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Erst wenn zwei Welten zusammenfinden, die sich niemals begegnen sollten, kann ein uralter Fluch gebrochen werden. Alle vier Jahre steht der unerbittliche Winter bevor. Er bringt Kälte, Hunger und lange Nächte. In der Dunkelheit des Waldes leben Kreaturen, die jedes Lebewesen vernichten, das ihnen zu nahekommt. Als Flammenwächterin soll Enny ihr Dorf vor diesen Monstern schützen. Doch als Frau muss sie sich unter den Wächtern zunächst behaupten. Freiwillig meldet sie sich für eine Reise durch den Schattenwald, wo sie auf schreckliche Weise mit ihrer tiefsten Furcht konfrontiert wird, der Angst vor der Dunkelheit. Ausgerechnet die Jäger des verfluchten Nachtvolkes unterstützen sie bei der Aufgabe, ihr Dorf auf den harten Winter vorzubereiten. Als sie sich mehr und mehr zu einem von ihnen hingezogen fühlt, beginnt sie ihre Ansichten zu hinterfragen. Sie kommt dem Fluch, der ihre Heimat beherrscht, immer näher und muss erkennen, dass er schrecklicher ist, als sie es jemals geahnt hätte. Nur wenn sie es schafft der Dunkelheit furchtlos in ihre Augen zu blicken wird sie ihn brechen können.
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Seitenzahl: 502
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Über die Autorin
Lisa Falkenberg begeisterte sich schon als Kind für Geschichten in Form von Filmen, Serien, Videospielen und vor allem von Büchern. Mit dem Schreiben begann sie im Schulunterricht auf einem Collegeblock, mittlerweile kritzelt sie ihre Geschichten lieber in Notizbücher und tippt sie digital ab. Aus einem kleinen Hobby ist eine ihrer größten Leidenschaften geworden und sie kann sich nichts Besseres vorstellen, als fantastische Welten zu erschaffen und deren Geschichten zu erzählen.
WREADERS E-Book
Band 254
Dieser Titel ist auch als Taschenbuch erschienen
Vollständige E-Book Ausgabe
Copyright © 2025 by Wreaders Verlag, Sassenberg
Verlagsleitung: Lena Weinert
Umschlaggestaltung: Jasmin Kreilmann
Lektorat: Sarah Maier, Angelika Gmeiner
Satz: Ryvie Fux
www.wreaders.de
Für jeden, der in der Dunkelheit nach den Sternen sucht.
Kapitel 1
Blutrote Blätter lösten sich von den Ästen, wirbelten in Spiralen durch die Luft und legten sich auf den Waldboden nieder. Für einen Herbsttag war die Brise ungewöhnlich warm und die Sonne zeigte sich ein letztes Mal, bevor die Kälte endgültig die Welt einnehmen würde. Einige Vögel hüpften von Ast zu Ast und erfüllten den sterbenden Wald mit Leben.
Doch dieser schöne Tag konnte für Enny tödlich enden, wenn sie nicht schnell nach Hause zurückkehrte. Denn der Schattenwald, der ihr Heimatdorf Lysdal umgab, war in der Nacht einer der gefährlichsten Orte der Welt. Sobald der letzte Sonnenstrahl den Himmel verließ und die Dämmerung den Sternen wich, würde Enny keine weitere Stunde mehr überleben.
Das rote Laubmeer knirschte unter Ennys Sohlen, als sie um ihr Pferd Sola herumging. Mit zitternden Fingern strich sie durch das kurze, braune Fell. Sie tastete das Gelenk am vierten Bein ab und untersuchte anschließend den Huf. In der Mitte steckte ein Stein. Das schien der Grund zu sein, warum Sola nicht mehr traben wollte.
Seufzend ließ Enny den Huf aus ihrer Hand gleiten. Die letzten drei Tage waren sie durchgeritten. Jeden Sonnenstrahl hatten sie ausgenutzt, um die sicheren Mauern zu erreichen, die ihre Nachbardörfer umgaben. Auf dem letzten Stück ihrer Reise musste Sola sich den Stein eingetreten haben. Das konnte sie nun beide das Leben kosten.
»Was ist passiert, Enny?« Hinter ihr erklang Eriks Stimme. Er war ihr Genosse bei der Flammenwache, mit dem sie seit drei Tagen reiste, um in einem Dorf auf der anderen Seite des Schattenwalds dringend benötigte Wolle und Felle zu besorgen. Denn die Vorbereitungen auf den langen Winter hatten begonnen.
Enny wandte sich Erik zu, der von seinem Pferd aus auf sie herabschaute. »Sola hat sich einen Stein eingetreten und trabt nicht mehr.«
Eriks Augen weiteten sich. »Ist das dein Ernst? Wir müssen weiter, bald geht die Sonne unter.«
Tatsächlich ließ sich die Sonne zwischen den Ästen nicht mehr blicken. An den orangen Wolken, die sich über den Himmel erstreckten, war deutlich zu erkennen, dass der Tag bald der Nacht weichen würde. In weniger als einer Stunde würde im Schattenwald absolute Finsternis herrschen und mit der Dunkelheit würde der Tod kommen. Niemand, der auf der Insel der langen Nacht lebte, verließ während der Dunkelheit freiwillig das Haus. Enny war da keine Ausnahme. Sie wusste, dass der Tod im Norden leuchtend grüne Augen besaß.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Erik und schaute den Weg hinab, der sich zwischen den riesigen Bäumen hindurch schlängelte.
Enny stellte sich vor Sola und streichelte ihre Stirn. Für die folgenden Worte brauchte sie mehr Kraft und Mut, als sie besaß. Bereits halb in der Furcht versunken, die ihren Körper ganz für sich einzunehmen drohte, stieß sie gepresst heraus: »Reite vor!«
Entsetzen stand in Eriks Gesicht geschrieben. »Verlangst du von mir, dich allein zurückzulassen? Ich kann dich mitnehmen.«
Enny ließ den Blick über den Hengst mit den grauen Haaren um die Nüstern schweifen, dessen Rippen sich unter dem Sattel abzeichneten. »Dein Pferd wird uns beide nicht tragen. Ein paar Schritte und es bricht zusammen. Außerdem lasse ich Sola nicht allein zurück.«
»Was willst du dann machen?« Nervös schaute Erik zwischen dem Weg vor sich und Enny hin und her.
Keinen Augenblick glaubte sie, dass seine Besorgnis ihr galt. Auch wenn er sie häufig auf Reisen begleitete, mochten sie sich kaum. Auf Reisen hielten sich beide zurück und redeten nur über das Nötigste.
Doch in Lysdal benahmen sich Erik und seine Freunde wie die größten Vollidioten, die etwas gegen Frauen in der Flammenwache hatten. Doch so sehr Enny Erik auch verabscheute, sie konnte ihn nicht dazu zwingen, zu bleiben und sich der Dunkelheit zu stellen.
»Sola kann gerade nicht richtig laufen. Ich versuche so schnell wie möglich nachzukommen«, sagte Enny und griff mit zitternden Fingern nach Solas Zügel. Problemlos ließ sich die Stute führen. Bis zum Sonnenuntergang würden sie es niemals nach Lysdal schaffen. Nur im Galopp hätten sie Lysdal pünktlich erreichen können, jetzt würde sie laufen müssen und damit zwei Stunden länger brauchen. Die Dunkelheit würde sie einholen und mit ihr kamen die Udyr, die Monster des Schattenwalds. Mit etwas Glück entdeckten die Udyr sie bis Lysdal nicht. Wenn doch, würden Sola und Enny im Schattenwald sterben.
Erik setzte sich mit seinem Hengst in Bewegung und trottete neben ihr her. »Laufen? Das schaffst du nicht rechtzeitig. Dir muss doch selbst aufgefallen sein, dass es immer dunkler wird.«
Für einen Moment kniff Enny die Augen zu. Warum hatte er plötzlich ein Gewissen? Weil es diesmal um Leben und Tod ging? »Mir ist klar, dass ich es nicht vor der Nacht schaffe in Lysdal zu sein. Aber du kannst es schaffen, also bring dich in Sicherheit.«
»Kannst du Sola nicht einfach vorwärts zwingen? « Sein neu aufkommendes Gewissen galt wohl nur ihr.
Alle Muskeln in Ennys Körper spannten sich an. »Soll ich riskieren, dass sie umknickt und sich das Bein bricht? «
»Ist es dir lieber, hier draußen zu sterben? «
Natürlich wollte Enny nicht hier draußen sterben. Alles in ihr wollte davonrennen, sich irgendwo verstecken und sich in Sicherheit wissen. Aber es bestand immer noch die geringe Chance, dass die Udyr sie hier draußen nicht finden würden. Das zumindest versuchte sie sich einzureden.
»Aber –«
»Erik, reite los, sonst schaffst du es auch nicht mehr.« Es fiel ihr schwer, ihn zu unterbrechen. Alles in ihr flehte darum, auf sein Pferd zu steigen und das Risiko einzugehen, dass das arme Tier zusammenbrach. Vielleicht unterschätzte sie es nur.
Doch Erik wirkte sichtlich erleichtert und ließ ihr keine Zeit, ihre Entscheidung zu überdenken. Er nickte ihr knapp zu und preschte davon. Kurze Zeit später verschwanden seine blonden Haare zwischen den Bäumen. Er würde nicht mehr zurückkommen.
Sola schnaubte und stupste mit ihrer Schnauze Ennys Schultern an.
