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In "Die Pforte der Einweihung & Die Prüfung der Seele" bringt Rudolf Steiner die tiefgründigen Themen der spirituellen Entwicklung und der menschlichen Seele in Form von Mysteriendramen auf die Bühne. Diese Werke sind nicht nur eine literarische Darstellung, sondern eine Einladung zur Reflexion über die Herausforderungen und Prüfungen, denen der Mensch auf seiner Suche nach höherem Wissen und Seelenbewusstsein begegnet. Steiners Schreibstil vereint poetische Sprache mit philosophischen Überlegungen, wodurch eine dichte Atmosphäre entsteht, die den Leser in die spirituelle Dimension des Lebens hineinzieht. Diese Werke sind im Kontext der anthroposophischen Bewegung zu verstehen, die Steiners weltanschaulichen Denkansatz verkörpert und seinem Engagement für eine integrative Sicht auf Bildung, Kunst und Wissenschaft Ausdruck verleiht. Rudolf Steiner (1861-1925) war ein österreichischer Philosophie, Pädagoge und Esoteriker, der als Begründer der Anthroposophie bekannt wurde. Seine umfassende Ausbildung in Naturwissenschaften und seine tiefe Auseinandersetzung mit der Mystik prägten sein Lebenswerk. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und spirituellen Umbrüche seiner Zeit entwickelte er eine Perspektive, die die Verbindung zwischen materieller und geistiger Welt in den Vordergrund stellte. Diese Erfahrungen und Überlegungen fließen ein in seine Dramaturgie, die eine Brücke zwischen dem Menschlichen und dem Transzendenten schlägt. "Die Pforte der Einweihung & Die Prüfung der Seele" ist ein unverzichtbares Werk für alle, die sich mit den Grundfragen der Menschheit sowie der eigenen Seelenentwicklung auseinandersetzen möchten. Steiners eindringliche Erzählweise fordert den Leser auf, sich mit den inneren Prüfungen des Lebens und den mystischen Aspekten des Daseins aktiv auseinanderzusetzen. Diese Mysteriendramen sind nicht nur für Literatur- und Theaterfreunde von Bedeutung, sondern auch für eine breite Leserschaft, die auf der Suche nach tieferem Verständnis und spirituellem Wachstum sind. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Diese Werksammlung vereint unter dem Titel „Die Pforte der Einweihung & Die Prüfung der Seele“ zwei Mysteriendramen von Rudolf Steiner. Als zentrale dramatische Arbeiten des Begründers der Anthroposophie entstanden sie im frühen 20. Jahrhundert und wurden zeitnah uraufgeführt. Die vorliegende Zusammenstellung stellt beide Stücke in einem Band gegenüber, um ihre gedankliche und künstlerische Verflechtung erfahrbar zu machen. Sie richtet sich an Leserinnen und Leser, die literarische Form, philosophische Fragestellung und geistige Suche in einem theatralen Medium begegnen möchten. Zugleich eröffnet sie einen Zugang zu Steiners spezifischer Verbindung von Bühnengeschehen, Symbolik und Erkenntnispraxis.
Umfang und Ziel dieser Edition sind klar umrissen: Sie bietet die vollständigen Texte zweier Dramen und macht sie in ihrer ursprünglichen Abfolge lesbar. Die Sammlung versteht sich als verlässliche Grundlage für Lektüre, Studienkreise und theaterpraktische Arbeit. Sie bildet keine kommentierte Ausgabe im engeren Sinn, doch sie will den inneren Dialog der Stücke sichtbar machen, indem sie die thematische Korrespondenz beider Werke betont. Wer die Entwicklung zentraler Motive verfolgen möchte – von der Annäherung an eine Schwelle des Erkennens bis zur vertiefenden inneren Bewährungsprobe –, findet hier die maßgeblichen Texte in konzentrierter Zusammenstellung.
Die vertretene Textsorte ist das Drama, genauer das Mysteriendrama. Anders als Roman oder Erzählung entfaltet sich die Darstellung in Rollenrede, Szenenfolge und Regieanweisungen; Handlungen und innere Vorgänge werden theatral artikuliert. Steiner knüpft mit der Bezeichnung an die Tradition geistlicher Spiele an und übersetzt sie in ein modernes Sprach- und Denkklima. Der dramatische Verlauf ist bewusst nicht auf äußere Effekte gegründet, sondern auf dialogische Entwicklung, Motivwiederkehr und gedankliche Verdichtung. In den Stücken begegnen weltliche Situationen neben symbolisch aufgeladenen Szenen, die eine erweiterte Erfahrungsdimension andeuten, ohne den Charakter des Bühnenwerks zu verlassen.
