Die Rosenkranzmorde - Martina Kurfürst - E-Book

Die Rosenkranzmorde E-Book

Martina Kurfürst

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  • Herausgeber: TWENTYSIX
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Nach einem Schicksalsschlag möchte die Rechtsmedizinerin Dr. Mara Sheridan neu anfangen und zieht von Frankfurt zurück in das Dorf in dem sie aufgewachsen ist. Kaum ist sie dort angekommen, wird sie zu einem merkwürdigen Todesfall hinzugerufen. Ein Mönch wird in seiner Zelle tot aufgefunden, der Leichnam, wie aufgebahrt auf dem Boden liegend mit einem Rosenkranz in den gefalteten Händen. Der Tatort penibel gereinigt. Doch es bleibt nicht bei einem Toten. Weitere Personen kommen um und bei allen findet die Polizei einen Rosenkranz. Wo ist die Verbindung zwischen den Opfern? Und wer steckt hinter den Morden?

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Rat und Tat zur Seite stand

… Marion - die mich aus den Polizeiarbeitswolken

auf den Boden der Tatsachen holte

… und last but not least …

… meine Familie

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Die Autorin

Bonusmaterial Kurzgeschichte „Der Weihnachtsmarkt“

Prolog

Samstag, 15. Januar 2022

Mara lachte, als sie wieder in die Cessna Skyhawk stieg. Markus und sie hatten einen tollen Tag mit ihren amerikanischen Freunden auf der Wasserkuppe verbracht und wollten nun die Heimreise antreten. Sue stopfte die prall gefüllten Tüten aus den verschiedenen Läden hinter ihren Sitz. Gefühlt hatte sie den Rhönwild Laden komplett leer gekauft. Markus zwinkerte Mara zu, als er sich auf den Pilotensitz schwang und Greg neben ihm Platz nahm. Er startete den Motor und nach Freigabe durch den Tower begaben sie sich auf die Startbahn. Mara schloss für einen Moment die Augen und genoss den Augenblick, als die Cessna die Rollbahn verließ und das Gefühl von Freiheit ihr in den Magen fuhr. Dann stieg das Sportflugzeug immer weiter in den klaren Winterhimmel.

In ihre dicke Pilotenjacke eingemummelt sah Mara aus dem Fenster und genoss den Blick auf die verschneite Landschaft. Von hier oben sah alles noch ein wenig märchenhafter aus. Der Schnee glitzerte und funkelte in der Sonne und zwischen den Bäumen entdeckte sie eine Rotte Wildschweine. Sie stupste Sue an, um ihr diese zu zeigen.

Dann, sie hatten etwa die Hälfte der Strecke geschafft, runzelte sie die Stirn als ihr plötzlich ein merkwürdiger Geruch in die Nase stieg. Aufmerksam sah sie sich um, konnte jedoch nichts entdecken. Der Geruch wurde jedoch immer intensiver und auf einmal erscholl aus dem Cockpit ein Warnton.

„Markus, was ...?“

Doch bevor er antworten konnte, senkte sich die Nase der Skyhawk unvermittelt steil nach unten, so das Mara in den Gurt gedrückt wurde. Geschockt schnappte sie nach Luft, als sie den Rauch gewahrte, der nun vom Motor aus ins Cockpit drang. Eine Hand krallte sich in ihren Unterarm und sie hörte die panischen Rufe ihrer Freundin.

Hilflos musste sie zusehen, wie ihr Freund verzweifelt versuchte, das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bringen und hörte, wie Greg einen Notruf absetzte. Mit Schreck geweiteten Augen sah sie die weißen Baumwipfel auf sich zu kommen, hörte wie Holz brach, Metall kreischte, dann durchfuhr sie ein scharfer Schmerz und es wurde dunkel um sie.

Eine leise, ihr bekannte Stimme drang an ihr Ohr, als sie langsam die Augen öffnete. Ihr Blick fiel auf eine mit weißen Strukturplatten abgehängte Decke. Mara wandte langsam den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam und entdeckte ihre Mutter, die in Schutzkleidung auf einem Plastikstuhl saß und ihr aus einem ihrer Lieblingsbücher vorlas.

Mara wollte sie ansprechen, doch ihre Stimme wollte ihr noch nicht gehorchen. Nach einem zweiten Versuch kam ihr ein leises 'Mamaí1' über die Lippen. Überrascht sah ihre Mutter auf und Mara sah, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten.

„Mara“, flüsterte sie, „endlich.“

Mara runzelte die Stirn. Was sollte das heißen? Doch ihr Kopf ließ noch kein Nachdenken zu. Erschöpft schloss sie wieder die Augen.

Als Mara das nächste Mal die Augen öffnete, hatte sie zwar immer noch Kopfschmerzen, aber sie war etwas wacher und ihr Kopf versuchte, die Lücke zwischen dem Flug und ihrem aktuellen Aufenthaltsort zu füllen. Doch sie konnte sich nicht erinnern.

Markus? Was war mit Markus? Warum war er nicht hier?

