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Ein Junger Mann, der von fürchterlichen Träumen geplagt wird, sucht hilfe bei einem Psychologen. Er hatte alle Brücken zu seiner Vergangenheit abgebrochen, da er zu viel Stress mit diesen Träumen hatte. Doch jetzt braucht er ihre Hilfe und verstrickt sich dadurch in eine rasende Jagd nach Artefakte, die die Welt vor dem Untergang bewahren soll. Eine mysteriöse Prophezeiung die ihm keiner genau erklären kann und eine Flucht quer durch Europa, gepflaster mit kopflosen Leichen fordern seine ganze Kraft. Seine frühere Jugendfreundin steht ihm zur Seite und unterstützt ihn obwohl er damit nicht gerechnet hat. Am Ende stehen sich gut und böse gegenüber, tausende von Menschen sind Tot und die die noch am Leben sind bangen darum, wer wohl gewinnen wird.
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Seitenzahl: 428
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Die Prophezeiung
„Die Prophezeiung“
erschienen 07-2016, 2. Auflage
Alle Rechte vorbehalten
Text: Markus Waldmann
Die Prophezeiung
Von Markus Waldmann
Die Suche
Arme werden reich des Geldes rasch, Doch der rasche Reichtum wird zu Asch', Ärmer alle mit dem größeren Schatz. Minder Menschen, enger noch der Platz.
Da die Herrscherthrone abgeschafft, Wird das Herrschen Spiel und Leidenschaft, Bis der Tag kommt, wo sich glaubt verdammt, Wer berufen wird zu einem Amt.
Bauer keifert, bis zum Wendetag, All sein Müh'n ins Wasser nur ein Schlag, Mahnwort fällt auf Wüstensand, Hörer findet nur der Unverstand.
Deutschland
Kapitel I
“Praxis, Dr. van den Hout, Jasmin Wagner am Apparat, Guten Tag.”
Jens zögerte kurz, dann beschloss er, dass es kein Zurück mehr gab. Sie war die einzige, die ihm vielleicht noch helfen konnte.
“Hallo Jasmin, hier ist Jens, Jens Hoffmann, bitte leg nicht auf, ich brauche deine Hilfe.”
Das andere Ende der Telefonleitung blieb still, Jens war froh, ihr Gesicht nicht sehen zu müssen. Er wusste ganz genau, dass sie auf ihn wütend war.
“Wie kommst du darauf, dass ich dir helfen möchte?”
Jasmins Stimme klang bissig.
“Ich weiß, dass was ich dir und deiner Familie angetan habe, war nicht sehr nett.”
Jens kam ins Schwitzen, vor Jemanden zu Kreuze kriechen war nicht seine Art.
“Ach so, nicht sehr nett”, kam die Antwort aus dem Telefon, “du warst gemein zu ihnen, meine Eltern sind heute noch sehr traurig darüber, wie du sie behandelt hast. Und das, nach alldem, was sie für dich getan haben.”
Sie schrie ihn förmlich durch den Apparat an.
“Ja, es ist mir bewusst, dass ich ein blödes Arschloch war, aber darum geht es ja auch. Ich habe von deinen Kommilitonen erfahren, dass du einen Nebenjob hast. Und dass der Mann, für den du arbeitest, spezialisiert auf besondere psychische Probleme ist. Deswegen melde ich mich bei dir, ich brauche dringen Hilfe.”
Der leicht paranoide Unterton in Jens Stimme ließ Jasmin aufhorchen. Es stimmte, dass Dr. van den Hout sich auf psychische Probleme der ganz besonderen Art spezialisiert hatte. Die Menschen, die zu ihm kamen, waren oft am Ende ihrer Kräfte. Sie wurden von Träumen und Visionen systematisch in den Wahnsinn getrieben. Viele brachten sich um, noch bevor ihnen geholfen werden konnte. Doch diejenigen, die mit dem Professor sprachen, kamen oft mit einem Lächeln wieder aus dem Behandlungsraum heraus.
Jasmin fand die Arbeit bei diesem Mann faszinierend. Er war ein Freund ihrer Familie und half ihr beim Studium. So kam sie direkt in Kontakt mit Personen, die psychologische Betreuung brauchten. Das war auch der Grund dafür, dass Dr. van den Hout sie eingestellt hatte.
Die Patienten, die kamen, wurden aus ganz Deutschland an ihn verwiesen, teilweise auch aus dem benachbarten Ausland. Nick genoss einen hervorragenden Ruf, da er nur Spezialfälle annahm, bei denen seine Kollegen mit ihrem Latein am Ende waren.
Die Patienten, die Jasmin beim Eintreten in die Praxis sahen, waren fasziniert von ihr. Das war ein weiterer Grund dafür, dass Nick sie bei sich arbeiten ließ. Nicht nur ihre dunklen braunen Augen, die schulterlangen braunen Haaren und ihre grazile Figur sorgten dafür, dass die meisten Patienten sich bei ihm schon wohl fühlten noch bevor sie ihn trafen. Ihre Ausstrahlung von Ruhe und Geborgenheit sorgte dafür, dass die Meisten schon bei ihr anfingen von ihren Problemen zu reden. Normalerweise brauchte er gar keine Sprechstundenhilfe, er hatte selten mehr als zwei Patienten am Tag. Für Jasmin machte er eine Ausnahme, sie kam immer in den Semesterferien und dann, wenn sie keine Vorlesungen hatte.
Oft durfte Jasmin bei den Gesprächen zugegen sein, für ihr Studium war das sehr nützlich. Die Bezahlung war für die Arbeit eigentlich viel zu hoch, aber Dr. van den Hout hatte darauf bestanden. Er half ihr auch, wenn sie Probleme in den verschiedenen Studienfächern hatte, so dass sie mittlerweile die beste Studentin an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät war.
Dr. van den Hout, oder besser gesagt Nick, war ein alter Freund ihrer Eltern, erst als sie ihr Studium angefangen hatte, erfuhr sie, dass er selbst Psychologe war. Nick war Mitte 40, er kleidete sich stets sportlich und geschmackvoll, seine permanent gute Laune steckte die Menschen um ihn herum an. So dass das Arbeiten mit ihm sehr viel Spaß machte und den Patienten geholfen werden konnte.
Auch Jens kannte Nick, bevor Jens Eltern gestorben waren, hatten alle viel Kontakt zueinander gehabt. Jasmins Eltern hatten Jens aufgenommen, als er ein Waise wurde, zum Dank dafür hatte er sie tyrannisiert und schikaniert, das war der Grund, weshalb Jasmin auf ihn sauer war.
“So und was für Hilfe brauchst du?”
Noch immer klang ihre Stimme gereizt, und Jens wollte sie nicht noch mehr verärgern.
Er versuchte so freundlich wie möglich zu bleiben.
“Na, ja, ein Gespräch mit Dr. van den Hout wäre schon einmal der Anfang, vielleicht kann er mir ja helfen.”
“Du weißt, dass du eine Überweisung brauchst und dass deine Krankenkasse erst ein Gutachten eines anderen Psychologen braucht, damit sie es übernehmen. Wenn sie es überhaupt machen.”
Jens wurde nervöser, das hatte er nicht gewusst, woher auch. Wie sollte er das denn machen? Sobald er zu einem der so genannten Seelenklempner ging, würde die Uni sofort Bescheid wissen.
“Kann ich die Behandlung auch Privat bezahlen?”
Die Stimme von Jens zitterte, er hatte erst vor kurzem das Erbe seiner Eltern antreten dürfen. Mit den Banken hat er schon alles besprochen, die einzige Auflage hatte er vor Kurzem geschafft. Er durfte erst über das Geld verfügen, sobald er das 25ste Lebensjahr erreicht hatte, und das war vor wenigen Tagen gewesen. Noch wollte es nicht in seinen Kopf hinein, dass er über eine Unmenge Geld verfügte. Ständig musste er sich das ins Gedächtnis rufen.
