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Neu anfangen, draußen auf dem Land. Doch ihr Traum wird zum Albtraum. Der große internationale Bestseller, der mit seiner verstörenden Aktualität und atmosphärischen Kraft die Leser über alle Grenzen hinweg fesselt. Was ist grausamer, die Natur oder die Menschen? Ruth wollte mit ihrer Familie neu anfangen, draußen im Haus an der Quelle. Doch als es im ganzen Land nicht mehr regnet, nur noch bei ihnen, wird das Paradies zum Albtraum, der das Leben eines Kindes kostet – und bald kann Ruth nicht einmal mehr sich selbst trauen. In England regnet es nicht mehr, eine Dürre überzieht das ganze Land. Nur auf dreißig Morgen Land im Westen der Insel fällt noch Regen. Ruth und Mark, denen »die Quelle«, dieses noch fruchtbare Grundstück gehört, haben als Einzige Wasser und könnten sich glücklich schätzen. Doch das vermeintliche Paradies, in dem sie leben, wird zu ihrer ganz persönlichen Hölle. Ein aufwühlender psychologischer Roman von zwingender Spannung: eine Frau, ein Mann und ihre Familie in einer Extremsituation, die uns jederzeit treffen könnte. Mitreißend erzählt von Catherine Chanter, der Neuentdeckung aus England.
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Seitenzahl: 666
Veröffentlichungsjahr: 2015
Catherine Chanter
Roman
Neu anfangen, draußen auf dem Land. Doch ihr Traum wird zum Albtraum.
Der große internationale Bestseller, der mit seiner verstörenden Aktualität und atmosphärischen Kraft die Leser über alle Grenzen hinweg fesselt.
Was ist grausamer, die Natur oder die Menschen? Ruth wollte mit ihrer Familie neu anfangen, draußen im Haus an der Quelle. Doch als es im ganzen Land nicht mehr regnet, nur noch bei ihnen, wird das Paradies zum Albtraum, der das Leben eines Kindes kostet – und bald kann Ruth nicht einmal mehr sich selbst trauen.
In England regnet es nicht mehr, eine Dürre überzieht das ganze Land. Nur auf dreißig Morgen Land im Westen der Insel fällt noch Regen. Ruth und Mark, denen »die Quelle«, dieses noch fruchtbare Grundstück gehört, haben als Einzige Wasser und könnten sich glücklich schätzen. Doch das vermeintliche Paradies, in dem sie leben, wird zu ihrer ganz persönlichen Hölle.
Ein aufwühlender psychologischer Roman von zwingender Spannung: eine Frau, ein Mann und ihre Familie in einer Extremsituation, die uns jederzeit treffen könnte. Mitreißend erzählt von Catherine Chanter, der Neuentdeckung aus England.
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Catherine Chanterist im ländlichen Südwesten Englands aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Oxford, wo sie auch studierte. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin und mit psychisch kranken Jugendlichen hat sie schon immer geschrieben, zum Beispiel für Radio 4, und Kurzgeschichten und Lyrik veröffentlicht, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Ihr erster Roman ›Die Quelle‹ wurde mit dem Lucy Cavendish Fiction Prize prämiert und erscheint weltweit in über 20 Ländern.
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[Widmung]
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
Dank
Für Simon, Christopher, Jeremy und Jessica
Die Quelle hat mich wieder. Heute werde ich meine erste Nacht unter Hausarrest verbringen. Die erste von wie vielen? Ich hatte kaum zu hoffen gewagt, dass man mir die Rückkehr erlauben würde. Doch als die letzte Nacht auf Station anstand, klammerte ich mich an meine tröstenden Schlaftabletten und Anstaltsvorschriften und wünschte mir verzweifelt, noch bleiben zu dürfen. Sicherheit. Nationale Sicherheit. Sichere Unterbringung. Ein unsicherer Schuldspruch. Der mich hier drinnen festhalten wird, während alle Sicherheitsmaßnahmen der Welt die Geister nicht draußen halten können. Bin ich wieder zu Hause, sind sie es auch.
Wenn mich nicht gerade Albträume plagten, habe ich die letzten drei Monate des erzwungenen Nichtstuns mit Tagträumen verbracht, habe mir vorgestellt, wie mich ein Gefängnistransporter aufs Gelände bringt; wie ich in Begleitung das Haus betrete, die Finger durch den Staub auf dem halbrunden Tischchen gleiten lasse, das wir zur Hochzeit geschenkt bekommen haben; wie ich das Foto von uns dreien zur Hand nehme, das von dem Tag stammt, als wir diesen Ort zum ersten Mal sahen, und auf dem ich lachend die feuchte Erde zwischen meinen Fingern zerkrümele. Ich habe mir vorgestellt, dass ich vielleicht die Schlafzimmerfenster aufstoßen, dem beharrlichen Ruf des Bussards lauschen, über die verkrusteten Hügel blicken und mich fragen würde, wie es dazu kommen konnte. Ich würde die Wasserhähne aufdrehen und zusehen, wie das Wasser im Ausguss verschwindet, wie flüssiges Silber, für immer verloren. Was ich ganz sicher nicht tun würde: beten, schreiben, das Land bestellen.
Letztlich aber halte ich mich nicht an dieses Drehbuch, sondern werde von einer Art emsiger Geschäftigkeit erfasst. Vielleicht sind es die Nerven. Von dem Moment an, in dem wir aus dem Tor des Anstaltsgeländes fahren, ist mein Mund trocken, und ich zupfe seitlich an meinen Fingernägeln, wie ich es als Kind immer getan habe. Natürlich sehe ich nichts, denn die Scheiben sind abgedunkelt. Ich frage mich, ob unter meiner Sitzbank ein Sack liegt, den ich über meine grau werdenden Haare und meine leeren Augen ziehen kann, wie es Vergewaltiger und Pädophile manchmal auf dem Weg zum Gericht tun. Die Abwesenheit eines Gesichts macht sie nicht weniger furchteinflößend, ganz im Gegenteil: Für die wartende Presse sind nur die Hände sichtbar, die das Kind erwürgt haben, und die Beine, die nach der Tat vom Ort des Geschehens geflohen sind.
Sind meine Hände die einer Heiligen oder die einer Sünderin? Ich kratze sie immer wieder in der Hoffnung, dass sie aufwachen und es mir verraten.
Die Entscheidung, dass ich zurückgeschickt werden soll, ist sub judice gefällt worden, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich mag diesen Ausdruck: »unter« der Justiz. Wenn man nur lange genug darunter aushält, bleibt das Recht unangetastet, und alle sind zufrieden.
»Wenn wir bereit sind, uns an die Bestimmungen für beschleunigte Verfahren zu halten, steht einem Vergleich nichts im Wege. Wir müssen uns lediglich zum Verzicht auf unsere Klage gegen die Regierung wegen unrechtmäßiger Landbesetzung bereit erklären, dann wird Ihre Strafe in einen Hausarrest umgewandelt. Und schon ist die Sache geritzt«, erklärte mir mein Anwalt. Ich fragte ihn, was der Staat davon habe, und er sprach von überfüllten Gefängnissen und negativer Presse, von der Dürre und von wissenschaftlicher Forschung. Ich unterbrach ihn und fragte, was ich davon hätte. Sie klang so simpel, seine Antwort.
»Sie dürfen zurück nach Hause zur Quelle«, sagte er.
Der erste Teil der Strecke vom Frauenflügel zur Quelle scheint nur aus Stop-and-go zu bestehen, wir bewegen uns im Schneckentempo voran, begleitet von Polizeisirenen. Die Benzinrationierung hat das Verkehrsproblem der Hauptstadt gelöst, aber das scheint noch niemand den Ampeln mitgeteilt zu haben. Dann ändert sich die Fahrweise, und wir rauschen auf der Autobahn gleichmäßig dahin Richtung Norden. Ich kenne diese Strecke gut, und als die Fahrt in das Gekurve übergeht, das einen über die Hügel und hinunter ins Tal führt, werden meine Atemzüge langsamer, und ich spüre, wie sich Speichel auf meiner Zunge sammelt, die rau ist wie Sandpapier. Fünfzehn Minuten dauert der lange, langsame Anstieg, der an der Little Lennisford Church vorbeiführt; fünfundzwanzig Minuten bis zum flachen, geraden Stück Landstraße, neben dem die Stangen der Hopfenfelder aufragen (die letzte Chance zum Überholen, haben wir immer gesagt). Nach vierzig Minuten kommt die scharfe Rechtskurve an Martins Hof vorbei, und von da quält man sich durch Haarnadelkurven bergauf, schaltet immer wieder durch die Gänge, durchbricht – häufig genug – die Wolken, bis man die Hügelkuppe erreicht, das Dach der Welt. Dann endlich der Schwenk nach links, die fünfhundert Meter Schotterstraße hinunter, die durch meine Felder zur Quelle führen.
»Jetzt sind wir fast da.«
Die Worte der Soldatin wären nicht nötig gewesen.
Der Transporter fährt viel zu schnell für die Schlaglöcher. Es überrascht mich, dass noch niemand sie ausgebessert hat. Andererseits sind auch wir nie dazu gekommen. Es braucht viel Wasser, um Löcher in Stein zu graben, und die Quelle hat ihre Pfützen immer stolz wie eine Auszeichnung getragen. Wir halten an. Das Gitter zwischen Fahrerkabine und Transportraum wird zur Seite gezogen.