Ihre Augen suchten den Bettrand ab und erneut sah sie ihre Mutter an ihrem Bett sitzen. Diese ergriff nun ihre Hand. Leise fragte Mara: „Was ist passiert?“

Ihre Mutter seufzte und begann stockend zu erzählen: „A stór2, ich weiß gar nicht, wie ich dir das sagen soll. … Erinnerst du dich an deinen Ausflug mit Markus, Sue und Greg auf der Wasserkuppe?“

Mara nickte leicht.

„Auf dem Rückflug gab es Probleme mit eurem Flugzeug, Markus konnte noch einen Notruf absetzen, doch dann seid ihr in der Nähe von Herbstein abgestürzt.“

Entsetzt wurden Maras Augen groß.

Ob …? Nein, nein, das durfte nicht wahr sein.

Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern: „Markus?“

Ihre Mutter schüttelte traurig den Kopf. „Es hat außer dir niemand überlebt und auch dein Leben hing am seidenen Faden. Du hast Monate im Koma gelegen und es war ungewiss, ob du jemals wieder wach wirst.“

Die Augen ihrer Mutter waren feucht geworden und diese drückte ihr einen Kuss auf den Handrücken. Maras Herz fühlte sich an, als würde es zerspringen, es schnürte ihr den Hals zu und Tränen schossen in ihre Augen.

Markus? Tot? Alles in ihr schrie.

Vorsichtig setzte sich ihre Mutter auf den Bettrand und zog sie in ihre Arme und strich ihr sanft über den Rücken. „A chroí3, ich muss dir noch etwas sagen.“

Jetzt liefen ihrer Mutter gleichermaßen die Tränen über die Wangen.

„Deine Oma ist vor ein paar Tagen ebenfalls eingeschlafen. Ihr Herz ist in den letzten Monaten immer schwächer geworden und die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun.“

Kurz sah Mara auf, traurig sah ihre Mutter sie an, und hielt sie noch fester als vorher. Mara verbarg ihr Gesicht an der Brust ihrer Mutter und schluchzte auf.

1 Mama

2 Mein Schatz

3 Mein Herz

Kapitel 1

Samstag, 22. Juli 2023

Mara stellte den angemieteten Transporter im Hof vor der Scheune ab und ging durch die Gartenpforte und den verwilderten Vorgarten auf das kleine Fachwerkhaus des ehemaligen Bauernhofes zu. Dann zog sie den Schlüssel aus der Hosentasche und schloss die Haustür auf.

Abgestandene Luft schlug ihr entgegen und sie ging erst einmal durch alle Räume und öffnete die Fenster. Viel Platz gab es in dem Häuschen nicht. Unten einen Flur mit der Garderobe, ein Wohnzimmer, die Küche, eine kleine Speisekammer unter der Treppe und eine Gästetoilette. Im oberen Stockwerk gab es ebenfalls nur zwei Räume und das Bad.

Wehmütig stand Mara nun in der Küche mit dem alten Holzherd und dem antiken Küchenschrank, in dem sich immer noch das Porzellan ihrer Großmutter befand.

Vor über einem Jahr war ihre Oma gestorben und Mara konnte nicht einmal zu ihrer Beerdigung gehen, da sie zu diesem Zeitpunkt selbst noch im Krankenhaus gelegen hatte.

Mara rieb sich die Narbe an ihrer Schläfe und versuchte die Kopfschmerzen, die von ihr Besitz ergreifen wollten, zu ignorieren.

Damit ihr ihre roten, langen Locken nicht im Gesicht hingen, fasste sie sie mit ein paar Handgriffen zu einem lockeren Dutt zusammen und ging zurück zum Transporter der Autovermietung, um ihre Sachen auszuladen. Viel hatte sie nicht mitgenommen. Vor dem schicksalhaften Absturz war sie gerade erst bei Markus eingezogen und hatte somit ihre Wohnung so gut wie aufgelöst. Das meiste waren ein paar Erinnerungstücke, Kleidung und Papiere. Und ihr Motorrad. Mit den Kisten war Mara demnach schnell fertig. Dann schob sie ihre BMW vorsichtig die Rampe hinunter und stellte sie weiter hinten im Hof in der alten Holzhalle ab.

Die Typen von der Autovermietung müssten jeden Moment kommen, um den Transporter wieder abzuholen. Schnell checkte Mara noch einmal, ob sie auch alles ausgeladen hatte. Zwanzig Minuten später war der Hof wieder verwaist und Mara schob das Tor zu.

Im Haus starrte sie auf die Kisten und die noch mit Betttüchern abgedeckten Möbel. Dann riss sie sich los und begann im Obergeschoss die Möbel von den Tüchern zu befreien. Hier oben waren es nicht viele.

Das Bett, das Vertiko, der Schminktisch und der große Kleiderschrank. Das zweite Zimmer war komplett leer, hier wollte Mara sich ihr Büro einrichten. Einen Internetanschluss hatte sie schon beantragt und der Techniker wollte Montag früh kommen, bevor Mara dann ins Institut musste. Mara inspizierte noch das Bad und sah nach, ob das Wasser schon wieder heiß wurde. Brav tat der Durchlauferhitzer seinen Job. Zufrieden drehte Mara das Wasser wieder ab.

