Die Rougon-Macquart: 20 Romane in einem Band - Emile Zola - E-Book

Die Rougon-Macquart: 20 Romane in einem Band E-Book

Émile Zola

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Beschreibung

In "Die Rougon-Macquart: 20 Romane in einem Band" entfaltet Emile Zola ein episches Panorama des französischen Lebens im 19. Jahrhundert. Durch seine berühmte Methode des Naturalismus gelingt es Zola, die komplexen Wechselwirkungen zwischen Individuen und sozialen Strukturen eindrucksvoll darzustellen. Diese Sammlung bietet nicht nur eine chronologische Erzählung der Familie Rougon-Macquart, sondern auch tiefgründige Einblicke in Themen wie Armut, Macht, Sexualität und den Einfluss der Umwelt auf das menschliche Schicksal. Zolas ausgefeilter literarischer Stil, geprägt von präziser Beobachtung und detaillierten Beschreibungen, trägt zur intensiven Atmosphäre der Geschichten bei und macht sie zu einer bleibenden literarischen Errungenschaft. Emile Zola, ein führender Vertreter des Naturalismus, war tief in den sozialen und politischen Strömungen seiner Zeit verwurzelt. Sein eigenes Leben, geprägt von der Auseinandersetzung mit sozialen Ungerechtigkeiten und der Industrialisierung, beeinflusste seine Werke maßgeblich. Zola war nicht nur Schriftsteller, sondern auch ein engagierter Kritiker der gesellschaftlichen Missstände und der politischen Verhältnisse, die seinen Romanen zugrunde liegen. Diese persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen fließen in die komplexen Charaktere und schicksalhaften Situationen der Rougon-Macquart ein. "Die Rougon-Macquart" ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die die Wurzeln des modernen Romans verstehen und die sozialen Dynamiken des 19. Jahrhunderts nachvollziehen möchten. Zolas meisterhafte Erzählweise und sein unerschütterliches Engagement für die Wahrheit ziehen den Leser in eine facettenreiche Welt und regen zum Nachdenken über die zeitlosen Themen von Menschlichkeit und Gesellschaft an. Ein unverzichtbares Werk für Liebhaber der Literatur und Wissenschaftler gleichermaßen. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Die Autorenbiografie hebt persönliche Meilensteine und literarische Einflüsse hervor, die das gesamte Schaffen prägen. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Emile Zola

Die Rougon-Macquart: 20 Romane in einem Band

Bereicherte Ausgabe. Germinal + Nana + Der Totschläger + Die Bestie im Menschen + Das Paradies der Damen + Das Glück der Familie Rougon + 14 weitere Bände
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Einführung, Studien und Kommentare von Alaric Vance
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547688723

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Autorenbiografie
Historischer Kontext
Synopsis (Auswahl)
Die Rougon-Macquart: 20 Romane in einem Band
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Dieser Band versammelt die zwanzig Romane des Zyklus Die Rougon-Macquart von Émile Zola in einem einzigen, geschlossenen Corpus. Enthalten sind die Werke in den hier ausgewiesenen deutschen Fassungen, darunter Übersetzungen von Armin Schwarz, Alfred Ruhemann, Franz Blei, Paul Heichen und Johannes Schlaf; in zwei Fällen ist der Übersetzer nicht überliefert. Teils liegen durchgesehene Fassungen vor, wie vermerkt. Die Zielsetzung der Sammlung ist Einfachheit und Vollständigkeit: Zolas monumentales Erzählprojekt wird in seiner ganzen Spannweite zugänglich gemacht, ohne editorische Zusätze, die über die erkennbaren Angaben hinausgehen, und mit Respekt vor der je eigenen Prägung der einzelnen Übertragungen.

Die Anordnung der Romane orientiert sich an der historischen Reihenfolge des Zyklus und ermöglicht so, Zolas architektonisches Konzept in seiner Entwicklung zu verfolgen. Wer das Ganze in dieser Ordnung liest, erkennt die wachsende Ausfächerung von Schauplätzen, Milieus und Motiven. Zugleich ist jeder Band für sich abgeschlossen und lesbar, sodass selektive Zugriffe ebenso sinnvoll bleiben. Der Rahmen der Sammlung ist damit doppelt gesetzt: als Panorama einer Epoche und als Reihe autonomer Erzählungen, die miteinander verschaltet sind, ohne voneinander abhängig zu sein. Die formale Geschlossenheit des Bandes unterstützt beide Lektüremodi.

Zolas Ziel, die Geschichte einer weit verzweigten Familie im Frankreich des Zweiten Kaiserreichs zu schreiben, bildet den inneren Kompass dieser Ausgabe. Die Rougon-Macquart fungieren als verbindendes Geflecht, in dem soziale Herkunft, Umfeld und historische Umstände auf individuelle Schicksale treffen. Der Band macht dieses Projekt als Einheit erfahrbar: ein Gesamtentwurf, der die Vielfalt der französischen Gesellschaft jener Zeit in exemplarischen Konstellationen verdichtet. Indem hier sämtliche Romane zusammengeführt werden, wird das zyklische Prinzip greifbar: Wiederkehr, Variation und Kontrast bilden den dramaturgischen Grundrhythmus eines Erzählwerks, das auf Kontinuität und Differenz zugleich setzt.

Die Sammlung ist sowohl als kontinuierliche Lektüre über mehrere tausend Seiten gedacht als auch als Fundus für thematische oder motivische Lesegänge. Man kann von Stadt zu Provinz, von Hausstand zu Machtapparat, von Wirtschaft zu Krieg wechseln und dabei die Verbindungen nachzeichnen, die Zola in Figuren, Schauplätzen und Situationen anlegt. Das Format eines Bandes stärkt zudem das Verständnis für Proportionen: wie bestimmte Felder stark ausgeleuchtet werden, andere bewusst im Hintergrund bleiben. So erhält die Leserin, der Leser, die Möglichkeit, das Verhältnis von Einzelwerk und Zyklus als bewusste Komposition zu erfahren, ohne außerhalb des Textbestands zu greifen.

Es handelt sich ausnahmslos um Romane, doch entfalten sie ein bemerkenswert breites Spektrum an Unterformen. Familien- und Gesellschaftsroman stehen neben Stadt- und Provinzroman; intime Innenräume spiegeln öffentliche Institutionen. Politische, religiöse und wirtschaftliche Sphären werden ebenso literarisch greifbar wie häusliche und nachbarschaftliche Kontexte. Manche Bände richten den Blick auf die Mechanik von Herrschaft und Verwaltung, andere auf die Verästelungen des Alltags. Diese Vielfalt ist kein Nebeneffekt, sondern Teil der Poetik des Zyklus: Durch Variation der Schauplätze und Konstellationen gewinnt Zola unterschiedliche Perspektiven auf dieselbe Epoche, ohne den Gattungsrahmen des Romans zu verlassen.

Innerhalb des Romanrahmens treffen verschiedene Subgenres aufeinander: Arbeits- und Milieuschilderungen, Künstler- und Liebesromane, Wirtschafts- und Finanzgeschichten, Darstellungen von Konsum und Handel, von Technik und Verkehr, bis hin zu der literarischen Verarbeitung militärischer Ereignisse. Die Spannweite reicht von verdichteter Enge in Mietshäusern bis zu großräumigen Organismen der Stadt, von Familienökonomien bis zu Spekulation und Markt. Dadurch gewinnt der Zyklus eine innere Polyphonie der Formen. Ohne die Einheit der Gattung aufzugeben, moduliert Zola Ton, Tempo und Struktur so, dass jedes Buch eine eigene Signatur behauptet und dennoch auf die gemeinsamen Themen des Zyklus verweist.

Die Tonlagen variieren vom satirisch Scharfzüngigen bis zum gedämpft Lyrischen, vom nüchtern Analytischen bis zum tragisch Verdichteten. Es finden sich Erzählungen über Ehe, Begehren und Entfremdung ebenso wie Entwicklungswege zwischen Anpassung und Widerstand. Psychologische Zeichnung und soziale Beobachtung greifen ineinander, wobei Zola die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem bewusst durchlässig macht. Obwohl ausschließlich Romane versammelt sind, entsteht eine Binnenvielfalt, die an andere Textsorten erinnert: dokumentarischer Impuls, essayistische Passagen, szenische Verdichtung. Diese Anmutungen treten jedoch innerhalb der Romanform auf und bestätigen, dass der Zyklus als Romanwerk konzipiert und ausgeführt ist.

Der verbindende Grundgedanke ist die wechselseitige Bedingtheit von Individuum und Umwelt. Herkunft, Erziehung, soziale Position und historische Lage strukturieren Handlungsspielräume ebenso wie die Entscheidungen der Figuren. Zolas Naturalismus zielt dabei nicht auf bloße Abbildung, sondern auf analytische Durchdringung: genaue Beobachtung, systematische Wiederkehr von Motiven, vergleichbare Versuchsanordnungen in unterschiedlichen Milieus. So entsteht eine Art erzählerischer Forschung, die die Vielfalt des Materials prüft, ohne die Eigenart der einzelnen Lebensläufe zu nivellieren. Der Zyklus wird damit zu einem Labor literarischer Erkenntnis über Gesellschaft und Person in Zeiten beschleunigter Veränderung.

Zentrum dieses Erzählens ist die Moderne des Zweiten Kaiserreichs: Urbanisierung, technische Verdichtung, neue Finanz- und Warenkreisläufe, die Verflechtung von Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit. Zola zeigt, wie Strukturen des Marktes, der Bürokratie, der Kirche und des Militärs in den Alltag hineinragen und Lebensentwürfe prägen. Zugleich macht er sichtbar, wie Emotionen, Hoffnungen und Ängste auf diese Systeme reagieren. Der Zyklus vermittelt damit ein Panorama, in dem das Große im Kleinen erscheint und umgekehrt: Eine Hausordnung spiegelt soziale Normen, eine Straßenszene politische Stimmungen. Die Romane artikulieren so eine Poetik der gesellschaftlichen Totalität im Konkreten.

Stilistisch verbindet Zola dichte Beschreibung mit erzählerischem Zug. Detailgenauigkeit und Rhythmus stützen sich gegenseitig: Inventarisierende Passagen schaffen Faktur und Glaubwürdigkeit, während Szenenfolgen Spannung und Dynamik erzeugen. Wiederkehrende Figuren, Schauplätze und Motive schaffen ein Netz von Anspielungen, das beim Lesen über mehrere Bände hinweg zunehmend Bedeutung gewinnt. Die deutschen Fassungen in dieser Sammlung machen diese Eigenarten zugänglich, indem sie terminologische Präzision und Tonlagen differenzieren. So bleibt die charakteristische Mischung aus Anschaulichkeit, analytischer Klarheit und dramatischer Zuspitzung erkennbar, die Zolas Prosa bis heute prägt und ihren Reiz in der Lektüre ausmacht.

