12,99 €
Ein Showdown zur Rettung Deutschlands ist im Gange! Viele Leben stehen auf dem Spiel, die Demokratie ist in Gefahr, denn die CIA paktiert mit Alt-Nazis in Deutschland, um die Prometheus-Initiative zu aktivieren um damit die kommunistische Linke in Europa zu schlagen. Es handelt sich um einen spannenden, brutalen Roman über deutsche Agenten und ihre Kämpfe während der 60er-Jahre, den Zeiten des Kalten Krieges und der Maueröffnung, bei dem Sie bekannte deutsche Persönlichkeiten treffen und einen tiefen Blick in die deutsche Seele erhalten. Ein Roman der so exakt recherchiert ist, dass alles haargenau so hätte passieren können. Hat es nicht... oder doch? Finden Sie es heraus. www.kampfumdeutsch.land
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 939
Veröffentlichungsjahr: 2020
Auf der Homepage:
www.kampfumdeutsch.land
finden Sie:
1. Inhaltsangabe zum Buch
2. Hintergrundwissen zum Thema
3. Entnommene Kapitel
4. Die Entstehungsgeschichte des Romans
5. Informationen zum Buch und zum Autor
T. K. Koeck
Die Prometheus Initiative
Kampf um Deutschland
© 2020 T. K. Koeck
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: 978-3-347-04581-1
Hardcover: 978-3-347-05264-2
e-Book: 978-3-347-04583-5
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
„Nur die Verzerrung im Spiegelbild zeigt uns die ganze Wahrheit“.
Wenn die Lüge alltägliche Wahrheit ist und die einzige Wahrheit zur Lüge
gemacht wird, dann ist die Darstellung der wahren Ereignisse durch eine
Lüge eine gute Möglichkeit zur Findung dessen,
was wir als Wahrheit akzeptieren mögen.
Nicht alles in diesem Buch ist wahr, aber mehr ist richtig, als du denkst.
Decke die Lüge auf, so wie du es täglich tun solltest.
Denn die einzige Wahrheit ist die Lüge, die dich umgibt.
Für meine Mutter
T. K. Koeck, M.A. pol.
Die Bibel – Gute Nachricht, Der König des Herrn
„Was soll der Aufruhr unter den Völkern?
Wozu schmieden sie vergebliche Pläne?
Die Herrscher der Erde lehnen sich auf,
die Machthaber verbünden sich gegen den Herrn
und den König den er erwählt hat.
„Wir wollen nicht mehr ihre Knechte sein, auf,
lasst uns die Fesseln niederreißen.“
Doch der Herr im Himmel lacht, er spottet nur über sie.
Dann aber wird er zornig, er herrscht sie an,
stürzt sie in Angst und Schrecken.
„Ich habe meinen König eingesetzt,
er herrscht auf dem Berg Zion, meinem heiligen Berg!“
So gebe ich bekannt, was der Herr verfügt hat.
Er hat zu mir gesagt:
„Du bist mein Sohn, heute habe ich dich dazu gemacht.
Fordere von mir alle Völker, ich schenke sie dir,
die ganze Erde gebe ich dir zum Besitz.
Regiere sie mit eiserner Faust!
Wenn du willst, zerschlag sie wie Töpfe aus Ton“.
(Ps 2, 1-9)
Prolog
28. Februar 1968
Shlomo Lewin zu Giangiacomo Feltrinelli,
Internationaler Vietnamkongress an der TU Berlin
„Ich habe vor zwei Monaten eine geheime Nachricht erhalten, mein Freund, in der nur ein Satz stand: Der Titan wird kommen, sich mit Schwert und Feuer erheben und die Menschen von dem Übel befreien. Das Überbringen dieser geheimen Nachricht war jener Person eine Menge wert, glaub mir das. Ehe du fragst, sage ich dir, was ich heute weiß. Die Titanen waren einst Riesen in Menschengestalt und mächtigstes Göttergeschlecht, hergestellt von den Göttern in der legendären goldenen Ära. Wenn man nun nach einem Titan sucht, der den Menschen das Feuer gab, dann kommt man zwangsläufig auf Prometheus.
Prometheus erhob sich einst gegen seinen Göttervater Zeus, indem er gegen dessen Willen den Menschen das Feuer brachte. Zur Strafe dafür wurde Prometheus in der Einöde des Kaukasusgebirges an einen Felsen gekettet. Dort suchte ihn regelmäßig ein riesiger Adler auf und fraß von seiner Leber, die sich aber stets erneuerte, da er ein Unsterblicher war. Prometheus gilt in der griechischen Mythologie als der Vorausdenkende, er gilt als Kulturbringer und Lehrmeister, als Urheber der menschlichen Zivilisation! Er ist Symbolfigur und Befreier der Menschheit von religiösem und politischem Autoritarismus sowie den Gewalten der Natur.
Ein weiteres Übel aber entstand durch den Bruder von Prometheus, den gutgläubigen und nachherdenkenden Epimetheus. Er entschied sich, gegen den Rat seines besonnenen Bruders, für die Liebe zu der von Zeus entsandten Verführerin Pandora.
Es dauerte etwas, bis ich die Zusammenhänge verstehen konnte. Erst nach einer Zeit war mir klar, dass die Titanen uns Menschen etwas schicken wollten, was die reine Zivilisation wiederbringt und uns von den schlechten Seiten unserer Familie, vom lüsternen Epimetheus und dem Unreinen unserer Gesellschaft befreit … und das durch Feuer und Schwert! Es sind diese Titanen, die sich dabei selbst als Vorausdenker, als Herrscher über die Menschen, über die sie bestimmen, sehen.
Dabei ist nicht entscheidend, was die Menschen persönlich möchten, wo sie ihre Selbstbestimmung sehen - es geht darum, was die Titanen für sie vorgesehen haben.“
Der Anfang
Berlin, Deutschland
9. April 1945
Aus den Erinnerungen von Anton von Anselm, Adjutant des Generalmajors Reinhard von Gehlen, zu den Geschehnissen im Führerbunker zu Berlin, drei Wochen vor Hitlers Tod
Wir waren damals schon den ganzen Tag mit unserem Horch 830 unterwegs, dem gängigen Diplomatenwagen des Militärs. Er war grau, schmutzig und in einem absolut desolaten Zustand. Darin saßen Reinhard von Gehlen, mein Kommandant, seine rechte Hand, Oberleutnant Wessel, der Fahrer und ich. Anstrengende Wochen lagen hinter uns. Seit Anfang des Jahres hatten wir alle Dokumente, welche die Spione der Abteilung „Fremde Heere Ost“, die größte und beste Spionageabwehr der Nazis, über die Jahre und Jahrzehnte bis 1945 gesammelt hatten, mit Kameras abfotografiert, entwickelt und die Negative fein säuberlich in Metallkisten archiviert. Obwohl es dünne, moderne Mikrofilme waren, hatten wir etwa 50 große Metallkisten gefüllt, jede mit ungefähr ein Kubikmeter Material. Es war das gesamte Wissen aus tausenden und abertausenden Verhören, bei denen exakt ebenso viele starben. Es waren die Kenntnisse von Millionen toter Russen, Männern, Frauen, Kindern und Geistlichen. Von heute aus betrachtet steckten in diesen 50 Kisten so unendlich viel Leid, Tod, menschenunwürdiges Wissen, beleidigend, belastend, promiskuitiv, wie es nur irgendwie erdenklich ist. Nein, eigentlich ist es das nicht. Kinder, Frauen, Babys … schlimmes Material, über Russen, aber und vor allem auch über die eigenen Leute! Mein Kommandant, der Leiter der FHO, Reinhard von Gehlen, spionierte seit Jahren mit Vorliebe ihm missgünstige Nazi-Größen aus und sorgte für deren Entlassung … oder für Schlimmeres. Das Material war universell einsetzbar und besaß eine unendliche Macht.
Vor einer Woche dann hatten Gehlens engste Mitarbeiter diese 50 Kisten, die „Büchse der Pandora“, in das Lager Maybach I bei Zossen in Bayern abtransportiert. Man hörte, er habe auf einer Alm bei Bad Reichenhall alle Vorbereitungen für eine Übergangszeit getroffen, man wolle dort oben warten, bis der Krieg vorbei war. Und seit dem Abtransport der Kisten waren die gesamte Garnison, die FHO-Leitstelle und die Familien aller Mitarbeiter sukzessive verschwunden.
Auf unserer Fahrt in das zerstörte Berlin hatten wir immer wieder angehalten, uns versteckt, Umwege in Kauf genommen und konnten so, sehr vorsichtig, in die Hauptstadt vordringen. Wir nutzten den letzten dünnen Korridor zwischen München und Berlin, der nicht von Russen oder Amerikanern angegriffen wurde. Bei Leipzig war es sehr gefährlich geworden, mehrfach beschossen sie uns, russische Artillerie und alliierte Jäger. Die Front war nur wenige Kilometer entfernt gewesen, es war die Hölle. All das nahm unser Trupp nur aus einem Grund auf sich: Um sich heute persönlich von Hitler die Entlassung aus der Wehrmacht unterschreiben zu lassen.
