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Der Earl von Ardwick, der geplant hatte seine Verlobung zu der sehr schönen Heloise bekannt zu geben, wird schwer enttäuscht. Sie sollte mit ihm als Kleopatra verkleidet zu einem Maskenball der feinen Gesellschaft kommen, sagt dies aber im letzten Augenblick ab, da sie den Duke von Dunbridge heiraten willen. Der Earl ist sehr schockiert. Per Zufall trifft er die junge und sehr hübsche Lupita Lang und deren jungen Bruder, Jerry, den Earl von Langwood, denen er bei einem Kutschenunfall behilflich ist. Da die Geschwister in London nach einer Unterkunft suchen, nimmt er sie bei sich auf. Sie befinden sich in einer misslichen Lage und Lupita bangt um das Leben ihres Bruders. Der Earl überredet Lupita, mit ihm auf den Maskenball zu gehen. Wird es dem Earl möglich sein, eine Blamage abzuwenden, da Heloise einen anderen Partner wählte? Wird es Lupita und Jerry Lang gelingen, den Händen eines möglichen Mörders zu entgehen und wieder in ihr Heim zurückzukehren?
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Seitenzahl: 184
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Table of Contents
DieRache des Verschmähten
Zur Autorin
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
Hörbücher
DieRache des Verschmähten
Barbara Cartland
Zur Autorin
Weitere Bücher der Reihe
Titel der Originalausgabe: Beyond the Stars
Barbara Cartland, Stiefgroßmutter von Lady Di, gilt heute als ‚the world’s top selling author‘. Ihre Werke sie veröffentlichte neben ihren Liebesromanen unter anderem auch Biographien, Diät und Gesundheitsbücher wurden in sämtliche Kultursprachen übersetzt. Nach Agatha Christie ist sie die meistübersetzte Autorin des belletristischen Genres.
Fassungslos schaute der Earl von Ardwick auf die hinreißend schöne junge Frau vor ihm.
»Was solldas heißen, du kommst nicht mitzum Ball?« fragte er sie verblüfft.
»Es soll genau das heißen, was ich gesagt habe, Ingram«, gab sie ihm schnippisch zur Antwort. »Und was ich gesagt habe, ist, dass ich nicht mit dir auf den Ball gehe.«
»Du kommst nicht mit?« wiederholte der Earl ungläubig. »Sag mal, wovon redest du eigentlich?«
Heloise Brook ging langsam zum Fenster Sie bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit und Anmut, die ihr den stehenden Beifall sämtlicher Mitglieder des Clubs der St. James Street eingebracht hätten.
Selbst Seine Königliche Hoheit, der Prinz von Wales, wäre hingerissen von ihr gewesen.
Heloise war sich ihrer Wirkung auf die Männerwelt Londons sehr wohl bewusst.
Und sie hatte keinen Zweifel, dass sie mit ihrem tizianroten Haar, das in der Sonne, die durchs Fenster flutete, wie gehämmertes Kupfer leuchtete, und in dem enganliegenden smaragdgrünen Kleid, das sie an diesem Morgen trug, wie eine Göttin aussah. Fernöstlicher Zauber umgab sie, der das Verlangen jeden Mannes erregte.
Zu oft hatte manihr das schon gesagt, wenn sie Grün trug.
Aus diesem Grund hatte sie vor Ankunft des Earl mit voller Absicht dieses Kleid ausgewählt, das die Reize ihrer Figur noch stärker betonte.
Er wartete, bis sie das Fenster erreicht hatte, und fragte dann mit Schärfe in der Stimme:
»Was soll das? Was habe ich getan, dass du dich so aufregst?«
»Nicht ichbin es, die sich aufregt«, erwiderte Heloise betont sanft, »sondern du, mein lieber Ingram.«
»Natürlich rege ich mich auf, wenn du mir plötzlich erklärst, dass du nicht mit zum Ball kommst, nachdem du mir wochenlang damit in den Ohren gelegen hast, du brauchtest unbedingt ein neues Kleid, wenndudich dort sehen lassen wolltest. Nunhast du dein Kleid, und plötzlich interessiert es dich nicht mehr! Dabei, weiß der Himmel, war es wahrhaftig teuer genug!«
»Aha, du hast es mir also gar nicht gegönnt!« rief die junge Frau streitlustig.
