Die Rache des Mestizen - Armand - E-Book

Die Rache des Mestizen E-Book

Armand

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Beschreibung

Ein historischer Abenteuerroman aus der Zeit, als die noch jungen Vereinigten Staaten ihren Blick auf das spanische Florida geworfen hatten. Immer näher kam der weiße Mann den dort noch lebenden Indianern und Mestizen ...

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Seitenzahl: 271

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Die Rache des Mestizen

Armand (Friedrich Strubberg)

Inhalt:

Armand – Biografie und Bibliografie

Die Rache des Mestizen

Einleitung

Der Tod des alten Norwood

Das Begräbnis

Im Dorf der Seminolen

Zwielichtige Gesellen

Am Beratungsfeuer

Kriegsgefahr

Stürmische Brautfahrt

Ein folgenschweres Wiedersehen

»Sturmvogel«

Städtisches Treiben

Der tanzende Pirat

Der Teufel des Spiels

Wieder im Abgrund

Piratenhochzeit

Ralph Notwoods Flucht

Der Schiffbruch der »Tritonia«

Gekapert

Piratenjagd

Der Überfall auf den Leuchtturm

Ralph und Eloise

Habgier und Niedertracht

Seminolen gegen Seminolen

Lafayette in Baltimore

Der große Kriegsrat

Hotel »Concordia«

Bittere Erkenntnis

Ein Hoffnungsschimmer?

Osmakohees Rache

In Bedrängnis

Falsches Spiel

Der Aufstand der Seminolen

Nach Westen!

»Das Ende des Krieges

In Texas

Vergiftet!

Die Stunde der Rache

Die Rache des Mestizen, Armand

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849604035

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Armand – Biografie und Bibliografie

EigentlichFriedrich August Strubberg, unter dem Pseudonym Armand bekannter Schriftsteller, geb. 18. Mai 1808 in Kassel, gest. 2. April 1889 in Gelnhausen, trat, zum Kaufmannsstand bestimmt, in ein amerikanisches Haus in Bremen ein, durchstreifte dann jahrelang Amerika nach allen Richtungen, studierte Medizin und promovierte zum Doktor, übernahm später unter schwierigen Verhältnissen das Direktorium des Deutschen Fürstenvereins in Texas, gründete die Städte Neubraunfels und Friedrichsburg, machte die Feldzüge gegen Mexiko mit und kehrte 1854 nach Deutschland zurück, wo er sich in Kassel niederließ. S. hat seine abenteuerreichen Erlebnisse und Beobachtungen in einer Reihe von Werken dargelegt, die gleich den Werken Sealsfields eine Zwittergattung von Roman und ethnographischer Schilderung bilden, und von denen die Skizzen »Bis in die Wildnis« (Bresl. 1858, 4 Bde.; 2. Aufl. 1863) das meiste Aufsehen erregten, der Roman »Sklaverei in Amerika« (Hannov. 1862, 3 Bde.) dagegen das meiste poetische Leben hat. Von den übrigen nennen wir nur: »Amerikanische Jagd- und Reiseabenteuer« (Stuttg. 1858, 4. Aufl. 1901); »An der Indianergrenze« (Hannov. 1859, 4 Bde.), in ethnographischer Hinsicht das lehrreichste Werk, und die beliebte Jugendschrift »Karl Scharnhorst« (10. Aufl., das. 1905). Zuletzt veröffentlichte er zwei Dramen: »Der Freigeist« (Kassel 1883) und »Der Quadrone« (das. 1885).

Die Rache des Mestizen

Einleitung

Spaniens einst so mächtiges Kolonialreich war im Zerbröckeln. Seit dem Jahre 1810 befand sich ganz Süd- und Mittelamerika im Aufruhr gegen das Mutterland, das zu ohnmächtig war, die Unabhängigkeitsbewegung niederzuschlagen. Von seinem amerikanischen Kolonialbesitz mußte es ein Stück nach dem anderen aufgeben.

Die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika hatten schon seit 1803, seitdem sie Louisiana, das Land am Mississippi, von Napoleon für 60 Millionen Franken erworben hatten, ihr besonderes Augenmerk auf Florida gerichtet, das noch in spanischem Besitz war. Diese südliche Spitze des nordamerikanischen Festlandes befand sich damals noch im Naturzustand und wurde fast nur von wilden Indianerstämmen bewohnt. Die Spanier, die Florida durch einen Bevollmächtigten des Generalkapitäns von Cuba regierten, hatten nur an den Küsten und Hauptströmen vereinzelt feste Plätze errichtet, in deren Nähe dann Ansiedlungen Weißer entstanden waren.

Alle Verhandlungen mit Spanien auf einen friedlichen Erwerb schlugen fehl, vor einer gewaltsamen Besetzung aber schreckte man in Washington zunächst noch zurück, obwohl die ständigen Grenzstreitigkeiten mit den Indianern Vorwand genug geboten hätten. War es zuerst die Rücksichtnahme auf Napoleon, der sich schützend vor das schwache Spanien stellte, so hinderte in der Folge der zweijährige Krieg mit England von 1812 bis 1814 eine Verfolgung der Floridapläne.