Inhaltlich gehören beide Dramen zusammen, weil sie zentrale Motive variieren: den Weg der Selbsterkenntnis, die Freiheit des Willens, Verantwortung im Lebenszusammenhang sowie die Frage nach Ursache und Folge menschlichen Handelns. Die „Pforte“ bezeichnet das Herantreten an eine Grenze des gewöhnlichen Bewusstseins; die „Prüfung“ vertieft die Auseinandersetzung als innere Bewährung. Dabei geht es um die Wechselwirkung von Erkenntnis und Lebenspraxis, um Beziehungen, deren äußere Gestalt innere Bewegungen spiegelt, und um die Suche nach Orientierung in einer vielschichtigen Wirklichkeit. Die Dramen eröffnen damit einen Reflexionsraum, der ethische, existentielle und geistige Dimensionen miteinander verbindet.
Stilistisch zeichnen sich die Stücke durch konzentrierte Sprache, klare argumentative Linien und symbolträchtige Bildhaftigkeit aus. Der Wechsel zwischen alltagsnaher Rede und meditativer Strenge erzeugt ein Spannungsfeld, das den gedanklichen Gehalt in Szenen erfahrbar macht. Charaktere werden weniger psychologisch ausgeschmückt als in ihren Entwicklungsimpulsen umrissen; Beziehungen werden als Resonanzräume innerer Entscheidungen hörbar. Wiederkehrende Motive, Leitworte und szenische Spiegelungen schaffen Orientierung und vertiefen den Prozesscharakter des Geschehens. Die Bühnenanweisungen tragen zum Verständnis der geistigen Topographie bei, ohne den Lesenden festzulegen, und lassen zugleich die Möglichkeit unterschiedlicher Inszenierungsansätze offen. So entsteht eine klare formale Ökonomie.
Im Kontext von Steiners Gesamtwerk markieren diese Dramen einen besonderen Versuch, Erkenntniswege in eine künstlerische Form zu bringen. Sie gehören zu einem geschlossenen Zyklus, der in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entstanden und aufgeführt worden ist, und haben bis heute Wirkung in der anthroposophischen Theaterpraxis. Ihre anhaltende Bedeutung liegt darin, dass sie Fragen nach Sinn, Entwicklung und Verantwortung nicht äußerlich beantworten, sondern als Aufgabe an das eigene Verstehen richten. Dadurch sind sie gleichermaßen Gegenstand literarischer Lektüre, philosophischer Reflexion und szenischer Erprobung geblieben. Zugleich öffnen sie einen Dialog mit zeitgenössischen Theaterformen, ohne ihre geistige Herkunft zu verleugnen.
Diese Ausgabe lädt dazu ein, beide Dramen im Zusammenhang zu lesen: Zunächst die Annäherung an eine Schwelle, dann die Intensivierung als innere Prüfung. Vorkenntnisse sind hilfreich, aber nicht erforderlich; entscheidend ist die Bereitschaft, der Sprache und dem Rhythmus des Denkens zu folgen. Wer die Stücke als literarischen Text liest, wird einen eigenständigen Klangraum entdecken; wer sie mit dem Blick der Bühne betrachtet, findet klare Ansatzpunkte für eine reduzierte wie symbolbewusste Inszenierung. So versteht sich die Sammlung als Einladung, den doppelten Anspruch der Dramen – Kunstform und Erkenntnisweg – ernst zu nehmen und weiterzuführen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte Mitteleuropa eine Verdichtung von Krisenbewusstsein, künstlerischer Avantgarde und esoterischer Neugier. In diesem Umfeld verfasste Rudolf Steiner, in Österreich geboren, seit den 1890er Jahren in Weimar und später in Berlin tätig, seine Mysteriendramen. Die Sammlung Die Pforte der Einweihung & Die Prüfung der Seele entstand vor dem Hintergrund beschleunigter Urbanisierung, wissenschaftlicher Umbrüche und eines fin de siècle, das Sinnsuche beförderte. Zwischen 1900 und 1914 verschränkten sich okkulte Gesellschaften, Reformbewegungen und Theaterexperimente. Diese Konstellation prägte Stoffwahl, Figurenkonstellationen und die Betonung innerer Entwicklung, die Steiner als Gegenpol zu materialistischer Zeitdiagnose entwarf.
Eine Schlüsselrolle spielte die Theosophische Gesellschaft, deren deutscher Sektion Steiner ab 1902 vorstand. Ihre jährlich in München abgehaltenen Sommertagungen wurden zum künstlerischen Labor. Dort fanden 1910 und 1911 die Uraufführungen der ersten beiden Mysteriendramen statt, organisatorisch getragen von Marie von Sivers, die als Regisseurin, Schauspielerin und Textgestalterin wirkte. Der Münchner Kontext verband internationale Esoterikzirkel mit bürgerlicher Theateröffentlichkeit, was den Dialog zwischen innerer Schulung und zeitgenössischer Bühnenkultur befeuerte. Gleichzeitig boten die Tagungen Ressourcen für Bühnenbilder, Chöre und Sprachgestaltung, wodurch Steiners Ansprüche an geistige Inhalte mit konkreten ästhetischen Mitteln realisiert werden konnten.