»Dann wollen wir mal«, murmelte Enny und versuchte nicht mehr an die aufkommende Angst in ihr zu denken. Irgendwie würden sie beide das hier überleben.
Eine ganze Weile lief Enny in Richtung Lysdal, dicht gefolgt von Sola. Dabei konzentrierte sie sich auf den steinigen Weg vor ihr. Überall ragten größere Steine aus dem Boden, die den Untergrund uneben machten. Dank der feuchten Blätter war der Weg zudem noch glitschig. Die Dämmerung legte sich langsam über den Wald und die Gesänge der Vögel, die noch nicht in den wärmeren Süden gezogen waren, verstummten mehr und mehr. Nur der Wind rüttelte noch an den knochigen Ästen und trug die Herbstblätter bis zum Waldboden hinab.
Mian, der Größere der beiden Monde, leuchtete bereits als dicke Sichel am Himmel. Die wenigen Wolken hatten eine purpurrote Farbe angenommen und hoben sich vom dunkelblauen Himmel ab.
Ennys Schritte wurden schneller, während sie Solas Zügel fester umklammerte. Doch die Stute machte keine Anstalten, sich zu beeilen.
»Wenn du nur wüsstest, wie gefährlich es hier in der Nacht ist«, murmelte Enny vor sich hin.
Zu ihrer Überraschung wurden Solas Schritte schneller. Doch auch wenn sie zügiger liefen, konnte Enny sich nicht entspannen. Im Gegenteil. Vor einer halben Stunde war sie noch mutig genug gewesen, um allein durch den Wald zu laufen, jetzt aber bildete sich Panik in ihrer Brust.
Enny nahm einen tiefen Atemzug und versuchte ihre angespannten Nerven zu beruhigen. Sie legte noch mal an Tempo zu und marschierte den Weg entlang. Doch diesmal fiel Sola zurück und zog an ihren Zügeln.
»Komm schon, Sola. Willst du sterben? Ich verstehe, dass du Schmerzen hast, aber bitte geh einen Schritt schneller.« Die Stute versuchte zügiger zu laufen und schloss zu ihr auf, als hätte sie Enny verstanden.
Ein weiteres Mal schaute Enny in den Himmel. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages tränkten den Himmel in ein tiefes Blau. Im Schatten der Bäume schlich sich bereits die Nacht an.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Udyr aus ihren Verstecken gekrochen kamen und Ennys Witterung aufnehmen würden. Sobald dies geschah, hätte sie keine Chance mehr. Diese Monster waren schneller als ein Mensch. Sola hingegen könnte ihnen entkommen, wenn sie traben würde.
Zum hundertsten Mal ließ Enny ihren Blick über den Wald streifen. Immer auf der Suche nach den grün leuchtenden Augen, die ihr seit ihrer Kindheit aus jeder dunklen Ecke folgten. Nur würden sie diesmal echt sein.
Sie griff nach ihrer Halskette und zog den Sonnenanhänger mit den wellenförmigen Strahlen heraus. Diese Kette hatte sie als kleines Kind von der Druidin ihres Dorfes geschenkt bekommen. Jetzt schlossen sich ihre zitternden Finger um das warme Silber, auf der Suche nach Halt in der aufkommenden Panik.
Mit jedem Schritt, den Enny machte, wurde es dunkler um sie herum. Die Schatten wurden immer dicker und verschluckten den Wald mit jeder Sekunde mehr. Dann verabschiedeten sich die letzten Sonnenstrahlen und nur ein Feld mit funkelnden Sternen blieb am Himmel zurück. Enny fiel es deutlich schwerer, etwas zu erkennen. Ihren Weg konnte sie nur noch erahnen. Fahrig schaute sie sich um, ließ den Blick durch die Dunkelheit gleiten, während ihre Schritte schneller wurden und Sola mehr an ihren Zügeln zog.
Dann entdeckte sie zu ihrer Linken ein schwaches Leuchten zwischen den schwarzen Baumstämmen. Im ersten Moment zuckte sie zusammen und machte sich gefasst, in zwei grün leuchtende Augen zu blicken. Doch im zweiten erkannte sie, dass ein einzelner, goldfarbener Punkt in hüpfenden Bewegungen durch den Wald flog. Als er sich ihr näherte, wurden die zarten, libellenartigen Flügel und der runde leuchtende Körper von Lumi deutlicher, einem kleinen Wesen, dem sie zum ersten Mal begegnete, als sie sich mit acht Jahren im Wald verlief.
Sonst grüßte Lumi sie, indem es um sie herumwirbelte, diesmal schwirrte es nur aufgeregt vor ihrem Gesicht herum. Enny ließ den Anhänger los und bot Lumi die Handfläche an.
»Lumi, was machst du hier?« Mit dem kleinen Wesen auf der einen Hand und Solas Zügeln in der anderen, lief sie weiter den Weg entlang.
Wild fuchtelte Lumi mit den Ärmchen herum und deutete immer wieder auf den Weg. Mit sanften piepsigen Lauten versuchte es ihr etwas zu sagen.
In jeder anderen Situation hätte Enny vermutlich gelacht. Jetzt bereitete es ihr eine eisige Gänsehaut, die ihren Rücken hinunterkroch. Falls dieses kleine Wesen verstand, in was für einer Lage sie sich befand, dann konnte es nichts Gutes zu bedeuten.
»Es ist Nacht und ich bin nicht in Lysdal, das weiß ich«, versuchte sie mit ruhiger Stimme zu sagen, doch die Angst legte sich um ihre Lunge.
Das kleine Wesen beugte sich vor, klammerte sich mit seinen Ärmchen an ihren Daumen und schaute zu Sola hinüber. Dann lehnte es sich zurück und versuchte, ihr wieder etwas mitzuteilen.
Als Enny nicht reagierte, hüpfte es von ihrer Hand und fing sich mit den Flügeln auf. Es schwirrte zu Ennys Jacke, zog an dem dicken Stoff und versuchte sie den Weg entlang hinter sich her zu zerren.
Es war zwecklos, das merkte Lumi selbst, ließ die Jacke wieder los und flog zu Sola hinüber. Es drehte ein paar Runden um ihren Kopf und griff dann nach ihren Zügeln. Wie ein Matrose, der ein zu großes Tau über seine Schulter warf, um ein ganzes Schiff an Land zu ziehen, versuchte Lumi Sola hinter sich her zu schleppen.
Plötzlich zuckte Lumi zusammen und ließ Solas Zügel fallen. Es flog über ihre Köpfe und schaute zwischen den Bäumen hindurch.
Dann hörte Enny es auch.
Das Laub knirschte nicht nur unter Solas Hufen und ihren Schuhen, sondern auch unter dem Gewicht von etwas anderem. Sie blieb stehen und schaute mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Schmerzhaft zog sich ihr Herz zusammen, als sie den Blick durch die Nacht wandern ließ. Die alten Narben an ihren Armen fingen an zu jucken.
Es waren keine grünleuchtenden Augen, die sie entdeckte, sondern die dunkle Silhouette eines Mannes, der schwach von Lumi beschienen wurde. Nur wenige Schritte vor ihr blieb er stehen. Er war einen ganzen Kopf größer als sie und schien sie von oben herab zu betrachten.
Mit schnell zuckenden Flügeln flog Lumi auf ihn zu, umkreiste ihn, bis es sich auf die Schulter des Mannes stellte und damit sein Gesicht beschien.
Das Licht betonte seine markanten Kieferknochen und den langen Hals, über den sich eine große Narbe zog. Vereinzelt hatten sich schwarze Locken aus einem Zopf gelöst, die ihm ins Gesicht fielen. Der Rest lag in tiefen dunklen Schatten verborgen. Nur in seinen Augen spiegelte sich Lumis warmes Licht wider. Es waren vollständig schwarze Augen mit einer weißen Iris, die sich abzeichnete wie der sichelförmige Mond am Himmel.
Kapitel 2
Wie eine Raubkatze, die auf ihre Beute lauerte, stand er dort und fixierte Enny mit seinen silbrigen Iriden. Wären sie nicht von Schwärze umgeben, könnte man sie als schön bezeichnen. Der Drang wegzulaufen wurde von Augenblick zu Augenblick größer, bis Lumi ihren Blickkontakt unterbrach.
Das kleine Wesen flog vor das Gesicht des Mannes, während es wild mit den Händen gestikulierte und immer wieder auf Enny deutete. Die piepsigen Laute, die es von sich gab, ergaben keinen Sinn. Trotzdem folgte der Mann seinen Bewegungen aufmerksam, als würde er Lumi genau verstehen.
»Lumi will, dass ich dir helfe und dich nach Lysdal bringe«, sagte der Mann mit tiefer Stimme, die zum einen warm und freundlich und zum anderen unendlich gelangweilt klang.
In Lysdal kursierten viele Geschichten über die Jäger des Nachtvolks. Der Fluch, der sie zwang, tagsüber in ihren Häusern zu bleiben, schützte sie zugleich vor den Udyr, was die Jäger ausnutzten. Denn sie jagten die Udyr und schützten die Dörfer des Tagvolks auf der Insel der langen Nacht, aber nur gegen Bezahlung. Seine Hilfe konnte Enny etwas kosten und wer wusste schon was.
»Du brauchst mir nicht zu helfen.«
Lumi erstarrte und schaute Enny mit riesigen Augen an.