Unten wieder angekommen, nahm sie sich das Wohnzimmer mit den beiden großen, hellen Sofas, dem alten Couchtisch aus hellem Kirschholz, den dazugehörigen Schrank und die Kommode vor und bald war alles gelüftet und bereit, genutzt zu werden.

Sie wollte sich gerade den Kartons widmen und anfangen, diese auszuräumen, als ihr Handy zu klingeln begann.

„Dia duit mamaí4. Wie geht es euch?“

„Dia duit Mara. Uns geht es gut. Dein Vater ist angeln gefahren, ich soll dich aber lieb grüßen. Bist du gut in Stürzelberg angekommen und hast du alles, was du brauchst?“

„Ja, danke Mama, ich bin bereits am Auspacken.“

„Tut mir leid, dass wir nicht da sind, um dich zu unterstützen. Aber das mit dem Streik konnte ja keiner vorhersehen.“

„Ist nicht so schlimm, ich komme schon klar.“

„Trotzdem, ich hätte dich gern unterstützt.“

Mara schluckte und ihre Stimme wurde leiser. „Du hast das letzte Jahr genug für mich getan.“

„Ach Mara, hör doch auf. Du bist meine Tochter und ich bin für dich da. Wann hast du deinen ersten Arbeitstag?“

„Am Montag, ich kann mich also am Wochenende hier noch ein bisschen vorher einleben.“

„Das klingt gut. Ich habe dich lieb Mara.“

„Ich dich auch Mama.“

Nacheinander legten sie auf. Mara war schon ein wenig traurig, dass ihre Eltern gerade nicht da waren, doch sie hatten sich vor einigen Jahren entschieden, nach Galway zu ziehen und ihr Flug nach Düsseldorf war aufgrund eines Streiks gecancelt worden.

Kurz musste Mara schmunzeln, als ihr einfiel, wie ihre Eltern sich vor sechsunddreißig Jahren kennengelernt hatten. Auch das hatte nämlich mit einem Flug zu tun, nur dass ihre Mutter sich am falschen Schalter ihr Flugticket geholt hatte und aus Versehen nach Dublin anstatt nach London geflogen war. Maras Dad zog sie noch heute damit auf. In Dublin war Maras Mutter Gabriele dann mit ihren britischen Pfund aufgeschmissen gewesen und konnte sich nicht mal etwas zu essen kaufen. Sie hatte mit ihrem gebrochenen Englisch verzweifelt versucht, an einer der Wechselstuben das Geld umzutauschen. Dort war sie dann Liam Sheridan begegnet, der gerade von einer Dienstreise aus Deutschland zurückkam und ihr unter die Arme gegriffen hatte. Dankbar lud Gabriele Liam zum Essen ein und als dieser seine Heimreise nach Galway fortführte, fuhr sie spontan mit.

Mit diesem Gedanken steckte Mara ihr Handy wieder in die hintere Hosentasche und wandte sich ihren Kartons zu. Die Kleiderkartons brachte sie nach oben, ebenso die Kartons für das Büro mit ihren Büchern und anderen Unterlagen. Sie würde sich die Tage noch um Büromöbel kümmern müssen.

Als sie im Schlafzimmer den Kleiderschrank öffnete, kam ihr ein leichter Duft nach Lavendel entgegen und gleich sah sie wieder ihre Oma vor sich. Mara räumte ihre Sachen ein und bezog sich noch das Bett frisch. Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer, in dem nur ein Karton stand, den sie dann jetzt ebenfalls öffnete. Kurz stockte sie, strich sanft über das Bild von Markus und stellte es dann auf die Kommode zu den anderen Familienbildern, die unter dem Bettlaken zum Vorschein gekommen waren. Dabei fiel ihr Blick auf ihr eigenes Bild, vor dem eine ausgebrannte Kerze aus einer hiesigen Kirche stand. Mara musste schlucken, doch bevor sie weiter ins Grübeln kam, klingelte ihr Handy erneut.

„Sheridan?“, meldete sie sich ganz in Gedanken, ohne auf das Display geschaut zu haben.

„Doktor Mara Sheridan?“

„Jaa?“

„Ah gut. Bitte entschuldigen Sie die Störung. Hier spricht Johannes Richter.“

„Oh, Doktor Richter.“ Mara rutschte das Herz in die Hose, was wollte ihr zukünftiger Boss denn jetzt von ihr?

„Doktor Sheridan würde es Ihnen etwas ausmachen, bereits heute mit einzusteigen? Es gibt einen Leichenfund und der Kollege Tillreuther hat leider einen Magen-Darm Infekt.“

„Ähm, ja, natürlich kann ich machen …“

„Sehr gut, ich schicke Ihnen die Adresse.“

Kurz nachdem sie aufgelegt hatten, kündigte ihr Mobiltelefon eine Nachricht an. Erstaunt sah sie sich die Adresse in Düsseldorf an. Ein Kloster? Mara ging nach oben und holte ihren Arbeitsrucksack, kurz darauf war sie auf dem Weg.

Am Kloster angekommen, bahnte sie sich einen Weg durch die Schaulustigen und stellte dann ihre BMW ab. Sie verstaute ihren Helm im Topcase und ging dann am Krankenwagen vorbei auf die Polizisten zu, die am Eingang des Klosters standen.