“Ja, das geht auch, hast du den genug Geld? Haben deine Drogengeschäfte dir genug eingebracht?”
Jasmin genoss es, Jens leiden zu hören, seine Stimme wurde immer zittriger.
“Aber Jasmin, ich habe nie mit Drogen gedealt, nur für meinen Eigengebrauch habe ich welche gekauft. Und das war immer nur Haschisch oder Marihuana.“
Sie konnte schon fast hören, wie er innerlich zerbrach.
“Bitte, Jasmin, ich halte es nicht mehr länger aus.”
Was ihr die ganze Zeit Spaß gemacht hatte, fing jetzt langsam an, ihr Angst einzuflößen. Sie wusste ganz genau, wie groß die Überwindung für Jens gewesen sein musste, sie um Hilfe zu bitten. Immerhin hatten sie seit knapp elf Jahren keinen Kontakt mehr, und der Tonfall von Jens wurde immer mehr zu einem Klagen.
“O.K. Jens, bleib kurz dran, ich werde den Doktor fragen.”
Sie hörte noch ein erleichterndes Seufzen, als sie den Telefonhörer beiseite legte.
Jasmin klopfte leise an die Tür von Nicks Büro, sie wusste, dass er die Akten von einem erst vor kurzem beendeten Fall studierte. Der Betroffenen hatte sich vor einen Zug geworfen, und Nick machte sich Gedanken darüber, ob er es hätte verhindern können.
“Herein, Jasmin, was gibt es denn?”
Sie trat ein und nahm auf dem Stuhl, der für die Patienten gedacht war, Platz.
“Ich habe einen Studienkameraden am Telefon, er möchte gerne einen Termin bei dir haben. Allerdings war er nicht bei einem Arzt und hat somit auch keine Überweisung.”
Nick blickte Jasmin kurz an.
“Ist es einer aus deinem Studienbereich?”
“Oh nein, soviel ich weiß, studiert er Geschichte und Archäologie, warum?”
Jasmin fragt sich, wozu er das wissen wollte, prompt bekam sie die Antwort.
“Na ja, ich hatte schon öfter Anrufe von jungen Studenten, die etwas über meine Arbeit erfahren wollten. Das eine Mal, wo ich mich darauf eingelassen habe, kam es zu einem Fiasko. Der Student schrieb einen Beitrag in der Studentenzeitung und bezeichnete mich als Scharlatan.”
Sie runzelte die Stirn.
“Ach so, nein, der Student wird das wohl nicht machen, obwohl ich mir da nicht so sicher bin. Kenne ich den Studenten, der das gemacht hat?”
Nick schüttelte den Kopf.
“Nein, das ist schon ein Jahrzehnt her, aber ich spüre da einen Anflug von Hass in deiner Stimme, wer ist der zukünftige Patient?”
Jasmin war etwas verdutzt, sie war der Meinung, dass sie ganz souverän aufgetreten war.
“Du kennst ihn, es ist Jens, den meine Eltern aufgenommen hatten.”
Nick lächelte.
“Weißt du eigentlich, wie viel ihr früher miteinander gespielt habt? Ständig hat man euch zusammen gesehen, wie eineiige Zwillinge.”
Jasmin wollte nicht daran erinnert werden oder darüber nachdenken, sie wollte böse auf Jens sein. Sie war noch immer sauer auf ihn, nicht nur weil er die Gefühle ihrer Eltern verletzt hatte, sondern auch weil er die ihren mit Füßen getreten hatte.
“Ja, ich weiß das alles noch, aber er war unfair zu uns.”
Jasmin saß auf dem Stuhl und schmollte. Nick musste sich zusammenreißen, sie sah aus wie ein kleines Mädchen und nicht wie eine junge Frau.
“Du meinst wohl, er war unfair zu dir, denn deine Eltern verzeihen ihm, weil sie nachvollziehen können, wie schwer alles für ihn war. Lass ihn nicht noch länger am Telefon warten, er soll in einer Stunde da sein, dann schauen wir mal, wo sein Schuh drückt.”
Als sie das Büro verließ, wurde Nick bewusst, was sie doch für eine Schönheit geworden war. Damals, als Jens die Familie verlassen hatte, war Jasmin noch nicht mal in der Pubertät gewesen. Das, was danach kam, hätte Jens sicherlich gefallen. Sie nahm schlagartig ab und ihr Gesicht zeigt immer mehr weibliche Züge. Aus dem hässlichen Entlein wurde ein Schwan, natürlich konnte Nick sich vorstellen, dass Jens über ihr heutiges Aussehen informiert war, immerhin studierten sie an der gleichen Uni. Aber ob er sie seit damals wieder gesehen hatte, beziehungsweise - falls er sie gesehen hatte - auch wusste, dass es Jasmin war, wagte Nick zu bezweifeln.
Nick wusste nicht genau, wie Jens heute aussah, vor elf Jahren hatte er noch in Köln gewohnt. Erst als er davon erfuhr, dass Jens freiwillig in ein Heim gegangen war, war Nick nach Wittlich gezogen. Er glaubte allerdings, dass Jens mit großer Wahrscheinlichkeit wie sein Vater aussehen würde.
Er genoss schon die Aussicht auf Jens verwirrtes Gesicht, zumal dieser nicht wusste, dass Nick der Psychiater war, an den er sich wendete. Jens würde sich an Nick erinnern, wahrscheinlich würde er ihn sofort wiedererkennen, da Nick sich kaum verändert hatte. Jedoch kannte Jens nicht den Nachnamen von Nick, so dass es sehr wahrscheinlich war, dass ihm die Kinnlade auf die Brust klappen würde. Innerlich freute sich Nick auf das Wiedersehen, all die Jahre hatte er nur wenige Lebenszeichen von Jens bekommen.
Jasmins Eltern hatten Nick darüber informiert, dass der Nachlassverwalter Jens gefunden hatte. Nick hatte zu seinem Leidwesen sehr viele und nicht gerade schöne Geschichten über Jens gehört. Nun hoffte er, heute die Erklärung dafür zu bekommen, er hatte auch schon eine Ahnung, was Jens zu ihm führte. Konnte sein alter Weggefährte Janus doch recht gehabt haben? Wenn das der Fall war, sollte er ihn umgehend darüber informieren.
Jasmin nahm den Telefonhörer wieder in die Hand.
“Tut mir leid Jens, dass es so lange gedauert hatte, aber Dr. van den Hout ist bereit, dich in einer Stunde zu empfangen.”
Ein Seufzer der Erleichterung war am anderen Ende zu hören.
“Vielen Dank Jasmin, bis später.”
Jens legte auf, ohne dass Jasmin auch noch irgendetwas hätte sagen können. Dieses Verhalten ärgerte sie wieder und steigerte ihre Wut auf Jens erneut.
Kapitel II
Jens fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, noch nie hatte er jemanden von seinem Problem erzählt. Aber er wusste, wenn er nicht bald Hilfe fand, würde er sich umbringen. Es war einfach nicht mehr zu ertragen. Er betätigte die Klingel zu Professor Doktor van den Houts Praxis.
Das Haus, in dem sich die Praxis befand, war eine Villa aus dem 19. Jahrhundert. Solche Gebäude gefielen Jens, und dem Besitzer ging es wohl nicht anders. Schon von außen sah man, dass das Haus ordentlich gepflegt wurde. Der Garten und die Fassade waren in einem hervorragenden Zustand.
Als der Summer ertönte, trat er ein, sein Blick fiel auf die Anmeldung, und was er dort sah, überraschte ihn. Auch von Innen war der Charme des alten Gebäudes erhalten worden. Und die Frau hinter der Theke hatte er schon öfter auf dem Campus gesehen, da er aber keine Zeit für Bettgeschichten hatte, ließ er die meisten Mädels links liegen. Nun war er überrascht, dass eines der schönsten Mädchen der Uni ausgerechnet Jasmin war. An ihrem Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass sie ganz genau wusste, wer er war und wie er aussah.