Der Fremde lachte. »Kannst du allein einen Udyr töten?«
Das konnte Enny nicht. Mit dem Bogen auf dem Rücken und dem Schwert an ihrem Gurt konnte sie zwar umgehen, aber das brachte ihr nachts im Schattenwald kaum etwas. Im Gegensatz zu einem aus dem Nachtvolk, konnte sie in der Dunkelheit kaum etwas sehen.
»Du kannst es verstehen?«, fragte Enny, um seiner Frage auszuweichen, und deutete mit dem Kinn auf Lumi.
»Nicht wörtlich. Mich interessiert mehr, wieso es dich kennt«, sagte der Fremde und machte einen Schritt auf Enny zu.
Überrascht wich Enny zurück und stieß gegen Sola. Ihre Finger schlossen sich fester um die Zügel der Stute.
»Wir sind uns schon einmal begegnet«, sagte Enny schnell. »Also Lumi und ich.«
»Wann?«, fragte er knapp.
Der Fremde kam noch einen Schritt näher. Diesmal konnte Enny nicht ausweichen, denn Sola schmiegte sich bereits an ihren Rücken. Nun trennten sie nur drei Schritte und ein kleines leuchtendes Wesen.
»Vor vielen Jahren im Wald, seitdem besucht es mich regelmäßig.«
Der Fremde lachte kurz auf. »Lumi, du hältst dich nie an die Regel, oder?«
»Regeln?«, fragte Enny, doch der Fremde ging nicht darauf ein.
Stattdessen sprach Lumi in piepsigen Lauten mit ihm und beleuchtete dabei sein ganzes Gesicht.
Enny zog scharf die Luft ein und musste sich zusammenreißen, um Sola nicht wegzudrängen.
Die schwarzen Augen waren in ihrem ganzen Ausmaß zu erkennen. Die Schwärze darin war so dunkel wie der Wald um sie herum. Wie flüssiges Silber waberte seine Iris, als sein Blick wieder auf sie fiel.
Der Fremde bemerkte ihr Starren und einer seiner Mundwinkel zuckte. »Hast du noch nie ein Kind der Nacht gesehen?« Kinder der Nacht. So nannten sie sich also.
Enny schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie war nie dabei gewesen, wenn jemand aus dem Nachtvolk Lysdal besuchte. Bevor sie Teil der Flammenwache geworden war, verbrachte sie die Nächte immer in ihrem Haus. Sie wagte es nicht, im Dunkeln durch Lysdal zu laufen, obwohl die Mauern sie schützten. Als frisch ausgebildete Flammenwächterin hatte sich das geändert. Nun musste sie auf der Mauer Wache halten, damit die Feuerkörbe die ganze Nacht brannten und die Udyr fernhielten. Allerdings wurden ihr nur selten Schichten zugeteilt, sie war noch bei keiner Schlacht dabei gewesen und noch nie hatte sie mit dem Nachtvolk arbeiten müssen.
»Habt ihr alle …?«, setzte sie an und brachte den Satz nicht zu Ende.
Er schien zu wissen, was sie meinte, denn er nickte. »Ja, wir haben alle solche Augen.«
Der Fremde ließ Lumi erst auf seiner Hand landen, dann setzte er das Wesen auf seine rechte Schulter. Das kleine Tierchen schloss seine Arme um den Kragen der schwarzen, ledernen Jacke, als hätte es das schon tausende Male gemacht.
Zahlreiche Ringe, die in vier schmalen Zöpfen hinter seinem rechten Ohr eingeflochten waren, glänzten nun in Lumis Licht. Die Tradition um die Schmuckstücke stammte aus einer Zeit in denen die nordischen Völker in umherziehenden Stämmen gelebt hatten, bevor sie sich angesiedelt und Dörfer oder kleine Städte gründet hatten, lange bevor es die Udyr und den Fluch gab. Diese Tradition war in allen Dörfern geblieben, auch im Nachtvolk. Die Ringe unterschieden sich je nach Dorf. Doch jeder Einzelne stand für eine ehrenvolle Tat, die vom Druiden als solche ausgezeichnet wurde. Die meisten trugen sie in schmalen Zöpfen eingeflochten in ihren Haaren, manche Männer auch in ihren Bärten.
Dieser Jäger hatte dutzende. Enny erkannte einige aus Lysdal, aber bei den meisten handelte es sich um die schmalen, silbernen Ringe des Nachtvolks. Noch nie hatte Enny sie an jemanden gesehen, aber sie waren bekannt für die dünnen, schimmernden Ringe, die nicht verbogen oder brachen. Es war nicht unüblich bei den Jägern, dass sie viele unterschiedliche Ringe trugen. Es handelte sich um eine Auszeichnung für ihren Mut im Kampf.
»Warum bist du hier?«, fragte der Fremde plötzlich.
»Ich wollte wissen, wie es ist allein in der Nacht durch den Wald zu spazieren«, sagte Enny mit ironischem Unterton. Nachdem sie es ausgesprochen hatte, bereute sie es auch schon.
Der Fremde schaute sie eindringlich an, dann sagte er amüsiert: »Dann kann ich dich mit deinen selbstmörderischen Trieben allein lassen.« Daraufhin wollte er sich abwenden und wieder im Wald verschwinden.
»Warte!«, schoss es aus Enny heraus und sie machte zwei Schritte auf ihn zu.
Der Fremde blieb stehen und schaute über seine Schulter.
»Sola«, Enny deutete auf die Stute, »sie kann nicht mehr traben.«
Für einen Moment schaute der Fremde Enny abschätzig an. Schließlich betrachtete er Sola. »Was ist mit ihr?«
»Sie hat sich einen Stein in den Huf getrieben.«
Der Fremde kam auf Enny zu, blieb aber nicht vor ihr, sondern vor Sola stehen. Er hielt der Stute seine Hand hin, die sie ausführlich beschnupperte, dann tätschelte er ihr die Nüstern und kraulte sie hinterm Ohr, was die Stute nur zu gerne genoss.
Durch die Bäume zog ein Windstoß, der einige Blätter mit sich von den Ästen riss. Während der Fremde um Sola herum ging und sich das Pferd genau anschaute, wurden ihm die welligen Haare um das Gesicht geweht. Es schien ihn kein bisschen zu stören.
»Wie lange seid ihr unterwegs?« Als könnte er es Sola ansehen, trat er an ihr Hinterbein und tippte an ihre Fessel, bis Sola ihm ihren Huf zeigte.
»Drei Tage.«
»Die Nächte sind eure einzigen Pausen?«
»Ja, die Tage sind zu kurz.«
Der Fremde nickte und ließ Solas Huf los. »Dann bringen wir euch beide in Sicherheit.« Er ging an Enny vorbei. Der Geruch nach Fichten und dem Wald im Frühling begleitete ihn.
Ein letztes Mal strich Enny über Solas Stirn, dann folgten sie dem Fremden den Weg entlang nach Lysdal.
Nur das Flüstern des Windes war zu hören und die Schritte auf dem trockenen Laub. Der Geruch nach Wald und Erde nahm Ennys Sinne ein. Immer wieder schaute sie sich um. Das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sie nicht los. Mit jedem Schritt breitete sich die Gänsehaut weiter über ihren Rücken aus. Ihre Jacke konnte sie vor dieser inneren Kälte nicht schützen.
Enny ließ Sola zunächst neben sich laufen, doch ihre Nähe beruhigte sie nicht. Im Gegenteil es machte sie verrückt, wenn Sola einen großen Teil des Walds vor Enny abschirmte. Daher ließ sie die Stute dicht hinter sich herlaufen. Ihr Griff um die Zügel wurde fester. »Ich habe das Gefühl, wir werden verfolgt.«
Der Fremde wurde langsamer, bis er neben Enny herlief. »Wir sind momentan nicht in Gefahr. Es ist kein Udyr in der Nähe.«
Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute sie zu ihm auf. »Woher weißt du das?«
»Ich sehe mehr als du. Schon vergessen, wir können in der Dunkelheit sehen. Du hingegen könntest sie hören.«
»Wie das? Ich dachte, sie bewegen sich geräuschlos.«
Mit dem Kinn deutete er auf den Boden. »Auf den Blättern ist niemand geräuschlos.«
Lumi saß weiter auf der Schulter des Fremden, genau zwischen ihnen. Enny fiel schnell auf, dass beide so aufmerksam waren wie sie selbst. Ihre Blicke flogen immer wieder über die Bäume. Noch nie hatte Enny Lumi so ruhig und still erlebt. Wenn es sie sonst besuchte, war Lumi lebendig und quirlig, aber jetzt bewegte das kleine Wesen nur hin und wieder seine zarten Flügelchen.
»Du bist noch nicht vielen Udyr begegnet, oder?« Der Fremde beäugte Enny aus dem Augenwinkel.
»Nein.« Nur einem, aber das musste er nicht wissen.
»Gehörst du zur Flammenwache?«
Enny nickte und schaute dann auf die Steine unter ihren Füßen.
»Dann hast du wirklich Glück, dass du noch keinem begegnet bist«, sagte der Fremde.
