Die Perfekte Nachbarin (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt – Band Neun) - Blake Pierce - E-Book

Die Perfekte Nachbarin (Ein spannender Psychothriller mit Jessie Hunt – Band Neun) E-Book

Blake Pierce

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

"Ein Meisterwerk der Thriller und Mystery-Romane. Blake Pierce hat hervorragende Arbeit geleistet, indem er Charaktere entwickelt hat, die so gut beschrieben sind, dass wir uns in ihren Köpfen fühlen, ihren Ängsten folgen und ihren Erfolg herbeiwünschen. Dieses Buch garantiert Ihnen aufgrund der vielen Wendungen Spannung bis zur letzten Seite." --Bücher und Filmkritiken, Roberto Mattos (Verschwunden) DIE PERFEKTE NACHBARIN ist Buch Nr. 9 in einer neuen Psychothriller-Reihe des Bestsellerautors Blake Pierce, die mit Die Perfekte Frau beginnt, einem Bestseller mit fast 500 Fünf-Sterne-Rezensionen (und kostenlosem Download). In einer exklusiven und wohlhabenden Wohngegend in Manhattan Beach zieht eine neue Nachbarin in eine Villa ein. Bald darauf wird sie tot aufgefunden. Der Fall führt Jessie in eine weitere wohlhabende Küstenstadt, die schlechte Erinnerungen an ihre Ehe hervorruft und sie zwingt, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen, während sie versucht, die Lügen dieser scheinbar perfekten Stadt aufzudecken. Hängt der Mord mit einer exklusiven Elitepartei zusammen? Oder kommt ein noch ruchloseres Motiv in Frage? Erschwerend kommt hinzu, dass Jessies Ehemann aus dem Gefängnis entlassen wurde – und erneut eine potenzielle Bedrohung für sie darstellt. DIE PERFEKTE NACHBARIN ist ein mitreißender Psychothriller mit unvergesslichen Charakteren und dramtischer Spannung. Es ist Buch Nr. 9 in einer fesselnden neuen Reihe, die Ihnen schlaflose Nächte bescheren wird.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



die perfekte nachbarin

(ein spannender psychothriller mit jessie hunt – band neun)

b l a k e   p i e r c e

Blake Pierce

Blake Pierce ist der USA Today Bestseller-Autor der RILEY PAGE Mystery-Serie, die sechzehn Bücher (und es werden noch mehr) umfasst. Blake Pierce ist auch der Autor der Mystery-Serie MACKENZIE WHITE, die dreizehn Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie AVERY BLACK, die sechs Bücher umfasst; der Mystery-Serie KERI LOCKE, die fünf Bücher umfasst; der Mystery-Serie DAS MAKING OF RILEY PAIGE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Mystery-Serie KATE WISE, die sechs Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe CHLOE FINE, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe JESSIE HUNT, die fünf Bücher umfasst (Tendenz steigend); der psychologischen Krimireihe AU PAIR, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der Krimireihe ZOE PRIME, die zwei Bücher umfasst (Tendenz steigend); der neuen Krimireihe ADELE SHARP; sowie der neuen und heimeligen Mystery-Serie EUROPEAN VOYAGE.

Als begeisterter Leser und lebenslanger Fan der Mystery- und Thriller-Genres liebt es Blake, von Ihnen zu hören. Besuchen Sie www.blakepierceauthor.com, um mehr zu erfahren und in Kontakt zu bleiben.

Copyright © 2020 by Blake Pierce. Alle Rechte vorbehalten. Vorbehaltlich der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln reproduziert, verteilt oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Abfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und Sie es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann senden Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihre eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist eine erfundene Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Ergebnis der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig.

BÜCHER VON BLAKE PIERCE

ADELE SHARP MYSTERY-SERIE

NICHTS ALS STERBEN (Band #1)

NICHTS ALS RENNEN (Band #2)

NICHTS ALS VERSTECKEN (Band #3)

DAS AU-PAIR

SO GUT WIE VORÜBER (Band #1)

SO GUT WIE VERLOREN (Band #2)

SO GUT WIE TOT (Band #3)

ZOE PRIME KRIMIREIHE

GESICHT DES TODES (Band #1)

GESICHT DES MORDES (Band #2)

GESICHT DER ANGST (Band #3)

GESICHT DES WAHNSINNS (Band #4)

JESSIE HUNT PSYCHOTHRILLER-SERIE

DIE PERFEKTE FRAU (Band #1)

DER PERFEKTE BLOCK (Band #2)

DAS PERFEKTE HAUS (Band #3)

DAS PERFEKTE LÄCHELN (Band #4)

DIE PERFEKTE LÜGE (Band #5)

DER PERFEKTE LOOK (Band #6)

DIE PERFEKTE AFFÄRE (Band #7)

DAS PERFEKTE ALIBI (Band #8)

DIE PERFEKTE NACHBARIN (Band #9)

CHLOE FINE PSYCHOTHRILLER-SERIE

NEBENAN (Band #1)

DIE LÜGE EINES NACHBARN (Band #2)

SACKGASSE (Band #3)

STUMMER NACHBAR (Band #4)

HEIMKEHR (Band #5)

GETÖNTE FENSTER (Band #6)

KATE WISE MYSTERY-SERIE

WENN SIE WÜSSTE (Band #1)

WENN SIE SÄHE (Band #2)

WENN SIE RENNEN WÜRDE (Band #3)

WENN SIE SICH VERSTECKEN WÜRDE (Band #4)

WENN SIE FLIEHEN WÜRDE (Band #5)