England hatte während des Krieges eine britische Garnison in Florida gehalten, die es nach dem Friedensschluß zurückzog. Damit war der Weg freigegeben, denn Spanien war bereits durch seine Kämpfe mit den Aufständischen in Mexiko und Südamerika über seine Kräfte in Anspruch genommen, so daß es einen Krieg mit den Vereinigten Staaten nicht wagen konnte. Diese hatten nun auch bald Gründe für ein bewaffnetes Vorgehen gefunden.

Auf der Insel Amelia an der Küste Floridas hatte sich eine Schar von Freibeutern festgesetzt, die von dort aus ihre Streifzüge unternahm. Washington sandte Truppen gegen sie und andere Flibustierbanden aus, da die spanische Macht ihrer nicht Herr werden konnte. Außerdem beauftragte der Kongreß den General Andrew Jackson, der bei New Orleans über die Engländer gesiegt hatte, die Indianer in Florida zu züchtigen.

Dorthin hatten sich im Jahre 1814 die Überreste der von Jackson vernichtend geschlagenen aufständischen Creek-Indianer geflüchtet. Auch zahlreiche entflohene Negersklaven hatten in Florida bei den Stämmen der Seminolen Zuflucht gefunden und unternahmen von dort aus Raub- und Rachezüge gegen die weißen Grenzsiedler in Georgia und Alabama.

Im Sommer 1817 häuften sich die Greueltaten an der Grenze. Die Übergriffe und Schändlichkeiten Weißer vergalten die Indianer mit Überfällen und Plünderungen. Die amerikanische Presse erhob ein ungeheures Geschrei und forderte energisches Eingreifen. Als General Gaines daraufhin am 21. November den Ort Fowltown niederbrennen ließ, erhoben sich die Indianer und machten am 30. November auf dem Apalachicola einen amerikanischen Transport nieder. Nun rückte General Jackson in das spanische Gebiet ein, der »erste Seminolenkrieg« begann, der hauptsächlich mit indianischen Verbündeten gegen die Indianer geführt wurde. Jackson bemächtigte sich der spanischen Forts und setzte überall die spanischen Behörden ab. Obwohl die Regierung in Washington offiziell mit Jacksons Florida-Expedition nicht einverstanden war, ließ sie ihn doch gewähren.

Spanien selbst war wehrlos. In Südamerika machte die Revolution unter Bolivar und San Martin große Fortschritte, England suchte eine Verständigung mit den Vereinigten Staaten und trat nicht mehr für Spanien ein, so daß diesem nichts übrigblieb, als in eine Abtretung Floridas einzuwilligen.

Florida war nun der amerikanischen Einwanderung geöffnet, und wenn es auch noch so gefährlich war, so zogen doch bald viele entschlossene Ansiedler über die Grenze und ließen sich in diesem herrlichen Land, in dem der Sommer nie endet, nieder.

Die Indianer Floridas waren auf drei Seiten vom Meer eingeschlossen, während sie im Norden und Nordwesten von den nachrückenden Weißen bedrängt wurden. Immer enger wurde der Raum für ihre Jagdzüge und für ihr Wanderleben. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in die undurchdringlichen Urwälder und endlosen Sümpfe Floridas zurückzuziehen oder aber Mais zu bauen und mit ihren weißen Nachbarn in friedlichen Verkehr zu treten.

Doch was nutzte ihnen ihre Friedfertigkeit? Immer mehr Siedler kamen unter dem Schutz von Soldaten herbeigezogen, gründeten Städte und legten Straßen an. Durch List, Betrug und Gewalt wurden sie ihres Eigentums beraubt. Alle Schandtaten weißer Halunken, und deren gab es an der Grenze übergenug, wurden ihnen aufgebürdet und zum Vorwand für neue Übergriffe genommen. Es gab kein Gesetz, das sie geschützt hätte.

So flackerte der Kleinkrieg an der Grenze immer wieder auf. Mit zäher Verbissenheit kämpfte der rote Mann einen aussichtslosen Kampf um seine Heimat. Der Vormarsch der weißen Rasse war nicht aufzuhalten. Florida war für den roten Mann verloren, nachdem höhere politische Rücksichten es 1819 geopfert hatten. Immerhin sollte es aber noch ein Vierteljahrhundert dauern, bis die Bleichgesichter unbeschränkte Herren der Halbinsel wurden.

Der Tod des alten Norwood

Es war im Jahre 1823.

Nur wenige Meilen nördlich der Grenze Floridas, unweit der Stelle, wo sich der Flint River mit dem Chattahoochee River zum Apalachicolafluß vereinigen, und unweit der Straße, die von Tallahassee in Florida nach Fort Gaines in Georgia und weiter nach Montgomery in Alabama führt, stand in Georgia ein einsames Blockhaus. Es war kunstlos aus Baumstämmen errichtet, seine Dachschindeln waren verwittert und von der Sonne krummgezogen. Orangen und Zitronenbäume streckten ihre verschlungenen, jahraus, jahrein mit Blüten und Früchten übersäten Äste gleichsam schützend darüber hin.