Das war nicht nur hoch gepokert, weil zu diesem Zeitpunkt jeder, der nicht mitkämpfte, berechtigte Angst haben musste, sofort standrechtlich erschossen zu werden. Es war auch die einzige Möglichkeit. Reinhard von Gehlens zentraler Befehlsbereich, seine Wirkungsstätte, war nicht mehr existent. Auf seinen persönlichen Befehl hin war alles, was den engen Kreis seiner Getreuen betraf, weggebracht worden,… vergraben, vertuscht, versendet oder vernichtet. Seine Freunde im Stab und ihre Familien, alle hatte er nach Hause geschickt, seine Frau und seine vier Kinder waren in Sicherheit. Deswegen musste heute alles klappen, unbedingt. Die Alternative zu nehmen, wie viele andere und ins Ausland gehen, schien für ihn keine Option zu sein. Er hätte es in Argentinien, Brasilien oder sogar in Jugoslawien besser gehabt. Aber ich denke, Gehlen hatte einfach ein zu großes Sendungsbewusstsein. Egal, wie es um die Nazis stand, sein Kampf musste weitergeführt werden, mit welchen Mitteln auch immer, ein Kampf für Deutschland. Er war ein echter Patriot.
Lange war es im Wagen ruhig gewesen, vor allem als die Kolonne sich durch die Vororte Berlins bewegte und die Zerstörung durch Bombenangriffe nicht mehr zu übersehen war. Die Front war jetzt schon in Berlin. Gehlen ließ das wie immer kalt, oder er ließ es sich nicht anmerken. In Wessels Augen konnte man jetzt erkennen, dass es ihm nicht egal war, dass es ihn berührte. Aber nicht nur das, in seinen Augen sah man viel Angst, denn zum einen musste alles perfekt ablaufen, zum anderen würde er es sein, der so oder so Gehlens Position in Berlin einnehmen musste, tot oder lebendig.
Als wir in Richtung Siegessäule und Tierpark kamen wurde es heftiger, die Einschläge der feindlichen Artillerie waren verdammt nah, es lag ein schlimmer Geruch aus Feuer, Ruß und Tod in der Luft. Ich war verängstigt, hatte eine Höllenangst, doch ich biss die Zähne zusammen.
In die Stille hinein brach Wessel das Schweigen und fragte lapidar: „Ist seine Alte eigentlich immer noch so drauf? Wir haben sie ja länger nicht mehr gesehen.“ Gehlen neigte sich etwas in seine Richtung, wartete einen Moment, dann murmelte er: „Woher soll ich denn das wissen? Außerdem interessiert sie mich nicht … “ Wessel drehte nun seinerseits den Kopf zum Fenster und entgegnete: „Hmm … Ich dachte du weißt alles, … oder etwa doch nicht?“ Gehlen blickte nun aus seinem Fenster in die Leere, man sah, dass er nachdachte. Beide machten alles sehr pathetisch, wie immer, wenn sie ihre Gardeuniform trugen. „Ach, weißt du“, antwortete Gehlen, “sie ist nicht schlimmer als andere … bei ihrem Konsum … aber auch nicht besser. Auf jeden Fall ist sie nicht der Ursprung seines Problems.“ Mehr kam dazu nicht.
Als wir die Siegessäule passiert hatten, wurden wir kontrolliert. Junge Burschen und alte Männer, dazu ein paar Majore, die sich abseits in einem Wagen aufhielten, rauchten und fast schon kindlich lachten, ohne Unterlass. Die Ausweise kontrollierte man zügig und wir bogen am Pariser Platz nach rechts. Nach einer Weile hielten wir direkt vor dem Eingang zum Führerbunker, wir stiegen aus und legten gekonnt unsere Mäntel ab.
Man sah, dass die Uniformen von Gehlen und Wessel perfekt saßen, blitzblank sauber und gebürstet waren, als hätte man sie ihnen gerade erst auf den Leib geschneidert. Für mich kein besonderer Anblick, aber in dieser Wüste aus Stein, Lärm, Rauch und offensichtlichem Chaos wirkten diese Uniformen nicht mehr gewohnt beruhigend, sondern eher verstörend,
wie ein Besuch aus besseren Zeiten.
Nachdem wir die Treppe zum Vorbunker hinabgegangen waren, wurden wir erneut kontrolliert. Das Befehlshabende des Bunkers fragte uns schroff nach unserem Termin, kontrollierte penibel seine Tagesliste, zeichnete ab und forderte uns auf, den Besuch auf der Liste zu unterschreiben. In diesem Moment, als wir die Formalitäten erledigten, als wäre nicht der Sturm über Deutschland hereingebrochen, fiel mir auf, dass alles um uns herum völlig normal wirkte. Ich roch, dass die Luft fein säuberlich gefiltert war, ja, wenn nicht sogar vorteilhaft aromatisiert. Alles erschien sauber und es herrschte totale Ruhe. Mitarbeiter des Stabes huschten elegant über die Gänge.
Wir marschierten durch den großen Mittelbereich, den man auch als Kantine nutzte, als Gehlen plötzlich stehen blieb und nach rechts blickte. Es waren zwei Türen geöffnet, die zu Schlafräumen führten. Gehlen sah hinein und betrachtete Goebbels, wie er persönlich das Ausräumen der Zimmer überwachte. Dabei fuchtelte er mit den Armen und schwadronierte, halb brüllend, über dieses und jenes.
Schon einen kurzen Moment später drehte Goebbels seinen Kopf zu uns, seine Augen weiteten sich, als er Gehlen erkannte, dann fror sein Gesicht schlagartig ein. Er ging forsch die vier Schritte zur offenen Tür und warf diese mit einem lauten Knall zu. Baaam! Man konnte hören, wie er drinnen anfing zu schreien und wie wild zu toben. Der Name meines Kommandanten fiel in Verbindung mit allerlei Schimpfwörtern. Gehlen wiederum drehte sich nur zu uns um und flüsterte kurz: „Er zieht hier ein – und wir gehen nach Hause.“ Und leise zu mir: „Der Idiot wird von den falschen Leuten bezahlt.“
Der Adjutant des Führungsstabes im Bunker bat uns nun eindringlich, unseren Termin wahrzunehmen und winkte uns heran. Wir marschieren also durch eine weitere Gasschleuse in den Hauptbunker hinab, wo wir an einer zentralen Stelle erneut in aller Form kontrolliert wurden.
In diesem Moment kam uns Eva Braun entgegen, auch sie wollte Gehlen nicht kennen. Er sprang aber offensiv auf sie zu und fragte: „Eva, wie geht es dir? Ich hoffe gut, wir haben uns lange nicht gesehen… Euer Besuch bei uns ist ja schon eine Ewigkeit her. Wessel und ich hatten gerade erst im Wagen über dich gesprochen.“ Sie erwiderte nichts, sah ihn auch nicht an, sondern ging stoisch weiter, wie eine wandelnde Ölgötze.
Frau Braun wirkte aschfahl und eingefallen, sie war spindeldürr.
„Wem kann ich Sie melden?“ Der Generalstabsangehörige war uns gegenüber nicht gut gelaunt, aber in erster Linie hatte er von Gehlens Benehmen bereits die Nase voll. „Zu Herrn Hitler.“ gab Gehlen an. Der Offizier starrte Gehlen an, dann stotterte er: „Sie möchten zum … Führer!? Haben Sie denn einen Termin?“ Es war einfach wieder einer von denen, die nicht wussten, wen sie vor sich hatten. Anstrengend! Gehlen platzte auch schon wieder aus allen Nähten, aber man musste ihn kennen, um es zu sehen. Sehr bestimmt forderte er: „So wie's auf der Besucherliste am Bunkereingang steht, so wie's in der Liste des Postens auf der Straße stand und so wie's auf Ihrer Liste steht, guter Mann!“ Dazu brüstete er sich, schob seine Pailletten und Orden in den Mittelpunkt und wiederholte:
„Wir können jetzt also zu Herrn Hitler?“
Sogleich stampfte er einfach unbeirrt darauf los, durchquerte den Warteraum und noch bevor man sich versah, stand Gehlen bereits, zusammen mit mir, in Hitlers Sprechzimmer. Währenddessen blieb Wessel draußen, verwickelte die Adjutanten und Generalstabsvorgesetzten in ein Gespräch und blockte sie ab. Verwirrt blickten sie uns hinterher.
Der Raum war relativ dunkel, die Biedermeier Möbel und das sanfte Licht ließen ihn recht gemütlich wirken. Im Mittelpunkt der rechten Seite stand ein Schreibtisch an der Wand, mit diversen Utensilien und Büsten darauf, eine Figur stellte einen Hund dar. Auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch kauerte Hitler. Er hatte noch schnell seinen Feldmantel übergeworfen, ich konnte das lose Hemd und die Hosenträger erkennen und er hatte komische Schuhe an, die eher an Pantoffeln erinnerten.
Ich weiß noch, wie lange ich mir überlegt hatte, wie es wohl sein würde, einmal dem Führer gegenüberzustehen. Aber er saß zusammengekauert, komisch ummantelt, völlig surreal vor mir, ja augenblicklich fast unter mir. Sein Kopf hob sich ganz langsam, er hatte einige Arbeitspapiere betrachtet, nun starrten seine Augen uns an beziehungsweise das, was man in den dunklen Höhlen seines eingefallenen Gesichtes als Augen erkennen konnte. Er wirkte sehr alt, war zerfurcht und so derangiert, dass er weder gefährlich noch bedrohlich wirkte. Unter dem Ölportrait von Friedrich dem Großen, das über seinem Schreibtisch hing, wirkte er sehr mickrig und gar nicht mehr überirdisch.