Als Gesamtheit bleibt der Zyklus bedeutsam, weil er die Möglichkeiten des realistischen und naturalistischen Romans konsequent ausschreitet: Weitwinkel und Nahaufnahme, Struktur- und Milieustudie, individuelle Geschichte und kollektiver Prozess. Die Rougon-Macquart sind mehr als eine Familienchronik; sie sind ein Versuch, eine historische Gegenwart literarisch in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen. Damit hat Zola Maßstäbe für spätere Erzählzyklen gesetzt und zugleich einen Zugang geschaffen, mit dem sich Fragen nach Arbeit, Geschlecht, Klasse, Macht, Konsum und Öffentlichkeit in ihrer Verzahnung denken lassen. Diese Fragen behalten Relevanz, weil sie grundlegende Muster moderner Gesellschaft berühren.

Wer diesen Band zur Hand nimmt, betritt ein sorgfältig gefügtes Ganzes: zwanzig Romane, die sich gegenseitig ausleuchten und im Zusammenklang neue Bedeutungen erzeugen. Die Sammlung lädt dazu ein, Wege durch das Geflecht der Rougon-Macquart zu schlagen, Querbezüge zu entdecken und die Kunst eines Autors zu erleben, der seine Epoche mit erzählerischer Energie und intellektueller Strenge durchdringt. Ob in linearer Folge oder thematisch gebündelt gelesen: Das Ensemble zeigt, wie literarische Form und historische Erfahrung sich gegenseitig steigern. So eröffnet der Band ein nachhaltiges Lektüreerlebnis, das die Einheit im Unterschied sichtbar macht und Zolas Projekt als Ganzes erfahrbar hält.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Émile Zola (1840–1902) war einer der prägenden französischen Romanautoren des 19. Jahrhunderts und der wichtigste Theoretiker des literarischen Naturalismus. Sein Werk verbindet minutiöse Milieuschilderung mit sozialkritischer Analyse, insbesondere im monumentalen Zyklus Les Rougon-Macquart. Zola trat zudem als Journalist und öffentlicher Intellektueller hervor und wurde durch sein Engagement in der Dreyfus-Affäre zu einer Symbolfigur für intellektuellen Widerspruch und Rechtsstaatlichkeit. Er schrieb in der Übergangszeit vom Zweiten Kaiserreich zur Dritten Republik und reflektierte grundlegende Umbrüche der Moderne: Industrialisierung, Urbanisierung, wissenschaftliches Denken und die Spannungen zwischen Individuum, Gesellschaft und staatlicher Macht.

Zola wurde in Paris geboren und verbrachte seine Kindheit überwiegend in Aix-en-Provence, wo er eine humanistische Ausbildung am Collège Bourbon erhielt. Dort begann seine lebenslange Freundschaft mit dem späteren Maler Paul Cézanne, deren Gespräche und Lektüren seine künstlerischen Ambitionen stärkten. Nach dem Umzug nach Paris in den späten 1850er-Jahren erlebte er wirtschaftliche Not und brach sein formales Studium ab. In den frühen 1860er-Jahren fand er Anstellung beim Verlag Hachette, wo er zum Leiter der Werbung aufstieg und journalistische Praxis gewann. Diese berufliche Schule prägte seinen Stil: präzise Beobachtung, dokumentarischer Ton und Interesse an der Wirkung von Sprache auf ein breites Publikum.

Seine ästhetische Formation stand im Zeichen einer wissenschaftlich informierten Poetik. Zola rezipierte das deterministische Geschichts- und Psychologiemodell Hippolyte Taines, studierte Claude Bernards Konzept des ‚experimentellen‘ Vorgehens und nahm Balzacs gesellschaftliche Totalentwürfe zum Vorbild. Zugleich lernte er von Flaubert formale Strenge und stilistische Konzentration. Aus diesen Impulsen entwickelte er eine Programmschrift des Naturalismus, die er in Essays wie Le Roman expérimental formulierte. Zola verstand den Roman als Labor, in dem erbliche Anlagen, Milieu und soziale Kräfte sichtbar gemacht werden. Seine frühen Feuilletons und Kunstkritiken, darunter Verteidigungen Édouard Manets, bereiteten den Übergang zum großen gesellschaftlichen Roman vor.

Mit Thérèse Raquin erschloss Zola ab den späten 1860er-Jahren ein dunkles Feld von Leidenschaft, Schuld und Umweltwirkung und provozierte zugleich moralische Debatten. Den Höhepunkt seines Schaffens bildet der auf zwanzig Bände angelegte Zyklus Les Rougon-Macquart, eine ‚Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich‘. Darin zählen L’Assommoir, Nana, Germinal, La Terre, La Bête humaine und La Débâcle zu den meistdiskutierten Romanen. Sie erkunden Arbeit, Alkohol, Sexualität, Klassenkonflikt, Krieg und Technik. Parallel dazu erschien der Band Les Soirées de Médan, an dem Zola mit jüngeren Autoren arbeitete und die naturalistische Schule in Frankreich literarisch verankerte.

Neben der Literatur profilierte sich Zola als streitbarer Publizist. Internationale Aufmerksamkeit erhielt er in der Dreyfus-Affäre, als er 1898 in der Zeitung L’Aurore den offenen Brief ‚J’accuse…!‘ veröffentlichte. Er kritisierte Justizirrtum, Antisemitismus und Machtmissbrauch der Militärführung und nahm erhebliche persönliche Risiken in Kauf. Wegen Verleumdung verurteilt, musste er zeitweise ins Exil nach England ausweichen, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Diese Episode prägte sein öffentliches Bild nachhaltig: Zola galt als Beispiel für die Verantwortung des Schriftstellers gegenüber Wahrheit und Gesellschaft und als Stimme, die moralische Prinzipien über institutionelle Loyalitäten stellte.

Nach der Vollendung der Rougon-Macquart-Reihe setzte Zola seine Themen in neuen Formaten fort. Die Trilogie Les Trois Villes (Lourdes, Rome, Paris) verhandelt Glauben, Politik und Metropole im Horizont der Jahrhundertwende. In Les Quatre Évangiles entwarf er mit Fécondité (1899), Travail (1901) und dem postum erschienenen Vérité (1903) sozialutopische Perspektiven; ein vierter Teil war geplant. Zola starb 1902 in Paris an Kohlenmonoxidvergiftung infolge eines Kaminschadens. Bis zuletzt verband er erzählerische Recherche mit publizistischer Intervention. Sein Werk blieb in Frankreich und darüber hinaus präsent, getragen von hoher Auflage, Übersetzungen und anhaltenden Diskussionen über Ethik, Wissenschaft und literarische Darstellungskraft.

Zolas Nachwirkung zeigt sich in der europäischen Prosa des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in Theater- und Filmadaptionen sowie in literaturwissenschaftlichen Debatten über Realismus und Naturalismus. Seine Romane gelten als Referenz für gesellschaftlich informierte Fiktion und prägen bis heute Leselisten und Lehrpläne. Zugleich bleibt sein Engagement in der Dreyfus-Affäre ein Maßstab für zivilen Mut. 1908 wurden seine sterblichen Überreste ins Pariser Panthéon überführt, was seinen Status im nationalen Gedächtnis bestätigt. Die anhaltende Rezeption konzentriert sich auf die Verbindung von dokumentarischer Genauigkeit, psychologischer Beobachtung und der Analyse jener Kräfte, die moderne Lebenswelten formen.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Émile Zolas Zyklus der Rougon-Macquart, verfasst zwischen 1871 und 1893, versteht sich als natur- und sozialgeschichtliche Untersuchung einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich. Der historische Rahmen wird durch die Regierungszeit Napoléons III. (1852–1870) bestimmt, deren autoritäre Anfänge und spätere Liberalisierung die Handlungssphären prägen. Paris fungiert als Hauptbühne, doch provinzielles Frankreich bleibt ständiger Bezugspunkt. Der Verlag von Georges Charpentier in Paris trug wesentlich zur Verbreitung bei. Zolas Projekt war programmatisch: Er wollte, gestützt auf zeitgenössische Wissenschaft, zeigen, wie Vererbung und Milieu Menschen formen. Diese Ambition verbindet die Romane thematisch und historisch zu einem geschlossenen Panorama.

Die politischen Umbrüche seit 1848 rahmen die Epoche: Nach der Februarrevolution etablierte sich die Zweite Republik, bevor der Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 Louis-Napoléon Bonaparte zum Kaiser machte. Das Zweite Kaiserreich stabilisierte sich über Plebiszite (1852) und ein ausgefeiltes Zensorsystem, lockerte die Zügel aber in den 1860er Jahren (Reformen Emile Olliviers). Der Krieg 1870 gegen Preußen, die Kapitulation bei Sedan am 1. September und der Pariser Aufstand leiteten den Übergang zur Dritten Republik ein. Diese politischen Zäsuren strukturieren Familienaufstieg, Bürokratie, Loyalitäten und soziale Konflikte, die sich durch städtische, ländliche und industrielle Milieus ziehen.

Die Umgestaltung von Paris unter Georges-Eugène Haussmann (Präfekt der Seine 1853–1870) liefert den urbanen Hintergrund: Neue Boulevards, die Modernisierung der Kanalisation durch Eugène Belgrand, radikale Abrisse und die Eingemeindung 1860 schufen eine Hauptstadt des Verkehrs und der Repräsentation. Gleichzeitig trieben Enteignungen und Spekulationswellen Verdrängungsprozesse an. Der Boulevard Haussmann, die Place de l’Opéra (Charles Garnier, 1861–1875) und das Quartier rund um die Rue de Rivoli wurden zu Bühnen bürgerlicher Sichtbarkeit. Hinter Fassaden aus Stein entfalteten sich neue Mietshausordnungen, Hausmeisterregime und Dienstbotenökonomien, die private Moral, soziale Kontrolle und Klassenkontakt in engen räumlichen Rahmen setzten.