Innerhalb der rohen, lückenhaften und vielfach vermoderten Einzäunung, die das alte Haus umgab, erhob sich auf einem kleinen Platz eine dichte Gruppe uralter Feigenbäume. Um ihre knorrigen Stämme schossen unzählige junge Sprößlinge üppig aus dem Boden und strebten zwischen dem schattigen Dunkel der riesigen Blätter hinauf ins Licht. Ununterbrochen hingen diese Bäume voll von überreifen, bis ins purpurrote Fleisch aufgeborstenen, süßen gelben Früchten. Zwischen ihren Wurzeln sprudelte eine Quelle mit kaltem, klarem Wasser hervor.

Rund um die Einzäunung dehnte sich der Urwald. Wohl sechzig Meter ragten aus ihm die höchsten seiner Bäume hervor. Ihre mächtigen Zweige verflochten sich ineinander, ihre Blüten spielten in den buntesten Farben.

Es war ein Frühlingsabend. Die Sonne war hinter dem unabsehbaren Wald versunken, und die glühende Farbenpracht um das Blockhaus verdunkelte sich rasch und verschwamm mit den finsteren Schatten des nahen Forstes. Totenstille lag auf der Gegend. Nur von Zeit zu Zeit drang aus dem Innern der Hütte ein schweres Stöhnen.

Auf der Veranda erschien mit lautlosem Schritt eine weibliche Gestalt und wandte sich nach dem Feigenbaum.

Die Frau mochte an die vierzig Jahre alt sein, aber ihre regelmäßigen Gesichtszüge und ihre schlanke Gestalt verrieten noch, wie schön sie in der Jugend gewesen sein mußte. Unbeweglich stand sie und lauschte, bis aus dem Blockhaus wieder das Stöhnen kam. Schnell glitt sie wieder hinein.

Die Nacht hatte sich über die Erde gelegt. Schwarz starrten die Umrisse der Baumriesen gegen den sternbesäten Himmel.

Das Mondlicht beleuchtete den kleinen Platz vor der Hütte, als die Indianerin herauskam und einige große Tierhäute unter einem der Orangenbäume ausbreitete. Bald darauf trug sie mit einem anderen Indianer einen alten Mann aus der Tür, den sie vorsichtig auf die Felle niederlegten. Ein großer alter Hund folgte ihnen und kauerte sich neben dem stöhnenden Kranken hin.

Der weißhaarige alte Mann war Thomas Norwood, der Eigentümer der kleinen Ansiedlung, die Indianerin war Onahee, die Schwester seiner vor vielen Jahren verstorbenen Frau, und der Indianer war Tallihadjo, das Haupt einer der mächtigsten Familien der Seminolen, der in der Nähe am Ocklockny River seinen Wohnsitz hatte.

Norwood zählte einige sechzig Jahre. Große Beschwerden und Entbehrungen hatten seine eiserne Gesundheit untergraben. Von irländischen Eltern in Virginia geboren, war er als junger Mann in die Wildnis gezogen und hatte sich nach langen Irrfahrten endlich hier an der Grenze des damals spanischen Florida niedergelassen.

Zu jener Zeit gab es hier noch keine Weißen. Die Wilden nahmen ihn freundlich auf, er wählte sich eine Frau unter ihnen und nahm ganz ihre Lebensweise an. Er lebte meist von der Jagd. Daneben baute er ein wenig Mais an und beschäftigte sich mit Vieh- und Pferdezucht. Er besaß die edelsten Rosse und war ein gewaltiger Reiter gewesen. Bei den Indianern stand er in hohem Ansehen und wurde in wichtigen Angelegenheiten stets von ihnen um Rat gefragt.

Seit dem frühen Tod seiner Frau hatte Onahee bei ihm gelebt und für ihn gesorgt. Seinen einzigen Sohn Ralph hatte er damals als sechsjährigen Knaben nach Columbus gebracht, um ihn dort erziehen zu lassen. Er selber hatte längst verlernt, was er an Kenntnissen auf der Schule gesammelt hatte, und konnte kaum seinen Namen schreiben.

»Die Nachtluft tut mir wohl«, sagte der alte Norwood und schöpfte tief Atem. »Hoffentlich kommt Ralph nicht zu spät!«

Auch nach seiner Schulzeit in Columbus hatte Ralph Norwood es vorgezogen, dort oder in anderen Orten Georgias zu leben, weil es ihm hier an der Grenze zu einsam und zu langweilig war.

»Ich habe Tomorho auf meinem schnellsten Pferd nach Columbus geschickt«, beruhigte ihn der Indianer. »Ehe der Mond vor der Sonne erbleicht, wird er hier sein. Dein Sohn wird mit ihm kommen, um dich noch einmal zu sehen, bevor du zu deinen Vätern gehst. Denn die Hälfte des Blutes, das in seinem Herzen klopft, gehört unserem Volk an.«

»Ich fürchte, er wird nicht kommen«, seufzte der Alte. »Die Lustbarkeiten in den Städten haben sein Herz vom Haus seines Vaters abgewandt, und die Dinge, die er in der Schule gelernt hat, haben in seinen Augen die Heimat heruntergesetzt.«

»Er ist und bleibt ein Halbindianer und kann die Hälfte seines Herzens nicht vom Vater losreißen«, entgegnete Tallihadjo.