WENN SIE FÜRCHTETE (Band #6)

WENN SIE HÖRTE (Band #7)

DAS MAKING OF RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

BEOBACHTET (Band #1)

WARTET (Band #2)

LOCKT (Band #3)

NIMMT (Band #4)

LAUERT (Band #5)

TÖTET (Band #6)

RILEY PAIGE MYSTERY-SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

VERFOLGT (Band #9)

VERLOREN (Band #10)

BEGRABEN (Band #11)

ÜBERFAHREN (Band #12)

GEFANGEN (Band #13)

RUHEND (Band #14)

GEMIEDEN (Band #15)

VERMISST (Band #16)

AUSERWÄHLT (Band #17)

EINE RILEY PAIGE KURZGESCHICHTE

EINST GELÖST

MACKENZIE WHITE MYSTERY-SERIE

BEVOR ER TÖTET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

EHE ER FÜHLT (Band #6)

EHE ER SÜNDIGT (Band #7)

BEVOR ER JAGT (Band #8)

VORHER PLÜNDERT ER (Band #9)

VORHER SEHNT ER SICH (Band #10)

VORHER VERFÄLLT ER (Band #11)

VORHER NEIDET ER (Band #12)

VORHER STELLT ER IHNEN NACH (Band #13)

VORHER SCHADET ER (Band #14)

AVERY BLACK MYSTERY-SERIE

DAS MOTIV (Band #1)

LAUF (Band #2)

VERBORGEN (Band #3)

GRÜNDE DER ANGST (Band #4)

RETTE MICH (Band #5)

ANGST (Band #6)

KERI LOCKE MYSTERY-SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

EINE SPUR VON MORD (Band #2)

 

 

INHALTSVERZEICHNIS

 

 

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREISSIG

KAPITEL EINUNDDREISSIG

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

KAPITEL DREIUNDDREISSIG

KAPITEL VIERUNDDREISSIG

KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG

KAPITEL SECHSUNDDREISSIG

EPILOG

 

 

KAPITEL EINS

Sie wollte nicht neugierig sein.

Das zumindest redete Priscilla Barton sich ein, als sie den Manhattan Beach Strip entlang ging, mit einer Flasche Sauvignon Blanc in der Hand.

Genau genommen wollte Prissy – so wollte sie von allen genannt werden – ihre neuen Nachbarn willkommen heißen. Sie und ihr Mann Garth waren vergangene Woche in ihrem Anwesen in Palm Springs gewesen, und so war ihr wohl entgangen, dass jemand Neues eingezogen war. Manchmal konnte Prissy eine schemenhafte Figur sehen, die sich hinter den stets geschlossenen Vorhängen des Herrenhauses nebenan bewegte. Nie jedoch sah sie jemanden hineingehen oder herauskommen.

Heutzutage war es jedoch schwer, diesbezüglich auf dem Laufenden zu bleiben. Da so viele ihrer Nachbarn in diesem wohlhabenden Teil der Stadt nahe des Strands fast den ganzen Sommer über auf Reisen waren, wusste man nie, wer gerade im Urlaub war, geschweige denn, wer sein Haus Freunden überlassen oder vermietet hatte.

Prissy wusste, dass das Haus nebenan einem Hollywood-Agenten und seiner Frau gehörte. Diese führte eine Art Wohltätigkeitsorganisation für minderbemittelte Jugendliche. Allerdings waren die beiden nicht besonders freundlich und immer viele Monate am Stück unterwegs. Tatsächlich hatte sie von einer anderen Nachbarin erfahren, dass sie bis August weg sein würden. Da sie sie seit Wochen nicht gesehen hatte, musste es sich bei der Person hinter den Vorhängen um einen Mieter handeln.

Als sich Prissy der Eingangstür näherte, spürte sie ein aufgeregtes Kribbeln. Was, wenn der Agent sein Haus an einen Klienten vermietet hatte, möglicherweise sogar einen Promi? Das war nicht unwahrscheinlich. Viele Berühmtheiten lebten hier oder machten hier Urlaub. Man konnte sie auf den ersten Blick identifizieren, denn sie trugen Baseball-Kappen, Sonnenbrillen und schäbige Klamotten. Das war sozusagen ihre Uniform.

Außerdem sahen sie nie auf. Wenn Prissy jemandem begegnete, der zunächst wie ein Penner wirkte, sein Gesicht verbarg und keinen Blickkontakt aufnahm, dann konnte es sehr gut sein, dass es sich um einen Promi handelte. Gut, sie hatte ihre Lektion lernen müssen, denn manchmal war es wirklich ein Penner gewesen. Also war sie mittlerweile etwas vorsichtiger als früher, wenn es darum ging sie anzusprechen.

Prissy war durchaus an Geld gewöhnt. Seit neun Jahren war sie mit Garth Barton verheiratet, einem äußerst erfolgreichen Manager bei Sharp Kimsey, einem international tätigen Gas- und Ölkonzern. Bis vergangenes Jahr hatten sie im geschichtsträchtigen Hancock Park Viertel gelebt, nicht weit von den imposanten Wolkenkratzern im Zentrum von Los Angeles.

Aber Prissy, die mittellos in Catahoula, Louisiana aufgewachsen war, hatte die drückende Hitze in der Innenstadt von Los Angeles zu schaffen gemacht. Also hatte sie verlangt, in die Nähe des Meeres zu ziehen, wo es in der Regel fünf bis zehn Grad kühler war. Am Meer zu leben bedeutete jedoch nicht, von den Einheimischen akzeptiert zu werden. Prissy musste noch in deren Mitte aufgenommen werden.