„Ach, … der Gehlen. Totgeglaubte leben länger, aber nicht ewig!“
zischte Hitler und drehte seinen Kopf wieder von uns weg. „Herr Hitler, ich grüße Sie“ sagte Gehlen mit neutraler Stimme. Er klang dabei wie ein Arzt bei der Visite und hob die Hand nicht zum Gruß, erst recht nicht mit gestrecktem Arm, obwohl er nur eine kleine Dokumentenmappe aus verstärktem Karton in der linken Hand hielt. Ohne Gehlen wieder anzusehen murmelte Hitler: „Das heißt »mein Führer«, Sie Arschloch, aber was kann man auch von einem Soldaten erwarten, der nie im Feld gedient hat, … und lediglich das Glück hatte, richtig zu heiraten!“ Er drehte sich noch ein Stück weiter weg, sein ganzer Körper schien allergisch auf Gehlen zu reagieren. Gehlen wiederum legte die Akte auf den Futon, löste die oberen Knöpfe seiner Uniformjacke und ließ sich betont lässig in die Kissen fallen.
Er saß hinter Hitler, blickte aber nur auf den Boden. „Für mich waren Sie, Herr Hitler, nie mein Führer, sondern ein Vorgesetzter; Und davon einmal abgesehen, wie man Ihre Zeit als mein… als unserer Vorgesetzter… im Großen und Ganzen bewerten muss, so bin ich doch vor allem persönlich von Ihnen enttäuscht. Wie viele offizielle Anfragen, Vorschläge, Strategiepapiere und Pläne zur Verteidigung habe ich in der letzten Zeit bei der Heeresführung eingereicht? Wie viele meiner Vorschläge wurden nicht gehört, geschweige denn umgesetzt? Wie viele Erkenntnisse des Fremde Heere Ost haben Sie ignoriert? Sie erkennen ein Genie und einen Patrioten doch nicht einmal, wenn er sich auf Ihr Gesicht setzen würde. Und ich war in Polen sehr wohl im Kampfeinsatz, falls Sie es vergessen haben sollten!“ erwiderte Gehlen kühl.
Jetzt drehte Hitler seinen Oberkörper wieder zurück zu Gehlen. Seinen Stuhl zog er dabei noch etwas näher heran. Gehlen seinerseits lehnte sich ebenfalls nach vorne auf Hitler zu. Auf einmal war kein halber Meter mehr zwischen den Beiden und gefühlt passte jetzt nicht mal mehr ein Papier zwischen die Kontrahenten.
Ich überlegte wie es dazu kam, dass ich mit zwei der führenden Köpfe der Nazis alleine in einem Zimmer war, 12 Meter unter der Oberfläche, mit einer Schicht von über 3,5 Metern reinem Stahlbeton zwischen mir und der übrigen Welt. Und hier waren sie nun, der Größte »Feldherr aller Zeiten« und der »Totale Spion« und sie wirkten, als würden sie sich gleich die Köpfe einschlagen. Zumindest erschien es mir so.
„Der Grund, mein lieber Gehlen, warum Sie heute hier sind, ist, dass man mich geradezu angebettelt hat, Sie vorzulassen… obwohl ich Sie nur erschießen lassen will!“. Das Wort angebettelt sagte er so, als würde er wieder an seinem Rednerpult stehen. Er schüttelte dabei seine rechte Hand mit erhobenem Zeigefinger und schüttelte ebenso die einzelnen Silben des Wortes heraus: an/ge/be/tt/elt. „Es könnte der Eindruck entstehen, man fürchte Sie mehr als mich, mein lieber Gehlen. Ich selbst kann mich nicht einmal an die lächerliche Ernennung Ihrer Person in dieser eminent wichtigen Stellung erinnern.“
Allen war klar, dass er jetzt log. Jeder wusste, dass er zu jener Zeit 1942 gezwungen worden war, Gehlen mit der Position zu betrauen. „Einer meiner Fehler, zugegeben.“, führte Hitler aus: „Bei euch monarchisch-schlesischen Speichelleckern habe ich nicht richtig aufgepasst. Die oberste preußische Militärriege, der Adel und dann sie, die Kirche… sie haben die Mittel, die man ihnen gegeben hat, ausgenutzt und gegen Ihre eigenen Leute gewandt. Sie sind schlimmer als der Jude oder der Russe und kennen nur das eigene Überleben! Sie haben es geschafft, einen Staat im Staate zu fabrizieren, sie haben die eigenen Leute auf höchster Ebene ausspioniert, … anstatt Ihre Mittel gegen den Feind einzusetzen!“ Er merkte offensichtlich selbst, dass er in einen Redeschwall fiel, hörte damit aber nicht auf: „…und damit Sie es wissen, egal was für Freunde Sie haben, lieber Gehlen, es wurde bereits beschlossen, Sie im Anschluss an dieses Gespräch zu liquidieren! Es ist nie zu spät, eine gewisse Ordnung wiederherzustellen! Ihre Impertinenz hat uns lange genug in Atmen gehalten. Angesichts der aktuellen Situation haben wir wichtigere Pläne als uns mit der Suche nach Ihren Metallkisten zu beschäftigen, die ein Parasit begraben hat, der behauptet, er habe Kampferfahrung oder hätte seinen Mann für das Vaterland gestanden, bloß weil er im Polenfeldzug in einer nachrückenden Einheit war, weit hinter der Front.
Es sind Pantoffelhelden und Blender wie Sie gewesen, die den Endsieg verhindert haben!“
Gehlen ließ sich wieder zurück in den Futon fallen. Für einen kurzen Moment erkannte ich eine gewisse Unsicherheit in seinen Augen, als wäre er sich doch nicht so sicher, was und wie viel Hitler wusste. Seine Stimme blieb dennoch sehr bestimmt. „Der Endsieg?“ Er lachte tatsächlich ein wenig. „Der Endsieg? Ich hatte im Baltikum Partisanen, die eine Woche auf ihren Tod warteten, anstatt zu reden. Ich hatte vor den Erschießungskommandos Russen, die uns zuzwinkerten und ukrainische Mädels, die unseren Soldaten die Penisse abbissen. Russen, die sich in Gruppen von Zehntausenden opferten, für ihr Vaterland!“
Der einzige und wahre Feind sei der Russe und der sei schwer auszumerzen. Von einem jemals möglichen Endsieg zu reden sei lächerlich, denn er, Herr Hitler, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt, die neue Ordnung, die entsteht. Er, Herr Hitler, habe gegen die Russen und die Kommunisten versagt. Er erkenne nicht, was getan werden müsse, dass sich die Weltordnung ändere und man entsprechend darauf reagieren müsse. Abschließend fügte Gehlen hinzu: „Ich werde diesen Fehler nicht begehen, wenn es sein muss auch mit der Hilfe der Amerikaner!“ Er wurde jetzt ebenfalls lauter und fing an zu schwadronieren. Sie stritten. „Es ist sowieso alles egal“ rief Gehlen „die Oligarchie wird das Heft wieder in die Hand nehmen und der Adel wird sich seiner alten Vorrechte wieder bemächtigen! Und ehrlich gesagt, dieses Gespräch geht mir langsam auf die Nerven…
Sind Sie nicht selbst erschöpft, Herr Hitler? Bei dem Drogencocktail, den Sie täglich zu sich nehmen, ist Ihr Erscheinungsbild ehrlich kein Wunder! Ebenso die Tatsache, dass Sie komplett die Kontrolle über sich, das Militär und das Land verloren haben! Verdammt noch mal, wie konnten Sie das alles so vermasseln? Wie unfassbar inkompetent und naiv kann man agieren? Sie selbst haben doch nur Ihre eigenen Ziele verfolgt!“ Lapidar beendete Gehlen seine Anklage: „So was erkennt man eben doch nur, wenn man auf der Militärakademie war, da können Sie einfach nicht mitreden…“.
Mit einer abwinkendenden Handbewegung fiel Hitler ihm schnippisch ins Wort: „Ach, Herr Gehlen, was soll das? Sie sind doch auch nicht besser, wie viele tausende sind in Ihren Folterkammern gestorben, durch Ihre eigenen Gestapo-Methoden? Wir haben ebenfalls Akten über sie angelegt. Sie stehen unter Drogen und über die Zeiten des »belebenden Pervitins« sind sie schon lange hinaus … und Ihr Stab ist so dauergrinsend Tag und Nacht am Arbeiten oder was weiß ich was … das spricht doch für sich!“ Hitler haspelte und verlor offenbar den Faden. Vor der Tür hörte man Lärm, Männer, Waffen. Hitler fuhr fort: „… ganz im Gegenteil, man sagt mir, bei Ihrer Gefolgschaft läuft alles über eins zusammen. Von Moral und Ehre hat Euresgleichen doch keine Ahnung mehr. Ihr Mitläufer seit dem Herdentrieb unterworfen. Und wenn dann ein etwas größerer Bock wie Sie, Herr Gehlen, das Haupt hebt, haltet Ihr ihn sofort für eine Leitfigur. Ihr seid Witzfiguren und es ist nie zu spät, die Welt von Euch Theoretikern zu befreien!“ Der Tumult vor der Tür war jetzt nicht mehr zu überhören, es waren offenbar eine Menge Menschen.
Gehlen ließ sich einem Moment Zeit, aber nur aus rhetorischen Gründen, dann legte er los: „Ach, Herr Hitler … ja, wir sind über das belebende Pervitin weit hinaus, und ja, dass eine Gruppe von Schafen einem geilen, dummen Bock folgt, das hatten wir bereits. Meine Freunde und ich, wir haben eine Wirkstoffkombination gefunden, die noch das 21. Jahrhundert bestimmen wird. Wir haben sie an tausenden SS-Angehörigen und zehntausenden russischen Gefangenen getestet, bis sie ausgereift war. Es ist eine überragende Kombination aus Hydroxybutansäure, Lysergsäure-Diäthylamid und Pseudoephedrin, dabei gibt es praktisch keine Beeinträchtigung für die Gesundheit, wenn man sich sonst zusammenreißt. Und die Steigerung der kognitiven Fähigkeiten überragt alles, was es bisher gab. Mal abgesehen davon, dass man sich hervorragend fühlt, in jeder Hinsicht!“
Er referierte dabei ganz selbstbewusst und von sich selbst überzeugt.