Die Eisenbahn revolutionierte Frankreichs Räume, Zeiten und sozialen Austausch. Netze wie Paris–Lyon–Méditerranée (PLM) und Compagnie du Nord verbanden ab den 1850er Jahren Provinzen und Metropole; Bahnhöfe wie Gare Saint-Lazare (Neubauten ab 1851) wurden Portale der Moderne. Die Standardisierung der Zeit (Minutendisziplin), technische Innovationen (Stahl, Doppelgleise, Telegraf) und die Verfügbarkeit schneller Transporte beeinflussten Handel, Kriegführung und Alltagsmobilität. Zugleich wuchsen neue Ängste: Kollisionen, Brückeneinstürze, anonyme Kriminalität im Abteil. Die Bahn machte Warenketten effizienter, eröffnete landesweite Arbeitsmärkte und verdichtete soziale Horizonte – ein Nährboden für Geschichten von Aufstieg, Entwurzelung, Gewalt und Zufall.

Industrielle Arbeitswelten im Norden und Osten prägten das Zeitalter: Kohlebecken wie Anzin und Lens, Metallurgie in der Lothringer Grenzregion und Fabriken am Seine-Becken bündelten Kapital und Arbeiter. Die Streikwellen der 1860er Jahre, besonders 1869 in Anzin, markierten den Beginn moderner Arbeitskämpfe. Rechtlich wurde das Koalitionsverbot schrittweise gelockert (Loi Ollivier 1864), Gewerkschaften legalisierte die Loi Waldeck-Rousseau 1884. Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden, Löhne nahe Subsistenzniveau, Akkordarbeit, Frauen- und Kinderarbeit sowie Unfallrisiken an Förderanlagen waren verbreitet. Diese Strukturen lieferten die Matrix für Erschöpfung, Solidarität, Verrat und kollektive Hoffnung – zeit- und ortsübergreifend.

Der Finanzkapitalismus erlebte einen rasanten Aufstieg. Das Crédit Mobilier (1852), gegründet von den Brüdern Péreire, finanzierte Bahnen, Immobilien und Industrie, während die Banque de France die Geldpolitik konsolidierte. Die Pariser Börse in der Rue Vivienne expandierte; Spekulationen begleiteten Haussmanns städtebauliche Projekte. Ab 1873 verstärkte die Weltwirtschaftskrise zyklische Unsicherheit; der Zusammenbruch der Union Générale 1882 erschütterte das Vertrauen in Kreditketten. Konsumtempel wie Le Bon Marché (Aristide Boucicaut; Neubauten mit Boileau und Eiffel, 1876–1877) zeigten eine neue Kaufwelt mit Katalogen, Retouren und Fixpreisen. So verbanden sich private Begierden, Prestige und Moral mit makroökonomischen Wellen.

Das bürgerliche Mietshaus – mit Concierge, Dienstbotentrakt und Etagenhierarchie – strukturierte Stadtgesellschaft. Hygiene-Diskurse, gestützt auf neue Kanalisation (Belgrand) und Wasserleitungen, veränderten Haushaltspraktiken. Die Sphäre der Intimität blieb politisch: Der Code Napoléon regelte Ehegüterrecht und väterliche Autorität; erst das Naquet-Gesetz von 1884 führte die Scheidung wieder ein. Küchen, Salons, Treppenhäuser und Hinterhöfe wurden Schnittstellen von Klassenkontakt, heimlichen Ökonomien und sozialer Kontrolle. In denselben Straßen standen Mietskasernen der Armen neben repräsentativen Fassaden. Diese räumlich verdichtete Moralökonomie machte das Haus zum Ort des sozialen Auf- und Abstiegs sowie des Skandals.

Die soziale Frage verband sich mit Medizin und Moral. Alkohol – Branntwein, Wein, später Absinthe – galt als Laster und Überlebensmittel zugleich; Wirtshäuser fungierten als Treffpunkte der Arbeiterschaft. Louis Pasteurs Forschungen zur Gärung und Keimtheorie (1860er Jahre) beeinflussten Hygiene- und Gesundheitsdebatten; kommunale Maßnahmen zielten auf Wasserqualität und Seuchenprävention. Armenfürsorge, Hospitäler wie die Hôpital Lariboisière (1853) und wechselseitige Hilfskassen versuchten, Not zu mildern. Gleichzeitig pathologisierten Eliten das Elend als moralische Schwäche. Diese Spannung aus Fürsorge, Kontrolle, Sucht und Selbsthilfe prägt urbane wie industrielle Milieus – mit sichtbaren Spuren im Alltag vieler Figurenkonstellationen.

Zolas Naturalismus beruht auf zeitgenössischer Wissenschaft. Hippolyte Taines Dreiklang aus ‚race, milieu, moment‘ (1863) und Claude Bernards Experimentalmethode (Einführung 1865) lieferten epistemische Leitplanken. Charles Darwins Evolutionstheorie (1859) inspirierte Debatten über Anpassung und Vererbung, während Bénédict Morels Degenerationslehre (1857) und Jean-Martin Charcots Studien an der Salpêtrière (ab 1870er) seelische Abweichungen rationalisierten. Zola formulierte 1880 im Essay ‚Le Roman expérimental‘ sein Programm der Beobachtung und Probeanordnung. Die Familie als Labor zentriert Fragen nach Erblichkeit, Leidenschaften, Krankheit und Milieuprägung; sozialer Determinismus bleibt dabei mit Zufall, Wille und geschichtlichen Brüchen verschränkt.

Religion blieb ein Scharnier von Politik und Alltag. Das Zweite Kaiserreich förderte einen katholischen Aufschwung; Prediger wie Félix Dupanloup prägten Diskurse, während Marienerscheinungen in Lourdes (1858) populare Frömmigkeit befeuerten. Zugleich stärkte Rom mit dem Syllabus Errorum (1864) die Front gegen den Liberalismus. Unter der Dritten Republik setzten die laizistischen Schulgesetze Jules Ferrys (1881–1882) und Maßnahmen gegen Orden (1880) Zeichen der Säkularisierung. In Provinzstädten blieb die Pfarrei soziale Drehscheibe, in Paris wirkte Religion als kulturelles Kapital oder Zeichen der Opposition. Konflikte um Seele, Körper, Bildung und Macht strukturieren familiäre wie kommunale Entscheidungsräume.

Kunst und Öffentlichkeit wandelten sich rasant. Während der Salon des Beaux-Arts die akademische Norm setzte, unterminierten Manet und die späteren Impressionisten mit der ersten Gruppenausstellung 1874 im Atelier Nadars (Boulevard des Capucines) die Institution. Der Kunstbetrieb, mit Galeristen, Kritikern und Mäzenen wie Marguerite und Georges Charpentier, wurde zum sozialen Feld eigener Regeln. Literarisch wiesen Prozesse gegen Flaubert (1857) und Baudelaire auf moralische und ästhetische Grenzziehungen hin. Die Lockerung der Pressegesetze (1868, 1881) erweiterte die Öffentlichkeit; zugleich blieben Skandale kalkulierte Märkte der Aufmerksamkeit. Künstlerische Arbeit oszillierte zwischen Brotberuf, Inspiration, Markt und gesellschaftlicher Anerkennung.

Die Stellung der Frauen war durch Arbeit, Gesetz und Moral kodiert. In Städten boten Schneidereien, Wäschen, Manufakturen und Warenhäuser neue Beschäftigung; Löhne blieben niedrig, Abhängigkeiten hoch. Das Reglementierungssystem der Prostitution, medizinisch überwacht seit dem 19. Jahrhundert (Parent-Duchâtelet, 1836), verband Kontrolle, Doppelmoral und Ökonomie. Theater und Varietés – etwa das Théâtre des Variétés und die 1869 eröffneten Folies Bergère – machten weibliche Sichtbarkeit zum Spektakel. Reformen wie das Scheidungsrecht von 1884 eröffneten begrenzte Wege zur Selbstbestimmung. Zwischen bürgerlichen Tugendidealen, Konsumversprechen und prekären Erwerbsstrategien entstanden Rollenbilder, die private und öffentliche Räume neu ordneten.

Das ländliche Frankreich durchlief tiefgreifende Veränderungen. Kleinparzellenwirtschaft, Erbteilung und lokale Eliten strukturierten Dörfer, während Marktintegration Transport und Preise bestimmte. Die Reblaus (Phylloxera) verwüstete ab den 1860er Jahren Weinbaugebiete; Amerikanerreben und Pfropfung brachten erst später Rettung. Mechanisierung blieb ungleich, doch Dreschmaschinen und verbesserte Pflüge verbreiteten sich. Die Getreidekrise der 1880er Jahre – infolge billiger Importe aus den USA und Russland – drückte Preise und verschärfte soziale Spannungen. Religiöse Bräuche, Notabelnherrschaft und familiäre Strategien prägten die Provinz, deren Beziehungen zur Hauptstadt ambivalent oszillierten: zwischen Abwanderung, Abhängigkeit, Widerstand und Sehnsucht nach Anerkennung.

Krieg und Revolution setzten Zäsuren, die Generationen prägten. Der Deutsch-Französische Krieg (1870/71), die Niederlage bei Sedan, die Belagerung von Paris (September 1870–Januar 1871) und die Pariser Kommune (März–Mai 1871) hinterließen Traumata, Veteranenmilieus und politische Lager. Regionen wie die annektierte Moselle und das Elsass wurden zum Symbol nationaler Verluste. Remobilisierung, Kriegswirtschaft und Flüchtlingsströme veränderten Arbeits- und Familienstrukturen. Militärhierarchien, staatliche Repression und improvisierte Solidaritäten prägten Alltagserfahrungen. Die Dritte Republik stabilisierte sich mit den Verfassungsgesetzen von 1875; doch die Erinnerung an Hunger, Barrikaden und Erschießungen blieb sozialer Sprengstoff – in Stadt, Fabrik und Dorf.

Recht, Verwaltung und Technik bildeten ein Geflecht moderner Ordnung. Präfekten, Polizeikommissariate und der Conseil d’État verkörperten zentralisierte Steuerung. Prozessöffentlichkeit und Presseberichte formten Skandale und Karrieren; die Pressefreiheit von 1881 schuf einen dynamischen Markt der Meinung. Kriminalitätsdiskurse verbanden sich mit Eisenbahn, Telegraf und neuen Ermittlungsmethoden; forensische Ansätze, Physiognomik und die Debatten über angeborene Kriminalität (Lombroso, 1876) prägten Deutungen abweichenden Verhaltens. Gefängnisse wie Mazas und Arbeitsgerichte rahmten Strafen und Konflikte. Die technische Moderne – Maschinen, Schienen, Dampf – eröffnete Chancen und Risiken, die staatliche Regulierung und individuelle Improvisation zugleich herausforderten.