Ihr Blick schoss hoch zu ihm. Sie hasste es, wenn das jemand sagte. Das hatte nichts mit Glück zu tun. Dies war allein ihrer Angst und ihrer Unsicherheit zuzuschreiben und der Tatsache, dass sie eine Frau war. Deswegen bekam sie wenige Wachen und nur Aufträge, die am Tag erledigt werden konnten. Niemand traute ihren Fähigkeiten in gefährlichen Situationen. Aber darüber wollte sie nicht mit ihm diskutieren. Um von dem Thema abzulenken, fragte sie: »Wie heißt du?«
Er zögerte einen Moment lang und betrachtete ihr Profil, bevor er sagte: »Dain.«
»Danke, Dain.«
»Wofür?«
»Dass du mich begleitest.«
Seine Mundwinkel zuckten kurz.
Plötzlich erklang ein Knacken, direkt neben ihnen. Enny fuhr herum und sprang zurück, sodass sie mit dem Rücken gegen Dain stieß. Dieser legte ihr eine Hand auf die Schulter, als befürchtete er, sie würde gleich umkippen. Ennys Herz raste wie verrückt. Panisch starrte sie an Sola vorbei in den Wald und wartete darauf, dass grüne Augen zurückblickten.
»Alles gut. Das war kein Udyr.« Dain nahm seine Hand von ihrer Schulter, sobald er sicher war, dass sie nicht umkippen würde.
»Woher weißt du das?«, flüsterte Enny.
»Weil das einer meiner Freunde war. Er passt mit mir auf dich auf.«
»Was für ein Freund? Warum kommt er nicht zu uns?« Irritiert schaute Enny ihn über die Schulter an.
»Ehm …«, fing Dain an und suchte nach passenden Worten. »Er ist kein Mensch. Er ist ein Tier. Ein sehr schüchternes, das lieber im Hintergrund bleibt.«
Enny spähte weiter in die Dunkelheit und versuchte etwas zu erkennen. Doch zwischen den Baumstämmen herrschte absolute Schwärze.
»Ist es das, was uns die ganze Zeit verfolgt?«
»Ja«, sagte der Fremde und klang ein wenig besorgt.
In diesem Moment stürzten tausend Gedanken auf Enny ein. Ihr fiel es schon schwer, dem Fremden zu vertrauen, jetzt musste sie es bei einem Wesen tun, das sich zwischen den Bäumen versteckte. Allerdings hatten beide mehr als nur eine Gelegenheit, ihr etwas anzutun. Zugleich waren sie die einzige Möglichkeit, hier wieder heil herauszukommen.
Schließlich löste Enny sich aus ihrer Starre und setzte sich wieder in Bewegung. Diesmal einen ganzen Schritt schneller.
Dain verließ kein einziges Mal ihre Seite. Er passte sich augenblicklich ihrem Tempo an.
Lumi ließ Dains Kragen los und flatterte zu Enny. Nachdem es ein paar Kreise um sie herumgeflogen war , setzte es sich auf ihre Schulter.
»Geht es dir gut?«, fragte Dain vorsichtig.
»Ja, ich will nur schnell aus diesem Wald raus.«
Damit richtete er seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne. »Es ist nicht mehr weit.«
Enny nickte bloß und versuchte gegen ihre Angst anzukämpfen, die immer noch in ihr wütete. Diese Reise hatte ihre Nerven überstrapaziert und Müdigkeit legte sich über ihren Geist.
»Wie häufig kommt Lumi zu dir?«, fragte Dain aus dem Nichts.
»Warum fragst du?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich frage aus Interesse. Vielleicht auch, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Lumi in Lysdal herumschwirrt.«
»Nein, es kommt meistens, wenn ich eine Schicht an der Mauer habe.« Das kleine Wesen piepste kurz auf, als wollte es zustimmen. Dann wickelte es sich wieder im Kragen ihrer Jacke ein.
»Gehst du sonst nie in den Schattenwald?«
Mit gehobenen Augenbrauen schaute sie ihn an.
»Ich meine am Tag«, schob er schnell hinterher.
»Manchmal gehe ich zum weißen Baum. Sonst verlasse ich Lysdal selten. Nur für Aufträge.«
»Was für Aufträge?«
Warum wollte er das wissen? Was würde ihm diese Information bringen? »Hauptsächlich Handel.«
Er nickte. »Nahrung für den Winter?«
»Zum Beispiel.«
»Bereitet ihr euch schon auf den Winter vor?«, fragte er.
Langsam verstand Enny, was er dort versuchte. Er wollte sie ablenken von der Unsicherheit und Angst, die man ihr vermutlich vom Gesicht ablesen konnte. »Ihr etwa nicht?«
Ein Lächeln huschte über seine Lippen. »Nein, für uns ist das die beste Zeit.«
Es war ironisch, wie es für das Nachtvolk die besten zwei Jahre waren, während die anderen Dörfer von Hunger und Tod geplagt wurden und die Angriffe der Udyr zunahmen.
Doch Enny konnte sie verstehen. Während die Tage für sie kürzer wurden, wurden ihre Nächte länger. Denn sie lebten in der Nacht, die Sonne war ihr Tod. Das war der wirkliche Fluch, ihre Augen waren dabei nur nebensächlich. Sie beide kamen aus zwei Welten, die nicht unterschiedlicher sein konnten.
Schweigend liefen sie weiter, bis plötzlich schwaches Licht durch die Bäume drang. Enny wusste sofort, dass es nur Lysdal sein konnte. Nach ein paar Schritten erkannte sie die ersten Feuerkörbe, die in einer Reihe oben auf der Mauer brannten. Sie wusste, dass an jeder Flamme ein Flammenwächter stand und den Waldrand beobachtete, sowie den Grasstreifen, der den Wald von der Mauer trennte.
Aus dieser Perspektive kam ihr die Mauer größer und bedrohlicher vor. Hoffentlich war es das letzte Mal, dass sie die Granitwand in der Nacht von dieser Seite sehen musste.
»Ab hier musst du allein gehen,« sagte Dain und blieb stehen.
Enny drehte sich zu ihm um und schaute ihn an. Das Licht der Mauer erreichte ihn kaum. Erst erkannte sie nur seine Silhouette, bis Lumi sich von ihr löste und zwischen ihnen schwebte.
Das kleine Tierchen musste im Wald bleiben.
Der Fremde schaute Enny mit seinen schwarzsilbernen Augen direkt an. Keiner von ihnen sagte ein Wort, als könnten sie sich nicht voneinander lösen. Dabei verstand Enny nicht mal, warum sie so empfand.
Dain hob einen Mundwinkel und schenkte ihr ein Lächeln. »Auf Wiedersehen.«
»Verlangst du nichts dafür, dass du mich begleitet hast?«, fragte Enny.
Der Fremde schüttelte den Kopf: »Ich dachte, du brauchst meine Hilfe nicht?«
Nun musste auch Enny lächeln. »Danke, Dain.«
Er machte ein paar Schritte zurück, dann drehte er sich um und verschwand in der Nacht. Woher die Gerüchte über das Nachtvolk in Lysdal stammten, wusste sie nicht. Aber dieser Jäger war kein gnadenloser, berechnender Kerl, der alles für Geld tat.
Lumi drehte zwei Kreise um Enny und zupfte an einer ihrer Haarsträhnen.
»Komm mich bald besuchen, Lumi.«
Es gab ein kleines Piepen von sich, zupfte anschließend zum Abschied auch an Solas Mähne und flog dann Dain hinterher.
Enny hingegen wand sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung. Zurück in ihre Heimat, die ihr zugleich fremd war.
Kapitel 3
Heitere Musik lag über dem Dorfplatz, auf dem die Einwohner von Lysdal seit dem Sonnenuntergang ausgelassen tanzten. Paare jeden Alters drehten sich in einstudierten Schritten um das Feuer in der Mitte. Zwischen ihren Beinen hüpften Kinder umher, die ebenfalls tanzten oder sich gegenseitig über den Platz jagten. Frauen und Männer trugen Kleidung in den buntesten Farben und bildeten ein Regenbogenmeer aus umher wirbelnden Stoffen.
Am Rand des Dorfplatzes stand Enny neben ihrer Schwester und schaute schweigend dem Trubel zu. Vor ein paar Jahren hatte sie es geliebt, zu tanzen und diesen letzten Tag der Sommerzeit zu feiern. Denn ab heute waren die Tage kürzer als die Nächte und der Winter würde über die Insel der langen Nacht einbrechen.
Das Fest des weißen Baums war neben der Sommersonnenwende das größte, das in Lysdal gefeiert wurde. Als Kind war das Ennys Lieblingstag gewesen. Sie durfte im Wald umherwandern und die schönsten Blätter sammeln, die von den Bäumen fielen und den Wald in ein Meer aus braunen, roten und orangen Tupfern verwandelten. Für Erwachsene war der Tag weniger aufregend. Das ganze Dorf war auf den Beinen, wuselte umher, um Tische, Bänke und das große Lagerfeuer in der Mitte des Marktplatzes aufzubauen. Wer nicht mit dem Aufbau beschäftigt war, der bereitete verschiedene Gerichte zu, die zum Ende der Feier zu einem Festmahl zusammengetragen wurden. An die Fassaden der Häuser und des Haupthauses, die um den Marktplatz standen, wurden dann die weißen Äste angebracht, die sich wie ein Spinnennetz über den Köpfen der Einwohner bis zur Mitte des Markts erstreckten. Zum Schluss wurden an den Ästen kleine Laternen und Girlanden aus roten Blättern aufgehängt, die die Kinder gebastelt hatten. Das Zentrum des Platzes und des gesamten Festes bildete ein riesiges Lagerfeuer, von dem aus sich Flammen über Holzscheiten der Nacht entgegen hoben.