„Dr. Mara Sheridan, Rechtsmedizin“, stellte sie sich vor.

Erstaunt musterten die Polizisten ihren Aufzug. Einer der beiden nickte dann und begleitete sie in das Gebäude.

Zusammen betraten sie die Eingangshalle, von der weitere Gänge und Türen abgingen. Der Polizist schlug den Weg geradeaus durch einen der Gänge ein. An den schweren Holztüren entdeckte Mara Schilder, die diese als Kapitelsaal und Refektorium auswiesen. Durch eine weitere Tür kamen sie ins Herz des Klosters, der Klausur, die normalerweise den Klosterbrüdern vorbehalten war. Von dem breiten Gang zweigte ein schmaler langer Flur ab, der auf beiden Seiten eine Menge weiterer Türen aufwies.

Sie näherten sich einer dieser Türen, die in diesem Moment geöffnet wurde und ein Mann, circa einen Meter fünfundachtzig mit braunen Haaren und Cargohosen kam ihnen entgegen.

Fragend zog er eine Augenbraue hoch und sein Blick blieb an Maras Motorradkluft hängen.

„Sie sind Doktor Sheridan?“

Mara nickte und hielt ihm ihre Hand zur Begrüßung hin.

„Und Sie sind?“

„Kriminalhauptkommissar Alexander Peters.“ Er ergriff ihre Hand, drückte sie kurz und nickte ihr zu.

„Hier entlang. Die Kollegen der Spurensicherung sind gleich fertig.“ Er wies in den Raum, aus dem er gerade gekommen war.

Mara trat ein, grüßte die anwesenden Kollegen und sah sich um. Sie befanden sich in der Zelle eines Mönches. Sie wirkte karg und kalt auf Mara und erinnerte sie von der Möblierung her an ein Zimmer in der Jugendherberge.

Ein Bett, ein kleiner Tisch mit Stuhl, ein Schrank, ein Waschbecken, ein Wandregal und ein großes Kreuz waren alles, was sich darin befand. Mara konnte bis auf ein paar Fotos auf dem kleinen Regal keine persönlichen Dinge ausmachen.

Überhaupt wirkte das Zimmer unnatürlich aufgeräumt, sogar der Mann in der Kutte, der auf dem kleinen Flickenteppich am Boden lag.

Er lag auf dem Rücken, die Kutte gerichtet, die Hände auf der Brust gefaltet und auf ihm drapiert lag ein antiker Rosenkranz. Mara warf dem Kommissar einen fragenden Blick zu. Er nickte bestätigend: „Der Mönch, der den Toten gefunden hat, sagt, dass Bruder Elias“, er wies auf den Mann auf dem Boden, „bereits so dort gelegen hat. Ich wollte gern, dass Sie das auch sehen, und habe die Kollegen angewiesen, den Toten erst einmal nicht zu bewegen.“

Mara nickte und betrachtete den Toten eingehender, auf den ersten Blick konnte sie keine äußerlichen Verletzungen entdecken.

Einer der Kriminaltechniker sah sie und Peters fragend an. „Können wir den Rosenkranz dann jetzt eintüten und die Leiche bewegen?“

Der Polizist stimmte zu und der Techniker steckte das Objekt in einen durchsichtigen Asservaten Beutel.

„Habt ihr sonst etwas gefunden?“, fragend sah der Kriminalhauptkommissar die Kollegen an.

„Leider nicht viel. Es sieht aus, als hätte hier jemand nach dem Tod des Ordensbruders ordentlich sauber gemacht. Auf dem Bett waren ein paar Haare und Hautschuppen, aber im restlichen Raum kaum eine Fluse.“

„Sehr merkwürdig“, nachdenklich kratzte Peters sich am Kopf.

Die beiden Kollegen verabschiedeten sich kurz darauf und Mara war mit dem Kripobeamten und dem Toten allein in der Zelle.

Sie zog ihre Motorradjacke aus und drückte diese dem erstaunten Polizisten in die Hand. Dann band sie sich ihre Haare zusammen, zog ein paar Handschuhe über und hockte sich neben den Mönch. Mit beiden Händen tastete sie als Erstes den Kopf ab und untersuchte ihn auf Wunden oder Deformationen, wie zum Beispiel von einem Sturz. Ihr Gesicht näherte sich dabei dem Mund und der Nase des Toten. Er hatte etwas Mundgeruch, der jedoch lediglich auf schlechte Mundhygiene schließen ließ. Als Mara den Mund des Bruders etwas öffnete, bestätigte der gelbe Belag auf seinen Zähnen dies. Da sie sowieso bereits am Mund war, untersuchte sie diesen gleich mit ihrer kleinen Taschenlampe nach Fremdkörpern und sah sich die Schleimhäute an, danach leuchtete sie dem Klosterbruder in die Augen und Ohren. Bisher war alles unauffällig, keine offensichtlichen Wunden, keine Einblutungen in Augen oder an den Schleimhäuten.