»Wir lassen Sie jetzt ein paar Minuten allein und sehen nach, ob alles vorbereitet ist. Geht es Ihnen gut da hinten?«
Es ist nett von den Soldaten, dass sie fragen, aber ich bin nicht ganz sicher, wie ich darauf reagieren soll. Soll ich so tun, als würde ich mich wohl dabei fühlen, in einem Gefängnistransporter zurück in mein eigenes berühmt-berüchtigtes Paradies gebracht zu werden?
»Mir geht’s gut. Danke.«
Ich sitze ganz still. Im Grunde traue ich dem Urteil immer noch nicht ganz. Bizarre Bilder aus alten Kriegsfilmen tauchen vor meinem inneren Auge auf, scheinen mir die Gummimatte unter meinen gefesselten Füßen wegziehen zu wollen. Ich sehe, wie ich aus dem Transporter gezerrt, zu meiner geliebten alten Eiche geführt und dort erschossen werde, um zwischen verdorrten Eicheln vom letzten Jahr und Schafskot in einem Haufen zusammenzusinken. Die beiden Soldaten, die mich auf meinem Transport bewacht haben, steigen aus und knallen die Türen hinter sich zu.
»Unglaublich, oder?« Das ist die Frau mit dem Birminghamer Akzent. »Es sieht genauso aus, wie immer alle behauptet haben, genauso wie auf der Website.«
»Was sieht so aus?« Der Fahrer. Schon seine Musikauswahl auf der Fahrt hat mir verraten, dass er von nichts eine Ahnung hat.
»Na alles. Man hat den Eindruck, drei Jahre in der Zeit zurückzureisen. Grüne Wiesen. Wann hast du das letzte Mal grünes Gras gesehen?«
Meine Wiesen sind also immer noch grün.
Neue Stimmen. Begrüßungen. Beinahe förmlich. Dann ergreift ein jüngerer Mann das Wort.
»Ihr könnt die Einheimischen fragen. Sie haben uns bestätigt, was in der Zeitung stand: Als sie noch hier war, regnete es. Als sie verhaftet wurde, hörte der Regen auf.«
»Wo ist das Ganze eigentlich passiert?«, fragt der Fahrer.
»Unten im Wald.«
»Also ich gehöre zu denen, die die Alte eher für eine Hexe als für eine Heilsbringerin halten.«
»Ziemlich sexy für eine alte Hexe.«
Offenbar bewegen sie sich aufs Haus zu, denn den Rest des Gesprächs verstehe ich nicht mehr. Das Wissen, dass draußen so viel Raum und Freiheit warten, erstickt mich im Inneren des Transporters geradezu. Mir wird schwindelig. Nicht jetzt, denke ich. Bitte keine schrecklichen Visionen mehr, kein Ertrinken. Schweiß bricht auf meiner Stirn aus, und ich versuche, die Hand zu heben, um ihn wegzuwischen, vergesse jedoch das Gewicht der Handschellen. Auch ich werde nun unter die Oberfläche gezogen. Ich bin nicht verrückt. Ich beuge mich vor und vergrabe den Kopf zwischen meinen Knien, damit ich nicht ohnmächtig werde. Das Dunkel im Transporter hört langsam auf, sich zu drehen, das zähflüssige Wasser zieht sich zurück, und ich werde wieder ich selbst, während draußen die Schritte auf dem Kies lauter werden und die Hecktüren des Transporters aufgehen.
»Endlich wieder zu Hause, was?«, sagt sie. »Hinaus mit Ihnen!«
Mich begrüßt kein blendendes Sonnenlicht. Stattdessen verschwimmt das ausgewaschene Blau eines frühen Aprilnachmittags mit dem trostlosen Inneren des Transporters, wie zwei Farben, die sich vermischen und schließlich einen grauen Kompromiss eingehen. Das Aussteigen fällt mir schwer. Während ich unter dem niedrigen Dach des Transporters den Kopf einziehe, strecke ich meine in Handschellen steckenden Handgelenke nach vorn, als würde ich beten.
»Wissen Sie was?«, sagt die Frau aus Birmingham zu mir. »Setzen Sie sich hier auf die Kante, dann nehme ich Ihnen die Dinger ab. Home sweet home! Hoffentlich hat jemand das Geschirr gespült. Das wünsche ich mir jedenfalls immer, wenn ich abends nach Hause komme.« Sie tippt verschiedene Codes in die Tastaturen an meinen Hand- und Fußschellen.
Der Fahrer ist inzwischen zu uns getreten. »Als würdest du dir deine zarten Händchen beim Spülen schmutzig machen!«
»Was bleibt einem anderes übrig? Der Geschirrspüler hat uns ein Vermögen gekostet, weil er so viel Wasser verbraucht hat. Aber es hat alles auch sein Gutes: Beim Abwasch kann ich mir wenigstens vorstellen, wie es war, in der Badewanne zu liegen.« Sie fummelt an dem hässlichen Band herum, das mein Fußgelenk umgibt. »Das müssen Sie anbehalten. Nennt sich elektronische Fußfessel.«
Ich sitze wie ein kleines Kind auf der Ladefläche des Transporters, meine Füße erreichen kaum den Boden. Als ich frei bin, taste ich nacheinander meine Handgelenke ab, stehe dann unsicher auf und mache ein paar Schritte von meinen Bewachern weg. Vor mir steht die steinerne Fassade meines Hauses, gerade und fest – meine Wasserwaage, die mich ins Gleichgewicht bringt. Ich drehe mich um und betrachte meine Felder, die vor mir ansteigen und wieder abfallen, ihre Hecken wie Kraftlinien, die ihre Konturen abtasten, die Wälder wie Samt in die Täler geschmiegt. Eine Hand umfasst meinen Ellbogen. Ich schüttle sie ab, folge dem Soldaten jedoch zur Haustür. Wir benutzen diese Tür nicht, will ich zu ihm sagen. Wir gehen immer durch die Hintertür. Dort, auf dem Fliesenboden, haben wir einst unsere schlammverkrusteten Stiefel ausgezogen und unsere Angelruten an die Haken über den Regenmänteln gehängt. Wir. Mark und ich. Mein Exmann und ich. Haustür. Hintertür. Fluss. Ex. Worte.
»Für uns ist der Job damit erledigt«, erklärt der Fahrer. »Ich gehe davon aus, dass Ihre neuen Freunde sich selbst vorstellen werden, sobald wir alles unterschrieben haben.« Er weist auf drei bewaffnete junge Männer in Uniform, die am Zaun zwischen Haus und Obstgarten aufgetaucht sind und mit dem Rücken zu uns stehen. Ihre Gesichter zeigen Richtung Wales. Das war offenbar einer der Gründe, warum die Behörden dem Hausarrest zugestimmt haben: weil ohnehin bereits Regierungssoldaten auf dem Gelände sind und nachts über die Ernte wachen.
»Sie sind bestimmt froh, wieder zu Hause zu sein«, sagt die Soldatin, und ich nicke und gebe mir Mühe, menschlich zu sein, so wie sie. Sie wartet, bis ihr Kollege zu den drei Uniformierten hinübergegangen ist, und fährt dann mit leiser Stimme fort: »Ich habe noch nie etwas so Schönes gesehen. Sie müssen eine ganz besondere Frau sein, um so etwas zustande gebracht zu haben.«
Ich murmele etwas zwischen »Vielleicht« und »Ich weiß es nicht«. Schon vor langer Zeit habe ich aufgehört, Menschen zu vertrauen, die mich zu verehren scheinen.
Sie sagt: »Das mit dem Transporter und den Handschellen tut mir sehr leid. Die ganze Sache tut mir leid. Es hätte nie dazu kommen dürfen. Ich hoffe, jetzt, wo Sie wieder hier sind, sind Sie glücklich, und …«
»Und?«
»Und ich hoffe auch, dass es hier wieder regnet, wirklich, und …«
»Und?«
»Und wenn Sie immer noch beten, dann beten Sie bitte auch für mich.«
Sie versucht, nach meiner Hand zu greifen, und ich sehe, dass sie weint. Das Verhältnis von Tränen und Gebeten an diesem Ort hat sich umgekehrt; von nun an wird es – völlig zu Recht – mehr Tränen geben. Ich ziehe meine Hand weg, und für einen kurzen Moment steht sie da und starrt auf ihre leere Handfläche, bevor sie sich abrupt umdreht und mit großen Schritten zum Transporter zurückgeht. Sie steigt ein, knallt die Tür zu, beugt sich zum Fahrersitz hinüber und hupt anhaltend. Der Fahrer, der immer noch am Zaun steht, tippt etwas in sein Handy und verabschiedet sich mit einem halbherzigen Salut von den Uniformierten. Bevor er in den Transporter steigt, bückt er sich, als hätte er etwas fallen gelassen, und hebt eine Handvoll Erde auf, die er wie ein Gärtner aufmerksam beäugt. Dann blickt er auf, und als er sieht, dass ihn die Männer beobachten, wirft er die Erde in die Hecke, lacht laut, klopft sich die Hände an seiner Khakihose ab und steigt ein. Er lässt den Motor an und ruft aus dem Fenster, während er den Transporter piepsend Richtung Eiche zurücksetzt: »Keine Sorge, Jungs! Wir beten für euch bei eurem Fronteinsatz!«
Die Soldatin starrt vom Beifahrersitz geradeaus auf den Weg, der sie gleich von hier fortbringen wird. Der Fahrer dreht die Musik auf, und dann sind sie weg. Zurück bleiben die Stille, die drei Regierungssoldaten und ich. Sie treten mit ihren schweren Stiefeln gegen den Zaun. Einer zündet sich eine Zigarette an, und mir fällt plötzlich ein russisches Foto aus dem Zweiten Weltkrieg ein, das ich einmal gesehen habe: junge Männer vor einer kargen Landschaft, die zum Horizont starren und auf Verstärkung warten. Wir sehen uns einer anderen Art von Angriff gegenüber. Ich stehe zur Hälfte in und zur Hälfte vor dem Haus, und meine Beine zittern vor Erschöpfung.
