anton, und weil er andererseits aus Tirol kommt, deshalb Anton aus Tirol. Abgesehen davon, dass auch der Anton aus Tirol seit Jahrzehnten Saint-Tropez als Urlaubsdestination treu ist, haben der Anton aus Tirol und Ludwig, Le Spaghetti, so gut wie nichts gemein. Was der eine dünn ist, ist der andere dick, was der Ludwig sein Geld verprasst, hält es der Anton zusammen, was der Anton auf seinen Ruf achtet, ist beim Ludwig der Ruf schon längst perdu, was der Anton seit Jahrzehnten mit derselben Frau verheiratet ist, hat der Ludwig in seinem Leben einen viel beachteten Reigen hinter sich gebracht, was der Anton aus den Tiroler Bergen ist, ist der Ludwig aus der Wiener Vorstadt, fährt der Anton gerne mit acht Zylindern und geschlossenem Aufbau, fährt Le Ludwig gerne mit zwölf Zylindern und offen. Man könnte die Liste ewig fortsetzen. Außer dem Geburtsjahr und den Urlaubsgewohnheiten finden sich zwischen den beiden keine weiteren Übereinstimmungen. Was der Anton sich im Laufe seines Lebens ein beachtliches Firmenimperium zusammengebastelt hat, hatte Le Ludwig auch im fortgeschrittenen Alter nur ein Gemeinschaftsbüro in der Wiener Innenstadt – rund um das Jahr 2002, gemeinsam mit dem Konsul von Guinea oder vom Eichberg bei Hartberg, je nachdem wie man die Sache sieht.

Natürlich wurde im gemeinsamen Büro auch über Schildbach gesprochen. Natürlich wusste Ludwig, Le Spaghetti, dass der Konsul einen Käufer für die Grundstücke in Schildbach suchte. Und natürlich wusste Ludwig, Le Spaghetti, dass der Anton aus Tirol gerne in Saint-Tropez Urlaub machte, so wie er auch wusste, dass der Anton aus Tirol ein beachtliches Portfolio an Immobilien und Einkaufszentren besaß. Lag es da nicht nahe, dass sich der Konsul und der Anton aus Tirol zufällig treffen sollten, im Urlaub in Saint-Tropez, wenn es in der Heimat schon nicht passieren wollte?

Der Anton aus Tirol, ungefähr zum zwanzigsten Mal in Saint-Tropez auf Urlaub, und der Konsul, das erste Mal in Saint-Tropez auf Urlaub, waren nun zufällig zur selben Zeit im selben Hotel und lernten sich also zufällig kennen. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Alle so nett, auch die Frauen verstanden sich so gut. Herz, was willst du mehr?

Irgendwann wurde dann auch einmal über das Geschäft gesprochen, wie es sich von selbst versteht. Da Immobilien-Imperium, dort Diamantenschleiferei, da Kommerzialrat, dort Konsul, ein Treffen auf ziemlich hohem Niveau, einer wichtiger als der andere, beide ein Herz und eine Seele.

Irgendwann wurde dann auch über Schildbach gesprochen, wobei es ein Wunder gewesen wäre, wenn der Anton aus Tirol nicht darauf angesprungen wäre.

Der Konsul meinte, den gefunden zu haben, der dem Kompagnon vor Ort die Gründe abkauft.

Der Konsul meinte gegenüber dem Anton aus Tirol, das Projekt schon fertig entwickelt zu haben und dass eigentlich nur mehr gekauft, finanziert und gebaut werden müsse. Es sah alles eigentlich sehr gut aus. Es wurde verhandelt, der Anton sprach mit seiner Bank, Papierln gingen hin und her, die Telefonate liefen heiß, eine Finanzierungszusage trudelte beim Anton ein, der Konsul zählte in Gedanken schon Geldbündel.