Jetzt, wo er im Wartezimmer saß, dachte er darüber nach, welches Glück er hatte, dass er sie nie angesprochen hatte. Wahrscheinlich hätte sie ihn zum Teufel gejagt und zum Gespött der ganzen Uni gemacht.
Während er wartete, hatte er das Gefühl, die Last würde ihn erdrücken. Allein schon die Überwindung, Jasmin anzurufen und um diesen Termin zu bitten, war ein große Hürde gewesen. Sie hier dann wieder zu sehen, hatte seinen Geist dann noch mehr verwirrt, dieses bezaubernde Wesen sollte Jasmin sein? Wenn er in seinen Erinnerungen zurück zu der Zeit ging, als sie noch zusammenlebten, sah er ein kleines plumpes und kräftiges Mädchen. Er wusste, dass er gemein zu ihr war, aber ändern konnte er es nicht mehr.
Als er ihr gegenüber stand, hatte er gespürt, wie kalt sie ihm gegenüber war. Auch heute, nach mehr als 10 Jahren, war sie noch sauer auf ihn.
Jasmin ging zu Nick ins Behandlungszimmer.
“Jens ist da, darf ich dabeibleiben, wenn du mit ihm sprichst?”
Nick sah sie an.
“Ich glaube, dass ist keine gute Idee Jasmin, Jens scheint ein Problem zu haben. Es wäre möglich, dass er sich mir nicht anvertraut, wenn du mit im Zimmer bist. Er spürt die eisige Kälte, die du ihm gegenüber ausstrahlst.”
Jasmin blickte Nick fragend an.
“Woher weißt du was er fühlt?”
Nun lächelte der Doktor.
“Oh je Jasmin, selbst ich spüre die Kälte, und das schon, wenn du nur von ihm sprichst. Wenn du magst, kannst du über die Sprechanlage zuhören. Bedenke aber bitte, dass wir damit sein Vertrauen missbrauchen, also erwähne es ihm gegenüber nicht.”
Geknickt ging sie hinaus, um Jens ins Sprechzimmer zu holen.
Als Jens so dasaß und darauf wartete, zum Doktor vorgelassen zu werden, gingen ihm noch viele Gedanken durch den Kopf. Er hoffte, dass der Arzt ihn nicht für komplett Durchgeknallt halten würde. Eine Einweisung in die Psychiatrie wäre das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Die Tür zum Sprechzimmer öffnete sich und Jasmin erschien.
“Du kannst reinkommen, Dr. van den Hout hat jetzt Zeit für dich.”
Noch immer spürte er die Kälte, die von ihr ausging. Mit einem leichten Seufzer stand er auf und ging auf wackeligen Beinen durch die Tür. Als er das Sprechzimmer betrat und den Arzt erblickte, blieb er augenblicklich wie angewurzelt stehen. Die Person hinter dem Schreibtisch kam ihm bekannt vor.
“Hallo Jens, wie mir Jasmin berichtet hat, hast du ein Problem, mit dem du nicht mehr alleine zu recht kommst!”
Der verdutzte Ausdruck auf Jens Gesicht verflog langsam, jetzt kam eine Mischung aus Freude und Angst in ihm auf. Wie würde Nick auf seine Geschichte reagieren.
“Hallo Nick, ich wusste gar nicht, dass du Arzt bist, und seit wann wohnst du hier?”
Noch immer wusste er nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte, alles hatte er erwartet, aber nicht, dass Nick der Arzt war, an den er sich wendete.
“Nun, du weißt Vieles von mir nicht, hier wohne ich, seit du dich mit Jasmins Eltern überworfen hast. Ich habe geahnt, dass du größere Probleme hast. Nun erzähl doch mal!”
“Ja, ich habe ein Problem, und auch eine Menge Angst, darüber zu sprechen.”
Nick schaute ihn verständnisvoll an.
“Mach dir mal keine Gedanken, egal was du mir zu erzählen hast, es wird mich nicht schockieren können. Dafür höre ich hier viel zu viel abgefahrene Geschichten.”
Es beruhigte Jens ein wenig, das zu hören, seine Unsicherheit war noch immer nicht verflogen.
Im Nachbarraum hörte Jasmin über die Gegensprechanlage mit, es war nicht richtig, es stellte eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht dar. Das interessierte sie jedoch im Moment nicht. Sie wollte unbedingt wissen, was mit Jens los war, welche Probleme er hatte. Trotz ihrer Wut auf Jens machte sie sich Sorgen, immerhin kannten sie sich schon ihr ganzes Leben lang. Außerdem hoffte sie zu erfahren, ob in seinem Problem eine Erklärung zu finden war, weshalb er früher so unausstehlich zu ihr war. Sie brannte förmlich darauf, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, vielleicht weil sie sich wünschte, wieder ein normales Verhältnis zu ihm zu haben.
“Also, schieß los.”
Der Plauderton von Nick lockerte etwas die Anspannung von Jens.
“Wie schon früher kommst du ohne Umwege auf den Punkt. Ich kann mich an so viele Sachen erinnern, die mit dir zusammen hängen, so dass es mir nicht gerade leicht fällt, einfach darauf los zu plappern.”
Der Arzt nickte nur kurz.
“Das weiß ich, aber du brauchst dir keine Gedanken darum zu machen. Gehe ich zu Recht davon aus, dass dich Träume plagen, die dir sehr realistisch vorkommen und dich fast in den Wahnsinn treiben.”
Die Überraschung war perfekt, Jens bekam den Mund gar nicht mehr zu.
“Woher weißt du das?”
Nick schmunzelte.
“Wie du dich vielleicht erinnern kannst, kannte ich deine Eltern sehr gut. Schon damals erzählten sie mir, dass du oft nachts heulend aufgewacht bist. Dies war einer der Gründe, weshalb ich so oft bei euch war. Leider warst du schon als Kind sehr verschlossen, zumindest was diese Sache betraf, ich hatte es nicht einfach mit dir, ein Bild von deinen Träumen konnte ich mir nie machen. Nachdem deine Eltern gestorben waren, hörten deine Träume auf. Ich habe immer befürchtet, dass es wieder anfangen könnte, immerhin warst du gerade acht Jahre alt und hattest dein Leben noch vor dir. Mit Anke und Mathias habe ich dann beschlossen, dass sie dich aufnehmen sollten, da es mir so besser möglich war, in Kontakt mit dir zu bleiben.”
Jens unterbrach Nick.
“Wie war es euch möglich, das zu bewerkstelligen, normaler-weise hätte ich doch an die nächsten Verwandten übergeben werden müssen. Und soviel ich weiß, habe ich noch einen Onkel in Köln.”
“Reg dich bitte nicht auf Jens, natürlich wäre das der amtliche Weg gewesen. Nur hatten Anke, Mathias und ich uns verpflichtet, uns um dich zu kümmern, falls deinen Eltern je was zustoßen würde. Außerdem hast du in einer Sache unrecht, dein Onkel wohnt keineswegs in Köln. Er wohnt hier in Wittlich!”
Die Offenbarung war etwas zu viel für Jens, sein Kopf begann zu schwirren, er fühlte sich elend. Wer war sein Onkel, und warum hatten Mathias und Anke das nie erwähnt. Vielleicht hätte er ihm ja helfen können oder ihn zu mindestens etwas unterstützt, als er ausgezogen war.
“Aber... Wer.... Ich meine wo?”
Jens brachte nur noch Gestammeltes hervor.