»Soll ich reingehen?«, rufe ich und bereue meine Schwäche sofort. »Ich meine, gibt es noch irgendwelche Formalitäten zu erledigen?«
Alle drei drehen sich um, als seien sie überrascht darüber, dass ich sprechen kann. Eine plötzliche Dienstbeflissenheit scheint den kleinsten der Soldaten zu überkommen, wie alle, denen man erst vor kurzem ein kleines bisschen Macht übertragen hat. Er marschiert zu mir herüber. Die anderen beiden folgen in einigem Abstand.
»Es gibt eine ganze Reihe von Vorschriften und Abläufen, die wir mit Ihnen durchgehen müssen. Daher schlage ich vor, dass wir … äh …« Seine Stimme klingt angespannt.
»Uns am Küchentisch zusammensetzen?«, schlage ich vor.
»Das müsste gehen, ja. Wir treffen uns dort in einer Stunde.«
»Kann sein, dass Sie noch einmal an die Tür klopfen und mich daran erinnern müssen.«
»Wir müssen nicht klopfen, wenn wir das Haus betreten«, erwidert er.
Der schlankere der beiden anderen Soldaten macht einen Witz über Drinks um sechs. Ich verstehe seinen Scherz zwar nicht, versuche aber trotzdem zu lächeln. Pour encourager les autres.
Was mache ich jetzt? Ich versuche, mich an alte Gewohnheiten zu erinnern. Wie eine verschüchterte Braut zwinge ich mich über die Türschwelle, ziehe die Schuhe aus und gehe in die Küche. Sie ist eine karge Ausgabe ihres früheren Selbst, da nicht mehr das übliche Chaos herrscht und jemand saubergemacht hat. Ich lasse das kalte Wasser eine Weile laufen, nur um sicherzugehen, bevor ich den Teekessel fülle und ihn auf den Herd stelle. Dann nehme ich meine Lieblingstasse vom Regal und zeichne mit dem Finger die fein gemalten Fische nach – Äsche, Forelle und Flussbarsch –, die im Porzellanfluss schwimmen und sich um den Henkel der Tasse schlängeln. Mit der Fingerspitze wische ich den Staub vom Tassenrand. Aus einem Impuls heraus gehe ich zum Kühlschrank, der normal funktioniert. In den letzten Jahren gab es immer genug Wind in der Gegend. Für uns galt: Wenn die Turbine läuft, läuft auch die Pumpe, und wenn die Pumpe läuft, haben wir Wasser aus unserer Quelle. Wasser ja, aber keine Milch. Ich hasse den Milchersatz in Pulverform, er schmeckt nach Stadt. Die Dürre hat viele Ersatzstoffe erforderlich gemacht: Kein Regen – kein Gras, kein Gras – keine Kühe, keine Kühe – keine Milch. Wir hatten für Jahr drei unseres Traums die Anschaffung einer Kuh geplant, doch so weit sind wir nie gekommen.
Das meiste von dem, was ich im Vorratsschrank hatte, ist verschwunden, aber auf der Küchenablage steht eine halbleere Packung Teebeutel, also bediene ich mich daraus. Dann sitze ich am leeren Küchentisch und zeichne die Holzmaserung mit dem Finger nach. Was für eine Stille. Ich fröstele, der alte Küchenherd ist nicht an. Mit ein bisschen Wärme wäre alles erträglicher, denke ich. Doch die Streichhölzer haben ihr angestammtes Heim in der obersten linken Schublade der Anrichte verlassen, und ich weiß nicht, wo sie hin sind. Ich gebe mich geschlagen und schlendere ins Wohnzimmer, wo die Vorhänge zugezogen sind. Meine Hand verharrt zögernd am Fenster, aber selbst die kleinste Bewegung der Vorhänge lässt einen Strahl Tageslicht herein, also lasse ich sie fürs Erste zu. Ich gehe zur Treppe und stelle einen Fuß auf die unterste Stufe, mache jedoch den Fehler hinaufzublicken. Nein, dieser Berg ist zu hoch, um ihn jetzt schon zu erklimmen.
Das Sofa fühlt sich klamm an. Die Zeitung von gestern liegt auf dem Tisch, auf dem Gesicht eines Oben-ohne-Models ist der kreisförmige Abdruck einer Kaffeetasse zu sehen. »Heiß durch die Dürre!« Eine bleiche, hohlwangige Frau auf der gegenüberliegenden Zeitungsseite erinnert mich an Angie, auch wenn mir meine Tochter diesen Vergleich sicher übelnehmen würde. Ich blättere durch die Seiten und komme mir vor wie eine Patientin in einem Wartezimmer, die es bereut, keine Freundin mitgebracht zu haben, die ihr beisteht.
Mein Name wird gerufen, aber ich reagiere nicht sofort. Für einen Moment weiß ich nicht mehr, wer sie sind, diese Männer, die mit dem Rücken an der Spüle lümmeln und sich in der ganzen Küche verteilen, während ich mich folgsam und steif an den Tisch setze und das Holz des Stuhls an meinen mageren Oberschenkeln spüre. Sind diese Männer wegen der Ermittlungen hier? Nein, das ist schon lange her. Damals waren es Polizisten, nicht diese zu groß geratenen Kindersoldaten.
Eine ringlose, aus einem Khakiärmel ragende Hand legt eine braune Heftmappe, auf der mein Name steht, vor mir auf den Tisch, klappt einen Laptop auf und hämmert ein Passwort in die Tastatur. Eine Stimme sagt, Zweck dieses Treffens sei es, mir meinen Rechtsstatus auseinanderzusetzen, die Gründe dafür und meine Rechte, während ich diesem Status unterliege.
»Ruth Ardingly steht unter Hausarrest, gemäß dem Dürre-Notstandsgesetz, Paragraph 3, zur Freiheitsbeschränkung und Inhaftierung von Personen, von denen ein Verhalten bekannt ist oder vermutet wird beziehungsweise in naher Zukunft zu erwarten ist, das: (i) die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder grundlegende Dienstleistungen gefährdet, beeinträchtigt oder in irgendeiner Weise manipuliert, vor allem Dienstleistungen, die mit der Bereitstellung von Trinkwasser zusammenhängen oder mit der Bereitstellung von Wasser für Bewässerungsprojekte, Fertigungsverfahren und unternehmerische Zwecke, die den Ausnahmeregelungen des Dürrenotstandsgesetzes, Paragraph 4, unterliegen.«
Ich finde das lustig, bin ich doch die einzige Untertanin Ihrer Majestät im ganzen Britischen Königreich, die unbegrenzten Zugang zu Wasser hat und daher nicht darauf angewiesen ist, Regierungsquellen anzuzapfen. Der Richter und die Geschworenen vor mir scheinen hingegen keinen Sinn für Humor zu haben. Weniger amüsant ist für mich die Tatsache, dass die Dauer meines Hausarrestes als »unbefristet« beschrieben wird, auch wenn er »in regelmäßigen Abständen einer juristischen Prüfung bedarf«. Meine Frage, was das in der Praxis bedeutet, bleibt unbeantwortet.
»Ruth Ardingly werden außerdem folgende Vergehen zur Last gelegt, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen zur Verfahrensbeschleunigung unter der Dürreschutzverordnung zunächst ebenfalls durch den Hausarrest abgegolten werden, vorbehaltlich weiterer rechtlicher Schritte zu einem späteren Zeitpunkt:
(i) Legen mehrerer Feuer mit der Absicht, schwere Körperverletzung oder Tod herbeizuführen;
(ii) Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber einer ihr anvertrauten minderjährigen Person mit Todesfolge.«
Ich halte mir die Ohren zu. Das höre ich mir nicht an. Keiner darf das zu mir sagen.
Der kleine Mann leiert einfach weiter.
»Die der Dürreschutzverordnung unterliegende Zivilgerichtsbarkeit bestätigt, dass das als ›Die Quelle‹ bekannte Anwesen Hauptwohnsitz von Ruth Ardingly bleiben wird, dass sie sich jedoch gemäß der Beschlagnahmungsverordung 70/651 dazu bereit erklärt, besagtes Anwesen vorübergehend für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen, worunter folgende und weitere Maßnahmen fallen: Bodenproben; Anpflanzen, Pflege und Ernte von Feldfrüchten; Bohrungen zur Entnahme von Grundwasserproben gemäß der Entnahmeverordnung (korrigierte Fassung), jedoch keine Entnahme von Grundwasser in größeren Mengen; Auffangen von Regenwasser zum Zweck der Forschung, aber nicht zum Zweck des Vertriebs.«
Dies ist also das Kleingedruckte des Teufelspakts. Aber immerhin gehört ihnen die Quelle nicht, so viel habe ich erreicht. Grundstück und Haus gehören immer noch mir. Trotz Stacheldrahtumzäunung, Helikoptern und Männern in brauner Tarnuniform ist die Quelle immer noch mein. Zumindest zur Hälfte. Was mit Marks Anteil passiert ist, erschließt sich mir nicht.