Konjunktur und Spektakel trieben die Metropole an. Die Weltausstellungen von 1855, 1867, 1878 und 1889 inszenierten Fortschritt, Kolonialreich und Konsum; die Freihandelsvereinbarung Cobden-Chevalier (1860) intensivierte Konkurrenzdruck und Absatzchancen. Prosperität der 1850er stand der langen Depression ab 1873 gegenüber; Banken, Bauwirtschaft und Handel schaukelten zwischen Boom und Krise. Modehäuser, Reklame und Warenkataloge schufen neue Begehrensformen; Läden beleuchteten mit Gas und Elektrizität die Nacht. Preise, Schulden, Erbschaften und Spekulationen verbanden Privathaushalte mit globalen Zyklen. Diese ökonomisch-kulturelle Atmosphäre rahmt Lebensentwürfe und Fallhöhen, die Familie, Klasse, Stadt und Provinz übergreifend erfahrbar machen.

Zolas Arbeitsweise und Rezeption verstärken den historischen Rahmen. Als ehemaliger Mitarbeiter des Verlags Hachette (1862–1866) beherrschte er Presse- und Vertriebslogiken; viele Romane erschienen zuerst als Feuilleton. Der Kreis von Médan, mit Maupassant und Huysmans, profilierte den Naturalismus in den 1870er/80er Jahren. Einzelne Bände lösten Prozesse, Zensurversuche und Debatten über Moral und Realismus aus; gleichzeitig wuchsen Auflagen und internationale Übersetzungen. Datierung und Sequenz – erste Veröffentlichung 1871, Abschluss 1893 – verschränken Text und Zeitgeschichte. Somit spiegeln die Romane nicht nur Ereignisse, sondern wurden selbst zu Akteuren der öffentlichen Auseinandersetzung über Arbeit, Liebe, Macht und Wahrheit.

Synopsis (Auswahl)

Inhaltsverzeichnis

Das Glück der Familie Rougon (La fortune des Rougon. Übersetzt von Armin Schwarz)

Im Schatten des Staatsstreichs von 1851 zeichnet Zola den Ursprung der Linien Rougon und Macquart in der Provinzstadt Plassans. Machtstreben und soziale Spaltung begründen das Panorama des Zweiten Kaiserreichs.

Die Treibjagd (La curée. Übersetzt von Armin Schwarz)

Während der Haussmannisierung von Paris spekuliert Saccard skrupellos auf Grund und Beziehungen. Zola zeigt eine Welt aus Prunk, Begierde und Korruption, die unter ihrer eigenen Leere ächzt.

Der Bauch von Paris (Le ventre de Paris. Übersetzt von Armin Schwarz)

Rund um die Markthallen Les Halles prallen Überfluss und Hunger, Konformismus und Rebellion aufeinander. Ein Rückkehrer aus der Verbannung gerät in kleinbürgerliche Intrigen und das Misstrauen eines überwachenden Milieus.

Die Eroberung von Plassans (La conquête de Plassans. Übersetzt von Armin Schwarz)

Ein machtbewusster Abbé unterwandert die Stadt, um im Sinne des Regimes Einfluss zu sichern. Familienfehden und politischer Fanatismus zerreißen das soziale Gefüge.

Die Sünde des Abbé Mouret (La faute de l'Abbé Mouret. Übersetzt von Alastair)

Der junge Priester Serge ringt zwischen asketischem Glauben und erwachender Sinnlichkeit in einer quasi-paradiesischen Natur. Glaube, Trieb und Schuld werden als naturhafte Kräfte gegenübergestellt.

Seine Exzellenz Eugène Rougon (Son excellence Eugène Rougon. Übersetzt von Armin Schwarz)

Im Zentrum der imperialen Politik kalkuliert Rougon mit Gunst, Gefälligkeiten und Loyalitäten. Zola seziert die Mechanik von Patronage, Opportunismus und Machterhalt.

Der Totschläger (L'Assommoir. Übersetzt von Franz Blei)

Gervaise kämpft in der Arbeiterwelt von Paris um Würde und wirtschaftlichen Aufstieg. Alkohol, Ausbeutung und gesellschaftlicher Druck treiben sie an den Rand des Absturzes.

Ein Blatt Liebe (Une page d'amour. Übersetzt von Paul Heichen)

Die junge Witwe Hélène erlebt in Passy eine späte, zögerliche Leidenschaft, die ihr geordnetes Leben ins Wanken bringt. Mutterliebe, Begehren und soziale Schranken geraten in stillen Konflikt.

Nana (Nana. Übersetzt von Armin Schwarz)

Die Aufsteigerin aus einfachsten Verhältnissen wird zur gefeierten Kurtisane und Projektionsfläche männlicher Begierden. Ihr Aufstieg entlarvt die moralische Verkommenheit und Selbstzerstörung des Zweiten Kaiserreichs.

Der häusliche Herd (Pot-Bouille. Übersetzung von Alfred Ruhemann, neu durchgesehen von Armin Schwarz)

Ein Pariser Mietshaus offenbart hinter bürgerlicher Fassade ein Netz aus Heuchelei, Begierden und Kalkül. Der ehrgeizige Octave Mouret nutzt die Doppelmoral, um seine Karriere voranzutreiben.

Das Paradies der Damen (Au bonheur des dames. Übersetzt von Armin Schwarz)

Mit dem neuartigen Warenhaus verändert Octave Mouret Konsum, Arbeit und Stadtbild. Die junge Verkäuferin Denise navigiert zwischen Ausbeutung und Chancen in einer sich modernisierenden Ökonomie.

Die Lebensfreude (La joie de vivre. Übersetzung von Alfred Ruhemann, neu durchgesehen von Armin Schwarz)

Pauline Quenu verkörpert Großmut und Tatkraft in einem Umfeld von Krankheit, Pessimismus und Entmutigung. Der Roman stellt altruistische Lebensbejahung einem düsteren Weltbild gegenüber.

Germinal (Germinal. Übersetzt von Armin Schwarz)

Im Kohlenrevier von Montsou erlebt der Arbeiter Étienne Lantier Ausbeutung, Solidarität und den gefährlichen Sog des Streiks. Zola entfaltet ein wuchtiges Bild sozialer Konflikte und erwachenden Klassenbewusstseins.

Das Werk (L'Oeuvre. Übersetzt von Johannes Schlaf)

Der Maler Claude Lantier verfolgt rücksichtslos sein künstlerisches Ideal und scheitert an Institutionen, Publikum und eigenen Dämonen. Kunst, Moderne und persönlicher Preis stehen im Mittelpunkt.

Mutter Erde (La terre. Übersetzt von Armin Schwarz)

Auf der Hochebene der Beauce verdichten sich bäuerlicher Alltag, Erbkonflikte und Besitzgier zu einem harten Sittenbild. Naturzyklen und Rohheit prägen die Beziehungen der Menschen zum Land und zueinander.

Der Traum (Le rêve. Übersetzt von Armin Schwarz)

Die Waise Angélique lebt zwischen Heiligenlegenden, Stickerei und sehnsüchtiger Frömmigkeit. In zarter, märchenhafter Tonlage kontrastiert Zola Ideal und Wirklichkeit der Liebe.

Die Bestie im Menschen (La bête humaine. Übersetzt von Alfred Ruhemann)

Lokführer Jacques Lantier wird von dunklen Impulsen verfolgt, während die Eisenbahn zur Bühne für Leidenschaft, Verbrechen und Schicksal wird. Technik, Trieb und Fatalismus treiben die Handlung voran.

Das Geld (L'argent. Übersetzt von Armin Schwarz)

Finanzmagnat Saccard entfesselt eine spekulative Blase um eine neue Bank und koloniale Träume. Zola zeigt die Verführungskraft des Kapitals und die Konsequenzen maßloser Gier.

Der Zusammenbruch (La débâcle. Übersetzer Unbekannt)

Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 erleben Soldaten, Zivilisten und Institutionen den militärischen und moralischen Kollaps des Regimes. Der Roman verbindet Feldzug, Belagerung und Trauma zu einer großen Kriegschronik.

Doktor Pascal (Le docteur Pascal. Übersetzer Unbekannt)

Der Arzt Pascal sammelt die Geschichte und Erbzüge des Clans, um eine naturwissenschaftliche Theorie über Vererbung und Milieu zu untermauern. Zwischen Erkenntnisdrang und familiärem Widerstand führt der Zyklus zu einem selbstreflexiven Abschluss.

Die Rougon-Macquart: 20 Romane in einem Band

Hauptinhaltsverzeichnis
Das Glück der Familie Rougon (La fortune des Rougon. Übersetzt von Armin Schwarz)
Die Treibjagd (La curée. Übersetzt von Armin Schwarz)
Der Bauch von Paris (Le ventre de Paris. Übersetzt von Armin Schwarz)
Die Eroberung von Plassans (La conquête de Plassans. Übersetzt von Armin Schwarz)
Die Sünde des Abbé Mouret (La faute de l'Abbé Mouret. Übersetzt von Alastair)
Seine Exzellenz Eugène Rougon (Son excellence Eugène Rougon. Übersetzt von Armin Schwarz)
Der Totschläger (L'Assommoir. Übersetzt von Franz Blei)
Ein Blatt Liebe (Une page d'amour. Übersetzt von Paul Heichen)
Nana (Nana. Übersetzt von Armin Schwarz)
Der häusliche Herd (Pot-Bouille. Übersetzung von Alfred Ruhemann, neu durchgesehen von Armin Schwarz)
Das Paradies der Damen (Au bonheur des dames. Übersetzt von Armin Schwarz)
Die Lebensfreude (La joie de vivre. Übersetzung von Alfred Ruhemann, neu durchgesehen von Armin Schwarz)
Germinal (Germinal. Übersetzt von Armin Schwarz)
Das Werk (L'Oeuvre. Übersetzt von Johannes Schlaf)
Mutter Erde (La terre. Übersetzt von Armin Schwarz)
Der Traum (Le rêve. Übersetzt von Armin Schwarz)
Die Bestie im Menschen (La bête humaine. Übersetzt von Alfred Ruhemann)
Das Geld (L'argent. Übersetzt von Armin Schwarz)
Der Zusammenbruch (La débâcle. Übersetzer Unbekannt)
Doktor Pascal (Le docteur Pascal. Übersetzer Unbekannt)

Das Glück der Familie Rougon (La fortune des Rougon. Übersetzt von Armin Schwarz)

Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Übersetzers
Vorwort des Autors
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel

Vorwort des Übersetzers.