Mara spürte den Blick des Kommissars in ihrem Rücken. Ob er über ihren langen Krankenhausaufenthalt und die Reha Bescheid wusste? Sie hatte seinen Blick sehr wohl bemerkt, der kurz an ihrer Narbe im Gesicht hängen geblieben war. Aber woher sollte er das wissen? Sie waren sich soeben das erste Mal begegnet. Innerlich schalt sie sich: ‚Hör auf, überall Gespenster zu sehen, du bist neu hier, natürlich schaut er, wie du arbeitest. Lass das Grübeln und konzentriere dich auf deine Arbeit.‘

Sie atmete tief ein, sie würde ihnen schon beweisen, dass sie nichts verlernt hatte. Vorsichtig schob sie den Ärmel der Mönchskutte etwas nach oben. Der Arm verfärbte sich auf der Unterseite bereits bläulich. Mit ihrem Finger fuhr Mara über die Verfärbungen, die unter dem leichten Druck verschwanden. Dann versuchte sie den Arm zu bewegen, was erschwert, aber durchaus noch möglich war. Sorgfältig untersuchte sie die Extremitäten und soweit bekleidet möglich, den Körper nach Verletzungen oder auch Hämatomen.

Dann richtete sie sich langsam wieder auf und sah Peters an, sie versuchte in seinen Augen etwas zu lesen, doch sie wirkten gänzlich verschlossen, eher abweisend auf sie. Ihr Blick wanderte zum Toten zurück, als sie zu sprechen begann: „Den Todeszeitpunkt kann ich aufgrund der leicht wegdrückbaren Totenflecken und der beginnenden Leichenstarre auf vor zwei bis vier Stunden eingrenzen. Zur Todesursache …“, kurz hielt Mara inne und runzelte die Stirn, „kann ich ohne Autopsie leider nichts sagen. Aufgrund des sauberen Umfeldes des Toten, keine Tablettenpackung oder andere Hinweise auf einen Suizid könnte auch eine Fremdeinwirkung durch Gift vorliegen. Ich würde empfehlen, die Autopsie zügig durchführen zu lassen, denn je nach Wirkstoff ist dieser nur kurze Zeit nachweisbar.“

Mit umwölkter Stirn nickte der Kommissar und zog sein Telefon aus der Tasche. Nach einem kurzen Gespräch legte er wieder auf und wandte sich an die Rechtsmedizinerin.

„Dr. Stresow informiert Ihren Chef über die Dringlichkeit. Sie sollten demnach in Kürze von Dr. Richter hören.“

„Alles klar, dann mache ich mich schon mal auf den Weg ins Institut.“

Sie packte ihre Sachen zusammen, griff nach ihrer Jacke, nickte dem Kriminalhauptkommissar noch einmal ernst zu und verließ das Kloster. Kurz fröstelte es sie. Es war an der Zeit der Welt zu beweisen, dass sie es immer noch konnte. Mara zog den Helm auf, startete die Maschine und fuhr zur Uniklinik. Dort würde sie alles für das Eintreffen der Leiche vorbereiten.

4 Hallo Mama

Kapitel 2

Alex sah Mara nach. Sie wirkte so unnahbar, aber vielleicht lag das auch einfach an dem Umfeld, in dem er sich auch gerade nicht wohlfühlte.

„Wer war das?“

Sein Kollege Christian Escher trat zu ihm. Er hatte die anderen Mönche in der Zwischenzeit schon mal befragt.

„Das ist die neue Rechtsmedizinerin. Dr. Mara Sheridan.“

Die Augen des kleineren Kollegen wurden groß und er warf einen Blick an die Stelle, an der Mara eben verschwunden war.

„Ernsthaft? Okay, das kommt unerwartet. Wo ist denn Tille?“

„Krank.“

„Es ist Samstag, dann ist er wohl eher auf dem Golfplatz mit Richter und Brenner.“

„Oder so.“

„Sag mal Alex, ist alles okay? Du wirkst genervt.“

„Ich mag keine Klöster, wir haben an einem Samstag eine Leiche mit kaum verwertbaren Spuren an einem sauberen Tat- beziehungsweise Fundort. Und einer von uns beiden hat gleich noch die Freude an der Autopsie teilzunehmen. Das reicht, um mir den Abend zu versauen.“

Chris hob abwehrend die Hände.

„Ist ja gut. Ich frage ja nur. Warum noch heute die Autopsie?“

Alex brachte seinen Partner auf den neuesten Stand.

„Verstehe.“

„Was sagen denn die Mönche?“

„Es hat keiner etwas gesehen. Die Pforte steht wohl immer offen, damit Obdachlose einkehren können. Eine Videoüberwachung gibt es nur in der angeschlossenen Kirche, da hier schon mal die Opferstöcke aufgebrochen oder wertvolle Figuren gestohlen wurden. Gefunden wurde der Bruder nur, weil er weder zur Rekreation erschienen, noch zur Komplet, dem letzten Gebet des Tages, in die Kirche gekommen ist und das eigentlich nie vorkam.“

„Das ist ja nicht viel. Wie eben schon erwähnt, die Spurensicherung hat auch kaum etwas. Der Kollege meint, jemand hat nach dem Tod des Klosterbruders die Zelle penibel gereinigt. Machst du hier weiter? Dann fahre ich ins Institut.“ Der Blonde nickte und Alex verließ kurz darauf das Kloster.