Sie redete sich gern ein, dass es sich hier um einen etwas spröden, eigenbrötlerischen Menschenschlag handelte, der Fremden gegenüber feindlich gesinnt war. Und zum Teil stimmte das auch. Aber wenn sie ehrlich war, wusste sie, dass ihre Gier danach, die soziale Leiter zu erklimmen, mehr damit zu tun hatte. Jener Charakterzug, den sie gerne zu verbergen versuchte, der aber immer in den ungünstigsten Momenten zum Vorschein kam.

Dagegen konnte sie einfach nichts tun. Dieser aggressive Teil ihrer Persönlichkeit hatte ihr geholfen, sich aus den Sümpfen Louisianas an die Louisiana State University zu kämpfen, wo sie den weltgewandten Jungen aus New Orleans kennengelernt hatte, der sich zum Herrscher der Welt hatte aufschwingen wollen.

Nach ihrem Abschluss und der Hochzeit hatte Garth die Position bei Sharp Kimsey ergattert, und sie hatten sich in Metairie niedergelassen, nicht weit von dem Unternehmenssitz in New Orleans. Nach zwei Jahren wurden sie nach Houston versetzt, nach vier weiteren nach L.A. Mittlerweile waren sie seit drei Jahren hier, und Prissy war völlig hin und weg.

Sie liebte den Glamour der Stadt. Sie liebte die unverfrorene Taktlosigkeit. Sie liebte die zu dünnen Frauen, die ihre zu kleinen Hündchen in zu kleinen Handtaschen herumtrugen. Sie wollte ein Teil von all dem sein, auch wenn ihre diesbezüglichen Bemühungen sie etwas verzweifelt wirken ließen. Darum stand sie gerade vor der Eingangstür ihrer Nachbarn, mit einer Flasche Wein in der Hand und einem falschen Grinsen im Gesicht – weil sie ein Teil dieser Welt sein wollte.

Sie blickte zurück zum Strip, einem breiten Betonweg für Fußgänger, den man oft in den Vororten von Manhattan Beach und Hermosa Beach vorfand. An diesem späten Nachmittag war überraschend wenig los, was den Vorteil hatte, dass niemand ihre Neugier kommentieren würde.

Prissy beäugte sich ein letztes Mal in dem dicken, schimmernden Glas der Eingangstür. Und sie befand sich für gut. Mit 31 hatte sie immer noch den straffen Körper, den sie brauchte, damit Garth sich nicht nach einer anderen umsah. Die unzähligen Stunden mit Yoga, Pilates und im Strand Boot-Camp hatten sich ausgezahlt und sie an den richtigen Stellen schlank und straff gehalten. Ihr blond gefärbtes Haar fiel ihr offen auf die Schultern und obwohl es früher Abend war, nutzte sie die warmen Temperaturen als Ausrede dafür, einen Sport-BH samt Yogahose zu tragen. Sie war sich sicher, dass sie einen guten Eindruck machen würde, unabhängig davon, ob der neue Nachbar ein Promi war oder nicht.

Prissy läutete, hörte jedoch nichts. Die Türklingel war wohl kaputt. Sie klopfte an und wartete. Keine Antwort. Sie versuchte es erneut, aber es kam immer noch nichts. Sie wollte fast schon wieder gehen und überlegte gerade, ob sie den Wein auf der Fußmatte lassen sollte. Allerdings hatte sie kein Kärtchen dabei und sie würde das Zeug nicht einfach dalassen, ohne dem Beschenkten mitzuteilen, wer ihn beglückt hatte. Sie versuchte es ein letztes Mal. Wenn dann immer noch keiner aufmachte, würde sie ein andermal wiederkommen. Mit der weichen Seite ihrer Faust schlug sie kräftig gegen die Tür. Zu ihrer Überraschung öffnete sich diese ein Stückchen.

„Hallo?“, rief sie laut, aber zaghaft.

Keine Antwort. Erstaunt darüber, dass jemand ein mehrere Millionen Dollar teures Haus unverschlossen ließ, schob sie die Tür ein wenig weiter auf.

„Hi, hier ist Ihre Nachbarin!“, rief sie und lugte in den Flur, auf der Suche nach einem Stift und Papier, um die Bewohner wissen zu lassen, dass sie die edle Spenderin des Weins war. Die Flasche einfach drinnen stehen zu lassen, ohne Angaben, von wem sie war, würde den Sinn des Ganzen völlig zunichte machen. Da sie nichts fand, schloss sie die Tür hinter sich und betrat das Haus.

„Ist da jemand? Keine Sorge, ich bin nicht hier, um Sie auszurauben. Ich habe einen Willkommensgruß, den ich einfach mal in die Küche stellen werde.“

Sie ging durch die weitläufige Eingangshalle in die Richtung, von der sie vermutete, dass sie zur Küche führte. Dabei war sie leicht nervös. Schließlich hielt sie sich hier unerlaubt auf. Wenn jemand zu Hause war und nur deshalb nicht reagiert hatte, weil er duschte oder Ohrstöpsel trug, dann wäre es nur recht und billig, wenn er ungehalten auf einen Eindringling reagierte, der durchs Haus schlich. Allerdings genoss sie den Nervenkitzel auch ein wenig.

Auf dem Weg in die Küche begegnete sie keiner Menschenseele. Alle Lichter im Haus waren aus, woraufhin sie vermutete, dass der Besitzer nicht da war und einfach vergessen hatte, die Tür abzuschließen, geschweige denn richtig zuzumachen. Sie stellte den Wein auf die Kücheninsel, fand einen Stift und schrieb ein paar kurze Sätze auf ein Post-it, das sie auf die Flasche klebte.