“Ich Jens, ich bin dein Onkel - oder besser gesagt dein Großonkel. Dein Vater und ich waren Cousins; da unsere Eltern, genauso wie dein Vater und ich, Einzelkinder waren, bin ich dein letzter lebender Verwandter.”
Jetzt war es für Jens ganz aus, wie konnte das sein, warum hatte ihm nie einer etwas davon erzählt? Er fühlte sich mies, wie sollte er jetzt reagieren, er stand auf und lief im Zimmer umher.
“Warum hast du mich nicht aufgenommen?”
Nick senkte den Blick.
“Ja, die Frage ist berechtigt, ich möchte dir darauf auch antworten aber als Erstes setzt du dich wieder hin. Es ist angenehmer von Angesicht zu Angesicht zu sprechen.”
Jens kam wieder etwas zur Ruhe, er nahm Platz und versuchte Nick zuzuhören.
“Also, damals war ich noch ein vielbeschäftigter Mann, zudem unverheiratet. Wie hätte ich dich aufnehmen sollen? Du wärst ständig alleine gewesen. Anke war die beste Freundin deiner Mutter, wie du und Jasmin kannten sie sich schon ein Leben lang. Was lag also näher, als ihnen diese Aufgabe zu übergeben, zumal sie das auch wollten.”
“Oh, ich wusste, dass sich unsere Eltern gut kannten, aber dass Anke die beste Freundin meiner Mutter war, wusste ich nicht. Seit einiger Zeit fühle ich mich auch wirklich schlecht, ich habe eingesehen, dass sie nur das Beste für mich wollten. Aber ich konnte einfach nicht anders, die Träume kamen tatsächlich wieder, als ich vierzehn Jahre alt war. Natürlich habe ich mich nicht getraut, jemanden davon zu erzählen, gerade in der Pubertät hatte ich schon genug Probleme.”
Jens atmete schwer, ihm machte das alles zu schaffen. Nick beugte sich zu ihm hinüber.
“Ist schon gut, sie verzeihen dir, da sie wissen, wie schwer alles für dich war. Sie wussten von deinen Träumen, und es war ihnen auch bewusst, dass dich irgendwann der Verlust deiner Eltern aus der Bahn werfen würde. Nur, dass es so heftig werden würde, damit hatte keiner gerechnet, noch nicht mal ich.”
Erstaunt schaute Jens Nick an.
“Sie verzeihen mir? Ehrlich? Oh es tut mir auch so leid, wenn ich könnte würde ich alles wieder rückgängig machen. Warum habe ich diese Menschen nur so behandelt?”
Jens liefen die Tränen über die Wangen. Nick war darüber überrascht, er hatte nicht damit gerechnet, dass Jens sich das so Herzen genommen hatte. Er bejahte die Fragen von Jens.
“Jetzt beruhige dich doch erst mal, du wirst bald schon die Gelegenheit haben, es ihnen persönlich zu sagen. Nun wird es aber Zeit, dass wir über deine Träume sprechen, ich hoffe wirklich, dass ich dir helfen kann.”
Jens stand erneut auf.
“Tut mir leid Nick, kann ich ein Fenster öffnen, ich brauch etwas Frischluft.
“Aber natürlich Jens.“
Nick hatte eine Ahnung, wie er das Problem von Jens lösen konnte, dafür musste dieser sich erst wieder beruhigen, damit er ihm etwas über seine Träume erzählen konnte. Er ließ Jens noch ein wenig mit seinen Gedanken alleine, während dieser wieder in der Praxis auf- und ablief. Nick freute sich, dass Jens so ein stattlicher junger Mann geworden war. Es war ihm anzusehen, dass er viel Sport trieb und seinen Körper pflegte. Das passte nicht zu den Geschichten, die Nick über seinen Neffen gehört hatte. Endlich kam Jens zur Ruhe.
“Na gut, lass uns endlich darüber sprechen, über die alten Geschichten können wir uns zu einem anderem Zeitpunkt unterhalten.”
Jens setzte sich auf den Stuhl und sah Nick an.
Kapitel III
“Jens, wie wäre es, wenn du mir jetzt von deinem Traum erzählst?”
Nick sprach ruhig, um Jens nicht wieder durcheinander zu bringen.
“Na ja, es währe wahrscheinlich einfach, wenn es nur ein Traum wäre. Leider quälen mich mehrere Träume, einer ist dabei verwirrender als der andere.”
Nick horchte auf, damit hatte er nicht gerechnet. Normalerweise beschränken sich diese Träume auf einen bestimmten.
Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie wirklich dabei sind, und meisten endete es damit, dass sie endlos gequält werden. Die meisten fügen sich bei solchen Träumen schmerzhafte und teilweise tödliche Verletzungen zu, so dass sie daran sterben; oder sie bringen sich danach um, da sie mit dem Stress der Träume nicht mehr klarkommen. Wenn Jens aber verschiedene Träume hatte und diese so realistisch waren wie die der anderen, dann hatte Nick eine schwere Aufgabe vor sich.
“Na gut, dann erzähl erst einmal, wie du deine Träume erlebst und wie du bis jetzt mit ihnen klar gekommen bist.”
“Also, während dieser Träume habe ich das Gefühl, mitten drin zu sein. Das Eigenartige ist, bis zu einem gewissen Grad kann ich in die Geschichten eingreifen, aber die Träume enden wie immer. Wenn ich verletzt werde, spüre ich es in einer absolut realen Intensivität. Solbad ich dann aufwache, ist alles wieder in Ordnung, keine Schmerzen, keine Blessuren. Damit mich die Erinnerungen an das Erlebte nicht so mitnehmen, habe ich mit fünfzehn Jahren etwas für mich entdeckt. Auch wenn es nicht die beste Lösung war, es hat mir geholfen. Ich fing an Joints zu rauchen.”
Nick lächelte verständnisvoll, schon allzu oft hat er mit-bekommen, dass sich seine Patienten mit Drogen selbst therapierten - mit mehr oder weniger Erfolg. Zu seinem Leidwesen nahmen die meisten von ihnen immer mehr und härtere Drogen, die dadurch entstandenen Abhängigkeiten machten Therapien oft aussichtslos.
“Solange du nur bei Haschisch oder Marihuana geblieben bist, haben wir eine reelle Chance.”
Jens schluckte.
“Genau das ist mein Problem, mir reicht das nicht mehr, ich habe mich dabei erwischt, wie ich Kokain kaufen wollte. Es war wie ein Schlag für mich, als mir klar wurde, was ich gerade machen wollte. Aus diesem Grund wollte ich so schnell wie möglich mit jemand sprechen, der mir helfen kann. Von Jasmins Studienkollegen habe ich erfahren, dass sie bei einem Spezialisten arbeitet. Dass du das bist, damit konnte ich ja nicht rechnen, aber es freut mich. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, trotzdem ist es so, als wenn wir uns erst gestern zum Kaffee getroffen hätten. Ich finde das irgendwie eigenartig?”
Der Doktor schaute Jens verständnisvoll an.
“Nein, es ist überhaupt nicht eigenartig. Unsere Verbindung besteht seit deiner Geburt, ich war einer der Ersten, die dich in den Arm genommen haben. Außerdem haben wir sehr viel Zeit miteinander verbracht, vor dem Tod deiner Eltern und danach sogar noch etwas mehr, wenn du dich daran noch erinnern kannst.”
Jens blieb stumm, er wusste, dass Nick recht hatte. Irgendwie hatten sie eine enge spirituelle Bindung zueinander aufgebaut.
Nick dachte über die Worte von Jens nach, es machte ihm Sorgen, dass er die Träume doch anders wahrnahm als die meisten seiner anderen Patienten. Dazu kam noch die Tatsache, dass er verschiedene Träume hatte. Er ahnte zwar, dass etwas Großes auf ihn zukommen würde, aber die Dimension des Kommenden erschütterte ihn trotzdem.