Knapp vor dem Kauf kam der Anton aus Tirol dem Konsul von Guinea mit einer unerwarteten Scharade. Der Anton eröffnete dem Konsul, dass er das Projekt nur dann angehen würde, wenn sich der Konsul zu zwei Fünfteln beteiligt. Zwei Fünftel Beteiligung bedeutete natürlich auch zwei Fünftel Eigenmittel, die er einschießen müsste. Der Konsul rechnete nach. Zwei Fünftel Eigenmittel bedeuteten auf gut deutsch eine gute Dreiviertelmillion. Bei einem erwarteten Gewinn von über zwei Millionen wäre somit fast die Hälfte wieder weg, dafür hätte er aber zwei Fünftel des Einkaufszentrums. Das war zwar nicht das, was sich der Konsul vorgestellt hatte, aber es war eine Lösung, die sich rechnete. Warum also nicht?

Die Freundschaft, die in Saint-Tropez so zufällig und wunderbar begonnen hatte und im Herbst bereits fruchtbare Blüten trieb, gipfelte sohin im nebligen November des Jahres 2002 in der Gründung einer Gesellschaft durch den Anton aus Tirol und den Konsul vom Eichberg bei Hartberg, der eine drei Fünftel, der andere zwei Fünftel, und schon war die FMZ Ostpark GmbH geboren. Für den Anton aus Tirol, der seine Einkaufszentren gerne ‚Park’ getauft hat, war es ein Projekt am Ostrand seines Imperiums, deshalb ‚Ostpark’. Für den Konsul vom Eichberg bei Hartberg war es eine Beteiligung, auf die er sich nolens volens einließ, um seinen fast vollendeten Raubzug nicht zu gefährden.

Sohin schritten die beiden, der Konsul und der Kommerzialrat, zum Notar, setzten feierlich ihre Unterschriften unter den Gesellschaftsvertrag, und es dauerte nicht allzu lange, da setzten sie als frischgebackene Partner und gemeinsame Geschäftsführer da und dort ihre Unterschriften, so geschehen rund um den Jahreswechsel 2002/2003. Der Hetz stand nichts mehr im Wege. Der Schildbacher Boden würde nach dem Winter wieder auftauen, die Bagger würden auffahren, dunkle Rußwolken in den Schildbacher Himmel ausstoßen, damit am Westrand von Hartberg schnell der Ostpark entstehen konnte, damit künftig südlich der Wechsel-Bundesstraße nicht Kühe sinnlos in der Gegend herumstanden, sondern in zwei Dutzend Geschäften Dutzende Mitarbeiter und Tausende Kunden ihr neues Glück fanden.

Des einen Glück, des anderen Pech

Leider wusste der Anton aus Tirol nichts von der Vereinbarung, die sein neuer Geschäftspartner, der Konsul, mit seinem Kompagnon vor Ort den Gewinn aus dem Grundstücksverkauf betreffend getroffen hatte, der Anton hätte den Kauf ansonsten so nie getätigt, das Projekt so nie begonnen, wie sich von selber versteht.

Leider wusste aber auch der Konsul vom Eichberg bei Hartberg nicht, dass seine Aufnahme in das Projekt einem gut eingespielten Muster des Anton aus Tirol folgte, Geschäftspartner als Gesellschafter in Projekte einzubeziehen, diese einen Teil der Eigenmittel einbringen zu lassen, im Laufe der Zeit dann jedoch zu erdrücken, um alleine die Früchte aus dem Projekt zu ernten. Der Konsul wäre die Partnerschaft wohl nie eingegangen, wenn er die Blutspur des Anton erahnt hätte.

Der eine wusste nichts von den verborgenen Vereinbarungen des anderen, der andere wusste nichts von den verborgenen Intentionen des einen. Unterschrieben haben trotzdem beide und eine zweite kleine Achse des Bösen begann sich zu drehen – wesentlich kürzer und überschaubarer als die erste:

Lungitzbach – Brixentaler Bach

Und die Dinge nahmen ihren Lauf.