Inhaltsverzeichnis

Indem wir daran gehen, dem deutschen Leser eine unverkürzte und getreue Übersetzung von Emile Zolas Roman-Serie »Die Rougon-Macquart« vorzulegen – wie sie noch nicht besteht können wir es nicht als unsere Aufgabe betrachten, auf eine kritische Würdigung Zolas, auf eine Erörterung seiner Stellung und Bedeutung in der modernen Literatur einzugehen. Seit zwei Jahrzehnten währt der Streit der Kritik um Zola; seit zwei Jahrzehnten ist er der Gegenstand maßloser Verketzerung von der einen und ebenso maßloser Verhimmelung von der anderen Seite. Es ergeht ihm wie allen Neuerern. Wer seine Richtung als die einzig wahre anerkennt, folgt ihm mit Begeisterung wie dem Apostel einer neuen Weltanschauung. Die anderen nennen seine Art, die Dinge zu sehen und vor uns hinzustellen, eine Verirrung und wenden sich unwillig von ihm ab. Die Zeit wird lehren, daß Zola alle denkenden Geister beschäftigt, den Büchermarkt beherrscht, der gelesenste Schriftsteller unserer Zeit ist. Seine Bücher haben eine noch nie dagewesene Verbreitung erreicht.

Welcher Zweck dem Dichter bei der Schaffung des großartigen Kunstwerkes »Die Rougon-Macquart« vorschwebte, sagt er selbst ganz klar in seiner Vorrede, die wir diesem Vorworte folgen lassen. Im Jahre 1871 begonnen, ist die Romanfolge heute, da wir diese Zeilen schreiben, abgeschlossen.

Den vorliegenden ersten Teil bezeichnet Zola selbst mit dem wissenschaftlichen Titel der Ursprung. In der Tat sehen wir hier den Ursprung der Familie Rougon-Macquart, die in der südfranzösischen Stadt Plassans seßhaft, ihre Nachkommen allmählich nach der Hauptstadt und nach den übrigen Teilen des Landes entsendet. Die verschiedenen Mitglieder dieser Familie sind es, denen wir in den einzelnen Teilen der Romanfolge begegnen; ihre Schicksale beschäftigen den Dichter; er stellt sie – die Männer und die Frauen – in die mannigfachsten Verhältnisse und Umgebungen hinein, um zu zeigen, wie das Gesetz der Vererbung ein unzerreißbares Band um sie schlingt. Zudem zieht Zola fast in jedem dieser Bände von einem bestimmten Zweige menschlichen Schaffens den Vorhang hinweg und zeigt uns mit unerreichter Meisterschaft der Schilderung den Menschen, wie er den Boden bestellt, wie er die im Schöße der Erde geborgenen Schätze zutage fördert, wie er eine Millionenstadt ernährt, wie er Eisenbahnen lenkt, wie er auf dem Geldmarkte Milliarden anhäuft und wieder in den Abgrund wirft usw.

In dem vorliegenden ersten Bande, » Das Glück der Familie Rougon« betitelt, lernen wir zunächst Adelaide kennen, ein halb wahnsinniges, wilder Sinnenlust ergebenes Weib, das von einem im Wahnsinn verstorbenen Vater, dem Krautgärtner Fouque abstammte. Adelaide war mit einem Gärtner namens Rougon verheiratet, der nach kurzer Ehe starb. Von diesem hatte sie einen Sohn, Pierre Rougon. Später lebte sie mit einem Wilddiebe namens Macquart in wilder Ehe. Von diesem hatte sie einen Sohn, Anton, und eine Tochter, Ursula, die sich mit dem Hutmacher Mouret verheiratete. Von diesen Menschen stammen alle handelnden Personen ab, denen wir in den späteren Teilen der Romanfolge Rougon-Macquart begegnen.

Der vorliegende erste Teil ist eigentlich nur eine Geschichte des Napoleonischen Staatsstreiches und des rasch niedergeworfenen Bauernaufstandes in Südfrankreich. Damit verwebt der Dichter die reizende Liebesidylle zweier Kinder, die in dem Rummel mit untergehen. Wohl sieht der Leser schon hier den Großmeister der Schilderung, doch fehlt es noch an jenen kraßrealistischen Bildern, die später dem Dichter so viele Gegnerschaften zugezogen haben und – gestehen wir es nur – sehr zur großen Verbreitung seiner Bücher beigetragen haben.

In dem zweiten Teile: »La curée« (die Treibjagd) sehen wir Zola schon in voller Tätigkeit bei der Lösung seines Problems. Der große Dezember-Wilddieb hatte das edle Wild – Frankreich – erlegt. Tausende von gierigen Jagdhunden forderten ihren Anteil an der Beute. Die Treibjagd beginnt. Zola wählt drei Gestalten, um die Gesellschaft des zweiten Kaiserreiches nach dem Staatsstreiche zu schildern: den schamlosen Spekulanten (Aristides Rougon-Saccard), den verlebten Junker (des Vorigen Sohn Maxim) und die gefallene Frau aus den besseren Ständen (Renée Béraud du Chatel). Die Sittenlosigkeit dieser Frau spottet jeder Beschreibung. Ihr Stiefsohn Maxim, der entnervte Bummler, wird ihr Liebhaber. Dieser widerliche Ehebruch führt zu keiner düsteren Lösung. Der Vater zwingt den Sohn, eine Ehe mit einer reichen Schwindsüchtigen zu schließen. Renée findet in der Jagd nach Genüssen einen frühen Tod.

Im Gegensatze zu dem ersten Teil, der das Bürgertum schildert, und dem zweiten Teil, in dem die reichere Streberklasse des zweiten Kaiserreiches erscheint, versetzt uns der dritte Teil, » Der Bauch von Paris«, unter die Volksgestalten der Markthallen. Ein vor Hunger sich krümmender Unglücklicher inmitten der ungeheueren Mengen von Nahrungsmitteln: das ist der Ausgangspunkt des Buches, in dem das Drama selbst nur wenig von der Stelle rückt. In seinem Mittelpunkte sehen wir unter anderen Personen auch die »schöne Lisa« sich bewegen, eine Tochter Anton Macquarts, die den dicken Fleischer Quenu geheiratet hat und in angestammter Habgier zusammen mit dem Gatten rastlos nach Reichtum strebt.

» Die Eroberung von Plassans« heißt der vierte Teil der Romanfolge. Der Eroberer ist der Klerikalismus. Der Dichter zeigt uns, wie ein schlauer Geistlicher, der sich in die Familie Franz Mourets (eines Sohnes der Ursula Macquart und des Hutmachers Mouret) einzuschleichen weiß, allmählich die Frau des Hauses vollständig in seine Gewalt bekommt und durch diese Frau seinen verderblichen Einfluß zugunsten des herrschenden Bonapartismus weiter und weiter ausbreitet. Der Familie Mouret selbst wird die Bekanntschaft des Geistlichen (Abbé Faujas) geradezu verhängnisvoll. Die Kinder verlassen das Haus; die Eintracht zwischen Mann und Frau ist geschwunden. Die Frau verfällt der Frömmelei, vernachlässigt ihr Haus, entbrennt in sträflicher Leidenschaft zum Abbé. Der Gatte wird wahnsinnig und zündet sein Haus an, wobei er, der Abbé und dessen Mutter umkommen.

Ein Sohn dieses unglücklichen Ehepaares, der Abbé Serge Mouret, ist der Held des fünften Teiles, der den Titel führt: »Die Sünde des Abbé Mouret«. Diese Sünde des jugendlichen, frommen, keuschen Abbé ist seine Liebe zu Albine, einem unschuldigen jungen Mädchen, das er im Paradou, einem Landgute in der Nähe seiner Pfarre findet. Jeder Leser, der Serge Mouret und Albine auf ihren Streifzügen durch den verwilderten Park des Paradou folgt, wird gestehen, daß die ganze moderne Literatur unseres Jahrhunderts kaum etwas Schöneres aufzuweisen hat. Diese Liebschaft ist ein herrliches Gedicht in Prosa, eine entzückende Schilderung des Daseins des ersten Menschenpaares in einem irdischen Paradiese. Nichts fehlt zur Vervollständigung des Gemäldes, selbst nicht der strafende Engel, Bruder Archangias, der den Abbé aus dem Paradiese vertreibt.

Das Zeitbild wäre unvollständig, wenn wir nicht eine Schilderung des Lebens und Treibens am kaiserlichen Hofe und der politischen Welt jener Zeit bekämen. Diese Schilderung bietet uns Zola im sechsten Bande, der den Titel führt: » Seine Exzellenz Eugen Rougon«. Der Dichter führt uns an den Hof zu Compiègne. Wir sind Zeugen der großartigen Feste, die Ihre Majestäten ihren Gästen geben. Wir sehen die Hofschranzen, Beamten, Diplomaten, Günstlinge und Spione von der Sonne der kaiserlichen Huld bestrahlt. Der Dichter enthüllt vor uns das verwickelte Getriebe der politischen und der Finanzwelt. Im Mittelpunkte von allem steht der allmächtige Minister und Staatsmann Eugen Rougon, der in sehr durchsichtiger Weise die glänzende Laufbahn des bonapartistischen Ministers Rouher darstellt. Eugen Rougon ist einer der Söhne Peter Rougons. Als beschäftigungsloser Advokat ist er nach Paris gezogen; der Staatsstreich hat ihn in die Höhe gebracht. Er ist der Glanz und der Wohltäter seiner Familie geworden.

Mit dem siebenten Teile der Serie Rougon-Macquart, » Der Totschläger« betitelt, beginnt eigentlich erst der Ruhm und der Erfolg Zolas. Kein zweites Buch hat eine so tiefgehende Bewegung im Publikum hervorgerufen, wie dieses. Zola war nahe daran, auf offener Straße gesteinigt zu werden. Kein Wunder. Er hatte den Finger an eine offene, eiternde Wunde des Volkscharakters gelegt und das schmerzte. »Der Totschläger« – das ist der Schnaps. Zola wollte ein Buch über das Volk der Arbeiterviertel schreiben und zeigen, wie der Mißbrauch des Alkohols zum sittlichen und wirtschaftlichen Untergang der Familien führen müsse.