Beim letzten Fest des weißen Baums hatte Enny ebenfalls getanzt. Es war eine der wenigen Nächte, in der sie ihre Angst vergaß. Damals mit fünfzehn hatte sie noch nicht gewusst, wie sehr der kommende Winter ihr Leben verändern würde.
Nun war sie eine Flammenwächterin kurz nach der Ausbildung. Als Flammenwächterin würde sie mit den anderen Wächtern das Feuer des flüssigen Lichts zum weißen Baum bringen. Es war das einzige Mal, das die Flammenwächter in der Nacht das Dorf verließen und in den Wald gingen. Noch nie hatten die Udyr in der Nacht des Festes angegriffen. Trotzdem fühlte Enny die Leichtigkeit nicht, die das Fest mit sich brachte. Stattdessen versuchte sie, nicht an die Dunkelheit zu denken, die vor den Toren von Lysdal auf sie wartete.
Die Girlande neben Enny wurde beiseitegeschoben, bevor jemand neben sie trat. Es war Joran, Ennys bester Freund seit ihrer Kindheit, dem die Girlande sofort wieder ins Gesicht fiel, als er sie losließ. Genervt verdrehte Joran die Augen. »Warum müssen diese Dinger nur so tief hängen?«
»Dann hilf das nächste Mal beim Aufhängen mit, dann kannst du selbst bestimmen, wie hoch sie hängen«, witzelte Linnea, Ennys kleine Schwester. Die weißblonden Locken fielen über ihre Schulter, als sie sich zu ihm umdrehte.
Jeder konnte sofort erkennen, dass Linnea und Enny Schwestern waren. Sie hatten beide die blonden Locken und blauen Augen von ihrer Mutter geerbt. Ihre rundlichen Gesichter hatten sie hingegen von ihrem Vater bekommen. Sie unterschieden sich nur im Alter und den leichten Sommersprossen, die auf Ennys Wangen lagen.
»Ich hatte eine Wache.« Joran ließ den Blick wieder über die Feiernden schweifen.
»Das glaube ich dir nicht.« Linnea lachte.
Während die beiden weiter herum alberten, bemerkte Enny wie Joran sie aus den Augenwinkeln betrachtete. Irgendwann stieß er sie mit dem Ellbogen an, wobei ihm der dunkle Fellmantel von der Schulter rutschte. »Warum so angespannt?«
»Du kennst die Antwort«, sagte Enny knapp und beobachtete mit verschränkten Armen das Schauspiel um die große brennende Holzpyramide. Riesige Flammen züngelten am Holz empor und tauchten den gesamten Platz in ein warmes, rotes Licht. Für Enny war es kaum nachvollziehbar, wieso Joran entspannt und freudestrahlend neben ihr stand, wenn man bedachte, was sie diesen Abend zu tun hatten.
»Fast alle Flammenwächter gehen mit. Wir sind viele, uns wird kein Udyr angreifen.«
»Selbst wenn das gesamte Dorf mitgehen würde, habe ich immer noch Angst vor der Dunkelheit.«
Linnea legte Enny ihre Arme um die Taille und schmiegte sich an sie. »Du wirst das Licht des Sonnengottes tragen. Euch kann niemand angreifen.«
Über die Naivität ihrer kleinen Schwester konnte Enny nur schmunzeln. Auf dem Hinweg würde sie das Feuer tragen, aber auf dem Weg zurück nach Lysdal liefen sie in der Finsternis und selbst der Sonnengott konnte ihnen dann nicht helfen. Wenn die Götter wirklich über sie wachten, dann sollten sie besser zu Nachna beten, der Göttin der Nacht.
»Wenn du eine Flammenwächterin wärst, würdest du das anders sehen.«
Mit einem freudigen Lächeln blickte Linnea zu Enny auf: »Darf ich zur Flammenwache?«
Sofort gesellte sich Ennys Magen zu ihren Füßen. »Auf keinen Fall, es ist viel zu gefährlich für dich.«
Aus irgendeinem Grund hatte sich Linnea in den Kopf gesetzt irgendwann eine Flammenwächterin zu werden. Zum Glück hatte sich Enny nach der schweren Verletzung ihres Vaters freiwillig bei der Wache gemeldet, bevor es Linnea tun konnte. Damit würde ihre Familie nach dem Gesetzt einen Flammenwächter zu Verteidigung von Lysdal stellen und ihre kleine Schwester konnte in Sicherheit erwachsen werden, weit weg von allen Udyr.
Plötzlich hörte die Musik auf zu spielen und die Paare unterbrachen ihre Tänze. Aufgeregt drehte sich jeder zum Feuer um, als die Druidin Bjelle hervortrat. In ihrer Hand hielt sie eine Phiole, in der eine leuchtende Flüssigkeit hin und her wogte. Diese Phiole war normalerweise in die vordere Wand des Tempels eingelassen. Der Tempel, der dem Gott der Sonne geweiht war.
Vor vielen Jahrhunderten war der Fluch über den Schattenwald gekommen und ihre Vorfahren hatten den Sonnengott um seine Unterstützung gebeten. Die Antwort auf ihre Gebete war eine Phiole gefüllt mit einer Flüssigkeit gewesen, die so hell leuchtete wie die Sonne am Sommerhimmel. Nur zu zwei Anlässen wurde die Phiole geöffnet und ein Tropfen des flüssigen Sonnenlichts entfernt. Mittlerweile war von der Flüssigkeit weniger als ein Viertel übrig. Irgendwann würde es keinen Tropfen mehr geben. Was dann passieren würde, wusste niemand. Aber das war ein Problem, das viele hundert Jahre in der Zukunft lag.
Bjelle holte eine lange dünne Nadel aus ihrem Ärmel und führte sie in den schmalen Hals der Phiole ein. Ein einziger Tropfen schimmerte auf dem Silber wie ein Stern am Nachthimmel. Alle schwiegen, während sie den Tropfen über die Flammen hielt. Das Zischen der Flüssigkeit war über den gesamten Platz zu hören. Dann explodierte das Licht des Feuers in tausenden Farben. Obwohl es zu grell war, schaute Enny nicht weg. Ein ehrfürchtiges Raunen erfasste die Einwohner.
Das Feuer brannte nicht mehr in den gewöhnlichen roten, orangen und gelben Tönen. Die Flammen waren so durchscheinend wie ein Bergkristall und leuchteten zugleich in einem weißen, kalten Licht. Die Flammenspitzen züngelten in allen erdenklichen Farben. Fasziniert schaute Enny dem ständigen Wechsel des Lichts zu.
Die ersten Flammenwächter traten zwischen den Blattgirlanden hervor und gingen auf die Mitte des Dorfplatzes zu. Widerstrebend musste sie sich von dem fesselnden Anblick lösen.
Enny schaute zu ihrer Schwester hinab, die über beide Ohren strahlte. Sie drückte ihren Ellbogen und löste sich dann von ihr. Wie gerne hätte sie die gleiche Zuversicht besessen wie ihre Schwester.
Mit Joran zusammen lief Enny auf das Feuer zu. Unter den Flammenwächtern wurden Fackeln weitergereicht, bis jeder eine in der Hand hielt. Ennys Finger umklammerten das raue Holz, das ihr heute besonders schwer vorkam. Dabei waren es dieselben Fackeln, die die Flammenwächter zum Anzünden der Feuerkörbe auf der Mauer nutzten.
Die Worte, die Bjelle an alle richtete, nahm Enny kaum wahr, denn ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich allein auf das Farbenspiel vor ihr. Als die Worte erstarben, trat ein Flammenwächter nach dem anderen vor und hielt das obere Ende der Fackel ins weiße Feuer, bis Enny an der Reihe war.
Die Hitze der Flammen schlug ihr entgegen und wärmte ihre Haut. Vorsichtig rückte sie näher an das Feuer, bis die Fackel es berührte. Es dauerte nur einen Augenblick bis auf dem Fackelkopf die ungewöhnlichen Flammen tanzten. Nun trug sie ihr eigenes weißes Licht.
Als Enny vom Feuer wegtrat, schloss ihre Familie zu ihr auf.
Ihr Vater stellte sich auf seine Krücken gestützt auf die eine, ihre Mutter und Schwester auf die andere Seite. Dann verließen sie gemeinsam den Dorfplatz.
Es war Tradition, dass ein Flammenwächter seiner Familie das weiße Licht zu einem kleinen Feuerkorb brachte, der vor seinem Haus aufgestellt worden war. Das Licht sollte als Symbol des Schutzes dienen. Schutz vor den Udyr und dem harten Winter, der auf sie wartete.
Zu gerne hätte Enny Joran gesehen, der seine achtköpfige Familie stolz zu ihrem Haus führte. Es war immer sein Traum gewesen, ein Flammenwächter zu sein.
Enny hingegen fühlte sich unwohl in ihrer Rolle. Wenn ihr Vater sein Bein nicht im letzten Winter verloren hätte, würde er nun die Fackel tragen.
»Darf ich die Fackel auch mal halten?«, fragte ihre Schwester plötzlich.