III. Der sehr flexible Notarius

Der Kompagnon des Konsuls vor Ort, der die Grundstücke zusammenkaufen sollte, leistete ganze Arbeit. Er stieg viel in der Gegend herum, führte viele Gespräche, aber leider unterschrieb er keine Kaufverträge. Nur warum unterschrieb er denn keine Verträge? Sehr einfach, weil er kein Geld hatte, diese Kaufverträge zu erfüllen, deshalb unterschrieb er eben nicht, was an sich recht löblich ist. Was für ein Glück, dass die Gemeinde die Optionen hatte, diese Grundstücke zu kaufen, und dass die Gemeinde hilfreich war. Die Gemeinde gab dem Kompagnon die Optionen, damit der Kompagnon zumindest irgendetwas hatte, dann bräuchte der Kompagnon bloß noch das Geld und alles würde gut.

Aber wie sollte es gut werden, wenn der Anton aus Tirol und der Konsul vom Kompagnon Grundstücke kaufen wollten, die dieser selbst noch gar nicht besaß? Nicht verzagen, Konsul fragen. Der Konsul war sich mit dem Anton aus Tirol ohnehin einig, mehr oder weniger. Deshalb wurde einfach ein Kaufvertrag mit dem heimlichen Kompagnon des Konsuls abgeschlossen und nicht viel gefragt, ob ihm das Gelände überhaupt schon gehört. Muss einem wirklich immer alles gehören, was man verkauft? Schließlich und endlich ging es bei dem Kaufvertrag in erster Linie ja nicht um die Frage, ob der Verkäufer wirklich auch der Eigentümer der Grundstücke war, sondern darum, dass man der Bank einen Vertrag vorlegen konnte, damit diese das Projekt finanziert. Der hochlöbliche Notarius, dessen Kanzlei weit weg vom Gelände war, fabulierte in einem Absatz des Vertrags irgendetwas von außerbücherlichem Eigentum des Verkäufers, damit hatte sich die Geschichte. Der Kompagnon vor Ort setzte seine Unterschrift als Verkäufer unter den Kaufvertrag, der Konsul und der Kommerzialrat taten dergleichen als Käufer, der hochlöbliche Notarius haute seinen Stempel drauf. Flexibilität ist angesagt. Der Konsul und der Anton fuhren auf die Bank, unterschrieben lustig Kreditverträge, und alle hatten ihre Freude.

Nachdem die ersten Gelder der Bank dann geflossen waren, raffte sich der Kompagnon vor Ort allerdings doch auf, das Gelände zusammenzukaufen und die Kaufverträge mit den Liegenschaftseigentümern abzuschließen. Es lag ja ohnehin nur ein guter Monat zwischen dem Verkauf des Geländes an die FMZ Ostpark und dem ersten Kaufvertrag des Kompagnons vor Ort mit einem Grundstücksbesitzer. Und wer macht sich wegen einiger Monate schon ins Hemd? Außerdem haben die Grundstücksbesitzer ohnehin alle unterschrieben, weil die zuvor schon der Gemeinde die Kaufoption gegeben hatten – also was soll man sich da viel darüber alterieren, dass der Kompagnon vor Ort im Dezember 2002 sieben Hektar verkauft hat, die ihm damals noch überhaupt nicht gehört haben. Na eben.

Der hochlöbliche Notarius wurde damit beauftragt die Sache abzuwickeln, es war sozusagen nur ein dicker Akt in einem Notariat am Rande der Republik. Es gab außer dem Notar sozusagen keine weiteren Mitwisser, da hat es doch wirklich keine Rolle gespielt, in welcher Reihenfolge welche Verträge unterschrieben worden sind. Es kommt ja auch vor, dass Leute Autos verkaufen, die ihnen nicht gehören, Möbel oder Schmuck, warum soll nicht einer auch einmal Grundstücke verkaufen, die ihm nicht gehören?

Fragt man sich, warum die Scharade mit den Grundstücken überhaupt stattgefunden hat, passieren musste, ist die Antwort einfach. Denn wenn der Anton aus Tirol oder die Bank gewusst hätte, um welchen Preis der Kompagnon die Grundstücke von den Eigentümern kaufen wollte, wäre nicht gekauft worden, wäre nicht finanziert worden. Es hat sich also sehr gut gefügt, dass der hochlöbliche Notar die entsprechende Flexibilität besaß. Natürlich hätte man sich den ganzen Zauber auch sparen können, wenn der Konsul am Projekt selbst interessiert gewesen wäre und nicht bloß an einem heimlichen schnellen Schnitt.