Die Hauptperson des Buches ist Gervaise, eine Tochter Anton Macquarts. Sie bleibt während der ganzen Erzählung im Vordergrunde und erregt zuerst das Interesse, später das tiefe Mitleid des Lesers. Als ein Kind des Volkes erbt sie die üblen Neigungen ihrer Eltern, überwindet sie aber anfangs, als sie zu Paris, von ihrem Liebhaber Lantier (dem sie zwei Kinder gegeben hat) verlassen, durch ihre Arbeit und durch ihren häuslichen Sinn eine Art Wohlstand zu schaffen beginnt. Sie ist eine Ehe mit dem Spengler Coupeau eingegangen. In den ersten Jahren dieser Ehe geht alles gut. Da zieht das Unglück in diese Familie ein. Coupeau fällt während der Arbeit von einem Hausdache. Während der langwierigen Krankheit und notgedrungenen Untätigkeit verliert der charakterschwache Coupeau die Arbeitslust. Er ergibt sich der Trägheit und dem Trunke, und seine Familie verfällt dem Untergange. Gervaise selbst sinkt zur Säuferin und Metze herab ...

In dem achten Bande: » Ein Blättchen Liebe« erhalten wir die Geschichte der Helene Mouret, einer Tochter Ursula Macquarts. Die Ursula war mit dem Hutmacher Mouret verheiratet. Früh verwitwet zieht Helene mit ihrem Töchterchen Jeanne nach Paris. Das Kind ist kränklich und steht in Behandlung des verheirateten Arztes Deberle, der in zärtliche Beziehungen zur Mutter des Kindes tritt. Diese Liebe ist es, die uns der Dichter schildert. Jeanne stirbt an der Schwindsucht, und Helene reicht Herrn Rambaud, einem Manne ihres Bekanntenkreises, die Hand zum zweiten Ehebunde. Der Rahmen dieser Herzensgeschichte ist Paris, und man darf kühn behaupten, daß solch meisterhafte Schilderungen der Seinestadt, wie sie dieses Buch enthält, kaum wieder anzutreffen sind.

Mit » Nana«, dem neunten Bande, ist Zola wieder in seinem Elemente. Nana, die Tochter von Gervaise und Coupeau, konnte nichts anderes als eine Dirne sein. Aber sie ist eine moderne Dirne, eine Theaterpflanze. Dieses Geschöpf unserer fortgeschrittenen Bildung, diese die höheren Gesellschaftsklassen zerstörende Kraft vor uns hinzustellen; ein Blatt der ewig menschlichen Geschichte der Dirne zu schreiben; uns das Geschlecht des Weibes gleichsam im Tempel der Wollust zu zeigen und ringsumher auf den Knien ein Volk von ruinierten, entnervten, verblödeten Männern: dies war der Stoff, den Zola sich erwählt. Er hat seine Aufgabe glänzend, mit beispiellosem Erfolge gelöst. » Nana« erschien in einer Auflage von 55,000 Exemplaren auf dem Büchermarkte. Jetzt ist das Buch in alle Kultursprachen übersetzt worden.

Im zehnten Bande: » Der häusliche Herd« betitelt, schildert Zola das heuchlerische, verlogene, zum Schein sittsam tuende, dabei durch und durch verderbte und lasterhafte Bürgertum. Wir werden in ein großes Pariser Haus eingeführt, wo äußerlich alles so ordentlich, so streng, so fein säuberlich zugeht. Schon die hohen Türen auf den Fluren flößen Achtung ein; hinter diesen Türen aber, fast in jeder Wohnung, hausen Laster und Verworfenheit. Im Mittelpunkte der Geschehnisse steht Octave Mouret, ein Sohn Franz Mourets. Der junge Mann ist aus Plassans nach Paris gekommen, um da sein Glück zu machen, was ihm bei seiner angeborenen Zähigkeit und Geschicklichkeit auch gelingt, wie wir im folgenden elften Bande sehen werden.

» Zum Paradies der Damen« betitelt sich dieser Band. Es ist zugleich der Titel eines großartigen Modewarenhauses, dessen Getriebe der Dichter uns mit bewunderungswürdiger Meisterschaft vor Augen führt. Der Leiter dieses großen Unternehmens ist Octave Mouret, dem seine tausendfachen Geschäfte noch zu allerlei Liebeshändeln Zeit lassen, und der schließlich durch die standhafte Tugend Denisens, eines armen Mädchens, dem er in seinem Geschäftshause eine Anstellung gegeben, besiegt wird, so daß er Denise zu seiner Frau macht.

» Die Lebensfreude« heißt der zwölfte Band. Der Titel ist ein grausamer und doch so treffender Spott auf einen armen Gichtbrüchigen, der seit Jahren an den Rollstuhl gefesselt, von Zeit zu Zeit Anfällen ausgesetzt ist, die ihn vor Schmerz rasend machen, und der dennoch bei der Nachricht, daß die griesgrämige, alte Hausmagd sich erhängt habe, entrüstet ausruft: »Nein! so dumm, sich das Leben zu nehmen!« Im übrigen begegnen wir in diesem Buche Pauline Quenu, der früh verwaisten Tochter des reichen Pariser Fleischers Quenu, dessen Bekanntschaft wir im dritten Teile der Romanfolge gemacht haben, und seiner Ehefrau Lisa Macquart. Das Gesetz der Vererbung, das der Dichter aufgestellt hat, scheint bei Pauline eine Ausnahme gemacht zu haben. (Die Ausnahme bestätigt ja die Regel.) Pauline ist, einen Hang zum Jähzorn abgerechnet, ein gut und edel veranlagtes Geschöpf. Sie kommt zu ihrem Oheim Chanteau, der zu ihrem Vormund eingesetzt war, ins Haus. Chanteau, früher Kaufmann, mußte wegen eines Gichtleidens sich zurückziehen und lebt mit Frau und Sohn in einem kleinen Fischerdorfe am Meere. In dieses Haus tritt Pauline ein und bringt ein ansehnliches Vermögen in Wertpapieren mit. Pauline wächst mit Lazare, dem jungen Chanteau heran, und wir sind Zeugen der reizendsten Liebesidylle. Paul und Virginie im modernsten Gewande. Leider wendet sich die Idylle zum Drama. Es kommt die verhängnisvolle Dritte in Gestalt Louisens, der Tochter eines befreundeten Kaufmanns, die alljährlich die Ferien in diesem Hause zubringt. Zwischen Lazare, der sich inzwischen medizinischen Studien zugewendet hat, und Louisen entwickelt sich die Jugendfreundschaft zur Liebe, und die arme Pauline opfert sich, begräbt ihre Liebe, nachdem sie auch ihr Vermögen Stück für Stück hergegeben, um das sinkende Haus zu stützen ...

In » Germinal«, dem dreizehnten Bande, führt uns der Dichter in die dunklen Schächte eines Bergwerkes und in das Arbeiterleben ein. Es ist die Geschichte eines Ausstandes der Bergarbeiter, geführt von dem unruhigen, in die sozialistische Arbeiterbewegung verschlagenen Etienne Lantier, einem Sohne der Gervaise Macquart. Im ganzen ein großartiges und ergreifendes Bild modernen Arbeiterelends.

» Das Werk« (d. h. das Kunstwerk) hat der Dichter den vierzehnten Teil seiner Romanfolge betitelt. Dieser Band ist der Kunst gewidmet. Der Künstler ist Claude Lantier, Maler, der Sohn der Gervaise Macquart und ihres ersten Gatten Jean Lantier. Die schweren inneren Kämpfe, mit denen der Künstler sich bis zur Erkenntnis der naturalistischen Kunstrichtung durchringt, sie geben gleichsam ein Bild des Entwicklungsprozesses, den Zola selbst durchgemacht hatte. Aber hier endet der Vergleich. Der Maler Claude ist seiner großen Aufgabe nicht gewachsen und endet durch Selbstmord.

Der fünfzehnte Band der Reihe heißt » Mutter Erde«. Der Dichter entrollt darin ein großartiges Bild von dem Leben des französischen Bauers; von seinem nimmer rastenden aussichtslosen Kampfe um Scholle und Geld. Dem Stoffe und den handelnden Personen angemessen führt Zola hier eine Sprache, die an Rauheit und Ungebundenheit nichts zu wünschen übrig läßt. Man wird nicht ohne tiefstes Interesse dieses Buch lesen können. Ist auch der Bauer in den Hauptzügen seines Charakters in allen Ländern gleich, so findet man hier dennoch eine Studie, die völkisch und kulturell von hohem Werte ist. Die Familie Rougon-Macquart ist hier durch Jean, den Sohn Anton Macquarts vertreten, der nach abgeleistetem Heeresdienste nach der Beauce-Gegend ausgewandert ist, wo er sein Schreinerhandwerk beiseite legt und Landmann wird, aber vergebens Fuß zu fassen sucht ...

» Der Traum« betitelt sich der sechzehnte Band. Dieser Teil der Reihe bildet wieder eine Ruhestation. Der Dichter führt uns nach einer kleinen bischöflichen Stadt in die stille, glückliche Häuslichkeit des kinderlosen Ehepaares Hubert. Das Haus der Huberts stößt an den Dom, denn ihr ganzes Dasein ist mit der Kirche verwachsen. Die Huberts sind Kunststicker; sie verfertigen die kostbaren Meßgewänder, und dieses seltene Kunstgewerbe ist eine hundertjährige Überlieferung der Familie. Die Huberts nehmen eines Tages ein armes verlaufenes Kind in ihr Haus. Die kleine, achtjährige Angelika ist ihren Pflegeeltern – einem dem Trunk ergebenen Ehepaar – entlaufen, weil es die jämmerliche Behandlung nicht länger ertragen konnte. Die Huberts beschließen, das Mädchen an Kindesstatt anzunehmen. Die Nachforschungen, die sie aus diesem Anlasse anstellen, ergeben, daß Angelika die uneheliche Tochter Sidonie Rougons, einer Tochter Peter Rougons aus Plassans ist. Sidonie war mit ihrem Gatten aus Plassans nach Paris gekommen; hier hatten die Eheleute einen kleinen Ölhandel betrieben. Der Mann starb bald, und Frau Sidonie gab fünfzehn Monate später einer Tochter das Leben, deren Vater unbekannt war. Dieses Kind war Angelika. Man sagte ihr, ihre Mutter sei tot; sie war es auch in moralischem Sinne, denn sie hatte sich in Paris unnennbaren Gewerben hingegeben.

Angelika wuchs in dem Hause der Huberts zu einer sehr geschickten Kunststickerin und zu einem züchtigen, frommen, nur etwas träumerisch veranlagten Mädchen heran.