»Er ist auf bösen Wegen und in schlimmer Gesellschaft«, sagte der Alte leise und mühsam. »Er kommt nur noch hierher, um die besten Stiere und die edelsten Zuchtstuten nach den Städten zu treiben. Was tut er mit all dem Geld? Er soll spielen und viel bei Wettrennen und Hahnenkämpfen verlieren. Nun, er wird mich bald nicht mehr zu fragen brauchen, um zu vergeuden, was ich in den vielen Jahren zusammengebracht habe.«

»Auch ich habe gehört, daß seine Freunde den Lasso um seines Pferdes Nacken hielten und ihm Feuerwasser zu trinken gaben, um ihn seines Eigentums zu berauben. Doch wenn erst das Blut seiner Mutter mächtiger in ihm wird, muß er die doppelten Zungen seiner falschen Freunde erkennen und sich von ihnen abwenden.«

»Ich selber habe ihn unter diese Menschen gebracht«, stöhnte der Alte. »Horcht! War das nicht ein Hufschlag?«

»Nein, eine reife Orange ist gefallen.«

»Eine Orange! Ja, wenn die Frucht überreif ist, fällt sie ab und gibt den jungen Sprößlingen Nahrung! Meine Fallzeit ist auch gekommen! Macht Licht, es wird so dunkel! ... Luft, Luft!«

Die Indianer richteten den alten Mann auf.

Der Uhu oben auf dem Baum schüttelte sein Gefieder und lachte.

»Der Todesvogel!« flüsterte der Alte. »Bald wird er auf meinem Grabe sitzen! Macht Licht, es wird so dunkel!«

Onahee sprang auf, um eine Kienholzfackel zu holen. Tallihadjo stützte den Sterbenden.

»Ruhig, Tom! Ralph wird bald hier sein!«

»Ruhig werde ich bald sein! Führt meinen Sohn fort von den Weißen, nehmt ihn mit euch ...!«

Abermals schrie der Uhu. Als Onahee, eine Fackel schwingend, vom Haus herbeieilte, schoß er von seinem Baum herab und rauschte, als wolle er nach dem Fackellicht stoßen, über sie dahin. Mit zornigem Knurren fuhr der alte Hund auf, und die Indianerin schlug mit der Fackel nach ihm.

»Wo bleibt das Licht? ... Es ist so finster, so kalt ...! Ralph, warum ... kommst ... du ... nicht?«

Der Kopf des Greises sank hintenüber, seine Augen starrten glanzlos in das Fackellicht. Thomas Norwood hatte aufgehört zu atmen. Schweigend beugten sich die Indianer über die Leiche.

Durch die stille Nacht erschallte der ferne Tritt flüchtiger Rosse. Tallihadjo richtete sich auf und lauschte.

»Sie kommen!« sagte er nach einer Weile. »Zu spät!«

Onahee hielt mit den Fingern ihrer Rechten die Augen des Toten geschlossen, mit der Linken bedeckte sie ihr Gesicht. So saß sie schluchzend da, während Tallihadjo die Fackel hoch hielt und wie eine Bildsäule neben ihr stand.

Näher und näher kam der Hufschlag, dann bogen nacheinander zwei Reiter in den Pfad: Ralph Norwood und Tomorho, der Sohn des Häuptlings.

Als Ralph die Gruppe bei dem Hause erblickte, warf er sich mit einem Aufschrei vom Pferde und stürzte neben dem Leichnam nieder.

»Tot!« stieß er hervor.

Tränen quollen ihm aus den Augen, erschüttert hockte er da.

»Warum hast du mir nicht gesagt, daß mein Vater im Sterben lag?« wandte sich Ralph in schmerzlicher Verzweiflung an Tomorho.

Der junge Seminole blickte ihn mit Vorwurf und Verachtung an.

»Ich habe es dir in die Ohren geschrien, aber das Feuerwasser hatte sie taub gemacht. Das Gold vor dir auf den Karten war dir lieber als dein Vater, der sterbend meine Zunge zu dir sandte, um dich zu rufen. Das Weib auf deinen Knien war stärker als der Teil deines Herzens, der uns Indianern gehört!«

Mit drohender Gebärde sprang Ralph auf.

»Du lügst! Und deine weisen Lehren brauche ich nicht!«

Aber Tallihadjo packte ihn am Arm und zwang ihn zu der Leiche seines Vaters zurück, die er mit der Fackel beleuchtete.

»Laß sehen, ob deiner Mutter Blut ganz in dir erstorben ist?! Der junge Panther klagt an der Leiche derer, die ihm das Leben gaben, die ihn nährten, als er schwach und hilflos war, die ihn in der Gefahr verteidigten und die ihn lehrten, sich den Unterhalt zu verschaffen! Fall nieder bei dem Körper deines Vaters, dessen Seele jetzt auf dich herabsieht, und laß in dich dringen, was er dir noch vor seinem Ende sagen wollte!«

Er stieß die Fackel in die Erde. Dann gab er Onahee und Tomorho einen Wink und eilte mit ihnen dem Wald zu, in dessen Dunkel sie rasch verschwanden.