*

Am Institut angekommen, stand Mara vor verschlossenen Türen. Es war ja toll, dass ihr Chef daran gedacht hatte, sie zu dem Fall zu rufen, doch es war Wochenende, demnach der Empfang nicht besetzt und eine Zugangskarte besaß sie noch nicht. Fluchend machte sie sich ihrem Ärger Luft und wählte die Nummer Dr. Richters.

„Ja?“

„Sheridan hier, Herr Richter, ich komme nicht ins Institut, um die Autopsie zu machen.“

„Ach so ja natürlich, das sollten sie ja auch noch gar nicht. Herr Dr. Tillreuther übernimmt diese dann mit Ihnen am Montag. Sie sollten nur die Leichenschau vor Ort machen.“

„Entschuldigung hat Dr. Stresow Sie nicht kontaktiert?“

„Nein, warum sollte er?“

„Ich dachte, weil …“

„Frau Doktor Sheridan, fahren Sie nach Hause. Am Montag sehen wir weiter. Ihnen ein schönes Wochenende und danke für Ihren kurzfristigen Einsatz.“

Ohne ein weiteres Wort legte er auf. Konsterniert starrte Mara auf ihr Telefon. Hatte der Staatsanwalt Dr. Richter wirklich nicht kontaktiert und die Autopsie dringend gemacht? Kriminalhauptkommissar Peters hatte mit dem Staatsanwalt doch in ihrem Beisein telefoniert? Die Rechtsmedizinerin kratzte sich am Kopf, unschlüssig stand sie vor der verschlossenen Tür. Offiziell war sie noch gar nicht im Dienst, demnach hätte ihr das alles ja auch egal sein können, doch irgendetwas an dem Tod des Mönches war ungewöhnlich und ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass sie der Sache nach gehen sollten.

Sie fasste sich ein Herz auch auf die Gefahr hin, dass sie sich unbeliebt machte und wählte erneut die Nummer von Dr. Richter. Unwirsch meldete sich dieser und sie hörte weitere Männer im Hintergrund sprechen.

„Herr Doktor Richter, bitte entschuldigen Sie die erneute Störung aber …“

„Sie schon wieder. Frau Doktor Sheridan, hatte ich mich nicht klar ausgedrückt?“

„Ich …“

„Einen Augenblick, da kommt ein weiteres Gespräch rein.“

Einen Moment lang hörte Mara eine automatische Ansage, dann klang der genervte Bariton Richters wieder an ihr Ohr. „Ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen.“

Daraufhin wurde die Leitung unterbrochen. Na, das konnte ja eine tolle Zusammenarbeit werden.

Mara stand noch an ihr Motorrad gelehnt auf dem Parkplatz, als zwei weitere Fahrzeuge neben ihr einparkten. Den dunkelblauen BMW hatte sie eben in der Nähe des Tatortes gesehen und wie sie richtig vermutete, stieg kurz darauf Alexander Peters aus dem Wagen. Aus dem anderen Fahrzeug, einem schwarzen Land Rover, stieg ein kleinerer Mann Mitte fünfzig mit Brille. Seine raspelkurzen, aschblonden Haare lichteten sich bereits etwas. Kurz begrüßten sich die Männer und kamen dann auf sie zu. Dr. Richter musterte wie zuvor Peters ihre Motorradkluft und reichte ihr die Hand. Ohne ein weiteres Wort ging er dann vor zur Tür und öffnete diese mit seiner Schlüsselkarte.

Mit knappen Worten wies er Mara ein, wo sie was fand, und begab sich danach in die Herrenumkleide. Mara seufzte, sie hatte bereits erwartet, dass es nicht einfach werden würde, aber das ihr neuer Chef so abweisend sein würde, hatte sie nicht gedacht.

Sie verschwand in der Umkleide, in der sie bereits einen Spind mit ihrem Namen und der bestellten Kleidung fand und zog sich um. Dann begab sie sich in den Autopsie Raum, in dem sich bereits Kriminalhauptkommissar Peters und ein Sektionsassistent eingefunden hatten. Sie stellte sich dem jungen Mann kurz vor und stimmte sich mit ihm ab.

Erneut mussten sie auf Dr. Richter warten. Immerhin war die Patientenakte des Klosterbruders schon da, interessiert las sich Mara diese schon einmal durch. Dann zeigte sie auf den Medikamentenplan.

„Bruder Elias litt an einer Herzinsuffizienz, also einer Herzschwäche und hat regelmäßig Medikamente dafür einnehmen müssen. Laut der Unterlagen wurde ihm Digoxin verordnet, ist das Präparat in seiner Zelle mit sichergestellt worden, wissen sie das?“, wandte sie sich an den anwesenden Kommissar.