„Das ist Ihrem Cocktail aus Amphetaminen, Morphemen und klassischem Meth um Jahrzehnte voraus, Mal davon abgesehen, dass Sie davon nichts mehr haben und Ihre neun Gramm Opium und sieben Gramm Heroin, die Sie noch verzweifelt unter Ihrer Bettmatratze verstecken, gemeinsam mit Ihren peinlichen Schmuddel-Bildern, wohl keine Woche mehr reichen werden!“, prophezeite Gehlen ohne Regung, danach schwieg er.
Ich erstarrte und schwitzte am ganzen Körper. Erneut fragte ich mich, ob ich wirklich hierhergehörte oder ob überhaupt noch jemand wusste, dass ich anwesend war. Eine unheimliche Stille lag in der Luft. Die Atmosphäre war zum Zerschneiden und vibrierte förmlich. Hitler sah Gehlen eindringlich und fuchsteufelswild an. Nach einer gefühlten Ewigkeit stand er auf und prustete: „Egal, genug, aus, vorbei! Sie sind jetzt dran, Schluss mit der Sonderbehandlung! Ich werde persönlich dabei sein, wenn man die Erde von Ihrer Pestilenz befreit. Und wenn es verdammt noch mal mein letzter Befehl sein sollte, er gilt Ihrem Tod, Gehlen, man muss die Welt vor Ihnen beschützen! Sie sind ein teuflisches Geschwür!“ Er war schon fast an der Tür, um Gehlen und damit wohl alle, die bei ihm waren, die ihn liebten oder die für ihn gedient hatten, sofort liquidieren zu lassen, da war es Gehlen, der erneut ruhig und gelassen eingriff:
„So, mein lieber Herr Hitler, Sie machen sich jetzt bitte nicht unglücklich! Denken Sie, ich komme ohne Absicherung zu Ihnen? Denken Sie wirklich, dass ich so dumm bin? Bevor Sie sich selbst unsägliches Leid antun bitte ich Sie, in aller Form, sich zuvor diese Akte anzusehen.
Weil ich jetzt keine Zeit und keine Lust mehr auf Ihre Faxen habe! Weil wir alle Idioten wie Sie so leid sind! Bitte glauben Sie mir, mein Tod, oder der Tod irgendeiner anderen Person, wird an dieser Akte und ihren Konsequenzen nichts ändern. Ihre einzige Chance ist es, sich diese Akte anzusehen, unseren Entlassungsbefehl zu unterschreiben und uns gehen zu lassen. Sonst kann ich nichts mehr für Sie tun!“ diagnostizierte er und hielt Hitler die Akte hin. Dabei wirkte er wie ein besorgter Chefarzt beim Verkünden einer schweren Krankheit.
Ich bekam nun endgültig keine Luft mehr, ich konnte nicht glauben, was passierte. Wie er mit ihm sprach! Ich war so damit beschäftigt, mich nicht zu bewegen, nicht aufzufallen, die Situation keinesfalls zu beeinflussen oder zu unterbrechen, dass ich der Leichenstarre nahe war. Hitler stand wie angewurzelt an der geöffneten Türe, draußen sah man mehrere schwerbewaffnete Lanzer, die nun verdutzt hereinblickten.
Man konnte erkennen, dass Hitler grübelte.
Er überlegte, ob er wirklich gerade einen eminent wichtigen Fehler beging, oder ob Gehlen ihn schlichtweg überlistete. Offensichtlich war er dann aber der Überzeugung, dass es wohl besser sei, der Akte wenigstens einen Blick zu gönnen. Er warf die Tür wieder zu, ich hatte Angst, er erwischt die Soldaten draußen. Langsam ging er auf Gehlen zu und entriss ihm die Akte. Ich atmete tief ein. Er öffnete sie, ohne hineinzusehen, sah weiter nur Gehlen an. Schließlich raunte er: „Mal sehen, was Sie Spinner da haben!“.
Und dann blickte er hinein, sehr lange sogar.
Und wenn er zuvor zerfurcht aussah,
dann schien er jetzt vollkommen in sich zusammenzufallen. Hitler erstarrte, er fror regelrecht ein, als würde jede Lebensenergie aus ihm entweichen. Seine Lippen und Hände zitterten, er sah aus, als wolle er weinen! Dann ließ er die Akte fallen. Ich sah, dass drei großformatige Fotos und ein Schreiben herausfielen. Die Gesichter einer hübschen Frau, eines blonden Buben und eines ebenso blonden Mädels, wahrscheinlich Zwillinge, beide etwa vier, fünf Jahre alt, lächelten mich an. Zunächst verstand ich es nicht. Dann plötzlich wurde mir klar, wen ich vor mir sah. Und Sie werden es auch wissen.
Der Führer fiel zurück in den Stuhl.
Er sagte nichts, er sank einfach zusammen. Es war Gehlen, der aufstand und alles wieder zusammensammelte. Er legte die Fotografien in die Akte zurück, das Schreiben für die Entlassung seiner selbst und dem Großteil seines Stabes jedoch oben auf. Er machte einen Schritt auf Hitler zu, legte den Stapel auf den Tisch und holte langsam seinen Füllfederhalter aus der Jacke. Er drehte diesen auf, legte ihn neben den Stapel und flüsterte trocken:
„Die Fotos, Herr Hitler, können Sie behalten. Aber bitte nicht den Füllfederhalter, der ist mir ans Herz gewachsen.“ Hitler beachtete ihn nicht, starrte den Hund auf seinem Schreibtisch an, dann blickte er hilfesuchend zu Friedrich dem Großen, bevor er seine leeren Augen wieder auf den vor ihm liegenden Auflösungs- und Entlassungsbefehl richtete.
Gehlen führte weiter aus: „Mein Nachfolger wird Wessel, er wartet bereits draußen. Er wird alle Ihre Befehle ausführen, wie belanglos sie auch sein mögen und er wird den Rest der Fremde Heere Ost repräsentieren. Wir beide, wir werden uns nie wiedersehen, das verspreche ich. Wenn ich Sie jetzt um die Unterzeichnung bitten darf? Und keine Angst wegen Ihres kleinen Geheimnisses, von denen ich übrigens viele kenne. Informationen verleihen Macht, wieso also sollte ich sie einfach so weitererzählen? Sie müssen sich keine Sorgen machen, das Ehrenwort gebe ich Ihnen als deutscher Soldat, der im Feld gedient hat.“
Hitler reagierte nicht auf das Gesagte, er bewegte sich kaum, als er unterschrieb. Dann legte er den Füllfederhalter wieder hin und faltete seine Hände in den Schoß. Gehlen nahm den Entlassungsbefehl und steckte diesen in die Innentasche seiner Uniform. Während er den Füllfederhalter sorgfältig und langsam wieder zudrehte, sah er zu mir herüber und deutete an, dass wir jetzt doch lieber schnell gehen sollten. Ich stellte mich rasch hinter ihn. Er selbst blickte nochmals zu Hitler und rief: „Ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Hitler“ als hoffte er auf gute Genesung.
Dann öffnete er die Tür. Waffenstarrende Soldaten musterten uns, man wartete auf den Abtransport zum Standgericht. Als Gehlen öffnete, standen die Lanzer und Stabsangehörigen mit gezogenen Pistolen absolut perplex vor der Tür. Ein Wunder, das sie nicht noch das Ohr an der Tür hatten oder sich versehentlich ein Schuss löste. Alle blickten fragend zu Hitler. Dieser hob nach einem kurzen Moment den Kopf und keuchte:
„Alles in Ordnung meine Herren, Herr Gehlen kann jetzt gehen.“ Die Verwirrung stand jedem ins Gesicht geschrieben, keiner wusste, was er tun oder denken sollte.
In dieser grotesken Situation drückte sich plötzlich Goebbels durch die Gruppe und schrie:
„Können wir das Schwein jetzt erschießen? Ich will es selbst machen!“ Er schaute seinen großen Führer an, die umherstehenden der Leibgarde und die Stabsoffiziere. Er erkannte die Verwirrung, dass hier etwas nicht stimmte, wartete vergebens auf irgendeine sinnvolle Antwort oder Anweisung.
Am Ende war es nur Hitler, der abwinkte:
„Nein, Josef … Nein!“
Gehlen nutzte umgehend die Situation und wir stürzten mit energischen Schritten hinaus. Dabei rumpelte Gehlen gekonnt Goebbels an, wie kleine Jungs auf dem Schulhof. Wir drängten uns an der Gruppe vor der Tür vorbei und hetzten im Stechschritt durch die klinisch reinen Flure zum Vorbunker. Überall gab es verwunderte Blicke, wir sollten hier nicht rausgehen.
Aber es gab niemanden, der uns Einhalt gebot. Ich selbst war zu verwirrt, um klar zu denken, ich folgte nur. Mit Wessel und unserem Trupp gingen wir aus dem Bunker hinaus und stiegen sofort in unsere Wagen. Durch das geöffnete Fenster sagte Gehlen noch zu Wessel: „Halt durch, wo ich kann halte ich meine schützende Hand über dich. Wenn es zu eng wird, setzt dich ab! Du weißt ja, wo du uns findest.“ Wessel nickte, dann salutierte er vor Gehlen. Es war das erste Mal an diesem Tag, das jemand dem anderen die Ehre des Saluts zuteilwerden ließ. Wieder hielt ich eine dieser Erkenntnisse fest.