In der frommen, kirchlichen Atmosphäre, in der sie lebte, neigte sie zu überirdischen Träumereien. Die schönen, frommen Legenden, die sie zu lesen und zu hören bekam, erzeugten in dem Mädchen allmählich eine Seelenstimmung, in der es erklärte, »nur einen Prinzen heiraten zu wollen, den schönsten, reichsten und edelsten der Welt«. Dies ist der Traum. Der Prinz erscheint in Gestalt eines Kunstdilettanten, der in der benachbarten Domkirche Glasmalerei treibt. Zwischen Felix – so heißt der junge Mann – und Angelika entspinnt sich die reizendste Liebesidylle. Doch endlich kommt das Erwachen. Felix entpuppt sich als der Sohn des mächtigen und strengen Bischofs, der einst Kapitän gewesen und aus Gram über den frühen Tod seiner jungen Frau Geistlicher geworden war. Der hochmütige Bischof ruft den Liebenden sein »Niemals!« zu. Angelika, ohnehin stets von zarter Gesundheit, wird schwer krank. Der Jammer der Kinder erweicht das Herz des Bischofs; die Trauung findet statt. Angelika, nur mehr ein Schatten, schwankt am Arme des Geliebten zum Traualtar und haucht beim Austritt aus der Kirche auf der obersten Stufe angesichts der jubelnden Menge in einem Kusse, den sie dem geliebten Gatten auf die Lippen drückt, ihre keusche Seele aus.

» Die Bestie im Menschen« heißt der siebzehnte Band. Ein schaurig-ergreifendes Bild von menschlicher Krankheit und Verirrung. »Die Bestie im Menschen« ist natürlich der böse, verbrecherische Trieb. Jakob Lantier, Lokomotivführer in den Diensten der Westbahn, ist der entsetzlichen Krankheit, der Lustmordsucht, unterworfen. Ein Sohn der unglücklichen Gervaise Macquart (von ihrem ersten Gatten Lantier), ein Enkel des versoffenen Anton Macquart, ein Urenkel der wahnsinnigen Adelaide, hatte er die ganze Summe von Lastern seines Geschlechtes geerbt. Im Grunde nicht böse geartet, hütet er sich lange vor dem Weibe, denn mit der fleischlichen Lust erwacht zugleich die Mordlust in ihm. Von Zeit zu Zeit ist er furchtbaren Anfällen ausgesetzt. Er hat dann einen Schmerz hinter den Ohren, der ihm das Gehirn zu durchbohren scheint; eine jähe Schwermut kommt über ihn, die ihn zwingt, wie ein Tier in einem einsamen Winkel niederzukauern. Keiner seiner Brüder, weder Claude, noch der nach ihm geborne Etienne, litt unter der Jugend seiner Mutter (Gervaise war kaum fünfzehn Jahre alt, als sie ihn gebar) und seines knabenhaften Vaters, des schönen Lantier, dessen schlechtes Herz Gervaise soviele Tränen kosten sollte. In gewissen Stunden fühlte er den erblichen Riß. Er war dann nicht mehr Herr über sich, sondern gehorchte nur seinen Muskeln wie eine wütende Bestie. Dabei trank er nicht; denn er hatte bemerkt, daß ein Tropfen Alkohol ihn verrückt mache. Er kam schließlich zu der Überzeugung, daß er die Schuld der anderen bezahlen müsse, die Schuld der Väter und Großväter, der Geschlechter von Trunkenbolden, die sein Blut verdorben hatten. Er fühlte in sich eine schrittweise Vergiftung, eine Wildheit, die ihn dem lauernden Wolf, der auch Frauen zerreißt, gleich machte.

Doch sein Kampf gegen das lauernde Ungeheuer nützt ihm nichts. Er liebt Severine, die Gattin eines Eisenbahnbeamten, ein verworfenes, lasterhaftes Weib, das schließlich unter Jakobs Messer verblutet ... Der Rahmen dieses furchtbaren Dramas ist das Leben und Treiben auf einer großen Eisenbahnlinie (Paris–Havre), das der Dichter mit seiner unerreichten Meisterschaft uns schildert...

Der achtzehnte Teil führt den Titel: » Das Geld.« Alles Schöne und Heilsame, was mit Hilfe des Geldes hienieden gestiftet werden kann, alles Unheil und alle Schmach, die das Geld unter den Menschen täglich erzeugt, sind mit unerreichter Meisterschaft in dem großartigen Gemälde dargestellt, in welchem Zola uns die Bedeutung des Geldes im modernen Wirtschaftsleben zeigt. Der traurige Held, der im Mittelpunkte der Begebenheiten steht und eine führende Rolle spielt, ist uns nicht unbekannt: es ist Aristides Saccard, der Bauspekulant, den wir in dem Buche »Die Treibjagd« als den Gatten Renées kennen gelernt haben. Dank seiner Energie, Findigkeit und Zähigkeit, die sich mit einer vollkommenen Gewissenlosigkeit paarten, ist es diesem Manne, nachdem seine waghalsigen Spekulationen ihn ruiniert hatten, noch einmal gelungen, sich zu erheben und für kurze Zeit zu einer gebieterischen Macht in der Finanzwelt emporzuschwingen. In dieser kurzen Glanzperiode führte das Leben ihm eine starke, kluge und edle Frau – Karoline Hamelin – in den Weg, die ihr Los an das seinige knüpfend, in unsägliches Leid geriet, aber schließlich vermöge ihrer Seelenstärke ungebrochen und unbefleckt aus den schweren Prüfungen hervorging.

» Der Zusammenbruch« heißt der neunzehnte Band. Nämlich der Zusammenbruch des zweiten Kaiserreiches im Verlaufe des gewaltigen Ringens zweier großer Kulturvölker, der Deutschen und Franzosen. Den Krieg von 1870–71 schildert Zola in diesem Bande. Seine großartigen Schilderungen gipfeln in den Vorgängen bei Sedan.

Sedan! Ein Name, der für Deutschland einen nationalen Festtag bedeutet und die Erinnerungen an ewig denkwürdige Ruhmestaten wachruft. Und für Frankreich? Ein Ort der Schmach und des Jammers, die Stätte, wo das auf Gewalt und Verderbtheit aufgebaute zweite Kaiserreich zusammenbrach. Rings um Sedan fand jenes beispiellose Kesseltreiben statt, das eine geschlagene, in wilder Flucht aufgelöste Armee in den Straßen einer nicht großen Stadt zusammenpferchte und den Kaiser nötigte, zu kapitulieren und sich gefangen zu geben. Sedan bildet demnach eine entscheidende Etappe im deutschfranzösischen Krieg 1870–71 und ist zugleich der Schauplatz von zarten Begebenheiten, die uns in diesem Bande näher interessieren. Wir machen Bekanntschaft mit Gilberte Delaherche, einer schönen, jungen Frau, die nicht schlecht war, nur leichtfertig und zu jener Gattung von Frauen gehörte, die sich nicht damit abfinden können, mit ihrem Liebreiz nur einen zu beglücken, und wäre dieser eine auch ihr Gatte.

Der zwanzigste, letzte Teil der Reihe führt den Titel: » Doktor Pascal«. Mit Doktor Pascal, dem dritten Sohne des Peter Rougon, hatten wir bisher nur flüchtige Begegnungen. Wir sahen ihn im ersten Bande an der Seite der sterbenden Miette und im fünften Bande als Hausarzt im Paradou, wo er seinen Neffen, den Abbé Mouret einführte. Der Schlußband ist völlig seinem Leben und Wirken gewidmet. Dieses Buch geleitet uns nach Plassans zurück, dem Stammsitze und Ursprungsorte der Rougon-Macquart. Doktor Pascal hat sich dort als Arzt niedergelassen. Er ist ein Gelehrter, Philosoph und Menschenfreund, der sich für seine Krankenbesuche bei den Armen in der Weise bezahlt macht, daß er unbemerkt ein Zwanzigfrankenstück auf dem Tische zurückläßt. Nachdem er soviel Kapital erworben, daß er von den Zinsen leben kann, gibt er die ärztliche Praxis auf, bleibt nur noch der Arzt der Armen und zieht sich in die »Souleiade«, sein vor der Stadt gelegenes Landhaus, zurück. Dort lebt er fortan seinen wissenschaftlichen Forschungen und besonders den Untersuchungen über den Atavismus, die Vererbung. Das Buch ist in dieser Hinsicht gewissermaßen als eine Bilanz der ganzen Romanfolge zu betrachten, als eine Rechtfertigung der physiologischen Lehre, auf der das zwanzigbändige Werk sich aufbaut. Doktor Pascal tritt hier für Emile Zola ein. Er tritt mit einem wissenschaftlichen und statistischen Material auf, das er ein Menschenalter hindurch gesammelt hat, indem er in riesigen Aktenbündeln gleichsam die Lebensgeschichte jedes einzelnen Mitgliedes seiner Familie zusammengetragen hat, der Familie, die er auch in einem sorgfältig angelegten Stammbaum in allen ihren Verastungen und Verzweigungen auslegt.

Doktor Pascal hat Clotilde, die Tochter seines Bruders Aristides aus dessen erster Ehe, in sein Haus genommen. Sie ist an der Seite des Oheims in voller Ungebundenheit herangewachsen, ist eine Gehilfin bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten, durfte lesen und erfahren, was sie wollte, so daß ihr nichts fremd blieb von dem Mann und von dem Weibe. Sie hat einen runden, festen Kopf, wie ihr Oheim oft sagte, einen klaren Geist und ein kindliches, unverdorbenes Herz. Sie ist frei geblieben von dem traurigen Erbteil der Familie.

Obgleich in einer Atmosphäre freier Forschung herangewachsen, war Clotilde keineswegs eine Freidenkerin wie ihr Oheim. Einen festen Halt für ihr inneres Leben suchend, war sie naturgemäß unter den Einfluß ihrer Großmutter Felicitas Rougon und einer alten Magd des Hauses, Martine, geraten, die eine fromme, christliche Gottesgläubigkeit in ihr nährten. Ein großer, künstlerischer Zug liegt in der Art und Weise, wie der Dichter hier den Gegensatz und die Kämpfe zwischen dem freidenkerischen Gelehrten und dem frommen, von den wissenschaftlichen Forschungen unbefriedigten Kinde entwickelt. Der Arzt, der Junggeselle ist und stets ein solides Leben geführt hat, hängt mit Leib und Seele an dem Mädchen; abgesehen von seinem sinnlichen Verlangen, liebt er sie noch mit einer unendlichen Zärtlichkeit, entzückt von ihrer sittlichen und geistigen Persönlichkeit, von der Geradheit ihres Empfindens und von ihrem munteren, tapferen und entschlossenen Geiste. Clotilde wieder blickte mit grenzenloser Bewunderung zu dem »Meister« empor; von der Bewunderung des Weibes zur Liebe ist aber nur ein Schritt. Dieses Verhältnis nimmt eine bestimmte Gestalt in dem Augenblicke an, da die Werbung des Doktor Ramond, eines in Plassans ansässigen jungen Arztes, um die Hand Clotildens zur Entscheidung drängt. Doktor Pascal will schweren Herzens seine Neigung opfern und befürwortet die Werbung; Clotilde jedoch, die in Pascals Seele schaut, weist den Freier ab.