Dieser schüttelte den Kopf: „Nein, es wurden keine Medikamente in seiner Zelle gefunden, aber vielleicht bewahren die Klosterbrüder diese nicht in ihren Zellen auf? Chris ist noch vor Ort, er soll mal nachfragen.“ Alexander Peters zog sein Handy hervor und tippte eine kurze Nachricht. Es dauerte nicht lange und sein Gerät kündigte die Antwort an. „Laut Chris hätten die Medikamente vor Ort sein müssen.“

„Hm hm.“

Die Tür öffnete sich und Dr. Richter betrat den Raum. Gemeinsam mit dem Sektionsassistenten Tim Sander begannen sie mit der Autopsie. Mara schaltete das Aufnahmegerät an und sprach Datum, Uhrzeit und die Daten des Opfers auf. Dann begann sie routiniert mit der äußeren Begutachtung. Wieder spürte sie den aufmerksamen Blick des Polizisten in ihrem Rücken, dem anscheinend nichts entging. Zusätzlich beteiligte sich ihr Chef kaum an der Autopsie, sondern folgte mit Argusaugen jedem ihrer Schritte.

Mara atmete durch. Gut dann würde sie die Autopsie eben nur mithilfe des Sektionsassistenten durchführen. Auch das wäre nicht das erste Mal.

Sorgfältig inspizierte sie den nun unbekleideten Leichnam. Dennoch war keine noch so kleine Verletzung zu finden. Als sie die Haare durchkämmte, beförderte sie neben Schuppen ein paar minimale braune Krümel von irgendetwas zutage. Bevor sie dann zur eigentlichen Autopsie überging, entnahm sie noch Blut-, Urin und weitere Proben.

Auffällig war das vergrößerte Herz des Bruders, das die Diagnose Herzinsuffizienz im Grunde bestätigte.

Im Mageninhalt wurde sie fündig. In diesem waren noch Tablettenreste zu erkennen, doch nach dem Abgleich mit dem Medikamentenplan schien es die verschriebene Dosis zu sein und konnte demnach kaum den Tod herbeigeführt haben.

Dennoch sendete sie ihn mit den anderen Proben ans Labor mit der Bitte um ein Toxscreening. Nach ein paar Stunden war sie fertig und bat Tim, den Leichnam in die Kühlung zu bringen. Erstaunt stellte sie fest, dass ihr Chef den Raum bereits verlassen hatte. Lediglich der Kriminalhauptkommissar lehnte noch an der Wand.

Die Tür des Autopsie Saales quietschte, als Dr. Richter den Raum wieder betrat.

„Ein umfassendes Toxscreening bekommen wir erst am Montag hin, aber im Blutserum konnte bereits jetzt ein deutlich erhöhter Digoxinwert ermittelt werden. Es ist demnach davon auszugehen, dass Frau Doktor Sheridan richtig liegt und Bruder Elias mit Digoxin, einem Präparat gewonnen aus rotem Fingerhut, vergiftet worden ist.“

Mara verbarg ihr Erstaunen, das ihr Chef anscheinend auch jemanden ins Labor beordert und sich das vorläufige Ergebnis hatte geben lassen und ergänzte: „Wie das Gift in seinen Körper gelangt ist, können wir aufgrund der unversehrten Hautoberfläche nur mutmaßen, ich gehe aber aktuell von einer oralen Aufnahme in einer Mahlzeit aus. Irgendetwas Süßes oder Intensives, dass den Eigengeschmack des Giftes überdeckt.“ Peters nickte. „Verstehe. Vielen Dank, dann schaue ich mal, was es im Konvent heute zum Abendessen gab.“

Er verabschiedete sich und verließ den Raum.

„Das war gute Arbeit, das hatte ich aufgrund Ihrer Vorgeschichte nicht erwartet“, Dr. Richter musterte sie, „doch freuen Sie sich nicht zu früh. Sie waren nicht meine Wahl, die Direktorin hat sich für Sie ausgesprochen. Meine Akzeptanz müssen Sie sich noch erarbeiten.“

Er legte einen Zugangsausweis der Uniklinik mit ihrem Bild auf den Tisch, nickte ihr noch kurz zu und verschwand aus dem Saal. Nachdenklich sah Mara auf die Tür, durch die ihr Chef verschwunden war. Hinter seiner Ablehnung steckte mehr als nur ihr langer Krankenhausaufenthalt und sie würde schon noch herausfinden, was.

Mara fuhr die BMW bis in die Holzhalle und parkte diese. Dann schloss die Haustür auf, legte ihren Helm und ihren Rucksack ab und ging danach direkt ins Bad. Müde fiel sie nach dem Umziehen in ihr Bett. Doch sie war stolz auf sich. Sie hatte die Autopsie konzentriert durchgezogen und kein einziges Mal das Gefühl gehabt, überfordert zu sein. Mara stellte das Handy auf nicht stören, löschte das Licht und fiel kurz darauf in einen traumlosen Schlaf.

Kapitel 3

Sonntag, 23. Juli

Als am nächsten Morgen das Sonnenlicht sie gegen fünf an der Nase kitzelte, stöhnte Mara auf. Ihr Kopf dröhnte und sie bekam ihre Augen kaum geöffnet. Sie tastete nach den Schmerztropfen auf ihrem Nachttisch, wurde aber nicht fündig.

Mühsam richtete sie sich auf. Wo hatte sie die Tropfen nur hin geräumt? Mara stand auf und schleppte sich ins Bad, dort im Schrank wurde sie fündig. Sie nahm die Dosis, die ihr Arzt ihr für solche Fälle aufgeschrieben hatte, und kehrte in ihr Bett zurück. Erschöpft schloss sie die Augen und schlief wieder ein.