»Natürlich habe ich es dir gegönnt«, erwiderte der Earl wütend, »aber ich finde, dass es ein ziemlicher Aufwand ist für ein Kleidungsstück, das nur für ein einmaliges Tragen gedacht war!«
Heloise gab ihm keine Antwort, und nach kurzer Pause fuhr er fort:
»Jedenfalls habe ich dir deinen Wunsch erfüllt und dir das Kleid gekauft, worüber also beklagst du dich nun?«
»Ich beklage mich jagar nicht, Ingram. Ich versuche nur dir zu erklären, dass ich nicht mit dir zu dem Ball gehe.«
Heloise Brook machte eine bedeutungsschwere Pause und fuhr dann fort:
»Ichhabe nämlich einen anderen Partner gefunden - sowohl für den Ball als auch fürs Leben.«
Die letzten Worte sprach sie akzentuiert undmit endgültig klingender Bestimmtheit.
Der Earl glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
»Fürs Leben?« rief er »Was soll das heißen - fürs Leben?«
»Ich fürchte, du wirst dich jetzt noch mehr auffegen, Ingram«, sagte Heloise, »aber ich habe beschlossen, Ian Dunbridge zu heiraten.«
Der Earl, der auf sie zugegangen war erstarrte mitten in der Bewegung.
»Dunbridge heiraten?« fragte er. »Ich ... ich kann es nicht glauben.«
Heloise schwieg.
»Aber ... aber du bist mit mir verlobt!« stammelte er aufs äußerste verwirrt.
»Nur im geheimen. Und du warst immer damit einverstanden, dass wir es uns bis zur endgültigen Bekanntgabe noch überlegen sollten.«
Einen Moment sah es aus, als hätte es dem Earl die Stimme verschlagen.
Dann konterte er zornig:
»Du heiratest Dunbridge doch nur weil er ein Duke ist und nicht weil du ihn liebst.«
»Das ist meine Sache!«
Die Stimme des Earl bekam etwas Bedrohliches, als er antwortete:
»Du hast mich zappeln lassen, weil du glaubtest, Dunbridge würde nicht auf deine Bedingungen eingehen. Doch jetzt, wo er es tut, gibst du mir den Laufpass, und das nur weil du auf den höheren Titel scharf bist.«
Heloise ließ einen leisen Seufzer hören.
»Ein Duke ist nun mal - ein Duke«, murmelte sie.
»Zum Teufel mit dir!« knurrte der Earl. »Du hast mich zum kompletten Narren gemacht. Alles, was ich sonst noch dazu sagen kann, ist, dass dein Verhalten äußerst schäbig ist und dir jede Grundsatztreue und Charakterfestigkeit zu fehlen scheint!«
Er wandte sich ab und ging zur Tür.
Dort drehte er sich noch einmal um und sagte kalt:
»Leb wohl, Heloise! Hoffentlich sehe ich dich nie mehr wieder!« Dann verließ er das Zimmer, bevor sie noch etwas erwidern konnte.
Gewaltsam zwang er sich, die Türe leise hinter sich zu schließen, obwohl er sie am liebsten mit einem Knall ins Schloss geworfen hätte.
Wie betäubt durchquerte er die Halle, unfähig zu glauben, was soeben passiert war.
Heloise Brook, der er seit zwei Monaten den Hof machte, hatte ihn in buchstäblich allerletzter Minute abblitzen lassen.
Und dies, weilder Duke von Dunbridge sieihmdoch noch vor der Nase weggeschnappt hatte.
»Zur Hölle mit ihm - und zur Hölle mit allen Frauen!« stieß er böse hervor, während er nach draußen trat, wo seine Kutsche auf ihn wartete.
Er hatte auf einen Wagen, den er selber lenken konnte, verzichtet, weil er gehofft hatte, Heloise würde mit ihm in die Londoner Innenstadt zurückfahren.
Ihr Vater, Lord Peribrook, besaß ein Haus in Ranelagh.