Steiners intellektueller Werdegang erklärt zentrale Motive der Sammlung. In den 1890er Jahren arbeitete er am Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar, was sein Verständnis symbolischer Dichtung und wissenschaftlicher Genauigkeit prägte. Sein philosophisches Frühwerk, insbesondere Die Philosophie der Freiheit (1894), betonte Selbstbestimmung und erkenntnisleitende Intuition. Diese Linien verschränkte er mit karmischen und wiederverkörperungsbezogenen Perspektiven, die um 1900 in esoterischen Kreisen kursierten. So verdichten die Dramen eine goetheanistisch geprägte Beobachtung des Seelischen mit dialogischer Selbsterkenntnis. Der historische Kontext macht verständlich, warum der Autor die Bühne als Schulungsraum verstand, in dem Freiheit, Verantwortung und Erkenntnis praktisch geübt werden sollten.
Zeitgleich veränderte sich das Theater radikal. Regisseure wie Max Reinhardt experimentierten mit Raum, Licht und Ensembleführung; Theoretiker wie Adolphe Appia und Edward Gordon Craig propagierten expressive Lichtregie und abstrahierte Bühnenräume. Steiners Dramen stehen quer zu Naturalismus und Konversationsstück, aber im Dialog mit dieser Moderne: Farbstimmungen, stilisierte Gesten und eine von ihm entwickelte Sprachgestaltung zielten auf Bewusstseinsveränderung. Um 1912 kamen erste Eurythmie-Experimente hinzu, die Körper, Klang und Sinnbild verknüpften. Diese avantgardistischen Impulse beeinflussten die Rezeption: Für Anhänger waren sie Zeichen einer neuen Bühnenkultur, für Kritiker Anstoß zur Debatte über Hermetik, Pathos und Verständlichkeit.
Die inneren Spannungen der theosophischen Szene spitzten sich 1912 zu, als die Führung um Annie Besant den jungen Jiddu Krishnamurti messianisch auflud. Steiner widersprach, was zur Trennung führte; Ende 1912/Anfang 1913 wurde die Anthroposophische Gesellschaft begründet. Damit verschob sich auch der institutionelle Rahmen der Aufführungen. 1913 begann in Dornach bei Basel der Bau des ersten Goetheanum, eines holzskulpturalen Festspielhauses für Eurythmie, Drama und Vortrag. Die Mysteriendramen erhielten so eine neue Heimstatt, deren Architektur – auf Form- und Farbmetamorphosen gegründet – Steiners Forderung nach einer sinnlich-geistigen Bühne baulich nachvollzog und die interpretatorische Praxis prägte.
Die Dramen reagieren auf eine Zeit, in der Industrialisierung, Verwissenschaftlichung und religiöse Erosion innere Orientierung erschwerten. Parallel gewannen Psychologie und Psychoanalyse – von Wien bis Zürich – kulturelle Deutungshoheit, die Träume, Schuld und Verdrängung neu verhandelten. Steiner bot mit seiner Geisteswissenschaft eine alternative Hermeneutik des Seelischen und der Biografie. Das prägte die Perspektive des Autors auf Freiheit und Verantwortung über mehrere Erdenleben. Zeitgenössische Reaktionen schwankten: theosophische und reformkulturelle Kreise würdigten die Dramen als ernsthafte Schulungsstücke, während Feuilletons ihre Symbolik, den deklamatorischen Ton und die didaktische Anlage als Fremdkörper im bürgerlichen Theaterbetrieb kritisierten.
Der Erste Weltkrieg unterbrach internationale Begegnungen und erschwerte Reisen, wodurch Aufführungspraxis und Ensemblearbeit litten. Die Schweiz als neutraler Ort gewann an Bedeutung; Dornach wurde zum Knotenpunkt. Der Brand des ersten Goetheanum zum Jahreswechsel 1922/23 traf die Bewegung schwer, beförderte jedoch eine Konsolidierung der Institutionen. Auf der sogenannten Weihnachtstagung 1923/24 wurden Verantwortlichkeiten neu geordnet und Arbeitsfelder gebündelt. Für die Mysteriendramen blieb der Impuls lebendig: Wiederaufnahmen, Gastspiele und Lesungen hielten Themen wie Karma, Erkennen und soziale Verantwortung im Gespräch, während neue Medien und eine veränderte Öffentlichkeit das Pathos früherer Inszenierungsweisen zunehmend relativierten.
Schließlich formten Netzwerke und Personen die Wirkungsgeschichte. Marie Steiner-von Sivers prägte Sprachkunst und Rechteverwaltung; frühe Eurythmistinnen wie Lory Maier-Smits etablierten eine neue Körpersprache. Zwischen Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Skandinavien bildeten sich Kreise, die Themen und Aufführungen weitertrugen. Diese transnationale Verankerung erklärt, warum die beiden frühen Dramen als Eintrittspforte in anthroposophische Kulturpraxis fungierten: Sie verbanden Theater, Pädagogikimpulse und meditative Übung. Historisch gesehen markiert die Sammlung einen Knotenpunkt zwischen modernistischer Bühne und esoterischer Erneuerungsbewegung, dessen Resonanzen die Rezeption des Autors und die Selbstwahrnehmung seiner Anhängerschaft über Jahrzehnte prägten. Publikationen, Vortragszyklen und Laienbühnen verbreiteten Motive und Szenen, oft in adaptierten Lesefassungen. So wuchsen Text, Aufführung und Gemeinschaftsbildung zum kulturellen Projekt zusammen.