Ein wenig enttäuscht ging sie wieder durch die Eingangshalle zurück, wurde aber plötzlich von ihrer Neugier gepackt. Als sie am großen Wohnzimmer vorbeiging, trat sie einfach ein und begutachtete den beeindruckenden Raum, der aussah, als wäre er direkt aus Cape Cod hierher transportiert worden.

Gerade überlegte sie, mit ihrem Handy ein paar Fotos zu machen, um ein paar Einrichtungsideen zu sammeln, da hörte sie ein Rascheln, das aus einer Ecke des Zimmers zu kommen schien. Sie wandte den Kopf und sah, dass sich die Quelle des Geräuschs hinter einer großen Pflanze befand. Einen Augenblick lang dachte Prissy, dass sie ein Haustier erschreckt hatte, das sich aus Angst vor ihr verbarg.

Aber plötzlich und unvermittelt schoss ein Mann hinter der Zimmerpflanze hervor und rannte auf sie zu. Auf seinem Gesicht lag ein finsterer Ausdruck der Entschlossenheit. Prissy wurde von blankem Entsetzen gepackt. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war wie ausgedörrt. Der Mann stürmte direkt auf sie zu. Endlich erwachte sie aus ihrem Schock, als sie seinen schweren und raschen Atem hörte.

Sie rannte den langen Flur entlang in Richtung der Eingangstür. Aber in Flip-Flops war das nicht besonders einfach, und nach nur ein paar Schritten verlor sie das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Sie raffte sich wieder auf, jetzt nur noch mit einem Flip-Flop. Das Geräusch der sich nähernden Schritte hinter ihr erfüllte ihren ganzen Körper mit Adrenalin.

Gerade streckte sie die Hand nach dem Türknauf aus, da spürte sie einen harten Schlag, prallte gegen die Tür und dann erneut zu Boden, panisch nach Atem ringend. Bevor sie allerdings wieder aufstehen konnte, spürte sie, wie etwas ihren Hals umschloss.

Sie versuchte, ihre Finger darunter zu stecken, aber sie konnte den Griff nicht lockern und der Mann umfasste ihren Hals sogar noch fester und zerrte sie den Flur entlang, weg von der Tür. Sie fiel auf ihn, so dass beide zu Boden stolperten. Aber er ließ sie nicht los.

Durch den Adrenalinrausch, den harten Schlag und nun auch den Würgegriffs schrie Prissy innerlich wie am Spieß, auch wenn sie keinen Ton herausbrachte. Mit den Ellbogen versuchte sie ihren Angreifer in die Rippen zu stoßen, so dass er seinen Griff lockerte. Allerdings spürte sie, wie sie langsam das Bewusstsein verlor, und sie wusste, dass ihre Stöße kaum eine Wirkung erzielten.

So darf es nicht enden!

KAPITEL ZWEI

Jessie Hunt stand vom Küchentisch auf und ließ sich die Schmerzen nicht anmerken.

Sie sammelte alle Teller ein und ging hinüber zum Spülbecken, um Wasser über das Geschirr laufen zu lassen. Da sie mit Abstand die schlechteste Köchin von allen Anwesenden war, hatte sie sich davor drücken können, das Abendessen zuzubereiten. Das bedeutete allerdings, dass sie den Job der Spülerin hatte übernehmen müssen. Normalerweise war das ein fairer Deal. Aber da sie noch unter den Verletzungen litt, die sie sich kürzlich zugezogen hatte, bereitete es ihr große Mühe, sich nach unten zu beugen. Das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen war häufig der Auslöser für stumme Tränen.

Sie spürte immer noch den stechenden Schmerz am Rücken, wo ihre Haut vor drei Wochen verbrannt worden war. Aber sie schaffte es, es sich nicht anmerken zu lassen. Weder ihr Freund Ryan noch ihre Halbschwester Hannah schienen zu merken, dass sie immer noch große Schmerzen erlitt.

Die Verbrennungen hatte sie sich zugezogen, als sie eine Frau vor einem gestörten Mann gerettet hatte, der diese entführt und nach ein paar Tagen absichtlich freigelassen hatte, um dann in ihr Haus einzudringen und zu versuchen sie umzubringen. Jessie und der Frau war es nur knapp gelungen, aus dem brennenden Haus zu fliehen. Seitdem war Jessie vom LAPD beurlaubt worden. Man hatte sie zunächst ins Krankenhaus verfrachtet und nun saß sie in ihrer eigenen Wohnung fest.

Sie wusste, dass sie nicht hätte leiden müssen, da sie genügend Schmerzmittel hatte. Die Ärztin hatte ihr gesagt, sie solle die Dosierung während eines Monats beibehalten. Aber vor einer Woche hatte Jessie begonnen, das Mittel langsam abzusetzen, teilweise aus Angst vor einer Abhängigkeit. Allerdings gab es da einen weiteren Grund. Sie musste wachsam bleiben.

An dem Tag, nachdem Jessie sich verbrannt hatte, während sie im Krankenhaus lag, war ihr Ex-Mann, Kyle Voss, aus dem Gefängnis entlassen worden. Dabei handelte es sich um den gleichen Ex-Mann, der wegen Mordes an seiner Geliebten in den Knast gewandert war, was er Jessie damals hatte anhängen wollen. Als sie dahintergekommen war, hatte er versucht sie umzubringen.