“Kannst du mir etwas von den Träumen erzählen?”
Nick war neugierig darauf, ob es noch mehr Unterschiede gab.
“Leider kann ich dir nur einen genau schildern, da er der Häufigste ist. Die anderen treten durch ihn immer wieder in den Hintergrund.”
Jens merkte, dass er bereit war, seinem Onkel alles anzuvertrauen, dieser fühlte sich langsam wie auf die Folter gespannt.
“Dann erzähl diesen einen Traum, vielleicht reicht das schon!”
Noch fühlte Jens sich nicht wirklich gut bei dem Gedanken, aber er wusste, dass er seinem Onkel vertrauen konnte.
Jens begann etwas stockend zu erzählen.
“In diesem Traum sehe ich immer wieder zwei Männer, die durch die Wälder wandern. Ich weiß, dass die Männer sich in Westdeutschland befinden, und das zu einer Zeit, zu der es noch keine Autos gab, aber auch schon keine Ritter mehr. Einer davon ist ein kleiner untersetzter Mann mit langen schmierigen Haaren, der Marc heißt. Der andere ist Willi, ein großer schlanker, sehr stattlich aussehender junger Mann. Er hat ebenfalls lange Haare, seines ist allerdings besser gepflegt. Irgendwie passen die Zwei gar nicht zusammen. Die einzige Gemeinsamkeit ist ihr noch relativ junges Alter. Beide sind sie Anfang Zwanzig.”
Während Jens am Erzählen war, merkte er, wie er in diesen Traum hineingezogen wurde. Etwas war aber nicht so wie immer, neben ihm war auch Nick mit in seinem Traum, dieser blicke verwirrt um sich.
Nick sah Jens fragend an.
“Wie hast du das gemacht? Ist so etwas schon mal passiert?”
Jens war selbst wie vor den Kopf gestoßen.
“Nein, das ist mir noch nie passiert. Ich habe allerdings noch nie jemanden von meinen Träumen erzählt.“
Nick lächelte in sich hinein, mit jeder Minute war er sich sicherer, dass er der Lösung schon auf den Fersen war. Jens hatte ihn mit in seinen Traum gezogen, wie das geschehen konnte, war Nick klar, doch vorher war es noch nie so einfach gewesen. Bisher hatte dazu sehr viel Übung von Seiten des Patienten gehört. Noch bevor er weiterdenken konnte, zeigte Jens in eine Richtung und sagte:
“Siehst du, da vorne kommen sie.”
Tatsächlich Nick konnte sie auch sehen, es war ein Gefühl, als wenn er in diesem Wald stehen würde. Er sah, wie der Wind die Äste der Bäume bewegte, auch auf seinem Gesicht spürte er ihn. Der Geruch und die Geräusche des Waldes nahm er wahr, die Luft roch nach feuchten Nadelbäumen und in der Ferne hörte er ein Rudel Damwild durch den Wald stapfen.
Er wusste, dass er in seiner Praxis, auf seinem Lederstuhl saß und konnte trotzdem alles klar wahrnehmen. Nick war fasziniert davon, alles war so realistisch. Er konnte Jens sehen und mit ihm reden, seine Stimme und sein Aussehen entsprachen genau dem des jungen Mannes, der in der Praxis neben ihm saß.
“Nick, es ist besser, wir verstecken uns hier, es könnte sonst sehr unangenehm werden.
In diesem Traum bin ich schon ein paar Mal verletzt und getötet worden. Ich weiß zwar mittlerweile, dass mir nichts passiert, aber wie es bei dir ist, das kann ich nicht sagen. Und wenn ich ehrlich bin, ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen. Der Mörder geht mit unglaublicher Brutalität vor.“
Nick hatte nichts dagegen sich zu verstecken.
“Wer wird denn hier ermordet?“
Er bekam keine Antwort von Jens, zu sehr nahm ihn der Stress mit. Sie suchten sich ein geeignetes Versteck, da sie zu Zweit waren, mussten sie etwas finden, hinter dem Beide Platz hatten. Hinter einem großen Busch wurden sie dann fündig, das Versteck war nur bedingt dazu geeignet, sie zu verdecken. Er war etwas zu löchrig, und Jens befürchtete, schon vorzeitig entdeckt zu werden.
“Eins noch Nick, egal was passiert…, wir bleiben hier, nicht eingreifen und nichts sagen, ich weiß nicht was passiert, wenn jemand anderes mit in diesem Traum ist. Möglicherweise wirst du es nicht unverletzt überstehen, wenn sie uns entdecken.”
Nick hatte verstanden und zeigte es auch Jens. Jetzt hieß es warten, die zwei Männer, die Jens beschrieben hatte, waren noch weit weg. Hinter dem Busch in Deckung gegangen warteten sie.
“Wenn das hier vorbei ist, muss ich etwas in Erfahrung bringen, Jens. Das wird etwas dauern, solange solltest du mit Jasmin etwas in die Stadt gehen. Ich habe vielleicht eine Lösung für dein Problem, dafür muss ich mit einer bestimmten Person reden. Falls ich recht habe, werden wir heute Abend noch dein Problem lösen können. Falls nicht, müssen wir uns eine Therapie einfallen lassen, bevor du im Drogensumpf versinkst.”
Damit verstummte Nick für den Rest des Traumes und schaute gespannt zu.
Kapitel IV
Jetzt waren Willi und Marc nah genug am Busch, so dass Jens und Nick in ihrem Versteck sie hören konnten. Jens wusste genau was jetzt passieren würde, viele Male hatte er das Geschehen schon beobachtet. Ein Gefühl der Ohnmacht überkam ihn, wie immer konnte er nichts daran ändern.
Marcs Stimme war jetzt zu hören.
“Warum bist du so in Eile Willi, ich denke wir haben genug Zeit, um unseren Auftrag zu erledigen?”
Marc sah den gehetzten Gesichtsausdruck von Willi und bekam es langsam mit der Angst zu tun.
“Ich dachte auch, dass wir noch viel Zeit hätten, aber mein Gefühl sagt mir, dass dem nicht so ist.”
Willis Stimme klang angespannt, Marc begann sich langsam Sorgen zu machen.
“Wie kommst du darauf? Als wir den Auftrag angenommen haben, sagtest du, dass es ein Kinderspiel sein würde.”
Willi verdrehte die Augen.
“Ja ich weiß, leider habe ich dir nicht alles über diesen Auftrag erzählt. Auch jetzt darf ich es dir nicht erzählen.”
Nun kam Marc ins Stocken. Seit sie in Venedig diesen alten, sehr merkwürdig aussehenden Mann getroffen hatten, veränderte sich Willi. Was war es, was der ihm verschwieg. Hatte es etwas mit der kleinen Kiste zu tun, die sie bei sich hatten. Schon in Venedig hatte er das Gefühl, dass es keine sehr gute Idee war, von diesem alten Mann einen Auftrag anzunehmen. Sie brauchten das Geld, das stimmte, und einen Teil hatte der Alte ihnen schon im Voraus bezahlt, den Rest sollten sie in Aachen bekommen. Aber etwas stimmte nicht, und das machte Marc Angst.
“Was hast du mir verschwiegen? Ist es vielleicht wichtig für unser Überleben?”
Marc war wütend, er kannte Willi schon so lange, und jetzt spielte er ihn für ein paar Kröten an die Wand.
“Könnte schon sein!”
Willi verschwieg weiterhin, warum er sich beeilte. Marc dachte daran, dass sie den Großteil der Strecke schon zurückgelegt hatten. Meistens waren sie in der Nacht gewandert, da sie nicht auffallen wollten und Pferde zu teuer waren. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als den größten Teil des Weges von Venedig bis Aachen zu Fuß zu gehen. Hier und da wurden sie von Händlern mitgenommen, aber immer auf Vorsicht bedacht, nahmen sie nur wenige solcher Gelegenheiten war.