Mit rasendem Tempo sausten wir davon. Im Auto sah Gehlen mich prüfend an, dann fragte er kühn lächelnd: „Na, mein Lieber, das war ja was, oder?“
Er versuchte lässig zu wirken, rauchte aber schnell eine Zigarette und trank einen Schluck aus einem Flachmann. Ich erwiderte natürlich nichts und er blickte ohne ein weiteres Wort entweder in meine Augen oder aus dem Wagen. Wir redeten auch nichts mehr,
bis ich ihn in Bad Reichenhall ablieferte.
Ich danke Gott dafür, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, diese schlimme Zeit zu überstehen, da ich zu jung war, um zu wissen, dass man nicht im Krieg sterben sollte. Ich danke Gott dafür, dass ich Vorgesetzte und Fürsprecher hatte, die mich 1945 vor späten Einsätzen bewahrt haben. Vielen Dank, Reinhard von Gehlen! Vielen Dank, dass Sie mich aus dem Führerbunker wieder herausgebracht haben! Und fahren Sie zur Hölle, dass Sie mich dorthin mitgenommen haben!
Kapitel 1
04.10.1989 / 10: 00 Uhr / Hirschberg, Baden-Württemberg
Uwe Dee, Kommandeur GSG9
Ich stand auf halber Höhe des Schlossberges über dem kleinen Ort Hirschberg und blickte durch mein Fernglas auf eine langgezogene, hell erleuchtete Mauer, die mitten durch den Ort verlief. Sie war fast vier Meter hoch, weiß und an ihrer Oberseite mit Stacheldraht versehen, abgeschirmt wurde das Ungetüm von verschiedenen Zäunen und Türmen. Dahinter schloss sich der sogenannte Todesstreifen an, der mit Landminen versehen war. Dieses Monstrum stand für Trennung und Tod, für Trauer und für unendliche Dummheit! Viel zu lange hatte ich diese Mauer gesehen, jahrzehntelang war sie Teil meines Lebens gewesen. Man konnte schon sagen, dass ich die innerdeutsche Grenze hasste und nichts lieber sehen würde, als dass diese Mauer morgen oder die nächsten Tage fiel; Und ich hatte wahrlich genug Freunde, die gleichermaßen wollten, dass genau das passieren würde: Dass es bald vorbei wäre, mit der widerlichen deutschdeutschen Teilung, mit einem schizoiden Ost- und Westleben unseres Landes und einer Besatzung durch die Alliierten.
„Irgendwo zwischen hier und Dobareuth wird er über die Grenze gehen. Wo bist du? Wo bist du … Urbach?“ flüsterte ich mir zu. Es war unser Auftrag, diesen Verräter zu finden. Jemand ergriff meine Schulter, es war Fox: „Uwe, wir müssen hoch zur Technik, es gab einen Funkspruch von der Koordinierungsstelle des Kanzleramts, Urbach scheint auf dem Weg zu sein … hierher! Wir sind also richtig hier. Offensichtlich waren zwei weitere Bunkersysteme in Blankenburg und Bernau bei Berlin von Hoffmanns Männern zwischenzeitlich besetzt. Er hat keine Forderungen gestellt oder sich geäußert. Immer noch keine Spur von Hoffmann selbst, wir wissen nicht, wo sein Hauptquartier ist. Aber Jürgen möchte am Funk selbst mit dir sprechen“. Ich nickte nur und machte eine Andeutung, dass wir kommen. Vorher atmete ich noch einmal tief durch.
Wir waren GSG9-Kräfte der ersten Stunde, also alt gediente Männer. Ich selbst war am Aufbau dieser Polizei-Spezialeinheit beteiligt gewesen. Beschwerlich machten wir uns auf den Weg nach oben zum Technikwagen, in voller Montur, an diesem Tag als Teil des Sondereinsatzteams SET 55. Beide trugen wir kugelsichere Westen, Helme, ebenso taktische Westen und unterschiedliche Bewaffnungen. Ich selbst hatte als Kommandant der neunten Gruppe des Bundesgrenzschutzes die Gesamtleitung der Operation »S-Bahn-Peter« vor Hirschberg übernommen. Es ging darum, endlich, nach all den Jahrzehnten, den Doppelagenten Hans-Peter Urbach zum Schweigen zu bringen. Er war im Besitz von brisantem Material und auf dem Weg in die DDR zu Hoffmann. Während ich ging dachte ich: „Diese Ausrüstung ist echt schwer. War sie das früher auch schon? Mit 49 Jahren sollte ich mir das offensichtlich sparen…“
Aber es galt, einen der am meist gesuchten Provokateure Deutschlands zu suchen, Urbach, und den Terroristenführer Karl-Heinz Hoffmann auszuschalten, welchem er zu dieser Zeit diente. Der Alt-Nazi Hoffmann wiederum hatte im Sommer die Freiheit aus der Haftanstalt erlangt und war mit allem, was von seinen privaten Kampfverbänden und alten Kumpels noch da war, über die Grenze in die DDR gezogen.
Wir hatten keine Ahnung weshalb und kannten auch seine Pläne nicht. Klar war aber, dass er die unsichere Lage in der DDR für eine umfassende Operation ausnutzen wollte. Es war ein Terroranschlag!
Schon seit vielen Jahren war Hoffmann als der führende Kopf der deutschen Rechtsextremen bekannt, mit einer eigenen Privatarmee in Deutschland. Jetzt war er mit allem, was fahren konnte, seinen Panzern, Truppentransportern und mit über 200 Mann, in die DDR eingedrungen. Ein Umstand, der sehr verwunderte, war die DDR doch seit einiger Zeit komplett abgeriegelt; Mal abgesehen davon, dass er sicher nicht über einen normalen Grenzübergang gefahren war. Es war also wahrlich verzwickt, denn wir wussten absolut nicht, was vor sich ging.
Der Plan war daher, egal was es kosten würde, die Weiterfahrt und damit auch die Verfolgung von Urbach zu ermöglichen. Urbach musste uns zu Hoffmann führen. Ob er in der aktuellen Lage die Grenze passieren könnte, war ungewiss. Auf jeden Fall mussten wir ihn ausfindig machen und erfahren was los ist. „Herr Kommandeur, das Kanzleramt für Sie mit einer vertraulichen Nachricht, oberste Prioritätsstufe. Das Funkgerät ist hier drüben. Bitte kommen Sie!“ Der junge GSG9-Beamte führte uns um den Wagen herum zum Funkgerät. Auf der anderen Seite stieß Weygold ebenfalls dazu. Das Quartett rettet Deutschland! Wieder einmal. Dieser Tage werden wir uns übertreffen müssen. Und keiner wird es je erfahren.
„Dee am Apparat, Verständigung gut?“.
Das Funkgerät knackte unaufhörlich, aber man verstand Jürgen Bischoff auf der anderen Seite. Bischoff war ein ehemaliger GSG9-Kollege, der inzwischen das Referat »Führung und Einsatz der Verbände und Einheiten des BGS« im Innenministerium leitete. Aufgrund der aktuellen Lage war er mit anderen Führungsmitgliedern der verschiedensten Institutionen in der Koordinierungsstelle des Bundeskanzleramtes, die unter der Leitung von Wolfgang Schäuble stand. Jürgen sprach ruhig und gelassen:
„Hallo Uwe, wir haben jetzt Informationen von den Russen. Alle russischen Anlagen in der DDR sollen angeblich wieder geschützt sein und werden abermals von eigenen Truppen bewacht. Mittlerweile scheint jeder russische Soldat irgendwo auf den Beinen zu sein. Laut unseren Informationen hat das Oberkommando alle Kräfte in Alarmbereitschaft versetzt und kurzfristig sämtliche Atomwaffen auf dem Gebiet der DDR vom sowjetischen Verteidigungsnetz genommen. Dieses Entgegenkommen gilt wohl für die kommenden zwanzig Stunden,“ es knackte erneut im Lautsprecher, „aus Gründen der nationalen Sicherheit ist aber eine längere Abschaltung nicht möglich. Wir sollten bis dahin unsere Dinge geregelt haben. Die Information kommt informell vom Außenministerium!“. „Das klingt ja mal soweit gar nicht so schlecht …“, unterbrach ich, „… gibt es Neuigkeiten zu Hoffmann und seinen Truppenkontingenten? Wissen wir jetzt mehr? Was hat er vor?“
„Wie wir jetzt wissen, hatten Hoffmanns Teams Bernau und Blankenburg zwischenzeitlich eingenommen und besitzen nun schweres Gerät. Mehrere SEKs helfen bei der Sicherung des Führungsbunkers KOSSA sowie den Bunkeranlagen in Ladeburg und Harnekop. Verbliebene Einheiten der NVA halten Berlin und Umgebung, vor allem Garzau. So das offizielle Kommuniqué, leider treten bei der NVA nicht mehr viele an, was von denen aber auch keiner zugeben mag. Man tut so, als wäre alles normal, in jeder Hinsicht. Keiner versteht, was da vor sich geht.
Das Verteidigungs-, das Innenministerium und wir erarbeiten derzeit mögliche Einsatzszenarien, um die Sicherheit in der DDR wiederherzustellen. Die Regierung wird gerade umfassend informiert.“
Das Funkgerät knackte und zischte unaufhörlich. Es nervte.
Ich fuhr fort: „Verstanden. Frage: Für mich bleibt alles beim Alten?“ Bischoff antwortete: „Nein! Leider nein. Wir haben eine wesentlichen Änderung der Prioritätsstufe! Wir haben hier ganz neue Erkenntnisse!