»So weit zur Rechtslage. Haben Sie irgendwelche Fragen?«, will der kleine Mann wissen.
Ich sacke etwas zusammen und zucke hilflos mit den Schultern. Er erteilt dem dicken, namenlosen Mann das Wort, der offenbar für die »praktischen Aspekte« des Hausarrests zuständig ist. Er liest stockend und scheint Mühe zu haben, aus den endlosen Vorschriften schlau zu werden. Es ist, als würde ich einer fremden, mir unbekannten Sprache lauschen, aber die übergeordnete Botschaft ist klar: Diese Männer sind meine Wärter. Das hier ist mein Zuhause. Worte kriechen über die Unterlagen und verteilen sich willkürlich im Raum, verschwinden im Ausguss, flattern durch den kalten Schornstein oder versuchen hinauszukrabbeln wie Wespen aus einem Marmeladenglas. Das Foto neben dem Küchenfenster, das wir während eines Ausflugs zu den Lost Gardens of Heligan aufgenommen haben, hängt schief, wodurch es so aussieht, als würde der darauf abgebildete See über die Ufer treten und wäre kurz davor, die cremefarbene Wand hinunter in das Gemüseregal zu tropfen, das leer ist bis auf die spröden Schalenreste einer Zwiebel.
Ausgangsverbot
Brot
Elektrische
Rechte
Gesuch
Ausübung
Ein Gedächtnisspiel, bei dem eine große Anzahl verschiedener Dinge vor mir ausgebreitet und benannt wird in der Erwartung, dass ich mir alles gemerkt habe, bis die Gegenstände wieder weggenommen werden.
»Heute Abend müssen Sie sich darum natürlich noch nicht kümmern.« Es ist das erste Mal, dass der Dünne mit der Brille das Wort ergreift. Er ist auch der Einzige, der mir in die Augen sieht.
»Werde ich auch nicht«, antworte ich.
»Dann gute Nacht«, sagt er, denn es ist offenbar Schlafenszeit.
»Gute Nacht«, erwidere ich.
Ich starre den drei Soldaten hinterher. »Entschuldigung. Wo, sagten Sie, sind Sie untergebracht?«, frage ich.
Der Kleine bleibt an der Tür stehen. »Wir haben gar nichts gesagt«, erklärt er knapp und verlässt zusammen mit Mr Namenlos die Küche.
Der Dünnere, Kurzsichtige hingegen verharrt noch einige Sekunden. »Wir schlafen in der Scheune«, sagt er. »Direkt nebenan.« Er ist noch ein halbes Kind. Ich werde ihn »Junge« nennen.
Während wir unsere Zeit und unser Geld in die Renovierung der Scheune steckten, ahnte ich nichts davon, dass wir in Wirklichkeit eine Kaserne für meine Wärter bauten. Sie sind nicht die Ersten, die sich dort häuslich eingerichtet haben, um mich zu kontrollieren. Sie treten in Marks Fußstapfen, der irgendwann einfach zum Tor hinausmarschierte, geradeaus bis zur Morgendämmerung, und den ich seither nie wiedergesehen habe. Ich bezweifle, dass meine Wärter mich auch so schnell vergessen werden.
Was tun diese Wärter den ganzen Tag? Was essen sie? Was esse ich? Jetzt, wo die Anordnungen vorüber sind, tauchen die Fragen auf, Tausende Fragen zu Decken und Internet und Essen und Telefonen und Tomatenpflanzen und Schafen und Bädern und Büchern und Rasenmähen und, ach herrje, zu allem eigentlich. Ich bin wieder zum Kleinkind mutiert, will ihnen hinterherrennen und mich an ihren Beinen festklammern, sie fragen: Warum, wann, wie, wer? Ich befinde mich zwar in meinem eigenen Haus, habe jedoch keine Ahnung, wie mein Leben weitergehen wird.
Schlafenszeit. Sieht so aus, als müsste ich mich zwingen, die Treppe hinaufzugehen. Meine Finger wissen noch, wo die Lichtschalter sind, doch ich ziehe die Dunkelheit vor. Ich finde den Weg zu meinem Bett und schlüpfe voll bekleidet und mit steifen Bewegungen zwischen Laken und Bettdecke, die nicht nach Gefängnis riechen, aber auch nicht nach zu Hause. Obwohl es kalt ist, lasse ich die Jalousien offen, damit ich den Mond über Montford Forest sehen kann. Ich werde hier liegen und die Quelle fragen, was sie von dem gerade zu Ende gegangenen Tag hält, und wir werden gemeinsam zu einem Ergebnis kommen. Ich werde die Schafe zählen, die ich verloren habe, um dem Schlaf aus dem Weg zu gehen, denn auch er geht mir aus dem Weg. Ich werde im Kopf Briefe verfassen an diejenigen, die nicht mehr hier sind, weil sie nicht mehr anwesend sind. Weil sie nicht mehr auf dem Anwesen sind. Das Wortspiel gefällt mir. Hin und wieder werde ich mir den Spaß gönnen, ein wenig mit Worten herumzuspielen. Mit »Mark« zum Beispiel. Ich sage seinen Namen sehr laut, um mich zu vergewissern, dass er wirklich nicht mehr hier ist. Durch Mark und Bein. Du hast mich bis ins Mark getroffen. Trotz der Stille, trotz der Tatsache, dass mich nur eine Wand von der entsetzlichen Leere des Zimmers eines toten Kindes trennt, bin ich plötzlich völlig überwältigt vor Glück, weil ich wieder hier sein darf.
Ich frage mich, ob es regnen wird.
Steif in meinen muffigen Kleidern, wache ich auf. Ich könnte den ganzen Tag hier liegen, die ganze Woche, das ganze Jahr, und die Härchen auf meiner Haut würden durch den Stoff meines Sweatshirts wachsen wie Efeuranken durch die Maschen eines grünen, im Wald verlorenen Wollpullovers. Die Sonne würde ihre Runden drehen, von dem Jahrmarktbild über dem Bett über die Kommode zum blau angemalten Spiegel und zurück, und ich wäre immer noch da, würde grübeln und immer dünner werden, bis ich eines Tages die Antwort gefunden hätte. Aber zu diesem Zeitpunkt wäre längst nichts mehr von mir übrig, nur ein Abdruck, die Hülse einer großen Frau, so spröde, gerade und leer wie die hohlen Halme des Wiesenkerbels an unserer Auffahrt im Sommer …
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Klick. Ein kleines Stück vom Paradies an den Ufern des Severn …
Klick. Sie wollen raus in die Natur? Dann ist dieses Haus mit drei Schlafzimmern und zwei Eingängen genau das Richtige …
Klick. Sie suchen nach einer neuen Herausforderung? Verwandeln Sie diese alte Scheune in Ihr persönliches Schloss und werden Sie Herr über Ihr eigenes Reich …
So fing alles an. Mark und ich in London, bucklige Sklaven des Laptops, wie wir uns um die Computermaus zankten und glaubten, dass ein Haufen Ziegelsteine und Mörtel mitsamt dem dazugehörigen Land den Streit und die Differenzen wegwischen würden, die in den zweiundzwanzig Jahren unserer Ehe immer mehr zu unserem Erkennungszeichen geworden waren.
»Ihr findet bestimmt problemlos ein Häuschen auf dem Land«, sagten meine Kollegen an der Schule.
»Bei dem Preis, den ihr für euer jetziges Haus verlangen könnt …«, sagten unsere Nachbarn.
Von London aufs Land zu ziehen und selbst anzubauen, was wir zum Leben brauchten – das war unser Traum. Das heißt Marks Traum, den er zu Anfang unserer Beziehung für mich verschoben hatte, ein befristetes Darlehen, das er nun von mir zurückforderte, auch wenn er das nie so gesagt hätte. Er hatte so lange draufgezahlt in unserer Ehe, dass er jetzt pleite war, wohingegen ich in Menschen und Arbeit und verschiedene Lebensweisen investiert hatte und es nun als – vorsichtig ausgedrückt – beängstigend empfand, dieses angesammelte Kapital auf einmal abstoßen zu müssen.
Wie ein Kind, das auf Zehenspitzen am Ende des Sprungbretts steht, wollte ich einerseits springen und hatte andererseits panische Angst davor. Ich wollte nach dem Geländer greifen und wieder die Leiter hinuntersteigen, doch die kalte Betonwelt, die mich unten erwartete, war nicht weniger einschüchternd. In ein neues Becken mit frischem Wasser zu springen, mit neuer Energie in einer nicht von Hast und Eile verseuchten Welt zu leben, endlich wieder aufzutauchen und frei durchatmen zu können … Genau wie Mark war ich verliebt in die Vorstellung, aus allem auszubrechen und auf dem Land ein neues Leben anzufangen. Aber wenn wir auf dem Weg dorthin ausrutschten, erwartete uns ein tiefer Fall, weit weg von vertrauten Menschen, die uns einen Rettungsanker hätten zuwerfen können. Aus Marks Sicht war es die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit, und ich spielte die Rolle der stillen Befürworterin. Angesichts seiner Begeisterung – von seiner Verzweiflung ganz zu schweigen – fiel es mir schwer, meine Vorbehalte zu äußern. Sein wichtigstes Motiv für den Umzug war absolut zwingend: Man hatte ihn zwar vor Gericht für unschuldig erklärt, doch in London gab es für ihn keine Hoffnung auf eine Zukunft ohne Vorverurteilungen. Er hatte Gründe fortzugehen, ich hatte Gründe zu bleiben. Und wessen Schuld war das?, dachte ich manchmal, wenn ich einen schlechten Tag hatte, auch wenn das weder fair noch vernünftig war.