Obwohl man es für sehr unvorsichtig halten konnte, hatte Heloise dem Earl zu mehreren Gelegenheiten gestattet, sie nach London zu fahren.
Die Entschuldigung waren Ballveranstaltungen oder Dinnerpartys gewesen, zu denen sie beide Einladungen erhalten hatten.
Der Earlließ sich schweratmend auf den Rücksitz fallen.
Dabei bemerkte er die große Kleiderschachtel, die jemand auf der gegenüberliegenden Bank abgestellt hatte.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte er den Diener.
»Man sagte mir, ich solle die Schachtel in den Wagen Eurer Lordschaft stellen«, erwiderte der Mann.
Die Lippen des Earl wurden schmal.
Er wusste, es war das Kleid, das Heloise an diesem Abend zu dem Maskenball hatte tragen wollen, den die Duchess von Devonshire im Devonshire House gab. Er war Teil der Festlichkeiten, die in diesen Tagen überall in London stattfanden, um Königin Viktorias Diamantenes Jubiläum zu begehen.
Seit Monaten hatte sich die feine Gesellschaft darauf vorbereitet.
Die Duchess hatte alle Geladenen aufgefordert, in einem Fantasiekostüm auf dem Ball zu erscheinen.
Die Sache löste eine Menge Spekulationen, Diskussionen und auch Verstimmungen aus, bei der Frage, wer als was dort erscheinen würde.
Lady Warburton hatte, bevor jemand sie davon abhalten konnte, kundgetan, dass sie als Britannia auftreten werde.
Lady Gerard hatte sich für Astarte, die Mondgöttin, entschieden.
Damit waren die beiden einer großen Zahl anderer Interessentinnen zuvorgekommen, was unter den Damen natürlich eine maßlose Enttäuschung hervorrufen musste.
Heloise hatte den Anspruch auf die Maske der Kleopatra erhoben.
Ebenfalls sehr zum Bedauern vieler Rivalinnen, die ihren Anspruch nur zögernd und mit Widerwillen anerkannten.
Dem Earl war nichts übriggeblieben, als sich in einen akzeptablen Mark Anton zu verwandeln.
Zum Glück wirkte das Kostüm eines römischen Feldherrn einigermaßen ernsthaft und nicht zu fantastisch oder gar lächerlich.
Nun,nach der schmählichen Abfuhr, die Heloise ihm bereitet hatte, ärgerte ihn der Gedanke, wie ungewöhnlich übertrieben und verschwenderisch seine ‚Ehemalige‘ in ihrem Wunsch, als Kleopatra zu gehen, gewesen war.
»Sie war die Königin von Ägypten«, hatte sie immer wieder hartnäckig betont, »und sie besaß einen ungeheuer kostbaren Schmuck. Denk doch nur an die Aufregung, die es wegen eines Perlenohrrings gab, den sie in dem Weinglas verschwinden ließ, das sie Mark Anton reichte.«
»Perlen zählten damals zu den wertvollsten Juwelen, die es überhaupt gab«, erwiderte der Earl, »und da man mit dem Erlös eines einzigen Ohrrings einen ganzen Feldzug finanzieren konnte, halte ich die Anschaffung eines solchen Schmucks für übertriebenen Luxus und pure Verschwendung.«
»Ich bin sicher, lieber Ingram, du wirst mir ein Paar Perlenohrringe nicht abschlagen!« sagte Heloise. »Und natürlich werden wir sagen müssen, dass wir uns noch in dem Stadium befinden, bevor ich dir einen Ohrring zu trinken gab.«
Der Earl hatte nachgegeben und Heloise versprochen, ihr ein Paar Perlenohrringe zu kaufen.
Natürlich mussten es die größten und teuersten sein, die in der Bond Street aufzutreiben waren.
Was das Kostüm selbst betraf, so musste er feststellen, dass es auf Heloises Anweisung hin ebenfalls mit Perlen verziert worden war- jedenfalls das wenige davon, das aus Stoff bestand.