Jedoch hatte der Staatsanwalt bezüglich Kyles Fall irgendwie herausgerückt, dass man mit dem Beweismaterial unsachgemäß umgegangen war. Natürlich war Jessie klar, was es mit dem „irgendwie“ auf sich hatte. Kyle hatte sich mit einer Gefängnis-Gang angefreundet, die Teil des berühmt-berüchtigten Monzon-Drogenkartells war. Als Folge davon hatten Kartellmitglieder die Familie des Staatsanwalts bedroht. Dessen war Jessie sich sicher.

Während Jessie sich also im Krankenhaus von ihren Verbrennungen erholte, entließ ein Richter Kyle Voss wieder in die Gesellschaft. Dabei entschuldigte er sich sogar im Gerichtssaal bei ihm. Kyle war wie immer der Charmeur in Person. Während einer Pressekonferenz gab er zu, dass er „weit davon entfernt war, unfehlbar zu sein“, und dass er ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen wolle, indem er unter anderem eine Stiftung ins Leben rufen würde, die Organisationen für fälschlicherweise verurteilte Insassen unterstützt.

Was Kyle jedoch nicht zugab – und was Jessie wusste, jedoch nicht beweisen konnte – war, dass er, während er im Gefängnis gewesen war, einen Rachefeldzug gegen Jessie gestartet hatte, mit dem er ihr Leben und ihren Ruf zerstören wollte. Er hatte mit kleinen Dingen begonnen, indem etwa ein Kartellmitglied ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatte. Dann hatte es sich dahingehend gesteigert, dass man antipsychotische Drogen versteckt und anonym das Jugendamt informiert hatte, mit der Behauptung, sie würde Hannah, für die sie das Sorgerecht hatte, Gewalt antun. Weiter ging es damit, dass man ihre Social-Media-Konten gehackt und in ihrem Namen rassistische und anti-semitische Kommentare gepostet hatte. Letzteres hatte, obwohl man dahintergekommen war, immer noch negative Auswirkungen auf Jessies berufliche Kontakte, außerdem auf die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person.

Die Krönung bildete ein Blumenstrauß, der anonym in ihr Krankenzimmer gesendet worden war, und zwar mit der Notiz, dass der Absender sie bald sehen würde. Wenn man bedachte, dass Kyle bereits versucht hatte, sie umzubringen, und einem Informanten im Gefängnis gegenüber erwähnt hatte, dass er sie „wie ein Schwein abschlachten und in ihrem warmen Blut baden wolle“, kam es Jessie nur allzu angebracht vor, das Schmerzmittel zu reduzieren. Die körperlichen Beschwerden waren da nur ein geringer Preis dafür, dass ihr Geist rege bleiben konnte.

Es schadete auch nicht, dass ihr Freund, der kürzlich bei ihr und Hannah eingezogen war, ein verdienter LAPD-Kriminalbeamter war, der aussah, als könnte er es locker mit einem Stier aufnehmen. Ryan Hernandez, der Top-Kriminalbeamte in der Spezialeinheit für Mord, war 1,90 Meter groß und bestand aus 100 Kilogramm reiner Muskelmasse. Jessie hatte manchmal den Eindruck, sie sei mit ihrem eigenen Bodyguard zusammen. Momentan kam ihr das jedoch nicht so vor.

„Hast du’s bequem?“, fragte sie, ging rüber zur Couch und legte sich darauf, während seine nackten Füße auf der Lehne lagen.

„Sehr“, erwiderte er, dann zog er sie auf: „Hast du das Geschirr auch ordentlich eingeseift?“

„Du wirst gleich merken, wie gut eingeseift es ist, wenn du deine Stinkefüße nicht sofort von meiner Armlehne nimmst.“

Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie runter, streckte ihr aber die Zunge heraus. Sie unterdrückte ein Grinsen.

Zusätzlich zu der Tatsache, diesen gestandenen Mann im Fresskoma bei sich zu haben, beruhigte es sie außerdem, dass ihre Wohnung praktisch ein Tresorraum war. Sie hatte sie absichtlich so konstruieren lassen, als ihr leiblicher Vater, ein Serienkiller namens Xander Thurman, sie verfolgt hatte. Er war der Meinung gewesen, dass sie sich dem Familienunternehmen anschließen müsse oder andernfalls zu dessen Opfer werden würde.

Also hatte sie sich eine Wohnung zugelegt, die von pensionierten Cops bewacht wurde, über einen Parkplatz verfügte, der rund um die Uhr überwacht wurde, und in der jeder Flur und jeder umliegende Platz über Kameras verfügte. Aber das war noch nicht alles.

Sie war eine von wenigen Bewohnern – alle mit profilierten Jobs – die auf der geheimen 13. Etage lebten, die den meisten anderen Leuten im Haus unbekannt war. Man konnte sie nur über eine Treppe vom 12. oder 14. Stock aus erreichen, die hinter Flurschränken verborgen war.

Zusätzlich hatte Jessie für die Wohnung ihr eigenes, ausgeklügeltes Sicherheitssystem installieren lassen, inklusive diverser Schlösser und Alarme. Der einzige Vorteil aus ihrer Ehe mit einem zwar mordsüchtigen, jedoch auch extrem wohlhabenden und erfolgreichen Finanzberater hatte darin bestanden, dass sie nach ihrer Scheidung selbst wohlhabend geworden war.

Trotz all dieser Vorkehrungen wusste sie, dass Kyle, ein Soziopath, der sie ein Jahrzehnt lang hinters Licht geführt hatte, gerissen und skrupellos war. Er war beinahe mit Mord davongekommen. Er hatte sich einer langen Gefängnisstrafe entziehen können. Sie wusste, dass er durchaus in der Lage war, ihre sicherheitstechnischen Vorrichtungen zu umgehen.