Mark wischte sämtliche Bedenken beiseite, auch das Argument, dass es in letzter Zeit viel zu wenig geregnet habe, um irgendwo erfolgreich Landwirtschaft betreiben zu können. Derartige Trockenperioden seien doch normal und glichen sich meist von selbst wieder aus. Geld war kein Thema: Der Verkauf unserer Doppelhaushälfte am Londoner Stadtrand reichte für ein Cottage im Westen mit ein paar Hektar Land, und es blieb sogar noch etwas übrig. Leben würden wir zunächst von der Abfindung, die Mark für seine ungerechtfertigte Entlassung zugesprochen worden war, sowie dem Geld, das ich von meinem Vater geerbt hatte. Außerdem besaßen wir ein paar Ersparnisse. Angie hatte uns als Jugendliche nicht viel gekostet, denn ihre Probleme waren von der Sorte, die sich nicht mit Geld lösen ließ. Im Grunde hatten sich die Ärzte, das Sozialamt und diverse Einrichtungen zur Resozialisierung straffälliger Jugendlicher mehr um sie gekümmert als wir. Natürlich verwöhnten wir unseren Enkel Lucien nach Strich und Faden. Trotzdem gingen wir davon aus, dass wir – in aller Vorsicht – ein paar Jahre mit unserem Geld durchhalten könnten, bis klar wäre, ob wir »es« schaffen würden. »Es« war vermeintlich ein kleiner Bauernhof. In Wirklichkeit war »es« unsere Beziehung.
Beinahe hätten wir über »Die Quelle« hinweggelesen, ohne nähere Informationen anzufordern. Der Makler hatte kein Video eingestellt, und alles, was nicht unmittelbar online zugänglich war, erschien uns zu aufwendig. Wir wollten unser zukünftiges Paradies sofort sehen, ohne erst einen Termin ausmachen zu müssen.
»Klingt, als wäre es eine Besichtigung wert«, sagte Mark.
»Aber nur, wenn wir uns am selben Tag noch zwei oder drei andere Objekte in der Umgebung anschauen können«, gab ich zurück.
Wir konnten. Allerdings wurde eines davon zwei Tage vor dem Termin verkauft, und das andere wurde vom Markt genommen. Blieb nur noch »Die Quelle«. Wir stritten uns deswegen und fuhren dann trotzdem hin. Lucien nahmen wir mit. Zu dem Zeitpunkt wohnte er gerade für zwei oder drei Wochen bei uns, während Angie – mal wieder – versuchte, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Er muss damals vier gewesen sein. »Was für ein Glück, dass er Großeltern wie euch hat«, sagten unsere Freunde, wenn wir ihn wieder einmal bei uns aufnahmen. Ich nehme an, das sagen sie heute nicht mehr.
Es war ein ungewöhnlich heißer Herbsttag, ein wildes letztes Aufbäumen der Sonne nach einem weiteren öden, trockenen Sommer, der auf einen öden, trockenen Winter gefolgt war – trocken zumindest nach den damaligen Maßstäben. Die Einschränkungen, die schon seit einer Weile für den Südosten Englands gegolten hatten, waren im April auf den Rest des Landes ausgeweitet worden, und die seriösen Zeitungen brachten Leitartikel über die verpflichtende Einführung von Wasserzählern, während die Boulevardblätter abwechselnd den drohenden Weltuntergang heraufbeschworen und Nahaufnahmen von Prominenten zeigten, die leicht bekleidet in der drückenden Hitze unterwegs waren. Niemand konnte ahnen, wohin uns der Abwärtstrend bei den Niederschlagsmengen noch führen würde.
Wie gebannt starrte ich auf die Landkarte. Die Quelle lag auf einer der Seiten, wo bis auf die roten und gelben Linien der Straßen, die an den Grundstücksgrenzen entlangführen, nur weiße Flächen mit wenigen gestrichelten Wegen zu sehen sind: Wege, die an den Besitztümern längst verstorbener Gutsherren entlangführen, die weite Umwege zu alten Steinbrücken beschreiben oder Packpferdrouten von Markt zu Markt folgen. Mark bevorzugte das Navigationsgerät, das ihn jedoch im Stich ließ, als wir uns unserem Ziel näherten.
»Wo zum Teufel sind wir hier? Du hast doch die Karte!«
»Schrei mich nicht an. Es war deine Idee, im Nirgendwo herumzufahren und nach einer alten Steinhütte zu suchen!«
Schweigen.
Ich: »Entschuldige, so war es nicht gemeint.« Ich drehte die Karte auf den Kopf und starrte angestrengt darauf. »Ich glaube, wir sind schon vorbeigefahren.«
Mark versuchte, in einer Toreinfahrt mit Gräben auf beiden Seiten in drei Zügen zu wenden. Als ich ihn kennengelernt hatte, war er kein aufbrausender Mensch gewesen. »Zielstrebig« war das Prädikat, das ihm die Leute gern verpasst hatten. Doch die Anschuldigungen, die schließlich zu seiner Entlassung geführt hatten, waren ihm an die Nieren gegangen, weshalb er seither wegen jeder Kleinigkeit an die Decke ging – auch damals schon. Langsam fuhren wir wieder den Hügel hinauf, bis wir ein Schild entdeckten, auf dem ein Mann mit Rucksack und Wanderstock abgebildet war, aber kein Hinweis darauf, wohin der Weg führte.
Wir fuhren das als Wanderroute markierte Sträßchen ein Stück hinauf, bevor Mark anhielt, die Hände vom Lenkrad nahm und sie wie ein Prediger zum Himmel hob. Vom Haus selbst war noch nichts zu sehen, das war es nicht – es war der blaue Rand der Welt, der sich kreisförmig um uns erstreckte und uns den Atem raubte. Nach Norden und Westen hin reihten sich die Hügel aneinander, bis sie irgendwo außer Sichtweite im Atlantik versanken. Die näher gelegenen Höhenkämme auf der anderen Seite des Tals waren bewaldet, und im Licht des schwülen Herbsttages erhoben sich die Nadelbäume schwarz wie Kohlezeichnungen hinter dem staubigen Gold der kürzlich abgeernteten Felder. Im Osten bestand das bernsteinfarbene Land hauptsächlich aus sonnenversengten Weiden, die man in den Jahrhunderten ihrer Bewirtschaftung eingehegt und in Parzellen unterteilt hatte. Und hinter uns lag eine kahle Felswand, The Crag genannt.
»Sind wir jetzt da, Oma R.?«, fragte Lucien schläfrig.
»Ja, Lucien, jetzt sind wir da.«
Das winzige Sträßchen vor uns war eine gepunktete Linie, die darauf wartete, dass wir ihr unsere Namen einprägten. Da ist es ja, sagten wir zueinander, als zuerst die Scheune und dann die rötlichen Schornsteine auftauchten, die über dem viktorianischen Cottage aufragten. Plötzlich waren wir wie Kinder, die sich auf der Fahrt in den Urlaub auf dem Rücksitz kabbelten, bis das erste das Meer entdeckte und alle Zankereien verstummten: Da ist es! Guckt doch! Wir sind da! In dem Moment, als wir aus dem Auto stiegen, hatten wir im Grunde schon den Vertrag unterschrieben, auch wenn keiner von uns ahnte, auf was wir uns damit einließen.
Der Makler lehnte wartend an seinem knallroten Geländewagen und rauchte.
»Eigentlich sollte ich mir das verkneifen«, sagte er und drückte die Zigarette unter seinen Bootsschuhen aus. »Bei der Feuergefahr heutzutage.«
Wir begrüßten ihn per Handschlag. Mir kam es so vor, als würde er Mark ein wenig zu lange anstarren und seine Hand ein wenig zu schnell wieder zurückziehen. Sofort schlug mein Herz schneller, ein mittlerweile vertrautes Gefühl. Während der Ermittlungen gegen Mark hatte ich von meiner Umwelt eine Zeitlang nur das Schlimmste befürchtet. In den Medien war von anderen Fällen in anderen Städten die Rede gewesen, wo Menschen das Prinzip der fairen Anhörung vergessen und die Sache in die eigene Hand genommen hatten. Ich blickte über die Schulter die holprige Auffahrt hinauf. Wenn es hart auf hart kommt, sitzen wir in der Falle, dachte ich.
Doch der Makler hatte seine Aufmerksamkeit längst seinem Geländewagen zugewandt, der angespannte Moment war vorüber. »Sie werden ein Auto wie dieses brauchen«, prophezeite er und strich zärtlich über die Motorhaube, bevor er sich für den verschmutzten Zustand seines Wagens entschuldigte. Die Autowaschanlagen seien ja leider geschlossen, und den Gartenschlauch dürfe man nicht benutzen.