Uwe, pass auf, wir haben ein riesiges Problem! Die Russen haben alle Teile ihres atomaren Verteidigungsmantels wieder unter Kontrolle, auch die Bunker, die Hoffmann kurz eingenommen hatte. In Gräfenhainichen und Eberswalde war alles in Ordnung, aber, und das ist wichtig, Uwe … im Finsterwalder Bunker fehlen die Bomben mit der Nummer 38 und 39 … Nukleare Sprengsätze!“ Wir riefen alle gleichzeitig: „Ach du Scheiße, gottverdammte Scheiße!“ - „Scheiße“, sagte auch Anselm und sah Dieter und mich an. „Ja, Scheiße“, sagte ich ebenfalls und blickte in die Runde,
„na dann sind wir uns ja alle einig.“
Das Funkgerät zischte penetrant dazwischen,
dann fuhr Bischoff fort: „Damit hat sich alles geändert, wir dürfen das auch nicht geheim halten! Die Regierung implementiert verschiedene Krisenzentren, das Auswärtige Amt schickt Mitarbeiter in alle diplomatischen Vertretungen. Der Bundeskanzler hat Teile der Administration zur Sicherheit in den Regierungsbunker bei Bonn beordert. Für den späten Abend sind diverse Lagebesprechungen mit den Amerikanern angesetzt. Die Fallex-Prozedere der NATO für atomare Zwischenfälle steht vor der Auslösung. Brüssel aktiviert gerade die europäische Verteidigungsphalanx. Die Amerikaner ziehen bereits erste Flottenverbände in der Nordsee zusammen und wir können nicht sagen, ob sie nicht irgendwann selbst das Heft in die Hand nehmen werden.
Es wimmelt schon überall von amerikanischen Einheiten, die CIA ist dutzendweise im Land aktiv und deren Koordination mit uns ist miserabel. Wir können uns mit immer weniger Stellen des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR verständigen.
Wolf ist nicht auffindbar, Stoph und Liebling scheinen desinteressiert und das Politbüro ist mit Konferenzen und den Feierlichkeiten beschäftigt. So scheint es jedenfalls! Man erwartet alle großen Oberhäupter und Diktatoren des Ostens zu den Feierlichkeiten des 40-jährigen Bestehens der DDR. Genscher behauptet, es gäbe gar kein Interesse, sich mit dem Fall Hoffmann auseinanderzusetzen, und das, obwohl man weiß, wie ernst die Situation ist. Man steckt wohl den Kopf in den Sand und hofft, dass der Sturm vorbeizieht. Eine groteske Situation“.
Auf einmal redete Bischoff etwas leiser:
„Pass auf Uwe! Hier wird vermutet, dass Urbach einen Code und technisches Material für eine Atombombe besitzt, er hat diesen möglicherweise in Westdeutschland erbeutet und eventuell hat Hoffmann selbst einen Satz für einen Sprengkopf. Das sind aber nur Vermutungen! Über den derzeitigen Aufenthalt der Bomben selbst weiß hier keiner was,… und wir haben kaum zwanzig Stunden, um das Problem zu lösen, dann brennt der Kontinent!“ Bischoff machte eine bedeutungsvolle Pause, dann sprach er laut und deutlich weiter:
„Zur Sicherheit schicke ich dir ein weiteres Sanitäter- und ein ABC-Team. Sie treffen in zwei Stunden bei dir ein, egal wo du bist, hier oder drüben. Deine Einheit unterliegt jetzt militärisch der Bundeswehr! Bis die Regierung weitreichendere Mandate veranlasst gilt die Befehlsgewalt unserer Koordinierungsstelle, eure Order bekommt ihr von mir. Aufgrund deiner jahrelangen Erfahrung, gerade auch was Urbach angeht, wurde deine Einheit unter allen derzeit befindlichen Kampfverbänden ausgesucht. Finde Urbach und bring uns den Aufenthaltsort von Hoffmann, mit ausdrücklich allen erforderlichen Mitteln!
Das SIC überwacht per Satellit. Wir haben noch mehrere Einheiten in Reserve, wenn du Verstärkung brauchst. Alle Augen sind auf dich gerichtet, Uwe! Du stehst im Zentrum all unserer Bemühungen!“
Bischoff hatte eine echt lange Betonung auf dem »Uwe« gelassen.
„Alles klar, danke dir, Jürgen. Dee Ende“ keuchte ich kurz, dann gab ich den Sprechfunk an den jungen Kollegen zurück. Fox hakte sofort ein: „Du glaubst doch nicht, dass der Stasi, dem Politbüro oder irgendwem egal ist, was Hoffmann in der DDR macht, oder? Es kann auch nicht sein, dass niemand erreichbar ist! Und wer verkauft in der BRD nukleare Codes der DDR?“ Daraufhin konnte ich nur stöhnen: „Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden. Ich denke, die DDR-Größen glauben, dass eine echte Krisensituation ihnen hilft. Deswegen lassen sie ihn gewähren, bis es kracht. Umso mehr muss der »S-Bahn-Peter«, der Urbach, her. Jungs, gehen wir alles noch einmal durch, überlegen wir, was wir unter Umständen vergessen haben. Jeden Punkt müssen wir nochmals durchdenken.“
Wir gingen ein Stück entfernt zum Wagen der technischen Einheit, um uns die Karten und Berichte erneut anzusehen. Ich dachte: „Wenn wir nicht schon so viel gemeistert hätten, ich wäre fix und fertig. Unterhalb der arbeitenden Fläche in mir brodelt es ganz schön. Es steht viel auf dem Spiel. Ein wenig Hilfe wäre gut. - Inge, wo bist du? Jetzt, wo ich dich brauche! Und wo hast du Ralf gelassen? War es das sechste, siebte oder gar achte Mal, dass wir uns mit Urbach anlegten, bzw. er sich mit uns? 1959, 1968, 1972 mehrfach, 1980, 1984 und dann jetzt das. Ich war wirklich ein Spezialist was diesen Mistkerl anging!“
Während wir liefen ging Fox neben mir her und ließ sich etwas fallen. Er forderte erneut, dass wir weiter aus meinen Beziehungen Kapital schlagen - sofort – und Inge Viett verhören! „Ich habe echt keine Ahnung, was Ihr Jungs, und vor allem du Uwe, immer und immer wieder mit der Inge habt, dass ihr so Scheiße arbeitet! Warum habt ihr sie diesmal nicht beschatten lassen? Wie oft, Uwe, muss ich mir noch gefallen lassen, dass die größte Top-Agentin Deutschlands bei dir Universalschutz genießt?“
Ich lachte etwas, sagte aber kein Wort. Inge Viett beschatten! Leider unmöglich! Auch Fox wusste es besser, deswegen war er auch verärgert. Die Frau war allein zwei Mal aus der deutschen Gefangenschaft ausgebrochen und wurde in einem halben Dutzend verschiedener Länder, vom Nahen Osten bis in den Ostblock, militärisch ausgebildet. Sie hatte mich mehrfach aus dem Dreck gezogen, und ich sie … und sie war etwas sauer auf mich, weil ich sie Mitte der 70er selbst verhaftet und hinter Gitter gebracht hatte! Ausgeschlossen, nicht die Inge, die erwischt man nicht. Dementsprechend konterte ich: „Bevor ihr sie findet, findet sie euch und davon mal abgesehen sucht sie Urbach genauso. Schließlich kam der Tipp mit Urbachs möglichen Aufenthaltsort von ihr! Vermutlich sitzt sie auf der anderen Seite der Grenze, seelenruhig, mit einem kühlen Bier in der Hand und wartet einfach auf ihn. So ist die Inge,… also vergiss es!“
Bei aller Wahrheit verflog meine zur Schau gestellte Bewunderung schnell. „Wo, verflixt nochmal, bist du Inge?“ dachte ich „wo, in drei Gottes Namen, bist du? Das Land geht vor die Hunde und du schickst lediglich eine kurze Nachricht, dass Urbach beteiligt ist. Jetzt ist der Moment, von dem wir immer geredet haben, heute beginnt es, siehst du es nicht? Also lass es uns zu Ende bringen, du hast es auf dem Fischerboot versprochen! Für alle, die gestorben sind: für Shlomo, für Giangiacomo, für Tommy und für Ingrid, wobei sie wussten, wofür sie starben. Die vielen, die einfach mit in den Tod gerissen wurden, damit all das hier erst möglich wurde, wussten es nicht“.
Abrupt wurde ich in meinen Gedanken unterbrochen. Man rief uns schon wieder, es gab neue Kampfhandlungen. Urbach sollte doch schon in der DDR sein. „Verdammt!“ ärgerte ich mich: „Also jetzt, Inge, ich komme! Es gibt keine Alternative, wir gehen in die DDR!“
Schon als ich den Befehl dafür gab, dachte ich für einen Moment an den Tag, an dem ich Inge Viett kennengelernt hatte. Das war der gleiche Tag an der Ostsee gewesen, an dem sie und ich auch Ralf das erste Mal trafen.
Es war lange her, um genau zu sein:
Dreißig Jahre und zwei Monate,… damals,…
beim ersten Schlagabtausch mit: Reinhard von Gehlen.