„Lust auf Dessert?“, fragte Hannah sie vom Esstisch aus und brachte Jessie damit wieder in die Gegenwart, als sie die restlichen Teller abspülte. „Ich habe Birnentörtchen gemacht.“

Jessie war schon voll, wollte die zerbrechliche, positive Stimmung des Abends jedoch nicht zunichtemachen.

„Ich platze gleich, aber ein kleines Stück probiere ich gern“, erwiderte sie, was ihr ein zufriedenes Lächeln ihrer Halbschwester einbrachte.

Jedes Lächeln, das sie heutzutage ergattern konnte, war etwas Positives. Auch wenn, oberflächlich betrachtet, alles, was in der Wohnung vor sich ging, angenehm zu sein schien, so brodelte es darunter doch gewaltig. Ryan hatte Hannah zunächst um Erlaubnis gefragt, bevor er das Thema Zusammenziehen angesprochen hatte. Auch wenn das sehr rücksichtsvoll von ihm gewesen war, so spürte Jessie dennoch, dass Hannah nur aus Höflichkeit Ja gesagt hatte, nicht aber, weil sie sich darüber freute.

Es war offensichtlich, dass Hannah sie glücklich sehen wollte. Aber es war auch klar, dass sie sich die Wohnung nicht unbedingt mit einem verliebten Paar teilen wollte; und schon gar nicht, wenn beide für die Polizei arbeiteten.

Gerade, als Jessie darüber nachdachte, kam Hannah rüber, nahm die Törtchen aus dem Ofen und warf das kleinste – das außerdem ein wenig verkohlt war – auf die feuchte Küchentheke neben Jessie.

„Lass es dir schmecken“, nuschelte sie.

„Danke“, erwiderte Jessie, die sich lieber darauf konzentrierte, dass man ihr einen Nachtisch angeboten hatte, anstatt auf die Art und Weise, wie ihr dieser serviert worden war.

Manchmal zeigte sich Hannahs Ablehnung durch ihr passiv-aggressives Teenager-Verhalten, oder, wie in diesem Fall, in Form von verkohlten Birnentörtchen. Manchmal zeigte sie sich durch missmutiges Schweigen. Nicht ständig, aber es trat dennoch so oft zutage, dass man es nicht leugnen konnte. In ihren grünen Augen lag dann eine gewisse Hitzigkeit, sie ließ die Schultern hängen und ihre sandfarbenen Haare waren dann zu einem strengen, schnöden Pferdeschwanz zusammengebunden.

Für Jessie und Ryan waren die Umstände auch nicht gerade rosig. Denn keiner von beiden traute sich, ihre Verliebtheit voll auszuleben; nicht mit einer 17-Jährigen, die in dem Zimmer gegenüber vom Wohnzimmer schlief. Sie lebten seit etwas weniger als einem Monat so zusammen, aber bereits jetzt war klar, dass sie sich bald über ihre künftige Wohnsituation würden unterhalten müssen.

„Bei all den Sicherheitsvorkehrungen, die du hier hast, sollten wir die Schlafzimmer vielleicht schalldicht machen“, war das Einzige, was Ryan in dieser Sache von sich gegeben hatte.

Und dann war da noch das andere, das wie ein Damoklesschwert über allem hing. War Hannah Dorsey stabil? Jessie hatte vor nicht allzu langer Zeit das Sorgerecht für ihre Halbschwester, von deren Existenz sie bislang gar nichts gewusst hatte, erhalten. Sie hatte erst von ihr erfahren, nachdem ihr gemeinsamer Vater – der Serienkiller – Hannahs Adoptiveltern ermordet hatte. Dann hatte ein weiterer Killer namens Bolton Crutchfield ihre Pflegeeltern abgestochen, Hannah entführt und versucht, sie zu seinem Ebenbild zu formen. Das war eine Menge Trauma für einen Menschen, noch dazu für jemanden, der gerade erst in seinem vorletzten Jahr an der High-School war.

„Bitte sei vorsichtig mit dem Messer“, sagte sie, als Hannah damit unbedacht die restlichen Törtchen vom Backpapier auf dem Blech kratzte.

„Danke, Mom“, brummte Hannah leise und fuhr fort, das Messer wie eine Scheuerbürste zu verwenden.

Jessie seufzte, antwortete aber nicht. Der Anblick ihrer Halbschwester mit einem langen Säbelmesser in der Hand war etwas verstörend. Trotz ihrer Bemühungen, eine sichere Umgebung zu schaffen, machte sie sich Sorgen, dass in dem Mädchen vielleicht doch eine gewisse Mordlust steckte. Hatte sie diese eventuell entwickelt, nachdem sie am eigenen Leib erfahren hatte, welche Macht sie denjenigen, die sich von ihr mitreißen ließen, ermöglichte? Gab es da vielleicht einen Keim der Mordlust, der ihr vom Vater mitgegeben worden war? Und wenn ja, besaß Jessie diesen auch?

Das war eine Frage, über die sie monatelang gebrütet hatte. Sie hatte sie auch gegenüber ihrer Therapeutin, Dr. Janice Lemmon, angesprochen, die auch Hannah betreute. Sogar ihren Mentor, den berühmten Profiler Garland Moses, hatte sie gebeten, diesbezüglich nachzuforschen. Aber keiner hatte ihr eindeutige Antworten zu Hannahs Naturell geben können, genauso wenig, wie sie etwas Eindeutiges über ihren eigenen Charakter sagen konnte.