Ralph war nun mit seinem toten Vater allein. Stumm und regungslos stand er da. Krampfhaft falteten sich seine Hände. Das Fackellicht huschte über die starren Züge. Nur Liebe und Nachsicht hatte der alte Mann für ihn gehabt. Und wie hatte er ihm gedankt?! Durch ein Leben voll Schwelgerei, Spiel und Liederlichkeit! Doch was nützten jetzt die Selbstanklagen? ... Zu spät!

Die Flamme der Fackel begann zu erlöschen. Schwach und schwächer zuckte ihr Licht über den Verstorbenen. Ralph sank neben ihm in die Knie. Scham und Reue über sein wüstes Dasein ergriffen ihn. Gewissensbisse peinigten ihn.

Jählings fuhr Ralph aus seiner dumpfen Abgespanntheit auf. Er taumelte in wildem Schreck auf, riß sein Messer aus der Scheide und stierte um sich in die Schatten. Kalte Schauer rieselten ihm über den Rücken. Wer hatte ihn eben berührt? Seine Hand preßte den Griff des Messers.

Aber still und regungslos blieb alles um ihn. Nur der Schatten des Laubdaches zitterte mit den hellen Flecken des Mondlichts auf der Erde. So viel Mut und Entschlossenheit Ralph auch sonst besaß, diese unheimliche Einsamkeit und Verlassenheit war zu viel für ihn.

Er stürzte fort über den Platz nach seinem Pferde, das ruhig neben einem Granatgebüsch graste, schwang sich in den Sattel und sprengte davon. In wenigen Augenblicken hatte er die Straße erreicht. Nun gab er die Zügel, drückte die Sporen in die Flanken und raste, nicht rechts, nicht links blickend, in wilder Hatz dahin, als habe er ein Gespenst im Nacken.

Die Vögel der Nacht schreckten schreiend und krächzend vor ihm auf. Wilde Tiere suchten geängstigt ihr Heil in der Flucht. So ritt er ohne Ziel und Besinnung, bis sein Pferd ermattet und schaumbedeckt stehenblieb. Weder Sporen noch Peitsche vermochten es weiter zu treiben.

Das Begräbnis

Ralph Norwood lenkte sein Pferd in einen Seitenweg, der auf eine noch mehrere Meilen entfernte kleine Farm zulief. Ihr Besitzer, der alte Arnold, war mit seinem Vater befreundet gewesen. Bei ihm würde er Beistand finden.

»Mister Arnold, ich bin's ... Ralph Norwood!«

»Mein Gott! Ralph?! Wieder einmal hier? Was gibt's denn?«

»Vater ist tot, und da ...«

»Thomas Norwood tot? Ist's möglich? Kommen Sie rein! ... Betsy, Frau! Der alte Tom ist tot!«

Arnold eilte ins Haus zurück und zog im Kamin einen Feuerbrand unter der Asche hervor, den er rasch zur Flamme anblies. Ralph folgte ihm ins Zimmer. Das auflodernde Feuer warf sein Licht auf ein bleiches verstörtes Gesicht, dessen Farbe auffallend gegen die breiten schwarzen Brauen und das schwarze straffe Haar abstach. Er stützte seine hohe kräftige Gestalt gegen das Gesims des Kamins und heftete seine kleinen grauen Augen auf die Flamme.

»Bei unserm Herrn Jesus!« rief Arnold. »Ralph, wie sehen Sie aus? Setzen Sie sich! ... Mutter, reich mir doch mal die Whiskyflasche unterm Bett hervor!«

»Trinken Sie! Wird Ihnen helfen! Ist guter Irischer, den ich von Columbus mitbrachte. Tom tot! Kann es kaum glauben! War ihm zwar schon die ganze letzte Zeit nicht recht wohl und hat sich lange nicht mehr bei uns sehen lassen ... Wird ihn gefreut haben, daß Sie bei ihm waren, als es zu Ende ging ...«

Ralph hatte einen Schluck aus dem Krug genommen.

»Ich kam zu spät, ich fand ihn tot!« sagte er dumpf.

»Armer Tom! Wie wird er nach Ihnen gejammert haben! Sie waren sein Ein und Alles! Ihr Vater hat Ihnen den Weg in die Zukunft gebahnt«, sagte Arnold. »Sie haben reiche Ländereien, das schönste Vieh und genug bares Geld! Richten Sie Ihre Felder ein, Ralph! Bauen Sie Baumwolle. Mein Sohn Frank hat sich auch unten am Fluß eine Plantage gegründet, hat fleißig gearbeitet und sich vor kurzem schon drei Neger kaufen können. Nun geht es rasch mit ihm vorwärts! Wenn mich nicht alles täuscht, so kommt er dort übrigens!«

Tatsächlich war der Reiter, der so spät noch angetrabt kam, der junge Arnold. Herzlich begrüßte er die Eltern, freundlich Ralph, den er seit langem nicht mehr gesehen hatte.

Frank war nicht ganz so groß wie Ralph, seine kräftige Gestalt war untersetzter. Schwarze Locken fielen in seine hohe Stirn. Aus seinen klaren braunen Augen sprach Sauberkeit, Ehrlichkeit und Furchtlosigkeit, um den jungen Mund lag ein Zug von Entschlossenheit und zäher Willenskraft. Umwelt und Erziehung hatten seine natürlichen Anlagen ganz anders entwickelt und ausgebildet als bei Ralph.