Man könnte das Ganze natürlich auch anders sehen. Der Wahnwitz mit dem Kauf eines Grundstücks, das dem Verkäufer nicht gehört hat, war bereits nach Kurzem der dritte Stolperstein, der dem Projekt im Weg lag, noch ehe der erste Bagger am Gelände aufgefahren ist. Spätestens mit dem Kaufvertrag über das Gelände bestand das ganze Projekt nur mehr aus Lug und Betrug.

Der Konsul gründete eine Gesellschaft mit dem Anton aus Tirol, verheimlichte ihm dabei aber seine Rolle beim Grundstückskauf.

Der Anton aus Tirol kaufte gemeinsam mit dem Konsul nach über drei erfolgreichen Jahrzehnten als Immobilienkaufmann ein Gelände, ohne sich nach den Eigentumsverhältnissen und dem Wert des Geländes erkundigt zu haben, angeblich. Bei der Frage des Eigentums wäre denkbar, dass ihn der Notar stichgerade angelogen hat. Bei der Frage nach dem Wert des Geländes jedoch gibt es für das Verhalten des Anton aus Tirol vordergründig keine Erklärung, nur hintergründig.

Der Konsul und der Anton aus Tirol gingen mit einem Kaufvertrag zur Bank, wobei zumindest der Konsul wusste, dass der Vertrag so lange nur Luft sein würde, solange sein Kompagnon vor Ort die Grundstücke nicht gekauft hat. Sie ließen sich mit einem dubiosen Kaufvertrag einen Kauf finanzieren, wo noch überhaupt nichts gekauft sein konnte, weil das, was der Verkäufer verkaufte, dem Verkäufer noch gar nicht gehörte.

Der Konsul täuschte den Anton, gemeinsam täuschten sie die Bank, der Kompagnon vor Ort schwieg, der Notar beglaubigte ein bisserl zu viel. Eine ehrenwerte Gesellschaft und keine besonders gute Grundlage für ein Projekt. Aber es war ja nicht so, dass alles nicht noch schlimmer hätte werden können ...

IV. Das Sakko des Balkanesen

2003 war für Schildbach ein äußerst ereignisreiches Jahr, in dem an der sichtbaren Oberfläche viel passierte. Es kamen die Bagger, die Lastwägen, die Kräne, die Planierraupen und was sonst noch alles auf Baustellen eine gute Figur macht. Vorgesehen war, dass vorerst das Herz des Einkaufszentrums errichtet wird, vier Hallen mit einer Grundfläche von etwa zehntausend Quadratmetern, etwa vierhundert Parkplätze, das Ganze auf einer Fläche von knapp drei Hektar. Die Zufahrtstraßen wurden gebaut, Infrastruktur geschaffen, die beiden ersten Hallen auf der Westseite des Geländes aus dem Boden gestampft – alles für jedermann sichtbar, wenn er auf der Wechsel Bundesstraße durch Schildbach fuhr. Was hinter den Kulissen passierte, war natürlich nicht sichtbar, wie denn auch.

2003 war nicht nur für Schildbach ein ereignisreiches Jahr, sondern auch für den Konsul und seinen Kompagnon. Das Jahr war noch nicht sehr alt und schon überwies die Bank das Geld für das Projekt auf das Treuhandkonto des hochlöblichen und sehr flexiblen Notars. Dann dauerte es nicht mehr allzu lange, der Notar hatte seine Papierln weitgehend beieinander und über den Konsul und den Kompagnon ergoss sich ein warmer Regen, wie man so schön sagt. Aufgeteilt wurde wie ursprünglich vereinbart. Es waren nicht ganz drei Millionen, die sich die beiden teilen konnten, für den Konsul knapp zwei, für den Kompagnon vor Ort knapp eine. Der Konsul, der bereits länger im Geschäft war und schon öfter einen Schnitt gemacht hatte, ließ sich von dem Geschäft nicht besonders irritieren. Für den Kompagnon vor Ort hingegen war es das Geschäft seines Lebens. Er, der bislang mehr oder weniger bescheiden durch das Leben gekurvt war, hatte mit einem Schlag so viel Geld auf seinem Konto wie noch nie. Da kann man es ihm nicht verdenken, dass er ein bisserl aufgewühlt war, was gerne einmal eine Orientierungslosigkeit erzeugt. Was machen mit so viel Geld, wenn es gar so plötzlich hereinschneit? Als Häuslbauer baut man ein Haus, als Gastwirt renoviert man ein bisserl. Aber was, wenn dann noch immer sehr viel da ist? Man verlässt die Niederungen des oststeirischen Seins und macht Big Bißneß. Gott sei Dank hatte der Kompagnon in seinem neuen Freund, der ihm den Geldregen gerade erst verschafft hatte, sicher auch jemanden, dem man trauen konnte, wenn es galt, die nächste Stufe auf der Leiter des Erfolgs zu erklimmen. Sofort hatte der Konsul auch zwei Ideen, wie denn der Kompagnon sein Geld rasch weiter vermehren konnte.