»Aber du kannst das alles doch nur ein einziges Mal anziehen«, hatte er Heloise zu bedenken gegeben, »und halbechte Perlen wirst du ganz sicher zu keiner anderen Gelegenheit mehr tragen wollen!«
»Ich möchte eben der richtigen Kleopatra möglichst nahekommen«, antwortete Heloise, »verstehst du das denn nicht, mein lieber Ingram!«
Da hatte er geschwiegen und gezahlt, denn Heloise war zweifellos das schönste Mädchen, das er bisher in seinem Leben gesehen hatte.
Und wenn er einmal heiraten sollte, dann-so war er entschlossen - musste es eine Frau sein, die unbestritten etwas Besonderes und Außergewöhnliches war.
Heloise aber mit ihrem roten Haar, ihren grünen Augen und ihrer durchscheinend hellen Haut war zweifellos die schönste junge Frau in ganz Mayfair.
Sie besaß zwar Rivalinnen, die sie an Schönheit und Extravaganz noch übertrafen, aber diese waren verheiratet und gehörten zu den Frauen, zu deren Bewunderern der Prinz von Wales und dessen Altersgenossen zählten.
Und der Prinz selbst war es gewesen, der es zum ersten Mal einem Gentleman ermöglichte, ein Liebesverhältnis zu einer Frau der eigenen Klasse zu unterhalten, ohne gesellschaftlich geächtet zu werden.
Bekannt war seine Beziehung zu Lillie Langtry.
Niemand entrüstete sich in der Öffentlichkeit mehr deswegen.
Im Gegenteil, diese Frau war schon bald von nahezu jeder Hausherrin in London akzeptiert und zusammen mit dem Prinzen eingeladen worden.
Im Lauf der Zeit erweiterte der Prinz die Liste seiner Liaisons um die Komtess von Warwick, mit der ihn sogar eine tiefe Liebe verband, um die Prinzessin und eine große Anzahl anderer Schönheiten.
Anschließend fand er sein Glück und seine Befriedigung bei Mrs. Keppel, deren Charme er ebenfalls nicht zu widerstehen vermochte.
Auch der Earl hatte einige leidenschaftliche affaires de coeur mit außergewöhnlich reizvollen verheirateten Frauen der feinen Gesellschaft hinter sich.
Doch als er dann Heloise Brook begegnete, war ihm mit einem Mal der Gedanke gekommen, die Ardwick- Brillanten müssten auf ihrem roten Haar wirklich ganz sensationell aussehen.
In diesem Augenblick reifte in ihm die Einsicht, dass es nach den achtundzwanzig Lebensjahren, die er inzwischen zählte, wohl langsam an der Zeit wäre, seinem Junggesellendasein ein Ende zu bereiten und ernsthaft an die Gründung einer eigenen Familie zu denken.
Ja, er würde einen Stammhalter und Erben zeugen! Besser noch mehrere Söhne, damit jemand da war, dem er seine riesigen Güter vererben konnte.
Die Ardwicks waren nämlich unermesslich reich und hatten ihr Vermögen und ihren Besitz von Generation zu Generation ständig vergrößert.
Und so galt er, der Zehnte Earl, als einer der größten Grundbesitzer Englands.
In Anbetracht einer solchen Position vermochte er es verständlicherweise nur schwer zu verkraften, dass ein Mädchen, das er zu seiner Frau erwählt hatte, auf die Idee kommen konnte, ihm einen Herzog vorzuziehen.
Nun, da der Earl darüber nachdachte, erinnerte er sich daran, wie ungehalten und missgelaunt Heloise gewesen war, als sie erfuhr, dass eine ihrer engsten Freundinnen einen Marquis hatte.
Während er selbst sich kopfschüttelnd fragte, was denn so beneidenswert daran sei, die Frau eines Mannes zu werden, der dem Alter nach ihr Vater hätte sein können.
Zugegeben, der Titel eines Marquis besaß eine gewisse Attraktivität.
Und vermutlich hatte Heloise den Gedanken nicht ertragen können, dass ihre Freundin bei jeder Dinnergesellschaft vor ihr zur Tafel gehen würde.
Dadurch jedoch, dass Heloise nun eine Duchess wurde, war die Welt für sie wieder in Ordnung, vor allem auch deshalb, weil sie damit manch einer ehrgeizigen Mutter und manch einer heiratswilligen Debütantin einen Strich durch deren Heiratspläne machte.