“Also Willi ich warte! Wenn du mir nicht sagen willst, was hier los ist, bleibe ich stehen.”
Abrupt hielt Marc mitten auf dem Weg an, auch Wille stoppte.
“Ich kann es dir noch nicht sagen, nur eins, wir werden verfolgt. Aus diesem Grund habe ich die Kiste gestern Nacht vergraben.”
Marc sah Willi geschockt an.
“Was hast du da gerade gesagt, wir werden verfolgt, von wem? Und was soll das heißen, du hast die Kiste vergraben. Wo und vor allem wann hast du das getan. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du irgendwo ein Loch gebuddelt hast.”
Es störte Willi, dass sie sich noch immer nicht wieder in Bewegung gesetzt hatten, sein Gefühl sagte ihm, dass ihr Verfolger schon viel zu nah an ihnen dran war.
“Das kannst du auch nicht, ich habe es getan, als du geschlafen hast. Ich hatte auf ein Mal das Gefühl, dass es besser so ist.”
Marc wurde noch wütender.
“Willi, jetzt können wir das Geld vergessen oder willst du dem Empfänger einfach sagen, er soll es wieder ausgraben. Wenn du überhaupt noch weißt, wo du es vergraben hast.”
Er stampfte auf den Boden, zu allem Überfluss begann es auch noch zu regnen. Willi sah besorgt auf seinen Begleiter.
“Das weiß ich! Das reicht auch, du musst nicht mehr...”
Mehr konnte Willi nicht mehr von sich geben, der Pfeil, der seinen Hals durchbohrte, hatte seine Halsschlagader durchtrennt und die Stimmbänder zerfetzt. Marc war verwirrt, sein Freund brach neben ihm zusammen, ohne dass er registrierte, was geschehen war. Dazu sollte er auch nicht mehr kommen. Als er sich zu seinem Weggefährten hinunter bücken wollte, um zu sehen, was mit ihm los war, spürte er einen entsetzlich stechenden Schmerz in seiner Brust. Das Letzte, was Marc in seinem noch jungen Leben zu sehen bekam, war der Schaft eines Pfeils, der tief in seiner Brust steckte, dann sackte er zusammen und starb.
Der Schütze, der sich im Dickicht der Bäume versteckt hatte, schmunzelte hämisch. Er hängte sich seine Armbrust um und ging auf die Toten zu.
“Jetzt werde ich meinem Auftraggeber die Beute bringen und mir meine Belohnung abholen.”
Der bärtige Mann war riesig, knapp zwei Meter groß, mit Armen wie Baumstämme. Sein wildes Aussehen und die Eigenart, sich laut mit sich selbst zu unterhalten, sorgte bei den meisten Menschen, denen er begegnete, für Angst. Er empfand, dass dies gut so war, denn sein Leben bestand daraus, andere Menschen gegen Bezahlung zu töten.
Seine Jungend verbrachte er in den Elendsvierteln von Venedig, dort lernte er zu überleben. Über seine Herkunft wusste er nicht viel, er hatte noch nicht mal einen richtigen Namen. Seine Mutter hatte sich nach seiner Geburt das Leben genommen, die Menschen, bei denen er aufgewachsen war, wussten nur, dass er durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde. Von denen wurde er nur ´La Cosa´, das Ding, genannt. Seit einigen Jahren lebte er nun alleine und war glücklich darüber. Es war eine Qual für ihn unter Menschen zu leben. Vielleicht hatten ihn der Spott und die ständigen Prügel zu dem werden lassen, was er war. Den Namen La Cosa benutze schon seit Jahren keiner mehr, dafür hatten sie viel zu viel Angst vor ihm. Von seinen Auftraggebern ließ er sich nur noch `Il Morte`, der Tod, nennen.
Auch wenn es hier nicht viele Reisende zur Nachtzeit gab, blieb er vorsichtig. Er beäugte die jungen Männer, die nicht älter als 25 waren und fragte sich, wer solchen Halbstarken etwas so Wichtiges mitgeben würde, das die Aufmerksamkeit seines Auftraggebers auf sich zog. Es musste etwas Wertvolles sein, dessen war er sich bewusst, denn der Betrag, den er für seinen Dienst erhielt, würde reichen, um ein Jahr in Saus und Braus leben zu können.
Er wusste nicht, wer sein Auftraggeber war, das wollte er auch nicht. Ihn interessiert nur die Bezahlung, und diesmal war sie wirklich hervorragend. Sein Auftraggeber würde zufrieden sein, wenn er ihm die Beute brachte. Er erhoffte sich dadurch noch an mehr solcher lukrativen Aufträge zu kommen. Il Morte durchsuchte die Taschen der beiden Toten.
“Verdammt noch mal, diese Männer müssen doch die Kiste bei sich haben!”
“Du solltest gottesfürchtiger sein, denn sonst wird dir sein Himmelreich verschlossen bleiben.”
Der Bärtige erschrak, er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn andere Reisende entdecken würde. Was ihn noch mehr schockte war, dass jemand direkt hinter ihm stand. Er fragte sich, wie um Himmelswillen diese Person so leise an ihn herantreten konnte. Die Stimme der Person erkannte er sofort wieder, es war der Vermittler seines Auftrages. Langsam drehte er sich um, doch was er zu sehen bekam, verwirrte ihn noch mehr. Dieser Mann war anscheinend gekommen, um ihn um seinen Lohn zu bringen. Als er versuchte seine Gedanken zu ordnen, zog der dunkel gekleidete Mann ein großen golden Dolch unter seinem Mantel hervor. Noch bevor der Bärtige irgendwie reagieren konnte, war er tot. Die dunkle Gestalt hatte ihm die Kehle durchgeschnitten.
Lange hingen die Blicke von Jens und Nick noch auf dieser mysteriösen Gestalt, sie war hager und sah sehr alt aus. Der Bärtige wusste nicht, dass dieser Mann sein Auftraggeber war und ihn von vornherein umbringen wollte. Da der Auftrag aber nun misslungen war, gab es für ihn keinen Grund mehr, den Meuchelmörder länger am Leben zu lassen, zumal dieser sein Gesicht gesehen hat.
Er wollte nicht, dass ihn irgendjemand mit dem Tod der drei Menschen in Verbindung brachte. Das konnte er sich zurzeit nicht leisten, da er überall gesucht wurde.
Der Traum war zu Ende, beide fanden sich in Nicks Praxisräumen wieder. Nick fing auch direkt an zu sprechen.
“Nun, das war aufschlussreich, ich habe mehr erfahren, als mir lieb war. Wie ich dir schon gesagt hatte, muss ich ein paar Nachforschungen anstellen. Komm bitte um 18.00 Uhr wieder hierher, am besten nimmst du Jasmin mit, ich brauche Ruhe.”
Jens merkte sofort, dass Widerworte keinen Sinn hatten. Also ging er aus dem Behandlungszimmer hinaus und überließ Nick seinen Gedanken. Jasmin war schon fertig zum Aufbruch, etwas war mit ihr geschehen. Er fühlte nicht mehr die Eiseskälte, die von ihr ausgegangen war.
“Komm Jens, lass uns einen Kaffee trinken gehen.”
Jens fühlte sich überrumpelt, seit der Traum beendet war, hatte er überlegt, wie er es anstellen konnte, dass Jasmin mit ihm einen Kaffee trinken ging. Sie verließen die Praxis und gingen Richtung Innenstadt, in der Fußgängerzone setzten sie sich in ein kleines Bistro. Sie unterhielten sich über die vergangenen Jahre, alles, was sie beide erlebt hatten, wies Parallelen auf. Trotz der Schwierigkeiten, die sie in den letzten Jahren hatten, verstanden sie sich sehr schnell wieder, ein wenig Unsicherheit blieb jedoch zurück. Nachdem sie sich eine Zeitlang unterhalten hatten merkte Jasmin, dass es Zeit wurde, zur Praxis zurückzukehren.