Norwood hatte früh die Mutter verloren und wurde von fremden Leuten erzogen, die ihn lieblos behandelten. Das machte ihn zum Egoisten. Da der Vater ihm alle Wünsche erfüllte, spürte er nie den Drang, sich durch Arbeit und Schaffen etwas zu erwerben. So lernte er den Wert des Geldes nie kennen, wurde verschwenderisch und habsüchtig zugleich. Um seinen stets offenen Geldbeutel drängten sich in Columbus allerlei Freunde. Seine Bedürfnisse wuchsen, je toller sein Lebenswandel wurde, und der Vater war zu schwach, ihm entgegenzutreten, als er zuerst heimlich und dann offen Tiere aus den Herden des alten Norwood verkaufte, um sich Geld zu beschaffen. Ralph ging in keine Kirche und gebetet hatte er niemals. Wenn er an einen Gott glaubte, so dachte er nicht an ihn.

Unter den liebevollen und doch strengen Händen von Vater und Mutter war im Gegensatz dazu Frank herangewachsen. Arbeiten und Schaffen war seine Freude, Müßiggang war ihm ein Greuel. Für wüste Gelage und Spiel hatte er nichts übrig. Er war gerade, offen und ehrlich, er dachte und handelte wie ein Christ.

Der plötzliche Tod des alten Norwood erfüllte Frank mit aufrichtigem Leid. Er hatte Ralphs bisherige Lebensweise verurteilt, aber jetzt sah er nur den herben Schmerz des ihm Gleichaltrigen und kam ihm mit aller Freundschaft entgegen. Wenn Ralph sich nun auf seinem Eigentum niederlassen wolle, so würde er ihn gern nach Kräften mit Rat und Tat unterstützen. Er solle es machen, wie er selber, und sich eine Frau suchen.

Frank erzählte, wie er sich vor einigen Monaten in Baltimore eine Braut erwählt habe, die Tochter eines Bankpräsidenten. Er hatte sie kennengelernt, als er dort für den Vater eine eiserne Mahl- und Schneidemühle einkaufte. Im kommenden Frühjahr wolle er heiraten, dann werde er Eleanor von Baltimore heimholen.

Die Teilnahme dieser aufrichtigen Menschen tat Ralph unendlich wohl. Eine nie gekannte Ruhe und Zufriedenheit überkam ihn. Mit Abscheu und Reue blickte er auf sein vergangenes Leben zurück, und fest nahm er sich in dieser Stunde vor, es solle von nun ab anders mit ihm werden.

Frank lud ihn ein, auch einige Tage bei ihm zuzubringen, bevor er auf die eigene Besitzung zöge. Sie würden zusammen auf die Jagd und zum Fischfang gehen. Schon morgen wolle er ihn abholen, um ihm die Weideplätze seiner Herden in den Wäldern zu zeigen. Auch erbot er sich, Ralph beim Brennen der Kälber mit seinem Zeichen behilflich zu sein.

Es war schon spät, als man sich trennte. Frank ritt davon, Ralph bekam einen Bretterverschlag an der Rückseite des Blockhauses als Schlafraum angewiesen.

Im Dorf der Seminolen

Still und klar lag das Mondlicht auf Berg und Tal. Leise zog die kühle Nachtluft durch die Wälder und kräuselte das üppige Laub. Auch in den Orangenbäumen vor Norwoods Blockhaus rauschte der spielende Wind. Er wehte um die Magnolie über des alten Mannes Grab und nahm den Duft der weißen Riesenblumen mit sich.

Neben dem Grabhügel knieten drei Menschen um ein kleines, stark rauchendes Kohlenfeuer und murmelten leise Worte: Tallihadjo, Onahee und Tomorho.

»Unser weißer Bruder ist glücklich und empfängt mit Freude den süßen Duft, den wir ihm senden«, sagte der Häuptling. »Er blickt mit Dank auf uns herab und wird die roten Kinder ewig lieben!«

»Du mußt Ralph aufsuchen«, wandte sich Tallihadjo zu seinem Sohn. »Geh und such seine Spur, und wenn du weißt, wo er weilt, bring mir die Nachricht! Seines Vaters letzte Bitte an mich war, über ihn zu wachen!«

Als sie mit dem Pfad die Landstraße erreichten, trennten sie sich. Tomorho schlug die Straße nach Norden zu ein, Tallihadjo verschwand bald mit Onahee auf einem kaum erkennbaren Weg im dichten Walde, auf dem sie dem Lager ihres Stammes zueilten.

Dieses befand sich nur sechs Meilen von Norwoods Niederlassung entfernt am westlichen Ufer des Ocklockny River. Tallihadjo nannte einen bedeutenden Strich Landes in der Umgegend seinen Jagdgrund und sein Eigentum, und noch war er unbestritten in diesem Besitz, noch war es keinem weißen Siedler eingefallen, sich einfach darauf niederzulassen und Felder anzulegen, denn noch traute sich niemand so weit in die Wildnis vor.

Tallihadjos Stamm, einst zahlreich und mächtig, war jetzt nur noch einige hundert Krieger stark. Er lebte wie die meisten Stämme der Seminolen familienweise in hölzernen, mit Tierhäuten bedeckten Hütten und längst nicht mehr in Lederzelten, die dem früheren Wanderleben entsprochen hatten.