Nachdem ich tief durchgeatmet hatte, damit meine Stimme nicht zitterte, versuchte ich ihn mit einem Scherz auf unsere Seite zu ziehen: »Ich plädiere für einen Esel. Um wie viel Prozent sind noch mal die Benzinpreise in diesem Jahr gestiegen?«
»Um ganze ein-hun-dert-und-zwanzig Prozent!« Er artikulierte übertrieben jede Silbe.
Mark fing ein Männergespräch über Zuladungshöhen und Getriebe mit niedriger Übersetzung an. Ich sah ihm an, wie sehr er darauf brannte, sich endlich das Haus anzusehen, aber das konnte er gut: dafür sorgen, dass sein Gegenüber sich wohl fühlte. Marks Charme zerstreute alle Zweifel, die der Makler gehegt haben mochte. Auch mich hatte er damit für sich gewonnen, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren, am Morgen nach einer Party am Ende des letzten Studienjahres. Die Prüfungen waren vorbei gewesen, und die Zukunft hatte irgendwo jenseits meines überzogenen Kontos und des Kühlschranks gewartet, den ich noch saubermachen musste, um die Kaution zurückzuerhalten. Ich hatte in einem Sessel geschlafen, und als ich aufwachte, lag ein fremder Mantel über meinen nackten Schultern. Vor mir stand ein großer, dunkelhaariger, leicht südländisch aussehender Mann und fragte, ob er mir einen Kaffee holen solle. Nachdem er vom Kaffeeholen zurückgekommen war, war er nie wieder von meiner Seite gewichen. Wir verbrachten die Nacht miteinander, den Rest des Semesters und auch den Sommer, nachdem wir beide unsere Urlaubspläne geändert hatten. Vier Monate später war ich im fünften Monat schwanger, und wir standen zusammen vor dem Standesbeamten. Unsere Entwicklung von jung zu alt war rasant verlaufen.
Eine zugeschlagene Autotür riss mich aus meinen Erinnerungen. Der Makler hatte das Exposé aus seinem Wagen geholt und dabei einen einzelnen weißen Schmetterling aufgeschreckt, der sich auf dem spätblühenden Sommerflieder neben dem Tor niedergelassen hatte. In diesem Jahr verschieben sich irgendwie sämtliche Jahreszeiten, dachte ich und fragte mich, wo die Zeit geblieben war. Hier standen wir und wollten aufs Land ziehen, wie es Paare mittleren Alters typischerweise tun. Wieder stiegen Erinnerungen in mir auf, und ich legte aus einem Impuls heraus die Hand auf meinen Bauch. »Ich liebe Kinder«, hatte Mark gesagt, als ich ihm von meiner Schwangerschaft erzählt hatte.
Lucien kletterte vom Rücksitz nach draußen und roch nach bröckelnder Schokolade und warmer Haut. Verschlafen griff er nach meiner Hand und zeigte auf ein graues Eichhörnchen, das den Stamm der großen Eiche hinaufkletterte. Unsere Blicke verfolgten es durch die Äste, bis wir es zwischen den goldgeränderten Blättern aus den Augen verloren. Der trockene Boden zu unseren Füßen war von Lichtreflexen gesprenkelt. Irgendwo in der Ferne, Richtung Middleton, heulte eine Polizeisirene. Vielleicht war es aber auch ein Krankenwagen.
»Man hört die Straße nicht immer«, versicherte der Makler, begierig darauf, uns unseren Traum schmackhaft zu machen. »Das hängt von der Windrichtung ab.«
»Heute kommt er von Westen, oder?«, fragte ich, nachdem ich mich anhand der Sonne und der walisischen Berge orientiert hatte.
»Von Westen? Da könnten Sie recht haben«, pflichtete er mir bei. »Das ist hier die übliche Windrichtung. Aber nachts kann man eine Stecknadel fallen hören.«
Und Käuzchen, dachte ich. Und bellende Füchse.
Ich fragte, wie weit der nächste Nachbar entfernt sei. »Ach«, antwortete er, »der ist meilenweit weg. Von hier aus sieht man keine anderen Häuser.« Wenn ich ehrlich bin, wäre es mir lieber gewesen, ich hätte sie gesehen, denn ich spürte bereits den Abstand zwischen diesem Ort und dem Rest der Welt und fragte mich, ob ich damit zurechtkommen würde. Vielleicht wirkte ich auf den Makler wie ein Mensch, der vor etwas flüchten wollte. Schwester Amelia hatte später den gleichen Eindruck, als sie mich zum ersten Mal sah.
Hinter der Haustür hing ein schwerer Samtvorhang, den der Makler für uns hochhielt, als wäre er ein Bühnenarbeiter. Es dauerte nicht lange, bis wir uns alles angesehen hatten: den Flur zur Hintertür, die Kücheneinrichtung, die genau wie der Herd noch aus den sechziger Jahren stammte, Marks Arbeitszimmer – beziehungsweise das Zimmer, das er zu seinem Arbeitszimmer machen würde – und das kleine Wohnzimmer, in dem ein munteres Feuer brannte. Den Kamin mussten wir später, nach dem Schornsteinbrand, austauschen. Vom Wohnzimmer aus ging es nach oben, wo wir uns zunächst im kleineren Schlafzimmer drängten, dann in dem winzigen Badezimmer und schließlich im großen Schlafzimmer mit seinem atemberaubenden Ausblick. Der Makler war erfahren genug, uns allein zu lassen. Mark tastete nach meiner Hand, zog mich näher an sich heran und küsste mich einmal bedächtig auf die Wange. Dann holte er tief und genüsslich Luft, als atme er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Sauerstoff.
»Es ist gerade so genug Platz für Angie und Lucien«, sagte ich zu Mark, als wir uns wieder voneinander lösten. Wir kannten meine Tochter gut genug, um zu wissen, dass unser Heim immer groß genug würde sein müssen für sie und ihren Sohn, nicht nur, was das Platzangebot anging.
»Ich finde es wunderbar hier«, schwärmte Mark. Seit Beginn der Hetzkampagne gegen ihn hatte ich ihn nicht mehr so begeistert erlebt. »Der perfekte Ort für einen Neuanfang.«
Auch Lucien fand es toll. Er rannte die knarzende Treppe hinauf und hinunter, öffnete Schränke in der Küche und spähte in den Kamin. Die Sonne, die durch das Erkerfenster hereinschien, machte die Risse im Treppengeländer sichtbar, genauso wie die Flecken auf dem Teppich und die feuchten Stellen an der Decke. Doch das Haus selbst wirkte massiv und solide und würde mit Sicherheit allem standhalten, was wir damit vorhatten.
»Haben Sie Lust, sich draußen ein wenig umzusehen?«
Wir folgten dem Makler zu dem »mit Strom und Wasser ausgestatteten Nebengebäude, das derzeit als Garage/Scheune genutzt wird. Hier ist noch Entwicklungsspielraum.« Falls die letzte Inhaberin, eine alte Dame, tatsächlich ein Auto besessen hatte, war es jedenfalls nicht hier geparkt gewesen, denn das Nebengebäude war vollgestellt mit Trittleitern, Spaten, kaputten Sonnenliegen und Kohleeimern ohne Henkel. Aber wir waren uns einig, dass es sich problemlos zu einer Ferienwohnung ausbauen ließ oder zu einer vorübergehenden Unterkunft für heimatlose Familienmitglieder.
Entlang einer Wand der Scheune waren frisch gehackte Holzscheite ordentlich gestapelt.
»Wie lange hat die alte Dame hier gelebt?«, fragte Mark.
Darauf wusste der Makler keine Antwort, aber er wusste, dass sie nach dem Tod ihres Mannes einen Großteil des Grundstücks an einen benachbarten Bauern verpachtet hatte, der ihr bei vielen Arbeiten, unter anderem dem Holzhacken, zur Hand gegangen war. »Das ist hier eine verschworene Gemeinschaft. Ich bin mir sicher, dass die Taylors auch Ihnen jederzeit helfen würden, wenn Not am Mann wäre.«
Was er mit »verschworen« wohl eigentlich sagen will, überlegte ich. Verschlossen, misstrauisch Fremden gegenüber? An welchem Punkt wird verschworen zu feindselig?
Der Makler erklärte uns, dass der Pachtvertrag zum 31. März des folgenden Jahres auslaufe.
»Zwölf Hektar Felder und Wald. Genau die richtige Größe«, sagte Mark, als gäbe es für ein Stück vom Paradies so etwas wie die richtige Größe. Zwölf Hektar klingen klein angesichts der verheerenden Wirkung, die dieses Land auf uns haben sollte. Wir besichtigten den Obstgarten, hoben Äpfel und Birnen vom Boden auf, über die sich bereits die Würmer hergemacht hatten, und wunderten uns über die alten Schutzkäfige, die wie ausrangierte Haarnetze über die Triebe gestülpt waren und deren merkwürdig angeordnete Stäbe aussahen wie altmodische Haarnadeln. Der Gemüsegarten machte den Anschein, als hätte kürzlich jemand darin gearbeitet.
»Schau mal, Mark!«
Zwischen seinen kleinen Händchen hielt Lucien einen dicken Gartenkürbis, der offenbar den ganzen Sommer weiter angeschwollen war und vom Tod der Frau, die ihn gepflanzt hatte, nichts wusste. Mit einem Ruck brach der Kürbis von der Pflanze ab, und Lucien taumelte rückwärts. »Können wir den mit nach Hause nehmen? Können wir ihn essen?«
»Der Kürbis gehört uns nicht, Lucien«, sagte ich.