Die beiden Dramen folgen einer Suchergemeinschaft auf dem Weg der Einweihung, zwischen bürgerlichem Alltag und Szenen in geistigen Sphären.
In einem dialogisch-ritualisierten Ton entfalten sie Prüfungen der Seele, karmische Verflechtungen und die Spannung von Erkenntnis, Verantwortung und Freiheit.
Inhaltsverzeichnis
Ein Rosenkreuzermysterium durch Rudolf Steiner
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
– des Vorspiels und des Zwischenspiels:
Sophia Estella Zwei Kinder
– des Mysteriums:
Johannes Thomasius Maria Benedictus Theodosius, dessen Urbild im Verlaufe als Geist der Liebe sich offenbart Romanus, dessen Urbild im Verlaufe als Geist der Tatkraft sich offenbart Retardus, nur als Geist wirksam German, dessen Urbild im Verlaufe als Geist des Erdgehirns sich offenbart Helena, deren Urbild im Verlaufe als Lucifer sich offenbart Maria Philia, Astrid, Luna, deren Urbilder im Verlaufe als Geister von Marias Seelenkräften sich offenbaren Professor Capesius Doktor Strader, der sich als ein Träger des Naturgeistes offenbart Felix Balde, Frau Balde Die andre Maria, deren Urbild im Verlaufe sich als Seele der Liebe offenbart Theodora, Seherin Ahriman, nur als Seele wirksam gedacht Der Geist der Elemente, nur als Geist wirksam gedacht Ein Kind, dessen Urbild im Verlaufe als junge Seele sich offenbart
Inhaltsverzeichnis
Zimmer der Frau Sophia, in gelbrötlichem Farbenton gehalten. (Sophia mit ihren beiden Kindern, einem Knaben und einem Mädchen, dann Estella.)
Singen der Kinder: (Sophia begleitet auf dem Klavier) Der Sonne Licht durchflutet[1q] des Raumes Weiten, der Vögel Singen durchhallet der Luft Gefilde, der Pflanzen Segen entkeimet dem Erdenwesen, und Menschenseelen erheben in Dankgefühlen sich zu den Geistern der Welt.
Sophia: Und nun, Kinder, geht in eure Stube und überdenkt die Worte, die wir eben geübt haben (Sophia geleitet die Kinder hinaus, Estella tritt ein.)
Estella: Sei mir gegrüsst, meine liebe Sophie. Ich störe dich doch nicht.
Sophia: Nein, meine gute Estella. Sei mir herzlich willkommen. (Fordert Estella zum Sitzen auf und setzt sich selbst.)
Estella: Hast du gute Nachrichten von deinem Manne?
Sophia: Recht gute. Er schreibt mir, dass der Kongress der Psychologen ihn interessiere, trotzdem die Art, wie da manche grosse Frage behandelt wird, wenig ansprechend sei. Ihn als Seelenforscher interessiert aber gerade, wie die Menschen sich durch eine bestimmte Weise geistiger Kurzsichtigkeit die freie Aussicht auf die eigentlichen Geheimnisse unmöglich machen.
Estella: Nicht wahr, er hat doch vor, selbst über ein wichtiges Thema zu sprechen?
Sophia: Ja, über ein Thema, das ihm und auch mir sehr wichtig scheint. Eine Wirkung verspricht er sich allerdings nicht von seinen Ausführungen, in Anbetracht der wissenschaftlichen Vorstellungsarten der Kongressteilnehmer.
Estella: Es führt mich ein Wunsch zu dir, meine liebe Sophie. Könnten wir diesen Abend nicht gemeinsam verbringen? Es ist heute die Aufführung der »Enterbten des Leibes und der Seele«, und du könntest mir keine grössere Freude machen, als wenn du mit mir zusammen die Vorstellung besuchen wolltest.
Sophia: Es ist dir entfallen, liebe Estella, dass heute abend gerade für unsere Gesellschaft selbst die Aufführung ist, auf die wir uns seit langer Zeit vorbereitet haben.
Estella: Ach ja, das hatte ich vergessen. So gern hätte ich diesen Abend mit der alten Freundin verlebt. Ich freute mich von ganzem Herzen, an deiner Seite in die tiefen Untergründe unseres gegenwärtigen Lebens zu schauen. – Doch deine mir so fremde Ideenwelt wird auch noch den letzten Rest des schönen Bandes zerstören, das unsere Herzen verknüpft, seit wir zusammen auf der Schulbank gesessen.