Die meiste Zeit über schien Hannah sich wie ein normaler Teenager zu verhalten, mit all den Launen und hormonellen Schwankungen. Aber angesichts des Traumas, das sie in den vergangenen Monaten erlitten hatte, war sogar dieses „Normal“ Anlass dazu, misstrauisch zu werden.

Jessie schüttelte den Kopf und versuchte, diese Gedanken abzuschütteln. Momentan lief alles halbwegs gut. Ihre Schwester hatte Nachtisch gemacht, auch wenn sie das verbrannte Stück bekommen hatte. Alle waren nett zueinander. Jessie sollte nächste Woche an ihren Schreibtisch zurückkehren und in der Woche darauf hoffentlich wieder voll als Profiler arbeiten. Alles schien vielversprechend.

Ja, es war frustrierend, Ryan jeden Morgen das Haus verlassen zu sehen, wie er ins Hauptquartier des LAPD fuhr, wo sie beide arbeiteten. Aber bald würde sie auch wieder dort sein. Dann würde sie in die Welt zurückkehren, die sie liebte, wo sie Killer überführen konnte, indem sie in deren Gedankenwelt eintauchte.

Für den Bruchteil einer Sekunde machte ihr die Tatsache zu schaffen, dass sie diese Welt „liebte“. Aber sie schob ihre leichte Besorgnis darüber rasch beiseite, zusammen mit einem Bissen von Hannahs exzellentem Birnentörtchen. Trotz des verkohlten Bodens schmeckte es köstlich. Während sich alle an ihrem Nachtisch labten, klingelte Ryans Handy. Sogar bevor er aufs Display schaute, war klar, worum es sich handelte. Um diese Zeit war es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fall.

„Hallo?“, sagte Ryan, als er ranging.

Beinahe eine Minute lang hörte er schweigend zu. Jessie konnte kaum die Stimme am anderen Ende der Leitung heraushören. Aber angesichts deren kratzender, ruhiger Art wusste sie sofort, wer es war.

„Garland?“, fragte sie, als Ryan aufgelegt hatte.

„Ja“, erwiderte er nickend, während er aufstand und seine Sachen zusammensuchte.. „Er kümmert sich um einen Fall in Manhattan Beach und denkt, dass er perfekt für meine Sondereinheit der Mordkommission wäre. Er bittet um meine Hilfe.“

„Manhattan Beach?“, fragte Jessie. „Das ist doch gar nicht mehr unser Revier, oder?“

„Offenbar ist der Ehemann des Opfers ein großes Tier in irgendeinem Öl-Konzern. Er hat von Garland gehört und nach ihm gefragt. Scheinbar ist er ein Riesen-Arschloch, also ist die örtliche Polizei ganz froh, dass sie diesmal nach dem LAPD nur die zweite Geige spielen muss.“

„Klingt nach einem aufregenden Fall“, sagte Jessie.

„Das ist das Seltsame“, sagte Ryan, allerdings nicht zu ihr, sondern zu Hannah, während er sich seine Sportjacke überwarf und seinen Pistolengurt umband. „Die meisten Leute würden so etwas ironisch meinen. Aber bei deiner Schwester ist das ernst gemeint. Sie ist neidisch, dass sie nicht mit darf. Ist wie eine Krankheit.“

 

 

 

KAPITEL DREI

 

 

Garland Moses hatte ein schlechtes Gewissen.

Er fuhr sehr schnell, um so rasch wie möglich am Tatort zu sein. Als er entlang des Manhattan Beach Boulevards nach Westen fuhr, in Richtung des Ozeans, erreichte er gerade rechtzeitig die Kuppe eines Hügels, um sehen zu können, wie die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne den kleinen Strandort und den Pazifik in ein rosa-orangefarbenes Licht tauchten.

Dieser Anblick löste den angespannten Knoten in seiner Brust. Die meisten Leute kannten ihn als den hartgesottenen Profiler mit langjähriger Erfahrung, der selten Gefühle zeigte, schon gar nicht so etwas wie Ehrfurcht. Aber wie er da so allein in seinem Auto saß, erlaubte er es sich, den Anblick der schemenhaften Surfer, die sich vor der purpurnen Sonne abzeichneten, mit ein paar Segelbooten im Hintergrund, in sich aufzusaugen. Doch während er sich an diesem Postkartenmotiv erfreute, schlich sich langsam das schlechte Gewissen ein, das ihn schalt und ihm sagte, er sei nicht wegen der schönen Aussicht hier. Er machte hier seinen Job.

Als er jedoch das letzte Stück der Sackgasse entlangfuhr, die an einem Pier endete, blickte er neidisch auf die Menschen, die in ihrer sommerlichen, legeren Kleidung umher spazierten. Auch wenn es beinahe 20 Uhr war, trug er immer noch seine inoffizielle Arbeitskleidung – ein abgenutztes, graues Sakko und ein schlichtes, grauweißes Hemd. Normalerweise gehörte dazu auch ein Pullunder, aber an einem so heißen Tag wie diesem war das selbst für ihn zu viel. Allerdings trug er wie immer seine dunkelblaue Hose, deren Farbe langsam verblich, und seine schäbigen, abgewetzten Halbschuhe. Sein ganzes Outfit war eine Art Kostüm, dazu gedacht, dass Verdächtige und Zeugen ihre übliche Scheu oder Vorsicht vergaßen und dem ältlichen, scheinbar leicht verwirrten Herrn offenherziger antworteten, wenn er ihnen persönliche Fragen stellte. 