Erstens einmal bot es sich an, dass sich der Kompagnon am Ostpark beteiligt. Denn war es nicht er, der alle Grundstücke zusammengekauft hatte und so das Geschäft überhaupt erst ermöglicht hatte? War es nicht er, der mit dem Flecken Erde und dem Projekt jetzt schon sehr verbunden war? Na eben. Der Konsul war großzügig und verkaufte dem Kompagnon von seinen zwei Fünfteln die Hälfte. Da waren nun also drei im Boot: der Anton aus Tirol mit drei Fünfteln, der Konsul und der Kompagnon mit je einem Fünftel. Der Kompagnon hatte eine sehr große Freude, dass er jetzt bei den Wichtigen dabei war. Der einzige Wermutstropfen war, dass es der Anton aus Tirol nicht wissen durfte, weil ein paar Absätze des Gesellschaftsvertrags dagegen waren. Es wurde also eine stille Gesellschaft daraus, mit dem Konsul am Papier und dem Kompagnon im Gnack des Konsuls. Für den Konsul fügte sich diese stille Gesellschaft ganz wunderbar, weil er nur mehr die Hälfte an Eigenmitteln in das Projekt einbringen musste, die zweite Hälfte kam vom Kompagnon. Aber war es nicht so, dass der Kompagnon noch immer einen ordentlichen Batzen Geld übrig hatte, von dem er nicht wusste, was damit anfangen? Nicht verzagen, Konsul fragen.

Zweitens bot der Konsul dem Kompagnon an, sich an der Diamantenschleiferei in Guinea zu beteiligen. Der Kompagnon war entzückt. Das war nicht Big Bißneß, sondern Veri Veri Big Bißneß. Der Kompagnon fuhr nach Schwechat, traf dort am Abflugschalter den Konsul, sie setzten sich beide in einen Flieger, stiegen einmal in Charles de Gaulle um und flogen gemeinsam weit in den Süden. Und da waren die beiden nun in Guinea, wo sich der Kompagnon an Ort und Stelle davon überzeugen konnte, dass der Konsul gemeinsam mit einem zweiten Konsul in Conakry eine Diamantenschleiferei aus dem Boden gestampft hatte, die erste und einzige in Westafrika. Der Kompagnon war entzückt und bald darauf Partner in der Diamantenschleiferei. Er gab dem Konsul wieder einen Batzen Geld. Und weil das nicht ganz einfach war mit den Verträgen in Guinea, vor allem wenn keiner die Amtssprache sprach, von der Landessprache gar nicht zu reden, gab der Konsul dem Kompagnon vorerst keinen Gesellschaftsvertrag, sondern einen mit der Hand geschriebenen Zettel, auf dem vermerkt war, dass er jetzt als Kompagnon mit an Bord war. Als Sicherheit gab ihm der Konsul eine von einem richtigen Minister aus Guinea unterschriebene Konzessionsurkunde der Gesellschaft. Er gab ihm die Urkunde mit der Auflage, diese sehr sorgfältig aufzubewahren, weil diese Urkunde die einzige war, die die Gesellschaft hatte und praktisch der gesamte Gedeih und Verderb der Diamantenschleiferei an der Urkunde hing. Der Kompagnon versprach wie ein Haftelmacher auf die Urkunde aufzupassen und die kleine Achse des Bösen

Lungitzbach – Corniche du Sud, Conakry

begann ordentlich zu rotieren. Der Kompagnon kam als gemachter Mann aus Afrika in die Oststeiermark zurück: Partner in einem Einkaufszentrum, das gerade gebaut wurde, und Partner in einer Diamantenschleiferei am Rande des Dschungels. Herz, was willst du mehr?