Sophia: Das sagtest du mir schon oft; doch hast du mir immer wieder zugeben müssen, dass unsere Meinungen keine Scheidewand aufzurichten brauchten zwischen den Gefühlen, welche seit der gemeinsam verlebten Jugend in jeder von uns für die andere leben.
Estella: Es ist wahr, das habe ich oft gesagt. Doch erweckt es mir immer wieder Bitternis, wenn ich sehen muss, wie mit jedem Jahre fremder dein Empfinden wird allem, was mir im Leben wertvoll scheint.
Sophia: Wir könnten einander eben dadurch viel sein, dass wir uns gegenseitig gelten liessen in dem, wozu unsere verschiedenen Anlagen uns geführt.
Estella: Ach, oft lasse ich mir von meinem Verstande sagen, dass du darinnen recht hast. Und doch ist etwas in mir, was sich auflehnt gegen die Art, wie du das Leben betrachtest.
Sophia: Gib dir doch ernstlich einmal zu, dass du damit eigentlich von mir die Verleugnung meines innersten Wesenskernes verlangst.
Estella: Ja, ich wollte das auch alles gelten lassen, wenn nur eines nicht wäre. Ich kann mir ganz gut denken, dass Menschen verschiedener Vorstellungsarten sich in völliger Sympathie der Gefühle begegnen. Deine Ideenrichtung legt dir aber förmlich die innere Verpflichtung zu einer gewissen Überhebung auf. Andere Menschen können ganz gut so zueinander stehen, dass sie von ihren Ansichten denken, diese seien durch veaschiedene mögliche Standpunkte bedingt und stehen als gleichberechtigt nebeneinander. Deine Anschauung aber gibt sich allen anderen gegenüber als die tiefere. Sie sieht in den andern nur Ausflüsse eines untergeordneten menschlichen Entwicklungsgrades.
Sophia: Aus dem, was wir so oft besprochen, könntest du aber wissen, dass meine Gesinnungsgenossen den Wert des Menschen im letzten Grunde doch nicht nach seiner Meinung und seinem Wissen bemessen. Und wenn wir auch unsere Ideen als diejenigen betrachten, ohne deren lebendige Erfassung alles andere Leben ohne rechten Grund ist, so bemühen wir uns doch so ernstlich als möglich, den Menschen deshalb nicht zu überschätzen, weil er sich zum Werkzeug gerade unseres Lebensinhaltes machen darf.
Estella: Das scheint alles schön gesprochen. Es will mir aber einen Argwohn nicht nehmen. Denn ich kann mich davor nicht verschliessen, dass eine Weltansicht, welche sich eine unbedingte Tiefe zuschreibt, nur auf dem Umweg einer vorgetäuschten Tiefe zu einer gewissen Oberflächlichkeit führen muss. Du bist mir eine viel zu liebe Freundin, als dass ich dir kommen möchte mit dem Hinweis auf diejenigen deiner Gesinnungsgenossen, die auf eure Ideen schwören und den geistigen Hochmut in schlimmster Art zur Schau tragen, trotzdem die Leerheit und Banalität ihrer Seele aus jedem ihrer Worte und aus ihrem ganzen Verhalten spricht. Und auch darauf will ich dich nicht weisen, wie stumpf und gefühllos gegen ihre Mitmenschen gerade manche eurer Anhänger sich zeigen. Deine grosse Seele hat sich ja doch niemals dem entziehen können, was das tägliche Leben nun einmal von jedem Menschen verlangt, der im echten Sinne als ein guter bezeichnet werden muss. Doch gerade, dass du mich heute allein lässt, da, wo echtes, künstlerisches Leben spricht, das zeigt mir auch an dir, dass eure Ideen doch gegenüber diesem Leben – verzeihe das Wort – eine gewisse Oberflächlichkeit erzeugen.
Sophia: Und wo liegt diese Oberflächlichkeit?
Estella: Du solltest doch wissen, da du mich so lange kennst, wie ich mich losgerungen von einer Lebensart, die von Tag zu Tag nur jagt nach dem, was Herkommen und banale Meinungen vorschreiben. Ich habe gesucht, kennenzulernen, warum so viele Menschen anscheinend unverdient leiden müssen. Ich bestrebte mich, den Niederungen und den Höhen des Lebens nahezutreten. Ich habe auch die Wissenschaften, soweit sie mir zugänglich sind, befragt, um allerlei Aufschlüsse zu erlangen. – Nun, halten wir uns an Einen Punkt, der gerade durch diesen Augenblick geboten ist. Es ist mir bewusst geworden, was echte Kunst ist. Ich glaube zu verstehen, wie sie das Wesen des Lebens erfasst und die wahre, die höhere Wirklichkeit vor unsere Seele hinstellt. Ich meine den Pulsschlag der Zeit zu Spüren,wenn ich solche Kunst auf mich wirken lasse. Und mir graut, wenn ich nun denken soll: Du, meine liebe Sophie, ziehst diesem Interesse an lebensvoller Kunst etwas vor, was mir doch nichts anderes zu sein scheint als die abgetane lehrhaft-allegorische Art, welche puppenhafte Schemen statt lebendiger Menschen betrachtet und sinnbildliche Vorgänge bewundert, die fernstehen allem, was im Leben täglich an unser Mitleid, an unsere tätige Anteilnahme sich wendet.