Wohl war die Jagd noch die Hauptbeschäftigung dieser Indianer, aber ihre Streifzüge wurden mehr und mehr durch die Ansiedlungen der Weißen und Gebietsstreitigkeiten untereinander eingeschränkt und dauerten nicht mehr Monate, sondern nur noch Tage.

Je weniger Ertrag die Jagd bot, um so mehr wandten sich die friedlichen Stämme nun der Vieh- und Pferdezucht zu. Und weil sie ihre einfache Lebensweise beibehielten, mehrte sich ihr Wohlstand, aber damit auch die Habgier ihrer weißen Nachbarn, die mit allen Mitteln die Wilden zu übervorteilen und zu betrügen suchten. Man nötigte ihnen im Tauschhandel wertloses Zeug zu übertriebenen Preisen auf, und man führte vor allem den Branntwein unter ihnen ein, um sie der klaren Überlegung zu berauben und aus ihrer Verdorbenheit Nutzen zu ziehen.

Der Mond versank hinter den unabsehbaren Wäldern an der Nordgrenze Floridas, als der Häuptling mit Onahee seine Hütte erreichte. Auf dem Feuerplatz davor lag ein glühender Baumstamm, an dem die Flamme erstorben war. Um ihn herum ruhte Tallihadjos Familie: Satochee, seine Frau, deren zwei Söhne und zwei Töchter im Alter von zwei bis acht Jahren und noch sechs andere Frauen, die Dienerinnen und Arbeiterinnen waren. Des Häuptlings älterer Sohn, der sechzehnjährige Tomorho, stammte von seiner ersten Frau, die schon früh gestorben war. Auch einige zwanzig Neger, Männer, Frauen und Kinder, lagen unweit des Feuerplatzes in tiefstem Schlaf.

Viele Hunde sprangen ihrem Herrn freudig kläffend entgegen und umdrängten ihn schmeichelnd. Satochee erwachte und bewillkommnete den Gatten.

»Hast du die Seele des Toten mit süßem Rauch erfreut? Er war eines der wenigen Bleichgesichter, die es ehrlich mit uns meinen.«

»Ich kenne nur noch zwei hier in unserer Nähe«, sagte der Häuptling gedankenvoll. »Den alten Arnold und seinen Sohn. Er kam in unser Land, bald nachdem Tom mit uns die Friedenspfeife geraucht hatte. Damals stillte der Büffel noch im Sommer an den klaren Quellen der blauen Berge Virginias seinen Durst und labte sich im Winter an dem saftigen Gras Floridas. Damals jagten unsere Väter noch an den felsigen Ufern des Ohio den Bären, und in Florida wurden nur ihre Stimmen gehört ...«

»Beide kamen und baten um unsere Freundschaft und gaben uns dafür die ihre.«

»Die anderen Bleichgesichter kamen mit dem Donner in der Hand und schleuderten ihre Blitze. Sie brachten Feuerwasser und Krankheiten. Der Große Geist hat unserm Volk den Weg, den die Sonne zieht, abgeschnitten, und so muß es hier zugrunde gehen. Schritt für Schritt wird es in die Sümpfe dieses Landes zusammengedrängt. Der Zorn des Großen Geistes liegt auf uns, wir werden täglich weniger, und die Weißen mehren sich wie die Heuschrecken.

Bald wird kein Seminole mehr sagen können, daß dieses Land seinem Volk gehört hat, keiner wird mehr von den Siegen seiner Väter über ihre Feinde erzählen können. Der Pflug der Bleichgesichter wird die Gräber der Seminolen aufwühlen, und zwischen ihren Gebeinen wird Mais und Baumwolle wachsen.«

Als sie zum Lager zurückkehrten, hatten die Frauen das Frühstück aus unreifem, in Wasser abgekochtem Mais und geröstetem Hirschfleisch bereitet. Vor den nicht weit entfernten Hütten der übrigen Familien von Tallihadjos Stamm rüsteten sich die Männer zur Jagd. Zu Fuß und zu Pferde, teils mit Büchsen, teils mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, zogen sie, von einer Menge Hunde umschwärmt, dem Fluß zu, durchschritten ihn auf einer seichten Furt und verschwanden jenseits im hohen Walde.

Tallihadjo wies seinen Negern Arbeit an. Einige schickte er zum Angeln an den Fluß, andere mußten Feuerholz besorgen. Er selber setzte sich vor den Eingang seiner Hütte und versah den Hahn seiner Büchse mit einem neuen Feuerstein.

Am nächsten Tag kehrte Tomorho zurück und berichtete, daß Ralph Norwood beim alten Arnold wohne und in Kürze auf sein Eigentum ziehen wolle, um dort Mais und Baumwolle zu bauen.