Die Mütter und überhaupt die Frauen waren Dunbridge nachgelaufen, seit er Eton verlassen hatte.
Nie hätte der Earl es für möglich gehalten, dass die Frau, die er einmal um ihre Hand bitten würde, sich für einen anderen Mann entscheiden könnte, nur weil dieser einen höheren Titel besaß.
Denn er war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass er ein außergewöhnlich gutaussehender junger Mann war, außerdem ein hervorragender Reiter und dass er als der bei weitem intelligenteste unter den jungen Männern bei Hofe galt.
Seine Güter leitete er selbst, und um sein brillantes Organisationstalent beneideten ihn sämtliche Grundbesitzer der Grafschaft.
Seine Pferde, die er ebenfalls persönlich aussuchte, gewannen Jahr für Jahr ausnahmslos jedes klassische Rennen.
Er war ein anerkannt guter Polospieler, und bei der Jagd zu Pferd machte ihm so leicht keiner etwas vor. In zahllosen Hindernisrennen war er Sieger geblieben, und es gab eine Reihe von Männern, die sich weigerten, an einem Querfeldeinrennen teilzunehmen, wenn er mit von der Partie war.
»Ich hab' es satt, dich immer wieder mühelos gewinnen zu sehen«, hatte ein Freund noch in der vergangenen Woche zu ihm gesagt. »Es wäre doch viel einfacher, dir den Wanderpokal schon vor dem Start zu überreichen, anstatt sich die Zunge aus dem Hals zu reiten, nur um am Schluss zuzusehen, wie du als erster durchs Ziel galoppierst.«
Es war der Ausdruck eines halb scherzhaften, halb ernstgemeinten Protestes gewesen. Tatsächlich hatte sich der Earl ziemlich unbehaglich dabei gefühlt.
Ihm war bewusst, dass er seine Erfolge nicht allein seiner Reitkunst verdankte. Er suchte sich seine Pferde mit größter Sorgfalt aus und trainierte sie selbst.
Sein Haus, Ardwick Park, seit Generationen im Besitz seiner Familie, befand sich in einem hervorragenden Zustand und war mit erlesenem Geschmack eingerichtet.
Nach dem Tod des Vaters hatte er es völlig neu und ganz nach den eigenen Vorstellungen umgestaltet, zur Überraschung der meisten nicht in dem spätviktorianischen Stil, der augenblicklich in England in Mode war, sondern er ließ es so restaurieren, wie es am Anfang des Jahrhunderts ausgesehen hatte.
Obwohl der Georgianische Stil als völlig überholt galt, hatte der Earl alles entfernen lassen, was die Viktorianer so attraktiv fanden.
Nun sah das Haus wieder so aus, wie es damals von den Gebrüdern Adam konzipiert und errichtet wurde.
Weiles völlig ungewöhnlich war, etwas Derartiges zu tun, pilgerten die Leute gleichsam in Scharen nach Ardwick Park, um die Änderungen zu bestaunen, die sein Eigentümer daran vorzunehmen für richtig gehalten hatte.
Seltsamerweise war es der Prinz von Wales, der aller Kritik die Spitze abbrach, indem er sagte:
»Du hast dir ein herrliches Ambiente geschaffen, Ardwick, das - wie ich neidlos anerkennen muss - deiner ganz und gar würdig ist!«
Danach verstummte wieauf Kommando jegliche Kritik an Ardwick Park, und alle Welt war plötzlich ganz hingerissen davon.
Was natürlich niemanden davon abhielt, selbst weiterhin seine protzigen Empfangszimmer mit Schusterpalmen, Schonerdeckchen, quastenverzierten Samtvorhängen und plüschbezogenen Polstermöbeln vollzustopfen.
Noch kürzlich hatte sich der Earl Gedanken darüber gemacht, wie er das herrliche Schlafgemach, das Heloise nach ihrer Hochzeit beziehen würde, renovieren sollte.
Er war nämlich zu der Auffassung gekommen, dass die Tapeten, Vorhänge und Teppiche viel zu viel Pink enthielten für eine Frau mit feuerroten Haaren.