Sophia: Meine liebe Estella, du willst eben nicht begreifen, dass da erst das reichste Leben sein kann, wo du nur ausgeklügelte Gedanken siehst. Und dass es Menschen geben darf, welche deine lebensvolle Wirklichkeit dann arm nennen müssen, wenn sie nicht gemessen wird an dem, woraus sie eigentlich hervorsprudelt. Es mag dir manches herb klingen an meinen Worten. Allein unsere Freundschaft fordert ungeschminkte Aufrichtigkeit. Du kennst, wie so viele, von dem, was Geist genannt wird, nur das, was Träger des Wissens ist; du hast nur ein Bewusstsein von der Gedankenseite des Geistes. Auf den lebendigen, den schöpferischen Geist, der Menschen gestaltet mit elementarer Macht, wie Keimeskräfte in der Natur Wesen gestalten, willst du dich nicht einlassen. Du nennst wie so viele zum Beispiel in der Kunst das naiv und ursprünglich, was den Geist in meiner Auffassung verleugnet. Unsere Art der Weltauffassung vereinigt aber volle bewusste Freiheit mit der Kraft des naiven Werdens. Wir nehmen bewusst in uns auf, was naiv ist, und berauben es dadurch nicht der Frische, Fülle und Ursprünglichkeit. Du glaubst, man könne sich nur Gedanken über einen menschlichen Charakter machen: dieser aber müsse sich gleichsam von selbst formen. Du willst nicht einsehen, wie der Gedanke in den schaffenden Geist taucht, an des Daseins Urquell rührt und sich entpuppt als der schöpferische Keim selbst. – So wenig die Samenkräfte die Pflanze erst Lehren, wie sie wachsen soll, sondern sich als lebendig Wesen in ihr erweisen, so lehren unsere Ideen nicht: sie ergiessen sich, Leben entzündend, Leben spendend in unser Wesen. Ich verdanke den Ideen, die mir zugänglich geworden sind, alles, was mir das Leben sinnvoll erscheinen lässt. Ich verdanke ihnen den Mut nicht nur, sondern auch die Einsicht und die Kraft, die mich hoffen lassen, aus meinen Kindern Menschen zu machen, die nicht nur im hergebrachten Sinne arbeitstüchtig und für ein äusseres Leben brauchbar sind, sondern die innere Ruhe und Befriedigung in der Seele tragen werden. Und, um nicht in alles mögliche zu verfallen, will ich dir nur noch sagen: Ich glaube zu wissen, dass die Träume, welche du mit so vielen teilst, sich nur dann verwirklichen können, wenn es den Menschen gelingt, das, was sie Wirklichkeit und Leben nennen, anzuknüpfen an die tieferen Erfahrungen, die du Phantastereien und Schwärmereien so oft genannt hast. Es mag dir sonderbar erscheinen, wenn ich dir gestehe, dass ich so manches, was dir echte Kunst dünkt, nur als unfruchtbare Lebenskritik empfinde. Denn es wird kein Hunger gestillt, keine Träne getrocknet, kein Quell der Verkommenheit geschaut, wenn man bloss die Aussenseite des Hungers, der tränenvollen Gesichter, der verkommenen Menschen auf den Brettern zeigt. Wie das gewöhnlich gezeigt wird, steht den wahren Tiefen des Lebens und den Zusammenhängen der Wesenheiten unsäglich ferne.
Estella: Wenn du so sprichst, bist du mir nicht etwa unverständlich, sondern du zeigst mir nur, dass du eben doch lieber in Phantasien schwelgen willst, als des Lebens Wahrheit schauen. Auf diesen Wegen gehen wir ja doch auseinander. – Ich muss heute abend auf meine Freundin verzichten. (Aufstehend.) Jetzt muss ich dich verlassen; ich denke, wir bleiben doch die alten Freundinnen.
Sophia: Wir müssen es wirklich bleiben.
(Während die letzten Worte gesprochen werden, geleitet Sophia die Freundin zur Türe. Der Vorhang fällt.)
Inhaltsverzeichnis
Zimmer in rosenrotem Grundton, rechts, vom Zuschauer aus gemeint, die Tür zu einem Versammlungssaal; die Personen kommen aus diesem Saal nach und nach heraus; eine jede verweilt noch einige Zeit in diesem Zimmer. Während dieses Verweilens sprechen sich die Personen über mancherlei aus, was in ihnen durch eine Rede angeregt worden ist, die sie in dem Versammlungssaal gehört haben. (Maria und Johannes kommen zuerst, dann treten andere hinzu. Es ist die gehaltene Rede seit einiger Zeit zu Ende, und die folgenden Reden sind Fortsetzungen von Gesprächen, welche die Personen schon im Versammlungssaal geführt haben.)