»Möge der Große Geist ihn in seinem Vorsatz bestärken und die falschen Zungen der Bleichgesichter von ihm fernhalten«, sagte Tallihadjo erfreut. »Dann wird das Indianerblut in seinen Adern sein Herz stark machen, und er wird uns die Freundschaft seines Vaters ersetzen! Möge sein Leben froh und heiter werden wie der schäumende Bach der Gebirge, wenn er das Tal erreicht und zwischen den duftenden bunten Blumen der Prärie ruhig dahinfließt.«

Zwielichtige Gesellen

Ungefähr sechs Meilen nördlich von Arnolds Niederlassung befand sich ein Settlement, das als Grundlage für eine neue Stadt errichtet war. Der Mittelpunkt war das Gerichtshaus des County, in der Nähe lagen einige Trinkbuden, ein Gasthaus, mehrere Kaufläden und die Geschäftsräume von Advokaten und einem Arzt. Auch eine Schmiede war dort, eine Schneiderei und eine Schusterei.

Nur um das Gerichtsgebäude gab es einen breiten Platz, der von Buschwerk und Gestein befreit war. Straßen gab es noch nicht, die Wege waren hin und her von Haus zu Haus getreten und kreuzten sich nach allen Richtungen, während zwischen ihnen Buschwerk, Unkraut und Gras wucherten. Vor einer der Kneipen, die am Platz um das Gerichtsgebäude lagen, saßen eines Vormittags unter einer hohen Baumgruppe mehrere Männer in eifrigem Gespräch. Sie blickten einem Fremden nach, der eine Satteltasche auf dem Arm, eben in ein Blockhaus eingetreten war, über dem ein großes Schild mit dem Namen John Behrend leuchtete.

»Das war doch Ralph Norwood? Und so ehrbar, als habe er nie eine Karte in der Hand gehabt und nicht die besten Pferde seines Alten verspielt!« sagte ein schwarzhaariger großer Mann von schmächtigem Wuchs und bleicher, verlebter Gesichtsfarbe.

Sein Hut war zerdrückt, sein schwarzer Frack abgetragen und an den Ellbogen durchlöchert, aber beides war städtischer Herkunft und deutete ebenso wie die seidene Halsbinde auf bessere Tage. Sonst trug er derbe Grenzerkleidung. Aus dem Gürtel sah der silberbeschlagene Griff eines mächtigen Schlachtmessers drohend hervor. Soubletts Name wurde von vielen nur mit einer gewissen Scheu, ja mit Furcht genannt. Mit ihm war der Gedanke an eine pfeifende Kugel, an eine blitzende Klinge oder eine lodernde Flamme auf dem Dach verbunden.

»Jawohl, der wirkliche Ralph!« bestätigte ein anderer und spuckte treffsicher nach einer schillernden Fliege. »Ein Kater, den man nicht ohne Handschuhe anfassen darf. Ich kenne ihn von Columbus her.«

»Sein Alter ist abgekratzt, jetzt braucht er ihm keine Pferde mehr zu stehlen«, grinste ein dritter. »Der junge Herr hat sicher den Beutel voll Geld. Sicher will er bei Behrend kassieren, denn der hat immer für den alten Norwood die Außenstände in der Umgegend eingezogen.«

Soublett zwinkerte dem vierten am Tisch, einem stutzerhaft gekleideten jungen Mann zu und winkte ihn auf die Seite. »Garrett, das wär' doch was für uns! Vielleicht lohnt es sich, Ralph Norwood anzuzapfen. Geht zu Behrend hinüber, macht Euch mit Norwood bekannt und ladet ihn zu einem Trunk ein! Ihr könnt das besser als ich, denn Ihr habt so etwas an Euch, was man in New York anständig nennt. Verdammt, bildet Euch nicht ein, ich möchte auch so aussehen wie ein angezogener Affe! Habe auch mal Manschetten getragen und könnte es heute noch! Also versucht, was Ihr könnt! Wenn's ans Rupfen geht, sollt Ihr auch eine Karte haben!«

Garrett lächelte nur spöttisch. Er zupfte sich den Hemdkragen zurecht und spazierte dann, eine Zigarre im Mund, ein Stöckchen hinter dem Rücken wirbelnd, über den Platz zu Behrends Laden.

Als er in das geräumige Blockhaus eintrat, strich Ralph Norwood eben eine große Menge Goldstücke ein, die auf dem Ladentisch aufgezählt waren. Er war nach dem Settlement gekommen, um zwei der Schuldscheine, die ihm sein Vater hinterlassen hatte, einzukassieren, da ihre Verfallzeit nahte. Frau Arnold hatte ihn gebeten, eine Anzahl Kleinigkeiten für ihren Haushalt mitzubringen, und so war er mit dem Neger Bob und einem Packtier in der Frühe losgeritten. Bob mit den Tieren hatte er im Gasthaus zurückgelassen, während er den Kaufmann aufsuchte.

Garrett beachtete Ralph scheinbar gar nicht, sondern wandte sich gleich dem Zaum- und Sattelzeug zu, das an einer Wand aufgehangen war. Er griff sich einen Zügel und hielt ihn dem Kaufmann hin.

»Was kostet das, Mister Behrend?«

»Fünf Dollar!«

»Was? So teuer?«

»Das ist allerdings viel Geld«, mischte sich Ralph ein. »In Columbus kriege ich so einen Zaum für einen Dollar!« »Wir sind hier auch an der Grenze«, wandte Behrend ein.

»Ich habe bedeutende Unkosten. Vier Dollars ist das Äußerste.«