Kapitel 2
11. Juli 1959 / Arnis, Schleswig-Holstein
Erinnerungen von Inge Viett
„Der Jugend gehört die Zukunft - aber eben erst die Zukunft“
(Kurt Sontheimer, dt. Politologe)
Es war ein sonniger und echt heißer Samstag und ich war auf dem Weg zur nahen Ostsee. Ich hatte frei, meine Tasche mit den Badesachen gepackt, das Fahrrad genommen und war unterwegs zum Schwimmen. Ich fuhr wie immer die lange Straße hinab, blickte auf die Kirche und dann die Schlei hinauf Richtung Meer. Es war ein früher Sommertag, aber schon sehr trocken, schwelend vor glühender Hitze und voller Geräusche des Lebens. Überall zwitscherte es, Kinder lachten und Bienen summten umher. Ich trat kräftig in die Pedale und eine etwas kühlere Brise Fahrtwind kam mir entgegen. Für einen Moment ließ ich das Fahrrad laufen, bis zur Abbiegung in den nahen Fährweg.
Ich war zu diesem Zeitpunkt fünfzehn Jahre alt, aber jeder schätzte mich älter. Man sagte, dass ich ganz hübsch wäre: Brünett, Sommersprossen, zierlich und mit einem leichten Überbiss. Ich war vielleicht keine echte Schönheit, aber bisher wurde ich noch nie zurückgewiesen.
Ich war in der Fährgasse angekommen, das alte Fahrrad trug mich an den weißen Fachwerkhäusern, Gartenzwergen und frisch gestrichenen Zäunen vorbei, dieser grandiosen Idylle, die mich so kalt lies. Das Leben hielt generell nichts für einen bereit, wenn man es nicht von Anfang an zugeworfen bekommt, von den Eltern, Onkeln und Großeltern, jedenfalls sah ich es so. Wenn de nix hast, wirste nix. Ich bekam nichts geschenkt. Und dennoch wollte ich nie so wohnen, wie diese Menschen hier. Nun, es waren brave Deutsche und es war an diesem Ort eigentlich auch ganz schön. Die Luft empfand ich als den Hammer, immer prickelnd frisch mit einem leichten Salzgeschmack auf den Lippen; Und dann das satte Grün der weiten Felder, das stolze Blau des unendlichen Meeres und die goldenen Farben der heißen Sonne, man konnte schon bei der Aufzählung lyrisch weich werden. Es erinnerte mich irgendwie an früher, wenn ich mit meiner Schwester im Wald unterwegs war. Aber nur fast. Eigentlich war es zu schön für mich.
Ich saß dann am Strandweg, rauchte eine Zigarette und starrte auf den Steg, an dem das Fährboot ankommen würde. Die feurige Sonne stand hoch und alles, was eine glatte Oberfläche hatte, schoss haufenweise Sonnenstrahlen nach mir. Überall wackelten kleine Bötchen umher und hätte es Wind gegeben, so wäre bis zum Horizont alles mit Segeln bedeckt gewesen.
Ich war damals im Jugendaufbauwerk, weil ich Probleme gemacht und mich zur Wehr gesetzt hatte, und das nicht zu gering. Es floss sogar Blut, denn egal wie alt ich war, ich war bereits eine erfahrene Kämpferin, klug und schnell. Eigentlich konnte ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich nicht gekämpft hatte. Ich wehrte mich gegen meine Pflegemutter, gegen das perverse Schwein, das mich vergewaltigt hatte, gegen die Idioten in der Dorfschule, gegen die niederträchtigen Leute im Kinderheim und zuletzt gegen meinen inneren Schweinehund, wegen all dem, was ich getan hatte,… und was ich noch tun wollte. Ich sah es so: Eckenförde war Dreck, aber Arnis war wirklich Scheiße … das Schlummerland vorm Nirgendwo! Da war wirklich nichts… hier konnte man nur rauchen und trinken. In Eckernförde war ich praktisch aufgewachsen, in einer Pflegefamilie, aus der ich abgehauen war. Jetzt hatte mir der Pfarrer ein Jahr Jugendaufbauwerk in Arnis vermittelt. Aber ich hatte das Gefühl, dort nicht hin zu gehören.
Möwen kreisten um mich herum, die Sonne brannte rücksichtslos auf meiner Haut und wenn die Fähre nicht bald beschließen würde, die paar Meter zu meiner Seite abzurücken, dann wäre ich, verdammt nochmal, wieder an den Scheiß üblichen Strand gegangen und hätte mich dort gelangweilt. Es war heiß und ich sehnte mich nach einem trüben, kalten und regnerischen Herbsttag, der meiner Stimmung entsprach. Ich zündete mir noch eine Kippe an, schmeckte verdammt gut. Das Boot auf der anderen Seite hatte doch beschlossen abzulegen. Es begann zu rumpeln, zu zittern und dicken, wabernden, schwarzen Qualm aus dem Schiffsschornstein zu pusten und sich langsam wie eine Schildkröte vom Ufer wegzubewegen.
„Hallo, entschuldige bitte, kannst Du mir sagen, wo die Fähre hingeht?“ Ein Typ stand hinter mir.
Er rief es etwas laut und sah komisch aus. Meine Stimmung war sofort aufgeheitert. Der Junge trug Jeans, das Elvis-Shirt war zwar nur auf den ersten Blick rockig, aber er machte dennoch einen selbstbewussten Eindruck. In erster Linie aber machte ihn interessant, dass er ganz offensichtlich überhaupt nicht hierher gehörte. Längere Haare, kein Hemd, unrasiert, Rock’n’Roll-Shirt, womöglich ostdeutscher Stahl.
Er grinste wie ein Sahnetörtchen.
Ich schaute den Süßen an, was sollte ich schon darauf sagen: „Na, die Fähre, ja, … die fährt ma‘ vom Prinzip her auf die andere Seite!“ Meine Laune stieg schon, als ich den Satz noch gar nicht beendet hatte. Offensichtlich stark, das mir gleich was Hübsches eingefallen war. Und er, der Typ, der neigte den Kopf auf die Seite, schaute wie ein Häschen und grunzte nur: „Aaaahh …!“.
„Ok, dass hätte schlagfertiger ausfallen können!“ dachte ich mir und fügte noch hinzu: „Nee, ohne Witz, macht sie wirklich. Von dort aus kannste natürlich die Straße nach Schönhagen, Kappeln oder in das malerische Eckernföhrde nehmen, oder du fährst gleich bis Kiel,… mit deinem Fahrrad!“
Der Brüller. Ich lachte diesen Kerl an, wohlweislich, dass es nach Kiel sechzig Kilometer waren und hörte dabei nicht auf, mitleidig auf das hernieder zu schauen, was wohl sein Fahrrad darstellen sollte. Er drehte den Kopf zur anderen Seite, schaute nun überzogen angestrengt und raunte nachdenklich „Ähhhh …“. Ich war echt enttäuscht. Da kam echt nicht mehr herüber. Die Schwüle wurde noch schwüler und die Hitze noch heißer. Ganz im Ernst, echt kümmerlich. Ich weiß noch, dass meine Laune wieder rapide sank. Ich dachte: „Ach, wer ja auch zu schön gewesen, so ‘n bisschen Abwechslung in diesem Dreckskaff.
Und er sah ja eigentlich ganz lecker aus!“.
Dann aber platzte es aus ihm heraus: „Haalloo, heee, isch bin der Raaalf, hob misch dodal verfahre ne …“. Zu meiner Überraschung nahm er unaufgefordert meine Hand und schüttelte sie mehr als kräftig. Er machte den Kasperl, das tat fast ein wenig weh! „Du soch ma, wie komm ik´ n hier aus diesem Drecks-Kaff heraus?“ Dieser Jung-Rocker hatte dabei etwas zu sehr gebrüllt, richtig laut, etwas Spucke raste umher und es war ein sehr, sehr komisches Bild. Er sah aus wie ein Idiot, machte den Clown, grinste bis über beide Ohren und hörte schlichtweg nicht auf, meine Hand weiter zu drangsalieren. Dazu kullerten seine Augen.
Ich war ausreichend verdutzt und er hatte auch Drecksnest gesagt. Ein lustiger Kerl eben. „Hallo, ich bin die Inge“ rief ich. Was für ein unerwarteter Lichtblick an diesem düsteren Sonnentag. Ehrlich! Und er glotzte mit Silberblick und brabbelte: „Halloooo… isch bin da Ralf; Also eigentlich Ralf-Peter, aber alles sagen einfach nur Ralf. Und äh, ich habe mich in der Tat wohl etwas veriiiiirrt…!“ Dabei drehte er sich kurz weg, um sich mit einem Tuch angestrengt den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Sein Blick wanderte konzentriert den Fluss hinauf, als könne er dort etwas erkennen, was ihn irgendwie weiterbringen würde. Wieder fiel ich fast bildlich vom Tisch.
Total lässig also.
Und wie John Wayne auf Indianerjagd raunte er tief: „Kannst Du mir sagen, wie ich hier rauskomme?“ - „Das kann ich und das werde ich“ dachte ich mir und wir blickten uns tief in die Augen, nicht so, als würden wir gleich wieder unseres Weges gehen oder so, als wäre uns egal, was gerade Schönes passierte. Er setzte sich hin und deutete auf meine brennende Zigarette. „Konn isch och mohl?“ und persiflierte dabei weiter einen Sachsen. Wir konnten die Augen nicht voneinander lassen.
Die Sonne war nicht mehr heiß und Arnis war auf einmal ein schöner Ort. Die Fähre war ein Freund, der Unterhaltungsstoff lieferte, und der nahe Strand ein möglicher Spielplatz.