Maria: So nahe geht es mir, mein Freund, dass ich dich welken seh’ an Geist und Seele. und fruchtlos sehen muss ich auch das schöne Band, das zehen Jahre uns vereint. Auch diese inhaltvolle Stunde, in welcher wir so vieles hören durften, was Licht in dunkle Seelentiefen strahlt, sie hat nur Scharten dir gebracht. Ich konnte nach so manchem Worte, das unser Redner eben sprach, im eignen Herzen mitempfinden, wie tief es dich verwundet. – – – – – – – – – – – – – –
Ich sah in deine Augen einst: sie spiegelten Freude nur an aller Dinge Wesenheit, und deine Seele hielt in schönheitvollen Bildern fest, was Sonnenlicht und Luft, die Körper überflutend und offenbarend Daseinsrätsel, in flücht’gen Augenblicken malen. Noch war gelenk nicht deine Hand, in derber Farbenpracht nicht konnte sie verkörpern, was lebensvoll vor deiner Seele schwebte. In unsrer beider Herzen lebte der schöne Glaube doch, dass sicher dir die Zukunft bringen müsse die Kunst der Hand zur frohen, in des Geschehens Grund so innig-tief ergossnen Seele. Und was vom Daseinswesen offenbart so wunderbar des Geistes Forscherkraft, es werde Seelenwonnen aus deiner Kunst Geschöpfen in Menschenherzen giessen: so dachten wir in jenen Zeiten. der Zukunft Heil im Spiegel höchster Schönheit, entspringend deinem Können: so malte deiner Seele Ziel die meine sich. Und nun ist wie erloschen in deinem Innern alle Kraft, wie tot ist deine Schaffensfreude, gelähmt fast scheint der Arm, der jugendfrisch vor Jahren den Pinsel kräftig führte.
Johannes Thomasius: So leider ist es. Ich fühle wie verschwunden der Seele früh’res Feuer. Und stumpf nur schaut mein Auge den Glanz der Dinge, den Sonnenlicht verbreitet über sie. Fast fühllos bleibt mein Herz, wenn wechselnde Luftstimmung hingleitet über meinen Umkreis. Es regt sich nicht die Hand, zu zwingen in die bleibende Gegenwart, was flüchtig Elementgewalten aus Daseinsgründen zaubern vor die Sinne. Es quillt mir lustvoll nicht mehr der Schaffenstrieb. Und Dumpfheit breitet über all mein Leben sich.
Maria: Beklagen muss ich tief, dass solches dir erwächst aus allem, was mir das Höchste, was Strom des heiligen Lebens mir ist. O Freund, in jenem Wechselspiel, das Menschen Dasein nennen, verbirgt ein ewig geistig Leben sich. Und jede Seele webt in diesem Leben. Ich fühle mich in Geisteskräften[3q], die wirken wie in Meerestiefen, Und seh’ der Menschen Leben wie Wellenkräuseln an des Wassers Oberfläche. Ich fühle eins mit allem Lebenssinne mich, nach dem die Menschen rastlos streben, und welcher mir nur scheint des eignen Wesens Offenbarung. Ich sah, wie oft er sich verband mit eines Menschen Seelenkern, zum Höchsten ihn erhebend, was nur das Herz erflehen kann. Doch wie er lebt in mir, erweist als böse Frucht er sich, berührt mein Wesen sich mit andrer Menschen Wesen. Es zeigt sich dies mein Schicksal auch in allem, was dir ich geben wollte, der liebend sich mir nahte. An meiner Seite wolltest du die Wege wacker gehen, die dich zu edlem Schaffen führen sollten. Und was ist nun geworden! Was stets als reinstes Leben sich mir offenbart, in seines eignen Wesens Wahrheit, es war der Tod für deinen Geist.
Johannes: Es ist so. Was deine Seele trägt in lichte Himmelshöhen, will stürzen mich, erleb ich es mit dir, in finstre Todesgründe. Als du in unsrer Freundschaft Morgenröte mich führtest zu der Offenbarung, die Licht verbreitet in den Finsternissen, die ohne wissend Leben jede Nacht betritt die Menschenseele; in welche wandert des Menschen irrend Wesen, wenn Todes Nacht zu spotten scheint des Lebens wahrem Sinn; und als du wiesest mir die Wahrheit von der Wiederkehr des Lebens, – da konnte ich mir denken, dass ich erwachsen werde zum echten Geistesmenschen. Und sicher schien es mir, dass eines Künstlerauges Schärfe und alles Künstlerschaffens Sicherheit mir erst erblühen werden durch deines Feuers edle Kraft. Ich liess auf mich nun wirken dieses Feuer, da raubt’ es mir der Seelenkräfte Ineinanderfliessen; es presste allen Glauben an die Welt erbarmungslos mir aus dem Herzen. Und nun bin ich so weit gekommen, dass Klarheit mir auch darin fehlt, ob ich bezweifeln soll, ob glauben die Offenbarung aus den Geisteswelten. Und dazu selbst ermangle ich der Kraft, zu lieben, was in dir des Geistes Schönheit kündet.