2003 war kein besonders aufregendes Jahr, was die Vermietung des im Bau befindlichen Einkaufzentrums anlangte. Es war nicht so, dass sich gar niemand darum kümmerte, einige Makler haben schon ein bisserl geschaut, hie und da, aber so richtig gekümmert wurde nicht. Der Anton aus Tirol und der Konsul hatten mehr oder weniger vereinbart, dass sich der Konsul um die Dinge vor Ort kümmern sollte, weil er es nicht so weit hatte wie der Anton. Es wäre sohin die Aufgabe des Konsuls gewesen, sich um die Vermietung zu scheren. Doch was interessierte den Konsul die Vermietung eines im Bau befindlichen Projekts, wenn er seinen Schnitt schon gemacht hatte, wenn er mit dem Einkaufszentrum nie wieder so viel verdienen würde können, wie er bereits daran verdient hatte.

Überhaupt hatte die Art und Weise, wie der Konsul zu seiner Beute gekommen ist, eine gewisse Eleganz. Kaum hatte der sehr flexible Notarius die Zahlung avisiert, war der Konsul plötzlich nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft, die das Geld bekommen sollte. Nur nicht selber irgendwo aufscheinen. Nur nicht selber irgendetwas unterschreiben. Wofür hat man denn Freunde, Partner und Bürokollegen? Über Nacht wurde Ludwig, Le Spaghetti, zum neuen Geschäftsführer der Firma. Ludwig, Le Spaghetti, holte das Geld bar auf der Bank ab. Der Konsul hatte nichts zu unterschreiben brauchen. Auch die Gesellschaft des Konsuls hielt es nicht mehr lange in der schönen Kaiserstadt. Denn wer versteuert schon gerne zwei Millionen wenn nicht unbedingt nötig? Bald nachdem Ludwig, Le Spaghetti, das Geld von der Bank geholt hatte, bekam ein Balkanese die Gesellschaft geschenkt. Der Balkanese hat sie in seine Sakkotasche gesteckt und ist zurück auf den Balkan gefahren. Es ist nicht überliefert, in welche Tasche seines Sakkos der Balkanese die nackerte Gesellschaft gesteckt hat, ob dabei eine Sakkotasche ein wenig ausgebeult wurde oder nicht, und schon gar nicht überliefert ist, ob der Balkanese nochmals vom Balkan zurück nach Wien gekommen ist. Eher nicht, es ist auch gar nicht so wichtig. Die Zeit der Kronländer ist vorbei und man kann sich nicht um alles kümmern. Vielleicht geht es der nackerten Gesellschaft ohnehin viel besser als man denkt und sie sitzt irgendwo in frischer Wäsch’ in einem bosnischen Wirtshaus und spielt mit ein paar Pensionisten und Arbeitslosen Karten, was ohnehin viel lustiger ist als in der Wiener Innenstadt zu sitzen und zu warten, wann der Gerichtsvollzieher oder die Steuerfahndung wieder vorbeischaut.

Die erste Hälfte des Jahres 2003 lief für den Konsul also gar nicht so schlecht. Er bekam seine Beute aus dem Raubzug, ohne dass er auf der Bank unterschreiben hatte müssen, das Steuerproblem war mehr oder weniger elegant gelöst und was der Konsul an Eigenmitteln in den Ostpark gesteckt hatte, hatte er sich zum größten Teil vom Kompagnon vor Ort zurückgeholt. Für den Kompagnon gab es im Gegenzug eine stille Gesellschaft in Europa und ein buntes Blattl Papier aus Afrika. Alles optimal gelaufen sozusagen.