Dankbar für die Ablenkung wandte Enny sich ihrer Schwester zu. Gerade als sie ihren Mund öffnete, um etwas zu sagen, antwortete ihr Vater: »Nein, das darfst du nicht. Damit erweist du Enny keinen Respekt dafür, dass sie uns beschützt.«
Am liebsten hätte Enny gelacht. Diesen Respekt hatte sie bisher nie gespürt, warum sollte sich das jetzt ändern. Schließlich wurde Enny langsamer und sagte: »Leg deine Hand auf meine.«
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht ihrer kleinen Schwester aus, bevor sie ihre Hand um Ennys Handgelenk legte. So hielten sie gemeinsam die Fackel und führten sie zu ihrem Zuhause.
Ihr Vater grummelte etwas Unverständliches.
»Lass sie, Eldar«, sagte ihre Mutter und hakte sich am freien Arm ihres Mannes unter.
Gemeinsam gingen sie die Straße entlang, die durch die eng beieinander stehenden Häuser hindurch führte, bis sie ihres erreichten.
Neben der Tür hatte Ennys Mutter einen der Feuerkörbe aufgestellt. Schmale Holzscheite waren liebevoll zu einer kleinen Pyramide gestapelt. Um den Feuerkorb herum, lag ein Kranz aus zahlreichen Fichtenzweigen und Distelblüten, den Letzten des Sommers.
Irritiert hob Enny den Blick und schaute ihre Mutter an. Bisher hatte sie den Feuerkorb nie aufwändig geschmückt. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dabei erkannte Enny dieselben Grübchen, die auch ihre Schwester besaß.
»Es ist das erste Mal, dass du uns das Feuer bringst, da wollte ich etwas besonderes machen.«
»Danke.« Dann hielt Enny zusammen mit Linnea die Fackel an das Holz. Es dauerte keine Sekunde, bis vor ihrer Tür das Licht des Sonnengottes brannte.
Kapitel 4
Die Flamme der Fackel zuckte leicht hin und her. Angestrengt versuchte Enny das verräterische Zittern ihrer linken Hand zu unterdrücken. Dabei umklammerte sie den Knauf ihres Schwertes immer fester, bis die Finger ihrer rechten Hand pochten.
Mittlerweile sollten sich alle Flammenwächter von ihren Familien getrennt und vor dem Stadttor im Norden versammelt haben. Der kleine Platz vor dem Tor war erhellt von den tanzenden Flammen. Der Duft nach brennenden Kaminen, der durch die Straßen von Lysdal zog, verstärkte das Gefühl von Geborgenheit und Heimat, doch der Schein war trügerisch. Denn die Nacht war nie wohlig und einladend. Sie war gefährlich und kalt, vor allem außerhalb der Mauern von Lysdal.
»Geht es dir gut?«, flüsterte Joran ihr zu, der sich neben ihr aufgestellt hatte.
Ohne den Blick von den anderen Flammenwächtern abzuwenden, nickte Enny knapp.
»Du siehst nicht so aus.« Joran wechselte die Fackel in seine andere Hand und trat näher an Enny heran.
»Ich will gerade wirklich nicht hier sein«, flüsterte Enny und umklammerte die Fackel noch fester.
Joran lachte kurz auf: »Entspann dich, du bist nicht allein.« Mit seiner freien Hand rieb er Enny sanft über den Rücken.
Sie warf ihm aus dem Augenwinkel einen grimmigen Blick zu.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während der Wind mit den hellbraunen Locken spielte. Wie konnte er so entspannt und amüsiert sein, wenn sie gleich in die Nacht hinaustraten? Hatte er keine Angst vor den Monstern, die in den Schatten auf sie lauern würden?
Plötzlich übertönte das Ächzen von mehreren Ketten die wartenden Stimmen. Das Eisengitter wurde hinter dem offenen Flügeltor hochgezogen. Sobald das Gitter mit einem Krachen anhielt, setzten sich die ersten Flammenwächter in Bewegung und reihten sich in einer Formation auf.
Dann marschierten die ersten Flammenwächter los. Als Enny und Joran an der Reihe waren, zögerte Enny. Die Angst in ihr nahm ihre Sinne vollständig ein und ließ ihre Beine unendlich schwer werden, was es ihr unmöglich machte, einen Schritt nach vorne zu machen.
Jemand stieß sie von hinten an. »Na los Enny. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit für deine Paranoia.« Es war Henry, einer der Flammenwächter, der eng mit Erik befreundet war, der direkt hinter ihr stand.
»Hey, lass das.« Joran legte seinen Arm um Enny und zog sie mit sich. »Oder willst du Erik beim Schrubben Gesellschaft leisten?«
Nachdem Enny vor ein paar Wochen gesund in Lysdal angekommen war und Erik sie allein im Wald zurückgelassen hatte, bestand seine Strafe darin, die gesamte Flammenwache und die Mauern für die nächsten Monate sauber zu halten. Außerdem durfte er die Flammenwächter heute nicht zum weißen Baum begleiten, sondern musste mit den Ältesten zurückbleiben. Eine Strafe, die Joran für viel zu milde hielt, aber Enny nicht weiter störte. Eigentlich hatte sie mit keiner Strafe gerechnet.
Ohne Joran hätte Enny es nicht geschafft, sich zu bewegen. Auch wenn sie rausgehen wollte, um sich ihrer Angst zu stellen, brauchte sie einige Minuten, bis sie mechanisch und steif einen Fuß vor den anderen setzte. Sie fand ihren Rhythmus und lief neben Joran her.
Einige der Bewohner standen um den kleinen Platz vor dem Tor, um sich von ihnen zu verabschieden. Erst entdeckte Enny ihren Vater, der auf seine Krücken gestützt dastand und mit ernster Miene den Flammenwächtern hinterherschaute. Dann fielen ihr ihre Mutter und Linnea auf, als sie Enny entdeckten, lösten sich ihre kritischen Gesichter und mit einem Lächeln auf den Lippen winkten sie ihr zu. Enny zwang sich dazu, den Knauf ihres Schwertes loszulassen und ihnen zurückzuwinken.
Dann verschwand Enny im Tor und verließ zusammen mit mehreren Dutzend Flammenwächter das Dorf.
Hinter dem Stadttor wurde es schlagartig still. Das monotone Gemurmel verstummte und nur die Musik, welche innerhalb der Mauer gespielt wurde, erreichte gedämpft den Wald. Hier draußen befanden sie sich bei Nacht in einer anderen Welt, voller Kälte, Grausamkeit und Tod.
Wie eine leuchtende Karawane zogen die Flammenwächter durch den Wald.
Mit den Dutzenden Flammenwächtern um sie herum, sollte sich Enny sicher fühlen, tat sie aber nicht. Die Anspannung und Furcht vor den Schatten, die hinter den Bäumen lauerten, schnürten ihr die Kehle zu, sodass sie kaum hätte sprechen können, wenn sie denn gewollt hätte.
Ein kurzer Blick zu Joran verriet ihr, dass er seine Seite des Walds im Auge behielt, während Enny aufmerksam ihre Seite beobachtete. Sie war Joran unendlich dankbar, dass er sich nicht mit ihr unterhielt, denn sie hätte ihm nicht zuhören können.
Wie ein Mantra wiederholte sie immer die gleichen Wörter in ihrem Kopf: Hier wird dir nichts passieren. Du bist nicht allein. Du bist sicher.
Dabei fühlte sie sich einsamer als jemals zuvor. Seitdem ihr Vater sein Bein verloren hatte, fühlte sie sich bei der Flammenwache nicht mehr sicher. Vielleicht weil sie seitdem selbst ein Teil von ihr war. Nur mit dem fremden Jäger hatte sie sich halbwegs sicher gefühlt.
Der Weg zum Friedhof und dem Lebensbaum war ihr nie so lang vorgekommen. Es schien, als wollte der Wald nicht, dass sie am weißen Baum ankamen. Dann erkannte sie das erste Steinschild vor einem Baum, auf dem die Namen einer verstorbenen Familie eingraviert waren. Wenn sie schon auf dem Friedhof waren, konnte der weiße Baum nicht mehr weit sein.
Tatsächlich erreichten sie kurz danach den kleinen See, in dessen Mitte sich der Baum auf einer kleinen Insel gen Himmel regte. Im Licht der Fackeln blitzen die silbrigen Blätter auf. Enny musste ihren Kopf in den Nacken legen, um die weißen Äste in ihrer gesamten Pracht sehen zu können.
Die Flammenwächter verteilten sich um den See. Joran befand sich auf Ennys rechter Seite. Nur vier Schritte trennten sie. Auf Ennys linker Seite stand Henry.
Die Flammenwächter hielten die Fackeln vor sich. Nur ihre Gesichter wurden beschienen, sodass es aussah, als würde eine Reihe körperloser Geister um den See schweben.
Jedem einzelnen Gesicht konnte Enny einen Namen zuordnen und jeder kannte sie, das Mädchen, das einem Udyr entkommen war.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, verließ Enny keine einzige Sekunde lang. Jetzt, wo sie dem Wald den Rücken kehrte, brodelte die Furcht in ihr wie kochendes Wasser. Bisher hatten die Udyr das Ritual am weißen Baum nie gestört. Wahrscheinlich fürchteten sie sich von den Flammen des Sonnengottes mehr als vor normalem Feuer. Trotzdem prickelte es in Ennys Nacken.
Die Druidin fing an, etwas vor sich hin zu murmeln. In einem bekannten, wenn auch für Enny unverständlichen Singsang, löste sich die Druidin aus der Reihe und lief in quälend langsamen Schritten hinter den Flammenwächtern um den See.