“Lass uns aufbrechen in der Hoffnung, dass Nick nun genug Informationen bekommen hat, um dir zu helfen.”
Jens stimmte ihr in Gedanken zu.
“Du hast recht, es wird Zeit, dass wir zu Nick gehen.”
Er bezahlte und sie verließen das Bistro.
Kapitel V
Nick nahm sofort den Telefonhörer in die Hand und wählte.
“Ja.”
“Hallo Janus, hier ist Nick, heute war Jens bei mir in der Praxis, du weißt ja wen ich meine. Es ist genau so wie du gesagt hast, er hat diese Träume, viel intensiver als alle anderen, und was noch interessanter ist, er konnte mich mit in seinen Traum nehmen.”
Das andere Ende der Leitung blieb stumm, Nick wusste, dass das gesessen hatte. Jens entsprach genau der Person aus der Prophezeiung, nicht nur die Eltern und das Geburtsdatum waren vorhergesehen worden, sondern auch die Gabe, Inkarnationen seiner vorherigen Leben in Träumen zu sehen und zu fühlen, waren Anzeichen dafür.
“Das ist gut Nick, ich werde sofort zu dir kommen. Ist er bei dir?”
Die Stimme am Telefon war fest und ruhig.
“Nein, er ist mit Jasmin in der Stadt, um 18.00 Uhr sind sie wieder hier.”
Nick wollte seinem Gesprächspartner noch mehr erzählen, bekam aber nicht die Gelegenheit dazu.
“Wenn das so ist, dann habe ich ja noch etwas Zeit. Ich werde ein bisschen früher bei dir sein, dann kannst du mir den Rest erzählen.”
Janus legte auf, Nick brauchte noch einige Sekunden, bis er es merkte, dann legte er ebenfalls auf. Er wusste, was das alles bedeutete, für ihn und für die Menschheit. Er kannte Janus jetzt schon sehr lange, auch die Eltern von Jens waren ihm sehr vertraut gewesen. Jens und Nick waren Verwandte; hätte Jens gewusst, wie die familiären Bande waren, wäre er wahrscheinlich nicht mehr in die Praxis zurückgekommen.
Pünktlich zur abgesprochenen Zeit erschienen Jasmin und Jens wieder. Kurz zuvor war Janus eingetroffen, so dass er und Nick nochmals miteinander sprechen konnten.
“Nick?”
Der Ruf aus der Gegensprechanlage hatte die beiden Männer aus ihren Gedanken gerissen.
“Ja, Jasmin.”
Nick war leicht aufgeregt, was sich in seiner Stimme wiederspiegelte. Jasmin fragte sich, was wohl geschehen war.
“Soll Jens jetzt reinkommen?”
Fast schon gespenstig klang die Stimme von Nick.
“Ja, und du auch!”
Die Beiden tauschten verwirrte Blicke aus.
“Warum soll ich mit reinkommen?”
Die Frage hatte sie mehr an sich selbst gerichtet als an ihn, trotzdem zuckte Jens mit den Schultern. Sie hatten in der Stadt über vieles gesprochen, und nachdem Jasmin ihm gestand, dass sie mitgehört hatte, fiel es Jens nicht mehr so schwer, mit ihr darüber zu sprechen, obwohl er am Anfang etwas sauer auf sie und Nick war. Er hatte gemerkt, dass es ein Vorteil war, so konnte er es sich ersparen, sich den Kopf darüber zerbrechen zu müssen, wie er ihr alles erklärte.
Sie hatten über ihn, sein Verhalten ihr und ihrer Eltern gegenüber gesprochen. Es war glaubwürdig, dass ihn die Träume und die Drogen so aggressiv gemacht hatten. Schon oft hatte sie erlebt, was Drogen den Menschen antun, wenn sie über einen gewissen Zeitraum eingenommen werden. Oft genug waren Patienten vollgedröhnt in die Praxis gekommen und bei ihnen zusammengebrochen. Mittlerweile war der Rettungsdienst extrem sensibilisiert, wenn ein Anruf aus Nicks Praxis kam, sie wussten genau, was dann auf sie zukam.
Jasmin und Jens betraten den Behandlungsraum und blieben wie angewurzelt stehen. Bei Nick saß noch ein anderer Mann, den die Beiden nicht kannten.
Der Mann hätte Jens Vater sein können, er war genauso groß und athletisch gebaut wie Jens, nur die Haarfarbe wich etwas ab. Selbst die Haarlänge war fast identisch, Jens trug sein Haar schulterlang, der Unbekannte etwas kürzer. Der einzige Unterschied war der Dreitagebart in Jens Gesicht, der keineswegs aus modischen Gründen entstanden war, sondern vielmehr auf Jens Faulheit basierte. Er hatte das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen, der ihn zwanzig Jahre älter und mit einem sauber gestutzten Kinnbart zeigte.
Der Unbekannte stellte sich ihnen vor.
“Guten Tag, Jens, Jasmin, mein Name ist Janus.”
“Guten Tag.”
Jens nahm die Hand, die der Fremde ihm anbot. Auch Jasmin wurde von ihm mit einem Händedruck begrüßt.
Janus kam direkt zur Sache.
“Nick hat mir von deinen Träumen erzählt. Ist es richtig, dass du dich immer nur an einen erinnern kannst?”
Die Vertrautheit in Janus stimme ließ es nicht zu, dass Jens sich weigern konnte. Er nickte zustimmend.
“O.k., meinst du, dir ist es möglich, mich mit in deinen Traum zu nehmen. Ich muss erst etwas nachprüfen, bevor ich mir sicher sein kann, wie ich dir helfe.”
Die Neugierde von Janus war förmlich in der Luft zu spüren. Jens dagegen war zögerlich.
“Ich weiß es nicht, heute Mittag ist es einfach passiert, noch nie war jemand mit mir in meinen Träumen.”
Nachdenklich ging Janus im Zimmer auf und ab.
“Es könnte funktionieren, wenn wir die Situation von heute Mittag noch mal genauso nachstellen, du musst mir die Geschichte in allen Details erzählen, so wie du es bei Nick getan hast.”
Sie entschlossen sich, es auszuprobieren; um dabei ungestört zu sein, schickten sie Nick und Jasmin hinaus.
Etwas unwohl war Jens immer noch, diesmal lag es mehr daran, dass er nicht wusste, ob es wieder funktionieren würde und soviel Erwartung in Janus Augen zu sehen war. Sie setzten sich genau so hin wie Jens und Nick ein paar Stunden zuvor, Jens fing abermals an, die Geschichte zu erzählen. Erst hatte er das Gefühl, dass es nicht funktionieren würde, doch mit einem Mal war er wieder in der Traumwelt. Wie am Mittag war er nicht allein in seinem Traum, neben ihm stand Janus. Ohne zu wissen wie er es möglich gemacht hatte, wiederholte er es.
Nachdem sie fertig waren, riefen sie Nick und Jasmin wieder in den Behandlungsraum.
“Gut Jens, es hat geklappt, du konntest es wiederholen, ich habe gesehen was ich wissen musste. Nun, ich muss wieder gehen, eine Frage habe ich aber noch, bevor ich dir den ersten Ratschlag geben kann. Hast du auch gesehen, wo Willi die Truhe vergraben hat?”
Jens nickte.
“Ja, gelegentlich hatte ich auch diesen Abschnitt des Traumes, der ist jedoch harmlos und bringt mich nicht so ins Schwanken.”
Janus strahlte.
“Also weißt du, wo die Kiste vergraben worden ist, versuche sie zu finden, und wenn sie da ist, müssen wir noch etwas bereden. Nick wird mich darüber informieren, sobald die Kiste gefunden ist, dann werde ich unverzüglich hier auftauchen.”