Außerdem hatte er sich sehr sorgfältig überlegt, welche sonstigen Änderungen er würde vornehmen müssen.
Das Ganze hätte eine Überraschung für Heloise sein sollen an dem Tag, da sie als die neue Schlossherrin auf Ardwick Park eingezogen wäre.
Es hatte so viele Dinge gegeben, mit denen er sie hatte erfreuen wollen. Dinge, von denen er glaubte, dass sie Heloise noch schöner machen würden, als sie es sowieso schon war.
Und weil er großzügige und wundervolle Pläne für sie gehabt hatte, ärgerten ihn ihre Extravaganzen nun umso mehr. Vor allem die Sachen, die sie sich für den Ball im Devonshire House gewünscht hatte, waren plötzlich überflüssig geworden. Niemand brauchte sie nun noch.
Er überlegte sich, dass es eigentlich gar keinen Grund mehr für ihn gab, den Ball zu besuchen.
Hier saß er und beförderte in seiner Kutsche völlig unnötigerweise das Kostüm, das Heloise ihm zurückgegeben hatte, weil sie es nicht mehr tragen wollte.
Sein eigenes Kostüm wartete in seinem Haus am Grosvenor Square auf ihn.
Wie die meisten Männer mochte der Earl für sich selbst keine Verkleidungen. Aber er wusste, welchen Spaß eine Frau daran hatte, sich schön zu machen und in die Rolle einer anderen zu schlüpfen.
Also hatte er keine Veranlassung gesehen, deswegen einen Streit anzufangen.
Der einzige Trost nach der Enttäuschung, die Heloise ihm bereitet hatte, war nur, dass für ihn jetzt keine Notwendigkeit mehr bestand, an der Ballveranstaltung teilzunehmen.
Plötzlich jedoch blitzte der Gedanke in ihm auf, dass sein Fernbleiben alle Welt geradezu darauf stoßen musste, dass Heloise - obwohl es keine öffentliche Bekanntmachung ihrer Verlobung vorlag, - diese wohl gewissermaßen in letzter Minute und von sich aus gelöst hatte.
Für ganz London würde feststehen, dass es genauso gekommen war, wie sie es von Anfang an vorausgesagt hatten.
Als Heloise darauf bestand, ihre Verlobung noch geheim zu halten, hatte sich der Earl - wenn auch ein wenig stutzig geworden - damit einverstanden erklärt.
Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass sie es tat, weil sie auf einen besseren Antrag hoffte und – falls dieser kam - nicht das Gesicht verlieren wollte.
Er hatte geglaubt, der Grund für ihr Zögern wäre der Wunsch gewesen, dass sie sich beide noch einmal in aller Ruhe prüfen sollten, ob ihre Liebe auch stark genug warundfür ein ganzes Leben halten würde. Dann wäre es nämlich die vollkommene Liebe gewesen, nach der sich die Menschen sehnten, seitdem es Männer und Frauen auf dieser Erde gab.
Der Earl erinnerte sich nun auch daran, wie peinlich genau sie immer darauf achtete, dass man in der Gesellschaft nicht über sie beide klatschte.
»Ich möchte, dass man es weiß!« hatte er auf einem Ball zwei Abende zuvor verlangt.
Sie hatten zweimal miteinander getanzt, und sie weigerte sich, ihm einen dritten Tanz zu gewähren.
»Die Leute werden reden!« zischte sie ihm unwillig zu.
»Dann lass sie doch!« erwiderte der Earl. »Ich möchte mit dir tanzen, mein Liebling, und dich eng in meinen Armen halten!«
»Aber das sollst du eben nicht!« entgegnete Heloise hastig. »Du weißt, die Leute beobachten uns. Das ist doch ganz selbstverständlich, wo du ein so attraktiver und gutaussehender junger Mann bist.«
Bei diesen Worten schaute sie verführerisch zu ihm auf, und er antwortete natürlich darauf:
»Und du bist zu schön, tun die Männer kaltzulassen. Ich möchte dich küssen, Heloise, das weißt du!«
»Später, später«, gab sie ihm wispernd zur Antwort. »Auf keinen Fall hier in der Öffentlichkeit!«
Er sagte sich, dass sie recht hatte. Denn schließlich würde er vor Bekanntgabe ihrer Verlobung mit Lord Fenbrook sprechen und vor allem seine Großmutter informieren müssen. Auch seine übrigen Verwandten würden empört sein, wenn er sie nicht frühzeitig von seinem Schritt in Kenntnis setzte.