Drei Stunden später wurde sie erneut wach. Die Kopfschmerzen waren erträglicher geworden. Mara seufzte und stand auf. Sie duschte ausgiebig, zog sich an und lief dann auf nackten Füßen nach unten in die Küche. Dann öffnete sie das Fenster und sofort wurde das Vogelgezwitscher lauter. Mara zog an der Kühlschranktüre und erstarrte.

Fluchend fuhr sie sich durch die noch feuchten Haare, sie hatte gestern vergessen einzukaufen und heute war Sonntag. Mara ging zurück in den Flur und warf einen Blick in die Speisekammer. Bis auf ein paar Konserven war auch hier nichts mehr zu holen, ihre Eltern hatten nach dem Tod ihrer Oma alles Verderbliche weggeworfen. Mara seufzte, schlüpfte in ihre Crocs und machte sich auf ins nahe Dorf, um sich beim Bäcker etwas zum Frühstücken zu holen. Hoffentlich hatte dieser auch einen Kaffee für sie.

Nach zwanzig Minuten und einem ausgiebigen Schwatz mit der Bäckerin, mit der sie damals zur Schule gegangen war, kam Mara wieder zurück. Kaffee to go und belegte Brötchen hatte die kleine Bäckerei nicht, doch die ehemalige Schulkameradin war schnell in ihrer Wohnung über dem Laden verschwunden und hatte ihr Kaffeepulver, etwas Milch, Butter und ein paar Scheiben Käse besorgt. Mara grinste, das gab es nur auf dem Land.

Sie nahm die alte Espressokanne von Bialetti vom Wandregal, spülte sie ordentlich aus, füllte sie dann mit Kaffeepulver und stellte sie auf den Elektroherd, der sich zusätzlich zu dem antiken Holzherd in der Küche befand. Genüsslich atmete sie den Duft des Kaffees ein, als sich dieser das Röhrchen in der Bialetti hinauf kämpfte. Dann kramte sie in einer der Schubladen nach ihrem Milchschäumer. Sie liebte einfach die Kombination des starken Kaffees mit dem cremigen Milchschaum.

Mit dem großen Kaffeepott und einem knusprigen belegten Brötchen trat sie dann durch die Hintertür in den rückwärtigen Garten. Mit der Hand wischte sie einen der Gartenstühle ihrer Oma etwas sauber und setzte sich unter die bewachsene Pergola auf die kleine Terrasse. Sie schloss die Augen. Sofort wurden die Geräusche und Gerüche intensiver. Das Summen der Bienen, das Singen der Amsel, der Duft nach Lavendel, Rosmarin und Thymian. Mara merkte, wie sie sich entspannte und auch ihr Kopfschmerz noch etwas mehr nachließ.

Langsam trank sie ihren Kaffee und betrachtete den verwilderten Garten. Ein wenig war die Struktur des Bauerngartens noch zu sehen, doch das Jahr ohne Pflege hatte den Rasen zur Wiese werden lassen, sodass man kaum bis nach hinten zu den Obstbäumen kam. In ihren Gedanken machte Mara sich eine Notiz, einen Gärtner zu beauftragen, der den Garten wieder etwas in Ordnung brachte.

*

Die beiden Kommissare saßen nach einer langen Nacht immer noch im Büro und versuchten aus den Spuren, dem vorläufigen Erkenntnissen aus der Autopsie und den Aussagen der Mönche schlau zu werden. Bruder Elias war mit Digoxin vergiftet worden, womit ihm das Gift verabreicht worden war, würden sie erst frühestens am Montag erfahren, wenn überhaupt. Alex hatte die Kollegen der Spurensicherung noch mal gebeten, sich in der Küche des Konvents um zu sehen und Reste des Abendessens zu sichern. Doch hätten dann nicht weitere Mönche dem Gift zum Opfer fallen müssen?

Der Rosenkranz gab ihnen ein weiteres Rätsel auf. Warum hatte man ihn auf den Toten gelegt? Laut der Aussage der Klosterbrüder gehörte er weder Bruder Elias noch einem anderen Mitglied des Konvents, demnach hatte ihn der Mörder vermutlich mit an den Tatort gebracht.

Konzentriert starrte Alex auf seinen Bildschirm. Er hatte versucht, tiefergehende Informationen über das Opfer zu erhalten, da sich der Konvent recht bedeckt hielt.

Er hatte die Internetpräsenz des Klosters und sogar eine Seite gefunden, auf der die Brüder vorgestellt wurden.

Bruder Elias, Diplom-Theologe, ehem. Mitarbeiter des Kinderheimes St. Peter, ehem. Gefängnisseelsorger, Seelsorge an der Kirche St. Peter.

Alex stutzte. Gefängnisseelsorger?

Er wechselte in die interne Datenbank und suchte nach Anzeigen.

„Chris, das musst du dir ansehen.“

Er hörte, wie sein Kollege hinter ihn trat.

„Wow, sind das alles Anzeigen, die Bruder Elias getätigt hat?“