Jens sah Janus ganz verdutzt an, er sollte die Kiste suchen, hatte Janus noch alle Sinne beisammen. Die Gedanken schossen nur so durch seinen Kopf, alles war total verwirrend. Gerade als Janus sich zu Nick umdrehen wollte, griff ihm Jens an den Arm.
“Ich weiß, wo Willi die Kiste vergraben hat, ich habe sogar schon mal eine Stelle gesehen, die es sein könnte. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht daran, dass dort wirklich was vergraben ist.”
Janus sah Jens eindringlich an und begann ganz leise zu sprechen.
“Ich weiß, dass du der Meinung bist, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank. Vertrau mir einfach ein wenig; wenn du nichts findest, ist alles in Ordnung, dann können wir dir auch auf eine andere Weise helfen. Und jetzt geh endlich auf die Suche.”
Janus zuckte zusammen, er hoffte, dass Jens den Unterton in seiner Stimme nicht bemerkt hatte. Es war mehr Befehl als Aufforderung, schon oft hatte er miterleben müssen, dass durch solche Anmaßungen auch gut organisierte Unternehmungen fehlgeschlagen sind.
Jens hatte den Befehlston nicht registriert, dafür war er viel zu aufgeregt, er drehte sich um und verschwand durch die Tür. Als er weg war, trat Nick auf Jasmin zu.
“Du begleitest ihn besser; wenn ihr etwas findet, dann kommt sofort wieder hierher zurück, hast du das verstanden?”
Jasmin war total durcheinander, so kannte sie Nick nicht, und Janus war ihr mehr als suspekt.
Sie tat trotzdem, was Nick ihr befohlen hatte und eilte Jens hinterher, Nick hoffte unterdessen, dass es keine Probleme geben würde.
“Bist du dir sicher, dass er etwas finden wird?”
Die Stimme von Nick war unsicher, doch Janus nickte nur.
“Ja, ich weiß es sogar, du konntest es nicht wissen, aber ich habe ihn in diesem Traum gesehen. Der Mörder, der den Auftragskiller beseitigt hat, er ist unser Erzfeind!”
Ihr Gespräch war beendet, gerade als sie sich verabschieden wollten, da klopfte es an der Tür. Nick dachte, dass es Jasmin war, die es nicht geschafft hatte Jens einzuholen, hinter der Tür stand jedoch nicht Jasmin, sondern Jemand, mit dem sie Beide nicht gerechnet hatten.
Kapitel VI
Jasmin hatte Jens sehr schnell eingeholt, er war noch nicht weit gelaufen. Da er nicht weit entfernt wohnte, war er zu Fuß zur Praxis gekommen.
“Hey Jens, was willst du jetzt machen?”
Er blieb stehen und drehte sich um, als er die Stimme von Jasmin vernahm.
“Ich werde nachschauen, ob ich die Kiste wirklich finde, es kann mir nämlich egal sein, ob sie da ist oder nicht, Janus hat mir versprochen, dass er mir hilft, so oder so. Allerdings bin ich neugierig geworden, Janus ist ein seltsamer Mensch; wenn er recht hat, wird es bestimmt noch einiges Interessante zu erfahren geben. Und was hast du vor?”
Die Frage kam etwas unerwartet, und Jasmin hatte sich noch nicht überlegt, was sie darauf antworten sollte. Ein zartes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
“Wenn du nichts dagegen hast, begleite ich dich. Irgendwie habe ich das Gefühl, wir sollten noch etwas miteinander erleben. Natürlich habe ich die Hoffnung, dass wir bald wieder normal miteinander umgehen können. Das Vergangene möchte ich gerne hinter mir lassen.”
Jens sah sie erstaunt an.
“Ich habe nichts dagegen, wenn du mitkommst, allerdings ist es schon spät und ich wollte erst morgen mit der Suche anfangen. Außerdem würde ich mich auch darüber freuen, wenn wir in Zukunft wieder wie Freunde sein könnten.”
Unschlüssig stand Jasmin vor ihm, sie hatte morgenfrüh eine Vorlesung, die sie nicht verpassen wollte.
Jens schaute sie an, was er sah gefiel ihm. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie hübsch die kleine Jasmin doch geworden war. Gespannt wartete er auf ihre Antwort. Für sie war die Situation wesentlich verzwickter, Nick hatte ihr gesagt, dass sie ihn begleiten sollte, und sie wollte es auch unbedingt. Doch sie wusste nicht so recht, was sie machen sollte, ihr Herz war sowieso mal wieder hoffnungslos an Jens verloren gegangen, aber ihr Verstand war klar wie immer. Die Vorlesung war wichtig, wenn sie diese verpassen würde, müsste sie ein halbes Jahr warten, bis sie erneut die Chance bekam daran teilzunehmen.
Noch unschlüssig antwortete sie.
“Ich rufe dich morgen früh an, dann kann ich dir sagen, ob ich mitkomme oder nicht. Ist das in Ordnung für dich?”
Jens war etwas enttäuscht.
“Ja klar, du brauchst dir keine Umstände zu machen. Ich weiß, dass du nur noch wenige Vorlesungen besuchen musst, um für die Prüfungen zugelassen zu werden, und das als jüngste Studentin seit Jahren. Deine Kommilitonen sind leider sehr geschwätzig, musst du wissen, sie haben mir nur verschwiegen, dass du mittlerweile so umwerfen aussiehst.”
Jasmin blieb ihm eine Antwort schuldig, sie fühlte jedoch, wie sich ihre Wangen röteten. Sie verabschiedeten sich kurz und gingen dann jeweils in andere Richtung zu ihren Wohnungen. Zuerst wollte Jasmin noch mal bei Nick vorbei schauen, überlegte es sich aber dann anders. Sie stieg in ihr Auto, das vor der Praxis stand und fuhr nach Hause.
Seit langer Zeit war es das erste Mal, dass Jens eine traumlose Nacht verbrachte. Um acht Uhr morgens klingelte sein Wecker. Nachdem er es geschafft hatte aufzustehen, fühlte er sich das erste Mal seit vielen Jahren wieder richtig gut. Er hatte nicht gekifft, und trotzdem war der Traum nicht wiedergekommen, anscheinend hatte es ihm schon ein wenig geholfen, mit Nick und dem anderen Kauz darüber zu sprechen.
Im Badezimmerspiegel betrachtet er sein Gesicht und stellte fest, dass er etwas besser aussah als gestern. Ihm fielen die Stoppel auf, die sein Gesicht umrahmten. Nach kurzem Zögern griff er zum Rasierer und begann sich von dem Unkraut zu befreien. Nur die Kotletten, ein schmaler Oberlippenbart und der Kinnbart blieben stehen. Nach einem prüfenden Blick nickte er und war mit sich und der Welt zufrieden. Das Einzige, was ihn jetzt noch beschäftigte, war die Frage, ob er hoffen durfte oder nicht. Wenn die Gespräche schon so viel geholfen hatten, was konnte dann der mysteriöse Janus noch für ihn tun.
Er putzte sich gerade die Zähne, als das Telefon klingelte.
“Ja”.
Mit dem Mund voller Zahnpasta fiel ihm das Sprechen nicht gerade leicht. Am anderen Ende der Leitung hörte er nur ein Kichern, anscheinend war Jasmin am Apparat.
“Hallo Jens, störe ich dich etwa?”
Etwas säuerlich gab Jens zurück.
“Ja, isch putsche gerade meine Tschäne.”
Aus dem Kichern wurde ein Lachen.
“Ich wollte dir nur sagen, dass ich mit dir mitkomme, es interessiert mich einfach zu sehr. Wenn du nichts dagegen hast, bin ich in zehn Minuten bei dir.”
Mit einem Schlag fühlte er sich wie ein junger Gott.