Maria: Ich muss seit Jahren es erkennen, dass meine Art, das Geistesselbst zu leben, ins Gegenbild sich wandelt, durchdringt es manches andern Menschen Art. Und sehen muss ich auch wie segenspendend sich die Geisteskraft erweist, gelangt auf andern Wegen sie in Menschenseelen.
(Es treten Philia, Astrid und Luna ein.)
Sie wird im Worte ausgesprochen, doch wird das Wort zur Kraft und lenkt in Weltenhöhen der Menschen Denkungsart. Es schafft da frohe Stimmung, wo trüber Sinn erst lebte; imstande ist es, umzuwandeln die Flüchtigkeit des Geistes in würdig ernstes Fühlen; dem Menschenwesen gibt es sich’re Prägung. Und ich, ich bin ergriffen ganz von dieser Geisteskraft, und muss gewahren, dass Schmerzen und Verwüstung sie mit sich trägt, ergiesst aus meinem Herzen sie in andre Herzen sich.
Philia: Es war, als ob ein ganzer Chor (Es treten Professor Capesius und Doktor Strader ein.) aus Meinungen und Gesinnungen zusammentönte in dem Kreise, der eben uns vereinte. Der Harmonien gab es viele, doch auch so manche herbe Dissonanz.
Maria: Wenn vieler Menschen Worte in solcher Art sich vor die Seele stellen, dann ist’s, als ob geheimnisvoll dazwischenstünde des Menschen volles Urbild; es zeigt in vielen Seelen sich gegliedert, wie das Eine Licht im Regenbogen sich in vielen Farbenarten offenbart.
Capesius: So hat man denn in vielen Jahren ernsten Strebens durchwandert mancher Zeiten wechselnd Wesen, zu forschen stets nach allem, was lebte in den Menschengeistern, die künden wollten Daseinsgründe und weisen Lebensziele ihrem Wirken. Man glaubte, in der eignen Seele des Denkens hohe Macht belebt zu haben und manchen Schicksals Rätsel. man konnte meinen, dass man fühle im Innern alles Urteils feste Stützen, wenn neu Erlebtes fragend sich vor die Seele drängt. Doch wankend wird die Stütze mir bei allem, was ich schon früher, und auch in dieser Stunde wieder, mit Staunen habe hören können von dieser hier gepflegten Denkungsart. Und wankend wird sie vollends, wenn ich bedenke, wie gewaltig die Wirkung sich erweist im Leben. So manchen Tag hab’ ich damit verbracht: was ich den Zeitenrätseln abgelauscht, in solchen Worten auszusprechen, die Herzen fassen und erschüttern können. Und froh schon war ich, wenn nur die kleinste Ecke im Seelenwesen meiner Hörerschar ich voll erwärmen konnte. Und manches schien mir auch erreicht. Nicht klagen kann ich über Misserfolg. doch alles Wirken solcher Art, es konnte mich nur führen zur Anerkennung jener Meinung, die so geliebt wird und betont im Reich der Tatenmenschen: dass in des Lebens Wirklichkeit Gedanken nichts als blasse Schatten sind. Sie könnten wohl befruchten die Schaffensmächte unsres Lebens; sie zu gestalten aber ist ihnen nicht gegeben. Und längst hab’ ich mich abgefunden mit dem bescheidnen Wort: wo nur Gedanken-Blässe wirkt, erlahmt das Leben und auch alles, was sich dem Leben zugesellt. Und stärker als die reifsten Worte mit ihrer inhaltvollen Kunst erweist im Leben sich Begabung als Naturgeschenk, erweist das Schicksal sich. Die Bergeslast der Überlieferung und dumpfer Vorurteile Alp, sie werden stets erdrücken der besten Worte Kraft. Was hier jedoch sich zeigt, gibt viel zu denken Menschen meiner Art. Erklärlich schien uns solche Wirkung, wo überhitzter Sektengeist, die Seelen nur betörend, sich über Menschen giesst. Doch hier ist nichts von solchem Geist zu sehn. Man will nur durch Vernunft zur Seele sprechen. und doch: man schafft durch Worte echte Lebenskräfte, und spricht zum tiefsten Herzensgrund. Und selbst des Wollens Reich ergreift das sonderbare Etwas, das jenen, die gleich mir in alten Bahnen wandeln, als blasses Denken nur erscheinen will. Ich bin ganz unvermögend, zu leugnen solche Wirkung; ich kann nur nicht mich selber ihr ergeben. Es spricht dies alles zu mir so ganz eigenartig: nicht so, als ob an mir es wäre, zurückzustossen das Erlebte; es scheint mir fast, als könnte dieses Etwas meine Art in sich nicht dulden.