»Wenn man bedenkt, wie wenig es geregnet hat, ist er ganz schön stattlich«, stellte Mark fest.
»Wer sollte ihn vermissen? Nimm ihn ruhig mit, Junge«, sagte der Makler. »Deine Mama trägt ihn sicher für dich nach Hause.«
Dieser Irrtum war nichts Neues für uns. Lucien korrigierte den Fehler sofort: »Das ist meine Oma. Meine Mama ist im Moment nicht da.«
»Was du nicht sagst! Deine Oma sieht aber noch gar nicht alt genug aus, um schon Großmutter zu sein«, erwiderte der Makler sich anbiedernd.
Lucien starrte ihn böse an. »Ist sie aber«, erklärte er mit Nachdruck. »Das sagen die Leute immer«, beschwerte er sich bei mir, während wir Hand in Hand zu Mark hinübergingen, der wie ein Kunstliebhaber in einer Galerie das satte Grün der Wälder in sich aufsog, in Gedanken Brombeersträucher rodete, Pappeln zurückschnitt und Edelkastanien pflanzte, wo die Kiefern im letzten Sturm umgeknickt waren wie Streichhölzer.
Wir fragten den Makler, ob er etwas dagegen habe, wenn wir unsere mitgebrachten Sandwiches unter der Eiche aßen. Wir versprachen, ihn anzurufen, und er faselte den üblichen Quatsch über schnelles Zuschlagen und den vom mangelnden Vertrauen in die Zukunft ausgetrockneten Immobilienmarkt.
Mark rief ihm noch einmal hinterher, weil er vergessen hatte, etwas Wichtiges zu fragen: »Wie sieht es mit dem Wasser aus?«
»Das Haus verfügt über seine eigene Wasserversorgung. Es ist nicht ans öffentliche Netz angeschlossen, was auch nicht nötig ist. Seit Hunderten von Jahren sprudelt hier eine Quelle, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jetzt plötzlich versiegt.«
Ich warf ein, dass das doch recht wahrscheinlich sei, da es seit so langer Zeit nicht mehr richtig geregnet habe.
»Sie sollten natürlich noch die Meinung eines Experten einholen«, gab er mir recht. »Aber das Anwesen heißt nicht umsonst ›Die Quelle‹.« Er erklärte uns, dass der Grundwasserspiegel unterhalb des Grundstücks besonders hoch liege, weshalb das Land außergewöhnlich grün und fruchtbar sei. Wir müssten nur hinsehen. Seiner Ansicht nach seien wir damit deutlich besser bedient, als wenn wir ans öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wären und uns mit Wasserknappheit, provisorischen Hydranten und Zuteilungen herumschlagen müssten wie so viele andere während der letzten Sommer.
»Allerdings glauben die meisten Meteorologen ohnehin, dass die Dürre bald vorbei ist«, sagte er und gestikulierte Richtung Westen, wo der Wind die Wolken vor sich hertrieb. »Sie gehen davon aus, dass dieser Winter einer der feuchtesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wird.«
Wir glaubten ihm, weil wir ihm glauben wollten.
Der Staub hing noch lange in der Luft, nachdem er davongefahren war. Ich holte eine Tüte mit Sandwiches und Chips aus dem Kofferraum, die wir an der Tankstelle gekauft hatten. Dann setzten wir uns auf eine Decke, Lucien im Schneidersitz und aufrecht, Mark wie immer unter Schwierigkeiten seine langen Beine sortierend, die fast zwanzig Jahre lang ihr Dasein unter einem Schreibtisch hatten fristen müssen. Wir ließen eine Flasche Wasser herumgehen, nahmen bedächtige Schlucke daraus, lauschten dem monotonen Blöken der Schafe und dem empörten Zetern einer Amsel, die uns von unserem Picknickplatz vertreiben wollte. Dann brachen wir plötzlich spontan in Gelächter aus.
»Ich glaube das alles nicht.« Mark rieb sich die Augen und sah sich dann erneut um, als erwarte er, seine Umgebung könnte sich jederzeit in Luft auflösen. »Also, was meint ihr?«, fragte er.
»Du zuerst«, antwortete ich.
»Nein, du.«
»Oma R., du sollst zuerst.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich zögernd. »Es ist unglaublich hier. Schaut es euch an: Hier gibt es alles, was wir uns gewünscht haben.«
»Absolut alles«, bestätigte Mark. »Wie im Schlaraffenland!«
»Ja, es ist wunderschön hier«, fuhr ich fort. »Und das Grundstück ist genau das, was wir gesucht haben. Und dann diese himmlische Aussicht. Aber irgendwie …«
»Und niemand kennt uns hier … kennt mich hier! Keine Blicke im Supermarkt, kein Gekicher von Jugendlichen im Bus. Wir wären ein unbeschriebenes Blatt, Ruth.«
»Da hast du vermutlich recht …«, räumte ich zögernd ein.
»Du findest es zu schön, um wahr zu sein?«, fragte Mark.
»Ja. Nein. Ich weiß auch nicht.« Dieser Ort war atemberaubend, und mir war ganz schwindelig vor lauter Schönheit, aber ich brauchte ein wenig Abstand, um besser nachdenken zu können. Also stand ich auf, entfernte mich von der Decke und blickte über das hölzerne Tor auf die Felder. Wenn man von der Stadt aufs Land flüchten wollte, gab es keinen besseren Ort als diesen. »Wenn …«, begann ich.
»Wenn was?«, fragte Mark.
Seine Hoffnung wärmte mir den Rücken, ich musste mich nicht einmal umdrehen, um sie auf seinem Gesicht leuchten zu sehen. Ich überschlug im Kopf, was ich alles verlieren würde, wenn wir hierherzogen, und stellte fest, dass sich alle diese Dinge leicht beibehalten oder ersetzen ließen – mein Beruf, mein soziales Netzwerk. Und meine Freundschaften waren hoffentlich stark genug, um die räumliche Entfernung zu überstehen. Als Nächstes überschlug ich, was ich womöglich verlor, wenn wir in London blieben: Mark. Und »Die Quelle«. Ich würde mir dieses Wunder von einem Ort entgehen lassen.
»Wir würden uns eine ganz schöne Verantwortung aufhalsen.« Ich sah meinen Enkel an, der am Rand der Decke hockte und auf der Jagd nach Ameisen mit einem Stock im Kies stocherte. »Was denkst du denn, Lucien?«
»Dass es der schönste Platz auf der ganzen Welt ist«, sagte er.
Am Montagmorgen reichten wir unser Angebot ein, das deutlich unter dem aufgerufenen Kaufpreis lag, als sträubten wir uns unbewusst dagegen, unseren Traum wahr werden zu sehen. »Angebot angenommen«, sagte der Makler, und ich saß mit dem Handy in der Hand auf den Stufen vor unserem Haus – inmitten der Autoabgase, die in der Hitze der Stadt eingeschlossen waren, während über mir ein Flugzeug Richtung Heathrow eindrehte und ein alter Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Kot seines Dackels mit einer blauen Plastiktüte einsammelte – und wurde von einem lächerlichen Gefühl des Verlusts überwältigt. Es ließ sich ja ohnehin nicht mehr rückgängig machen. Als Mark nach Hause kam, riss ich mich ihm zuliebe zusammen, und wir stießen wie Jungvermählte auf die Zukunft an. Dazu legten wir alte Lieblingssongs auf, zu denen Mark seinen peinlichen Daddy-Tanz durch die Küche machte, und betranken uns heillos. Das Cottage verschwand vom Markt, und das Foto, das wir am Besichtigungstag per Selbstauslöser von uns und dem Haus gemacht hatten, stellten wir ins Internet, wo es von unseren Leidensgenossen aus der Vorstadt neidisch kommentiert wurde.
Ich hoffe, ihr macht eine Abschiedsparty, denn eins steht fest: Ihr kommt nie wieder zurück, lautete ein Kommentar.
Wir hefteten das Foto in unserer Küche in London über den Toaster, als Erinnerung an das, was uns erwartete. Es zog mit uns um, bekam einen Rahmen und steht seither auf dem halbrunden Tischchen im Wohnzimmer. Ich schleiche die Treppe hinunter, nähere mich ihm, als würde ich zur Kommunion gehen, und halte es ans Licht wie eine Hostie. Am Anfang war die Quelle.
Eine Woche. Ein Sommer. Eine Nacht. Nur eine Woche hat es gedauert, bis sich alle meine guten Vorsätze zerstreut haben. Ich wollte mich der Einschränkung meiner persönlichen Freiheit standhaft widersetzen, doch nun liege ich Stunde um Stunde faul im Bett herum, gefügig und besiegt. Nur einen Sommer hat es gedauert, bis unser Traum anfing, sich an den Rändern zu kräuseln und zu verfärben wie eine welkende Primel. Nur eine Nacht war nötig, um ein Leben auszulöschen, das voller anderer Leben gesteckt hatte.