Plötzlich bemerkte Enny etwas Kühles an ihrem rechten Fußknöchel. Erschrocken zuckte sie zusammen und schaute an sich herab. Ihr rechter Stiefel versank im schwarzen Schlamm des Ufers. Eiskaltes Wasser lief in ihren Schuh hinein und benetzte ihren Strumpf.
Vorsichtig versuchte sie, ihren Stiefel herauszuheben. Ein lautes Schmatzen durchriss die Stille des Walds. Joran warf ihr mit zusammengezogenen Augenbrauen einen Blick zu, woraufhin Enny sich auf die Unterlippe biss und ihren Fuß im Schlamm stecken ließ.
Sie hatte keine Ahnung, ob sie das Ritual stören würde, wenn sie sich jetzt bewegte. Oder dafür sorgte, dass die Stille durchbrochen wurde. Daher versuchte sie, die Kälte und das klebrige Gefühl an ihrem Fuß zu ignorieren.
Aufmerksam beobachtete Enny die Druidin, die bereits einen Großteil ihrer Runde hinter sich gebracht hatte. Als sie endlich bei Askjell ankam und sich wieder neben ihn stellte, wurde ihr Gesang lauter und mit ihr flammten die Fackeln auf. Die Flammen zogen sich ein Stück in die Länge, als wollten sie nach den Sternen greifen.
Dies war das Zeichen an die Flammenwächter, die nun die Fackeln nach vorne neigten, sodass sie auf den weißen Baum in der Mitte des Sees zeigten. Im Tempo des Gesangs der Druidin senkten sie die Fackeln, bis sie kurz über der Wasseroberfläche schwebten.
Einen Moment lang zögerte Enny, bevor sie die Spitze der Fackel in den See tauchte. Man hatte ihr immer wieder gesagt, dass das Wasser dem Licht des Sonnengottes nichts anhaben konnte. Trotzdem wunderte sie sich, dass die Flamme weiter brannte, als würde das Wasser nicht existieren.
Die Druidin stimmte ein anderes Lied an. Daraufhin bebte das Feuer heftig. Warf sich hin und her, wurde schmal und streckte sich nach der Wasseroberfläche aus, bevor es sich zu einer Kugel zusammenballte. Plötzlich löste sich der Lichtball von der Fackel. Über sechzig solcher Lichtbündel rasten auf die Mitte des Sees zu. Wie ein großer strahlenförmiger Stern zogen die Lichter durch das Wasser, bis sie das Ufer der kleinen Insel trafen und darin verschwanden.
Absolute Dunkelheit herrschte um sie herum. Enny konnte nur noch die Formen des Sees und des weißen Baums erkennen.
Das Ritual faszinierte sie, sodass sie den Blick vom weißen Baum nicht abwenden konnte. Die äußersten Wurzeln fingen an zu schimmern und das Licht wanderte in blassen Strängen den Stamm hinauf zu den Ästen. Dünne Linien erstreckten sich auf dem Baum, die sich miteinander verwoben, um in der Krone zu verschwinden. Dann leuchtete das Blätterdach im gleichen weißen Licht auf wie ihre Fackeln wenige Minuten zuvor. An den Rändern der Blätter konnte sie sogar das Schimmern von tausenden Farben erkennen, dass zuvor im Lagerfeuer sichtbar gewesen war. Das Licht tränkte die Blätter und die Äste und ließen den gesamten Baum erstrahlen. Dann breitete sich das Licht auch auf dem Boden der kleinen Insel aus und sprang wieder zurück in das Wasser. Der gesamte See und der Baum leuchteten im Licht des Sonnengottes.
Etwas Vergleichbares hatte Enny noch nie gesehen. Vor ihr erhellte ein Meer aus Lichtern die Nacht, die selbst die dunklen Schatten in ihrem Herzen vertrieben.
Das leuchtende Wasser umspielte ihren rechten Knöchel, der immer noch im Schlamm steckte. Möglichst unauffällig zog sie den Schuh aus dem Wasser. Ein lautes Schmatzen ließ sich nicht verhindern, doch niemand schien es zu bemerken. Selbst nicht, als das leuchtende Wasser in Tropfen das schwarze Leder ihres Schuhs hinablief.
Kapitel 5
Die Flammen der Fackeln, die am Rand des Schießstands aufgestellt waren, wiegten sich in der kühlen Brise, die über Lysdal hinweg wehte.
Zusammen mit dem Schein der Feuerkörbe auf der Mauer, die an eine Seite des Platzes angrenzte, reichte das Licht aus, um die gesamte Fläche zu überblicken, sodass Enny die aufgereihten Zielscheiben in der Nacht erkennen konnte.
Enny nahm ihre Position ein und spannte den Bogen. Ihre Muskeln zitterten vor Erschöpfung und die Innenseite ihres linken Unterarms schmerzte. Sie wusste, wenn sie ihre Ärmel zurückschob, würde sie lange rote Striemen finden, die vielleicht schon bluteten. Seit Sonnenuntergang stand Enny hier und übte Bogenschießen. Doch je dunkler es wurde, desto seltener traf sie das Ziel.
»Den Ellbogen höher«, wies Joran sie an.
Enny folgte seinen Worten, wobei sie versuchte, das Zittern in ihren Händen unter Kontrolle zu bringen.
»Stärker spannen.«
Enny zog ihren rechten Ellbogen weiter nach hinten. Über die Länge des Pfeils hinweg zielte sie auf den roten Punkt, der selbst in der Nacht kaum zu übersehen auf der Zielscheibe prangte.
Das Zittern steckte immer noch in ihren Knochen. Es wurde stärker, bis sie es kaum mehr unter Kontrolle hatte. Sie war sich nicht mehr sicher, ob es eine Folge der Erschöpfung war oder ihrer Angst. Denn auch wenn der Übungsplatz genug Licht hatte, dass man hier problemlos üben konnte, erwischte sich Enny immer wieder dabei, wie ihre Gedanken hinter die schwarze Steinmauer wanderten.
Ihr Blick huschte für eine Sekunde zur glatten Granitoberfläche, in der sich dumpf das Licht der Fackeln spiegelte. Auch wenn die Oberfläche der zehn Personen hohen Mauer so glatt war, dass kein Udyr unbemerkt daran hinaufklettern konnte, ließ sie die Vorstellung nicht los, dass dort oben grüne Augen auftauchen könnten.
Mit einem tiefen Atemzug versuchte Enny, ihre Angst zu unterdrücken und sich wieder auf den Bogen in ihren Händen zu konzentrieren. Plötzlich rutschte der Pfeil aus der Einkerbung knapp über ihrer Hand.
Neben ihr zog Joran scharf die Luft ein, nur um kurz darauf tief auszuatmen. Er war die letzten Stunden geduldig mit ihr gewesen. Nur ließ sich seine steigende Anspannung spüren, was Enny nur noch mehr belastete.
Sie war unfähig das Ziel, das fünfzehn Schritte von ihr entfernt stand, zu treffen. Unfähig auch nur einen Pfeil abzuschießen. Es war ihr bei jedem Fehlversuch peinlich, denn am Tag traf sie das Ziel aus einer deutlich größeren Entfernung mit Leichtigkeit.
Ein weiteres Mal legte Enny den Pfeil an die kleine Vertiefung und spannte die Sehne. Tief atmete sie ein und wieder aus. Das Zittern ließ ein wenig nach und sie nutzte den Moment, indem sie die Zielscheiben anvisierte und den Pfeil über den Platz schickte. Leider machte er einen leichten Bogen nach links und landete dann im roten Herbstlaub.
»Hast du den Wind bemerkt, der von rechts kommt?«, fragte Joran, während er skeptisch auf die Stelle starrte, an dem der Pfeil gelandet war.
Enny seufzte.
Mit verschränkten Armen wandte er sich ihr wieder zu. »Na gut, dann nochmal.«
»Keine motivierende Worte?« Enny ließ den Bogen sinken, griff mit ihrer rechten Hand über ihre Schulter und holte den nächsten Pfeil aus dem Köcher. Ihr blieben noch vier Pfeile, bis sie wieder über den Platz laufen und ihre Fehlversuche einsammeln musste.
Plötzlich zerriss ein lauter Knall die Stille des Übungsplatzes. Enny erschrak so heftig, dass der Pfeil aus ihrer Hand fiel und neben ihr im Laub landete.
»Sie kann nicht mal einen Pfeil halten.« Hinter ihr traten Henry und Erik aus dem Haupthaus ins Freie. »Sie ist der Beweis, dass keine Frau in der Flammenwache zugelassen werden sollte.«
Lachend liefen sie an ihnen vorbei und kümmerten sich nicht darum, dass sie dabei den Übungsplatz durchquerten, genau in Ennys Schusslinie. Das Erste, was jedem bei seiner Ausbildung in der Flammenwache beigebracht wurde, war, dass man nicht über den Übungsplatz lief, während andere ihn nutzten. Das war lebensgefährlich.
Wut kochte in Enny auf, als sie den Pfeil aufhob. Ihre kalten Finger schlossen sich schmerzlich fest um dessen Schaft. Der Drang, diesen Idioten in den Hinterkopf zu schießen, baute sich in ihr auf. Doch das würde das Problem nicht lösen. Bevor sie den Platz verließen, hörte sie Erik sagen: »Mit ihr muss ich jedes Mal zu den anderen Dörfern reiten. Jetzt stell dir vor, es gäbe wirklich einen Notfall, dann wäre ich ganz auf mich allein gestellt.«
Ein Fluch kam über Ennys Lippen. Vor einigen Wochen hatte sie ihn weggeschickt, um sein Leben zu verschonen. Sie hatte sich allein dem Schattenwald in seiner grausamsten Form gestellt. Sie hätte dabei sterben können und immer noch machte er sich über sie lustig.