„Vielleicht sollte ich dich begleiten. Alleine findest Du doch nie hier raus. Mal im Ernst, wo soll’s denn hingehen?“ Er starrte mir einfach weiter in die Augen und sagte in normalem Deutsch: „Ich besuche Freunde in Schönberg, wir sind da in einer kleinen Pension untergebracht und werden dort einige Tage verbringen. Soll mein Sommerurlaub sein.“ Dabei kniete er sich nach vorne und schmiss ein paar Stullen. Ich ganz lässig: „Mhmm, Schönberg ist hübsch, habt ihr gut ausgesucht, ist aber sogar noch fast weiter weg als Kiel.“ Ich pustete gekonnt den letzten Rauch aus der Lunge, tötete die Zigarette und fügte ganz cool dazu: „Bis Schönberg verläufst Du Dich doch noch drei Mal. Wir nehmen die Fähre, dann später nochmal das Boot. Ich begleite dich dorthin, ist eh nicht so richtig aufregend hier … und du siehst nicht so aus, als wärst Du schon mal auf einem Boot gewesen.“
Er schaute kurz und rief: „Du bringst mich hier raus? Besser hätte ich es nicht erwischen können! Ich freu mich, dann lass uns hier verschwinden, Inge!“ Ich dachte nur: „Ist ja irre, was für ein Typ! Keine Fragen, kein Gelaber … und er nimmt mich einfach mit.“
Kapitel 3
Am gleichen Tag / Ostseebad Schönberg, Nähe Schleier Fjord
Erinnerungen von Uwe Dee
Ich saß am Meer und blickte in die Ferne. Ich weiß noch, dass ich permanent grinste weil so viel Glück auf meinem Gesicht lag, denn ich war ein junger Abiturient aus Westdeutschland mit einer unbescholtenen Jugend. Einen Tag zuvor, gleich am Freitagabend, war ich angekommen und fühlte mich hier sofort wieder wohl. Ich war schon oft mit meinen Eltern in Schönberg gewesen. Mit dem Auto lag es nur drei bis vier Stunden von Bremerhaven entfernt, sodass ich bereits ein paar traumhafte Sommer an diesem Ort hatte erleben dürfen. Nun schlenderte ich gemeinsam mit meinen Klassenkameraden Michael und Matthias die Strandpromenade entlang. Das Café und Restaurant mit dem roten Ziegeldach lag bereits hinter uns und vor uns öffnete sich eine endlos lange Gerade am Meer, ein System aus Deichen, Stegen - Wellenbrechern, Wiesen und Wegen. Unser Ziel lag einige Kilometer süd-östlich, ein Seenbereich, in dem sonst wenige Gäste waren.
Erst gingen wir an den großen Nationalfahnen, Tischgruppen und Stühlen vorbei, die vor den akkurat gemähten Wiesen lagen, dann liefen wir bis zum Ende des Schöneberger Strandes. Das Plaudern der Leute an der Promenade und das Klimpern der Teller und Tassen nahmen allmählich ab und machten der Stille des Meeres und dem Zirpen der Grashüpfer Platz. Nach einiger Zeit lockerte sich auch das Gelände und schien nicht mehr so streng angelegt. Vor uns lag eine Mischung aus weitläufigen Stranddünen, kleinen Seen und winzigen grasbedeckten Hügeln. Es gab ein paar Bäume und Sträucher, die natürlichen Schatten boten. Diese Stelle war schon immer mein liebster Platz gewesen; Und nun war ich genau hier mit meinen Kameraden auf Abiturreise. Als wir einen guten Platz gefunden hatten, breiteten wir unsere Strandtücher aus, legten die Kleidung ab und ließen es uns nicht nehmen, unter lautem Getöse in die schäumenden Wellen der Ostsee zu springen, die an diesem Tag nicht die Größten waren. Nur die Hitze war groß, es hatte gefühlte vierzig Grad, also ließen wir uns Zeit. Nach allerlei Spaß und Schwimmerei kamen wir wieder heraus, um unsere Brötchen zu essen, dazu tranken wir eine Sinalco. Es war ein herrlicher Tag, heiß wie nie und es gab keinen Ort, an dem ich lieber gewesen wäre.
Später, am frühen Nachmittag, gesellte sich eine größere Gruppe Jugendlicher in unmittelbarer Nähe zu uns. Es waren Jungs und Mädchen, ungefähr in unserem Alter. Alle waren gut trainiert und sehr hübsch anzusehen, die Jungs waren vielleicht zu pomadig, aber es gab eine Menge an Essen und Getränken, sie hatten ein schickes Peggy Kofferradio, das unentwegt swingte, und permanent tollten sie im Wasser herum oder spielten etwas. Zunächst studierten sich beide Gruppen, dann beließ man es bei gelegentlichen Blicken zur anderen Seite. Eigentlich war an dem Dutzend Jungs und Mädels nichts auszusetzen, sie fielen eigentlich nur durch ihren »Peggy Reichtum« auf.
Und die Pomade.
Was allerdings Matthias irgendwann keine Ruhe ließ, war ein blondes, herzergreifendes Mädchen, das sich bei der Gruppe befand. Nachdem er sie entdeckt hatte, konnte er seine Augen nicht mehr von ihr lassen. Sie war zierlich, trug einen schönen Badeanzug, der ihre makellosen Beine hervorragend zum Vorschein brachte; genau wie ihren runden Busen, der einen intensiven Abdruck unter dem Badeanzug hinterließ. Ihre Augen hatte er noch gar nicht gesehen, da sie eine Sonnenbrille trug. Was er aber sehen konnte war, dass sie offensichtlich keine Begleitung hatte, und dass sie wunderschön aussah. Hin und wieder sprach sie mit einer ihrer Freundinnen und lächelte, dann war Matthias für einige Sekunden wir paralysiert. Als sie ihn wiederum entdeckte und ihr Blick, das merkte er trotz Sonnenbrille sofort, an ihm hängen blieb, war es ganz um ihn geschehen. Es war ein Kinkerlitzchen, aber auch ein Spiel, bei dem es Matthias flau im Magen wurde, weil er so glücklich war. Beide taten so, als sähen sie nicht herüber, nur um jedes Mal kurz inne zu halten, wenn sich ihre Blicke zufällig trafen. Natürlich hatten wir das längst bemerkt und sahen Matthias so lange an, bis er mal wieder den Blick und seine Aufmerksamkeit auf seine Freunde lenkte. Wir lachten ihn herzhaft aus, weil wir schon eine gefühlte Ewigkeit auf seine Geistesgegenwart gewartet hatten. Matthias lief rot an und auch der jungen Dame schien nicht entgangen zu sein, dass man sich über sie amüsierte. Sie senkte ihren Kopf und verbarg sich hinter zwei vor ihr sitzenden Burschen.
„Na, du alter Schwerenöter?“ Michael beruhigte sich gar nicht mehr und klopfte Matthias heftig auf die Schulter. „Ruhe jetzt, ist ja gut, ich hab’s kapiert ihr Idioten“ zischte dieser, und: „Sie ist bezaubernd. Ich habe sowas noch nie gesehen. Zumindest denkt das mein Herz. Ich möchte sie kennenlernen. Was meint ihr?“ Kurze Pause, wir legten die Köpfe quer und zeigten einfach nur auf die große Gruppe, dann schüttelten wir den Kopf. „Spinnst Du?“ stöhnte ich. „Sehen die so aus, als lassen sie ihre Prinzessin mit uns nach Hause gehen? Ich hatte heute eigentlich etwas Besseres vor, als mich mit einer Sportgruppe der Pfandfinder oder irgendeinem Ruderverein zu prügeln. Die Jungs haben auch schon genervt zu uns gesehen, bloß, weil wir da sind.“ Matthias sah kleinlaut und verwirrt in die Richtung seiner Herzensdame, dann nickte er und ließ ab. Normalerweise ließ er sich nicht so leicht aufhalten, wenn er etwas wollte.
Es verging eine weitere Stunde, dann machte sich zur Begeisterung von Matthias der größte Teil der Jungs zu irgendetwas auf den Weg und die Mädchen bewegten sich in Richtung Wasser. Man konnte direkt sehen, wie es anfing, in ihm zu brodeln. Mir schwante sofort nichts Gutes. Mein Freund war bereit zu kämpfen: In der neuen Bundeswehr, für sein Land und für die wahre Liebe seines Lebens! Noch ehe wir etwas sagen konnten stand er auf, um sich erneut bis auf die Badehose zu entkleiden. „Bist du dir wirklich sicher, was du da tust? Dieses Techtelmechtel kann böse ausgehen!“ meinte Michael. „Ich bin vorsichtig, sülze nur etwas rum, falls die Gang zurückkommt, verdrücke ich mich schnell.“, erwiderte Matthias. „Und was ist mit den zwei Burschen, die verblieben sind? Die werden schweigen?“, setzte Michael nach. Matthias überlegte, zuckte dann aber nur mit den Schultern und lief ruhigen Schrittes los. Er ging just in dem Moment zur Wasserlinie, als sie alleine in Richtung Strand schwamm. Konnte auch kein Zufall sein. Zwanzig Meter im Wasser trafen sie sich und fingen an, miteinander zu reden.
Beide lachten und sahen sehr fröhlich aus.
Nicht so wie wir.
Ehrlich gesagt wollte ich sofort einpacken und mich auf alle Eventualitäten vorbereiten. Diese Sportler Jungs behagten mir überhaupt gar nicht. Zu abgeklärt. Zu trainiert. Und genau passend in diesem Moment kam die ganze Gruppe Jungs wieder um die Ecke. Sie blieben überrascht stehen, als sie Matthias und ihre Begleitung im Wasser sahen; Dann redeten sie kurz miteinander, bevor sie schnellen Schrittes, tobenden Gesichtern und ersten Brüllern auf die beiden frisch Verliebten zuliefen.