Er bog rechts auf den Ocean Drive, nur einen Block vom Strand entfernt. Eigentlich war es mehr ein Gässchen als eine Straße, und er musste vorsichtig an nachlässig geparkten Autos vorbei manövrieren, um zu der Adresse zu gelangen, die man ihm gegeben hatte. Als er sie erreichte, parkte er im eingeschränkten Halteverbot, legte sein LAPD-Schild auf das Armaturenbrett und stieg aus.

Sofort umhüllte ihn die kühle Luft, gewürzt mit dem salzigen Geschmack des Ozeans, was eine willkommene Abwechslung zu den Dünsten der Innenstadt war, die eher eine Mischung aus Abgasen und Asphalt waren. Er ging schnellen Schrittes voran, bis er den Weg erreichte, den die Leute hier den Strip nannten. Einen halben Block weiter nördlich sah er das polizeiliche Absperrband und zahlreiche Beamte, die den Fußgängern den Zugang verwehrten.

Während er in deren Richtung weiterging, drängte seine Spürnase die Bewunderung für die malerische Szenerie langsam in den Hintergrund. Zwar nahm er weiterhin die Volleyballer wahr, die nach Feierabend auf dem Sand spielten, und auch die Mütter, die, ihre Kinderwägen vor sich herschiebend, an ihm vorbei joggten. Aber er betrachtete auch die Häuser in der Nähe des Tatorts sehr genau.

Alle hatten sie Eingangstüren, die nur wenige Meter von den Spaziergängern entfernt waren. Nur ganz wenige verfügten über einen Vorgarten, und so gut wie keine hatten Zäune. In dieser Gegend war es scheinbar wichtiger, ungehindert zum Strand zu gelangen, anstatt in ausgeklügelte Sicherheitsmaßnahmen zu investieren.

In dieser Umgebung fühlte er sich ein wenig fremd. Auch wenn er im Zentrum von Los Angeles lebte, so musste er gestehen, dass er selten zum Strand fuhr, sondern seine Zeit meistens in der Nähe der Innenstadt verbrachte, nicht weit von seiner Arbeit.

In jenem Teil der Stadt hatten alle Wohnungseigentümer oder Mieter gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen – seien es ein Zaun, Gitterstäbe am Fenster, ein Alarmsystem oder alles zusammen. Seine gute Freundin und Kollegin Jessie Hunt verfügte über alle diese Dinge, außerdem über Kameras, Wachmänner, eine überwachte Parkgarage und mehr Schlösser als Lichtschalter. Dafür hatte sie allerdings auch gute Gründe. Dieses Laissez-faire-Verhalten des Strandorts war etwas völlig Ungewöhnliches für ihn. Damit musste er allerdings zurechtkommen. Man hatte ihm keine Wahl gelassen.

In der Regel suchte sich Garland Moses seine Fälle aus. Schließlich war er jahrzehntelang ein brillanter FBI-Profiler und Experte für Verhaltensforschung gewesen. In jungen Jahren bereits verwitwet und kinderlos, hatte er sich voll und ganz seiner Arbeit gewidmet. Als er schließlich nach Südkalifornien gezogen war, um sich zur Ruhe zu setzen, hatte er sich überreden lassen, als Berater für das LAPD zu arbeiten. Allerdings nur unter der Bedingung, dass er sich seine Fälle aussuchen konnte.

Allerdings nicht diesen hier. Der Captain der Central Station, Roy Decker, hatte ihn angefleht, eine Ausnahme zu machen. Der Ehemann des Opfers, ein wohlhabender Manager bei einem Öl- und Gaskonzern namens Garth Barton, hatte der Polizei in den letzten drei Jahren über 400 000 Dollar zukommen lassen. Das Paar lebte zwar mittlerweile in Manhattan Beach, das seine eigene Polizeistation hatte, aber Barton arbeitete im Stadtzentrum, und so war ihm der Ruf des legendären Profilers Garland Moses wohlbekannt.

„Barton besteht darauf, dass du an dem Fall beteiligt bist“, hatte Decker ihm am Telefon gesagt. „Er hat angedeutet, dass er seine Zahlungen einstellt, falls du nicht annimmst. Ich bitte dich um diesen einen Gefallen, Garland.“

Da es sich um den ersten Gefallen handelte, um den der Captain ihn je gebeten hatte, war er geneigt zuzustimmen. Sobald er Ja gesagt hatte, redete Decker so schnell, dass Garland vermutete, er habe Angst, dass er es sich anders überlegen würde.

„Ich verspreche dir, dass sich das MBPD deinen Vorgaben und denen deines Teams fügen wird“, hatte der Captain ihm versichert. „Um ehrlich zu sein, scheinen sie ganz froh darüber zu sein. Offenbar hat Barton den Ruf, ein ziemliches Arschloch zu sein, und so sind sie mehr als bereit dazu, seinen Fall an jemand anderen weiterzuleiten. Besonders jetzt, da er emotional völlig überdreht zu sein scheint.“

Als sich Garland dem abgeriegelten Bereich auf dem Strip näherte, blendete er die politischen Aspekte aus und konzentrierte sich wieder auf das stattgefundene Verbrechen. Er wusste nur wenig. Nur, dass Priscilla Barton tot im Nachbarhaus gefunden worden war, und dass man dahinter Fremdeinwirkung vermutete. Er erreichte den Tatort und sah sich um, ob Ryan Hernandez, der Kriminalbeamte der Sondereinheit der Mordkommission, um dessen Mithilfe er in diesem Fall gebeten hatte, bereits da war.