Doch bevor Enny ihnen etwas hinterherrufen konnte, schob sich Joran in ihr Blickfeld. »Ist alles gut bei dir?«, fragte ihr Freund und schaute besorgt zu ihr herunter.
Enny funkelte ihn wütend an. »Klar, ich bin es gewohnt, mich beleidigen zu lassen.«
»Hör nicht auf sie. Die langweilen sich und wissen nicht, was sie Besseres machen sollen, als heiße Luft von sich zu geben.«
»Und trotzdem hält sie niemand auf.«
»Ignorier sie einfach und mach weiter«, sagte Joran und deutete auf die Zielscheiben auf der anderen Seite des Platzes. »Das Training bringt dich weiter und nicht das Geschwätz zweier Idioten.«
Er hatte recht. Es war wichtiger, dass sie ihre Aufgabe als Flammenwächterin erfüllte, um Lysdal und damit auch Linnea beschützen zu können.
Im nächsten Moment spannte Enny den Bogen. Ihr Blick huschte zu den Fackeln am Rand des Platzes, wo der Wind mit den Flammen spielte. Enny ließ den Pfeil los, der nur wenige Sekunden später voller Wucht mitten in den roten Punkt auf der Zielscheibe einschlug.
»Wow«, sagte Joran und klatschte einmal in die Hände. »Das war Wahnsinn.«
War es nicht. Die Wut über Erik und Henry hatte sie für einen Moment ihre Angst vergessen lassen. Auch wenn die Wut ihr richtiges Talent für das Bogenschießen hervorgelockt hatte, konnte sie sich darauf nicht in Notsituationen verlassen.
Kapitel 6
»Wieso habe ich weniger Schichten an der Mauer als die anderen?«, fragte Enny und warf die Liste vor sich auf den Tisch.
Askjell beäugte interessiert die Einrichtung des Versammlungsraums der Flammenwächter. Seine Mundwinkel zuckten, bis er sein Lächeln nicht mehr unterdrücken konnte. Doch statt seine Belustigung offen zu zeigen, versteckte er sie hinter einer Hand.
Ihr Vater seufzte und strich sich über seinen kurzen, dunkelgrauen Bart. »Du bist noch nicht so weit.«
»Warum nicht?«, fragte Enny und fühlte sich plötzlich wie ein kleines quengelndes Kind.
Ihr Vater betrachtete sie mit einem strengen Blick, den er immer aufsetzte, wenn Enny oder ihre Schwester sich gegen seine Entscheidung auflehnten. Doch er gab sich nicht die Mühe, ihr zu antworten.
Aufgeregt rutschte Enny bis an die Vorderkante ihres Stuhls, bemüht, nicht aufzuspringen. »Ich bin eine vollausgebildete Flammenwächterin. Warum kann ich dann nicht genauso eingesetzt werden wie die anderen?«
Das Gesicht ihres Vaters verfinsterte sich zunehmend. »Enny, willst du jetzt wirklich mit mir diskutieren?«
»Ja, ich will eine Erklärung, warum ich wieder verschont werde. Selbst den anderen Flammenwächtern fällt das auf.«
Mit einer Hand fuhr er sich durch die verwuschelten Haare, was sie noch unordentlicher machten. Seit dem Udyrangriff, bei dem er sein Bein verloren hatte, trug er seine Haare nicht nur kurz, zudem wurden sie immer grauer. Die Ringe hatte er alle abgelegt. »Hat sich jemand beschwert? Dann schick ihn zu mir. Er kann seinen Groll an mir auslassen.«
»Darum geht es mir nicht. Ich will genauso behandelt werden wie jeder andere Flammenwächter auch.«
Ihr Vater seufzte. »Das Gespräch hatten wir schon.«
»Und wir werden es so lange führen, bis ich es endlich verstehe.« Mit dem Finger tippte sie auf das Blatt Papier, dass ihr zeigte, wie wenig sie als Flammenwächterin wertgeschätzt wurde.
»Es ist gerade ein schlechter Zeitpunkt, wir warten auf Besuch «, mischte sich Askjell nun doch ein. Bisher hatte er sich bloß zurückgelehnt und sie beide mit verschränkten Armen beobachtet.
Enny war sich nicht sicher, ob dies nur eine Ausrede war, um das Gespräch an dieser Stelle zu beenden. Aber es musste einen Grund geben, dass sie den Anführer der Flammenwache mit seiner rechten Hand im Versammlungsraum angetroffen hatte. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie zusammen an einem Tisch arbeiteten, aber diesmal saßen sie nebeneinander und schienen auf etwas zu warten.
»Jetzt wo ich gerade hier bin und niemand anderes, könnt ihr euch mit meinem Anliegen beschäftigen.« Es sah ihr nicht ähnlich, gegen ihren Vater und Askjell zu rebellieren. Solange keine Befehle ignoriert wurden, begrüßten die beiden mitdenkende Wächter. Aber Enny war sich nicht sicher, ob das auch für sie galt.
Sichtlich genervt verdrehte ihr Vater die Augen: »Enny, du kannst einfach nicht mehr Schichten machen.«
»Und warum nicht?« Enny konnte und wollte nicht lockerlassen.
Eine Ader an seiner Stirn pochte. »Weil du ein Mädchen bist, Enny. Mädchen können unser Dorf nicht verteidigen.«
Enny verengte ihre Augen. »Ich bin eine Frau und eine Flammenwächterin, ich kann unser Dorf verteidigen.«
»Kannst du nicht, Enny.«
»Und warum wurde ich dann verpflichtet?«
»Es ist Tradition. Es hält unser Dorf zusammen. Glaubst du, es ist mir leicht gefallen, dich bei den Flammenwächtern aufzunehmen?«
»Was willst du mir damit sagen? Das ich dir peinlich bin? Dass es für dich unangenehm ist, wenn ich hier bin?«
Ihr Vater kniff die Augen zu und legte Zeigefinger und Daumen an seinen Nasenrücken.
Für Enny brach eine Welt zusammen. Es war das erste Mal, dass ihr Vater das aussprach, was Enny schon die ganze Zeit spürte. Er wollte sie nicht in der Flammenwache. Sie war ihm nicht gut genug.
Die Wut kochte in Enny über, während ihr Puls in ihrem ganzen Körper widerhallte. »Und wenn ich ein Junge wäre, dann wäre es anders?«
Innerhalb von Sekunden verhärteten sich die Gesichtszüge ihres Vaters zu einer Maske und er sagte kein Wort, trotzdem konnte Enny die Antwort in seinen Augen lesen.
Neben der Wut öffnete sich ein Abgrund der Enttäuschung. Wäre sie ein Junge, hätte ihr Vater kein Problem damit gehabt, ihre Stärke zu sehen und sie als vollwertiges Mitglied der Flammenwache anzuerkennen.
»Herein«, rief Askjell, sichtlich erleichtert über eine Unterbrechung. Das Klopfen hatte Enny gar nicht wahrgenommen.
Die Tür schwang auf. Herein kam Svante, einer der Flammenwächter, der Askjell am nächsten stand. »Sie sind hier.«
»Warte hier«, Ennys Vater zeigte auf einen Stuhl an der Wand zu seiner Rechten. »Wir reden gleich weiter.«
Enny warf ihm einen finsteren Blick zu. Sie nahm das Blatt vom Tisch und zerknüllte es in ihren Händen. Daraufhin stand sie auf und wollte aus dem Zimmer stürmen, ungeachtet des Besuchs, den die Anführer der Flammenwache erwarteten.
Als sie sich umdrehte, setzte ihr Herz einen ganzen Moment lang aus und die Wut war zum Teil verflogen.
Schwarze Augen mit einer silbernen Iris funkelten sie an. Mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen stand Dain vor ihr und schaute ihr direkt in die Augen. Abgesehen von den vier schmalen Zöpfen trug er seine wilden Locken offen. Er hatte dieselbe Lederjacke an, mit den verstärkten Schultern und Armen, wie vor einigen Wochen im Schattenwald, nur dass sie diesmal offen war und den Blick auf eine schwarze Wolltunika freigab. Mit dem schwarzen Umhang, der ihm den Rücken herunter fiel und der dunklen Hose, wirkte er, als wollte er mit den Schatten im Wald verschmelzen.
Doch er war nicht allein. Neben ihm standen zwei weitere Jäger.
Der älteste Jäger trug die Kleidung weit und locker, während seine schwarzen Haare mit dicken weißen Strähnen durchzogen waren, die sich auch in seinem Bart wiederfanden. Die Ringe trug er an einem langen dünnen Zopf, der an der Schläfe begann und mit dem restlichen Haar nur so weit zurückgebunden waren, dass sie ihm nicht mehr in die Augen fielen.
Der dritte Jäger war etwas schlaksiger und größer als die anderen. Die weißblonden Haare waren vollständig zurückgebunden. Auch wenn er genauso alt schien wie Dain, hatte er deutlich mehr Ringe als die anderen beiden.
Während der ältere Jäger keine Regung zeigte, musterte der blonde Jäger erst Enny und anschließend Dain, bevor er einen seiner Mundwinkel hob.