Draußen ist eine große Freifläche, in der die Menschen als Orientierungshilfen fehlen. Drinnen sind die Tage wie Sätze ohne Interpunktion. Niemand kommt. Niemand geht. Nichts passiert. Ich habe meine Wärter getauft: Sogleich, Junge und Drei. Ihnen gehört die Gegenwart. Sie zeichnen auf. Überwachen. Unterschreiben. Mir bleiben nur die Vergangenheit und das bleierne Gewicht dessen, was hätte sein können, die Grammatik der condition humaine.
Mir wird immer mehr bewusst, was Hausarrest eigentlich bedeutet. Ich liege da – mein Bettlaken ist mein Totenhemd – und frage mich, wann das Ende kommt. Ich werde nicht schreiben. Musik brandet wie die Flut gegen meinen Verstand. Am Anfang bin ich dauernd auf und ab gelaufen – ich verstehe nun besser, wie es einem Tier in seinem Käfig geht – und habe im Essen herumgestochert, das mir meine Bewacher auf den Tisch gestellt haben. Aber jetzt bleibe ich im Bett. Ich nehme meine Tabletten nicht. Während ich mich von einem Fluss aus Erinnerungen durch die Tage tragen lasse und nur selten am Ufer haltmache, flackert manchmal ein Licht in der Ferne auf und erinnert mich daran, dass ich Vorräte brauche, um am Leben zu bleiben, doch die gibt es viel zu weit landeinwärts, also stoße ich mich wieder ab und lasse mich erneut von der Strömung der Vergangenheit davontragen.
Gestern habe ich eine Ausgabe der örtlichen Zeitung entdeckt, die einer der Wärter weggeworfen hat. Willkommen zu Hause, Anbeterin der Quelle! Daneben war ein Foto von mehreren Frauen abgebildet, die mit Rosen in der Hand entlang der Lenford Road Spalier standen, während ein weißer Gefängnistransporter vorbeifuhr. Ich mustere ihre Gesichter, erkenne jedoch keine der Schwestern unter ihnen. Wir hatten ein Jahr hier gewohnt, als es die Quelle zum ersten Mal in die Schlagzeilen schaffte. Unser erstes Jahr, meine blauen Hügel, ein erinnerter Sommer.
Wir verkauften unser Haus in London ohne jede Mühe. Es glitt uns regelrecht unter den Fingern weg und ging an ein Pärchen, das genauso eifrig Zukunftspläne schmiedete wie wir, nur dass es halb so alt war. Weihnachten verbrachten wir noch ein letztes Mal im alten Haus, zusammen mit Angie, die, wie es so schön heißt, vorübergehend ihr mentales Gleichgewicht wiedergefunden hatte – falls man es so nennen kann, wenn jemand immer wieder in seine alte Rolle verfällt. Wir schenkten Lucien ein blaues Fahrrad und sagten ihm, dass wir es mit zur Quelle nehmen würden, damit er dort darauf fahren konnte, wenn er uns besuchen kam. Wahrscheinlich rostet es in der Scheune vor sich hin, es sei denn, die Polizei hat es im Rahmen ihrer Ermittlungen konfisziert. Das letzte Weihnachten in London, dann der letzte Schultag, der letzte Arbeitstag. All die anderen albernen letzten Male: der letzte Lesezirkel, der letzte Abend zu Hause mit indischem Takeaway-Essen vom Balti House, und hinterher die Zweiundzwanziguhrnachrichten im Wohnzimmer, das so lange Zeit und für so vieles unsere Kulisse gebildet hatte; der letzte Abend mit meinen Freundinnen im George and Dragon, wo wir uns betranken und Tränen lachten (was sollte ich nur ohne meine Mädels tun, die während der ganzen schweren Zeit unbeirrt zu mir gehalten hatten?). Die letzte ans Garagentor gesprayte Schweinerei, die letzten Schlagzeilen in der lokalen Presse, die letzten schiefen Blicke an der Supermarktkasse. Es hatte alles Vor- und Nachteile.
Während wir uns beim Packen für den Umzug durchs Haus arbeiteten, sortierten wir die letzten zwanzig Jahre aus. Zunächst die Bücher: Marks ungeliebte juristische Fachbücher; Romane, die mir brandaktuell erschienen waren, als ich sie im Unterricht durchgenommen hatte, und die nun veraltet und farblos wirkten; Reiseführer für Orte, die wir im Laufe der Jahre bereist hatten: Marokko mit Angie in der Babytrage, Granada mit Angie im Kinderwagen, die Normandie mit Angie im Fahrradkindersitz, Rom ohne Angie. Wir besaßen Bücher darüber, wie man Kinder adoptiert – was wir nie getan hatten –, darüber, wie man schwierige Kinder richtig erzieht – was wir nie geschafft hatten –, und darüber, wie man verheiratet bleibt, was uns – warum auch immer – bislang gelungen war. Das Buch mit den Ehetipps zeigte ich Mark, der gerade mit einem Bodyboard und einem mottenzerfressenen Schlafsack vom Dachboden kam.
»Sollen wir das noch behalten?«, fragte ich lachend.
»Wir haben es trotz aller Schwierigkeiten – und die gab es weiß Gott – bis hierher geschafft«, antwortete er. »Wirf es weg.«
Als Jugendliche hatte ich in den Ferien manchmal in einem Hotel gekellnert, und dort waren mir immer sofort die Paare aufgefallen, die es endlich einmal geschafft hatten, pünktlich Feierabend zu machen, einen Babysitter zu organisieren, das Geld für einen teuren Restaurantbesuch zusammenzukratzen und einen Tisch zu reservieren. Meist hatten sie an einem der Zweiertische mit Panoramablick gesessen und nicht gewusst, wie sie zusammen den Abend durchstehen sollten, nachdem sich jeder einzeln durch die Mühen des Tages gekämpft hatte. Ihre Hände hatten sich auf der weißen Tischdecke berührt und nach der Bestätigung gesucht, dass sie sich immer noch liebten. Tja, dachte ich, während ich die Umzugskisten zuklebte und die schwarzen Mülltüten hinausbrachte: Auch wir haben eine Reservierung gemacht.
Wir zogen am ersten April um, dem grausamsten Monat, wie es bei T.S. Eliot heißt. Angie und Lucien wollten an unserem letzten Morgen in London vorbeikommen, um uns zu verabschieden.
Ich blickte aufs Handy.
»Sie kommt nicht. Nie kann man sich auf sie verlassen. Steig ein, wir müssen los.« Mark saß bereits auf dem Fahrersitz und trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, während sich in den Umzugswagen die Kartons stapelten und ich wie eine Puppe vor meinem leeren Puppenhaus stand.
»Noch zwei Minuten?«, flehte ich.
Als ich und die Kartons davongefahren wurden, reckte ich den Hals, aber es war immer noch nichts von Angie zu sehen. Die Straße war leer wie eine Tafel, von der gerade jemand unsere Geschichte gewischt hatte.
Nachdem an diesem Abend die Möbelpacker gegangen waren und wir alles erledigt hatten, was wir am ersten Tag in unserem neuen Heim erledigen konnten, überreichte mir Mark zwei Geschenke: Das erste war der gläserne Fischreiher, der mir schon damals unglaublich zerbrechlich erschien mit seinem Eispickel-Schnabel und seinem Hals, der an einen kursiv gedruckten Buchstaben erinnerte; das zweite war eine Flasche Jahrgangschampagner, den wir vor einiger Zeit in London geschenkt bekommen hatten und bis zu unserer Silberhochzeit hatten aufheben wollen.
»Ist das nicht ein bisschen verfrüht? Wir haben letzten Monat gerade mal die zweiundzwanzig geschafft«, lachte ich.
»Na und? Einen besseren Anlass zum Feiern als heute werden wir so bald nicht wieder haben.«
Ich wischte meine Hände an meinem Pullover ab. »Aber so eine Flasche Schaumwein ist heutzutage ein Vermögen wert. Außerdem bin ich nicht gerade dem Anlass entsprechend gekleidet.«
»Du hast keine Ahnung, wie wundervoll dein Hintern in dieser staubigen Leggings aussieht, vom speziellen Charme deiner zerzausten Haare ganz zu schweigen«, gab er zurück und förderte zwei Biergläser aus einer Umzugskiste zutage.
»Das Gleiche kann ich über deinen verwegenen Dreitagebart sagen.« Für mich sah er in diesem Moment umwerfend aus in Jeans und dreckigem Sweatshirt. Den Bürohengst hatte er ein für alle Mal zusammen mit seinen engsitzenden Anzügen im Wohltätigkeitsladen abgegeben.
»Komm mit nach draußen!«, rief er.
Sie hatte keine SMS geschrieben. Ich legte das Handy weg, bevor Mark mich damit erwischte.
Er stellte die Gläser auf zwei Zaunpfählen unter der Eiche ab und ließ den Korken knallen, was die Lämmer den kalten Hang hinaufflüchten ließ.
»Auf uns!«, sagte Mark.
»Und auf die Quelle!«
Es war kalt draußen, deshalb tranken wir den Rest der Flasche im Bett, wie wir es in der ersten Phase der Verliebtheit oft getan hatten, und plötzlich fühlte sich alles richtig an. Ich glaubte zum ersten Mal wirklich, dass wir das Schlimmste hinter uns hatten und dass die Zukunft so grün und blau und verheißungsvoll schillerte wie mein Bildschirmschoner. Glücklich umarmte ich meinen wiedergewonnenen, wiederbelebten Mann, meinen Ehemann, meinen Mark.
Sie haben keine neuen Nachrichten, sagte das Handy.