»Lass uns doch noch kurze Zeit warten!« bat ihn Heloise, als sie später über das Thema sprachen. »Ich liebe dich, und du weißt, dass ich dich liebe, Ingram. Aber schließlich hattest du eine ganze Menge Liebschaften, bevor wir uns kennenlernten.«
»Sie bedeuten nichts - absolut nichts im Vergleich zu dem, was ich für dich empfinde!« erklärte ihr der Earl fest. »Und du bist die schönste Frau, die ich je in meinem Leben gesehen habe.«
Heloise lächelte.
Sie nahm das Kompliment entgegen, wie etwas, das ihr zustand.
Nahezu jeder Mann, dem sie begegnete, sagte dies zuihr
Sie war sich sehr wohl der Tatsache bewusste, dass sie mit ihrem roten Haar undden grünen Augen unter den Mädchen ihres Alters etwas Besonderes darstellte. Die anderen sahen alle so typisch englisch aus, mit ihrem blonden Haar, ihren blauen Augen und ihrer rosigen Haut.
Glücklicherweise war Lord Fenbrook sehr reich. Heloise war deshalb in der Lage, sich so anzuziehen, dass ihr exotisches Äußere und die geschmeidigen Bewegungen ihres grazilen Körpers durch die Kleidung noch hervorgehoben wurden.
Den Männern, die sich mit ihr in einem Raum aufhielten, war es unmöglich, sie zu übersehen.
Im Gegenteil, Heloise zog deren Blicke geradezu magnetisch an sich.
Jede kleinste Handbewegung, jeder Augenaufschlag, die Art, wie sie ging und wie sie den Kopf hielt, alles war perfekt einstudiert und zielte bewusst auf Wirkung ab.
Das Ergebnis durfte als sensationell bezeichnet werden.
Was sie und den Earl betraf, vermuteten die Leute natürlich längst, dass zwischen ihnen etwas war.
Im Earl verstärkte sich nun der Gedanke, dass es großes Aufsehen erregen würde, nähme er an dem Ball in Devonshire House nicht teil.
Wenn er aber hinging und dort ohne Begleitung einer Dame erschien, würden alle im Ballsaal zu raunen und zu tuscheln anfangen.
»Was, zum Teufel, soll ich tun?« fragte er sich voller Ingrimm.
Er war intelligent genug, um zu wissen, dass es eine ganze Menge Männer gab, die sich schadenfroh die Hände reiben würden, wenn sie erfuhren, dass eine Frau ihn, den vom Erfolg verwöhnten Earl von Ardwick, kaltblütig und kurzerhand hatte abblitzen lassen.
Sie würden nur denken, dass ihm recht geschah.
Warum sollte ein Mann, so erfolgreich, so wohlhabend und so gutaussehend wie er, nicht auch einmal einen Dämpfer bekommen oder eine Enttäuschung erleben!
Und die Mütter, die bisher vergeblich alles darangesetzt hatten, aus ihrer heiratsfähigen Tochter die Komtess von Ardwick zu machen, würden die Jagd auf ihn mit neuer Hoffnung und verstärkten Kräften wiederaufnehmen.
»Himmel, was sollich nur tun?« fragte er sich erneut.
Obwohl tief in Gedanken, wurde ihm mit einem Mal bewusst, dass die Pferde angehalten hatten.
Er blickte aus dem Fenster. Sie befanden sich in einer schmalen Gasse, und vor ihnen hatte es einen Unfall gegeben.
Unfälle dieser Art geschahen neuerdings immer häufiger in London, was in erster Linie auf die explosionsartige Zunahme der Stadtbevölkerung zurückzuführen war.
Viele Straßen waren zu eng geworden und vermochten den rasant anwachsenden Verkehr nicht mehr zu fassen.
Der Earl vernahm aufgebrachte Männerstimmen, die sich gegenseitig anschrien.