Nimm mich doch, da ich mich dir gebe! ruft sie dem angebeteten Meister zu.

Und so fanden sich Oheim und Nichte wie Mann und Weib ...

Budapest, Ende 1893. Armin Schwarz.

Vorwort des Autors.

Inhaltsverzeichnis

Ich will darstellen, wie eine Familie, eine kleine Gruppe von Wesen in einer Gesellschaft sich verhält, indem sie sich entwickelt und zehn, zwanzig Menschen das Leben gibt, die auf den ersten Blick sehr verschieden scheinen, die uns aber eine genaue Prüfung innig miteinander verbunden zeigt. Die Vererbung hat ihre Gesetze wie die Schwere.

Die zwiefache Frage der Naturanlage und der Umgebung lösend, werde ich bemüht sein, jenen Faden zu finden und ihm zu folgen, der folgerichtig von einem Menschen zum anderen führt. Wenn ich einmal alle Fäden festhalte, wenn ich eine ganze Gruppe in Händen habe, werde ich sie am Werke zeigen, mittätig, als handelnde Personen eines geschichtlichen Zeitraumes; ich werde diese Gruppe vorführen, wie sie tätig ist in dem Ganzen ihres Strebens; ich werde zugleich die Summe an Willenskraft in jedem einzelnen Mitgliede der Gruppe und das allgemeine Vorwärtsdringen ihrer Gesamtheit darlegen.

Die Rougon-Macquart, die Gruppe, die Familie, die ich zum Gegenstande meines Studiums machen will, hat als kennzeichnendes Merkmal jenes Überströmen der Begierden, jenes wilde Stürmen in unserer Zeit, das sich auf die Genüsse wirft. In körperlicher Hinsicht verkörpern sie die langsame Erbschaft der Nerven- und Blutkrankheiten, die infolge einer ersten organischen Erkrankung in einem Geschlechte sich offenbaren und je nach der verschiedenen Umgebung bei jedem Einzelwesen dieses Geschlechtes die Gefühle, die Begierden, alle menschlichen Leidenschaften – natürliche, wie triebartige – bestimmen, deren Äußerungen die herkömmlichen Namen der Tugenden und Laster tragen. In geschichtlicher Hinsicht gehen sie aus dem Volke hervor, strahlen in die ganze zeitgenössische Gesellschaft aus, schwingen sich zu allen Stellungen empor, immer vermöge jenes wesentlich modernen Antriebes, den die niederen Klassen auf ihrem Zuge durch den gesellschaftlichen Körper empfangen; so geben sie die Geschichte des zweiten Kaiserreiches auf Grund ihrer besonderen Dramen, angefangen bei der Mausefalle des Staatsstreiches bis zum Verrat bei Sedan.

Seit drei Jahren sammelte ich die Belege zu diesem großen Werke, und der vorliegende Band war schon geschrieben, als der Sturz der Bonaparte, dessen ich aus künstlerischem Gesichtspunkte bedurfte und den ich wie ein Verhängnis immer am Ende des Dramas fand, ohne ihn so nahe zu wähnen, mir den schrecklichen, aber notwendigen Abschluß meines Werkes an die Hand gab. Es ist nunmehr fertig, es bewegt sich in einem geschlossenen Kreise; es wird zum Bilde einer vergangenen Herrschaft, einer seltsamen Zeit der Schmach und des Wahnsinns.

Dieses Werk, das mehrere Abschnitte bilden wird, ist demnach – wie ich mir es denke – die natürliche und soziale Geschichte einer Familie unter dem zweiten Kaiserreich. Und der erste Abschnitt: » Das Glück der Familie Rougon« müßte wissenschaftlich »der Ursprung« heißen.

Paris, 1. Juli 1871. Emile Zola

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Wenn man Plassans durch das Römertor verläßt, das auf der Südseite der Stadt liegt, findet man rechts von der Straße nach Nizza hinter den ersten Häusern der Vorstadt ein wüstes Stück Land, das in der Gegend unter dem Namen »der Saint-Mittre-Grund« bekannt ist.

Der Saint-Mittre-Grund ist ein längliches Viereck in ziemlicher Ausdehnung, das sich in gleicher Höhe mit dem Fußsteig der Straße hinzieht, von der er nur durch einen Streifen dürren Rasens getrennt ist. Auf einer Seite des Grundstückes, rechts, zieht sich ein Sackgäßchen hin mit einer Reihe von Hütten. Links und im Hintergrunde ist das Gebiet durch zwei von Moos zerfressene Mauern abgeschlossen, über die hinweg man die Maulbeerbäume des Jas-Meiffren erblickt, eines größeren Besitztumes, zu dem der Eingang weiter unten in der Vorstadt zu finden ist. So von drei Seiten eingeschlossen, ist der »Saint-Mittre-Grund« eigentlich ein großer Platz, der nirgends hinführt und daher nur von Spaziergängern aufgesucht wird.

Einst war hier ein Kirchhof, der unter dem Schutze des Saint-Mittre stand, eines provençalischen Heiligen, der in dieser Gegend sehr verehrt wurde. Die älteren Leute erinnerten sich im Jahre 1851 noch, die Mauern dieses Kirchhofes, der Jahre hindurch geschlossen geblieben, gesehen zu haben. Der Boden, den man seit mehr denn einem Jahrhundert mit Leichen vollstopfte, atmete den Tod aus, und man war genötigt, am anderen Ende der Stadt einen neuen Gottesacker zu eröffnen. Nachdem er aufgelassen worden, schwand der ehemalige Friedhof mit jedem jungen Jahre mehr und bedeckte sich mit einem üppigen Pflanzenwuchs. Dieser fette Boden, in den die Totengräber keinen Spatenstich mehr tun konnten, ohne Menschenknochen aufzuwerfen, war von einer ungeheuren Fruchtbarkeit. Nach den Mairegen und den sonnigen Tagen des Juni sah man von der Straße aus die Spitzen der Gräser über die Mauern hinausragen; im Innern war ein Meer von tiefem, sattem Grün, da und dort blühten breite Blumen von seltsamem Farbenglanze. Im Schatten der eng zusammenstehenden Stengel roch man das feuchte Erdreich, das von gärenden Säften strotzte.

Eine Merkwürdigkeit dieses Grundstückes waren zu jener Zeit die Birnbäume mit den verkrümmten Zweigen und unförmigen Knoten, nach deren riesigen Früchten keine Hausfrau von Plassans Verlangen trug. Man sprach in der Stadt von diesen Birnen nur mit Ekel; aber die Vorstadtjungen waren nicht so heikel; sie erklommen des Abends scharenweise die Mauern, um die Birnen zu stehlen, noch ehe sie völlig reif waren.

Das blühende, reich sprießende Leben der Gräser und Bäume hatte bald den Tod des ehemaligen Kirchhofes von Saint-Mittre bewältigt. Der menschliche Moder wurde gierig von den Blumen und Früchten aufgesogen, und kam man an diesem Orte vorbei, so spürte man nur mehr den scharfen Duft der wilden Nelken. Wenige Sommer hatten dies zustandegebracht.

Um jene Zeit kam die Stadt auf den Gedanken, von diesem bisher brach gelegenen Gemeindebesitz Nutzen zu ziehen. Man riß die längs der Straße und des Sackgäßchens stehenden Mauern nieder und beseitigte Gräser und Birnbäume; dann verlegte man den Kirchhof. Der Boden ward bis zu einer Tiefe von mehreren Metern aufgegraben, und man warf in einem Winkel die Gebeine zuhauf, die sich in der Erde vorfanden. Die Jungen, die über den Verlust der Birnbäume untröstlich waren, spielten fast einen Monat Ball mit den Schädeln; es fanden sich Leute, die sich den schlechten Spaß machten, nächtlicherweile Schenkel- und Schienbeine an die Türglocken der Stadt zu hängen. Dieses Ärgernis, das in Plassans heute noch unvergessen ist, hörte nicht eher auf, als bis man sich entschloß, die Gebeine in einer Grube auf dem neuen Kirchhofe zu verscharren. Allein, in der Provinz werden die Arbeiten mit bedächtiger Langsamkeit ausgeführt, und die Bewohner des Ortes sahen eine Woche hindurch von Zeit zu Zeit einen einzigen Leichenkarren mit menschlichen Resten dahinziehen, als ob er Kalk führte. Das Schlimmste dabei war, daß dieser Karren Plassans in seiner ganzen Länge passieren mußte und daß er, auf dem schlechten Pflaster forthumpelnd, bei jedem Stoße Knochenstücke und Häuflein fetter Erde als Spur zurückließ. Keinerlei kirchliche Zeremonie, nur eine langsame, rohe Abfuhr. Niemals fand in einer Stadt ein so widerliches Schauspiel statt.

Mehrere Jahre hindurch blieb der ehemalige Kirchhof von Saint-Mittre ein Gegenstand des Schreckens. Am Rande einer großen Straße für alle Welt offen daliegend, blieb der Ort öde und verlassen, abermals eine Beute wilden Wachstumes. Die Stadt, die ohne Zweifel das Grundstück veräußern wollte, damit es mit Häusern bebaut werde, fand keinen Käufer; vielleicht war es die Erinnerung an den Knochenhaufen und an den vereinzelt durch die Straßen ziehenden, an einen hartnäckigen, bösen Traum gemahnenden Leichenkarren, welche die Leute zurückschreckte; vielleicht auch erklärt sich die Tatsache durch die Lässigkeit der Provinz, durch jenes Widerstreben, das sie gegen alles Niederreißen und Wiederaufbauen hat. Die Stadt behielt das Grundstück, und schließlich geriet der Wunsch, es zu verkaufen, ganz in Vergessenheit. Man unterließ sogar, das Gebiet mit einem Pfahlzaun einzufrieden; jedermann konnte ungehindert ein und aus gehen. Nach und nach gewöhnte man sich im Laufe der Jahre an diesen öden Winkel; man ließ sich auf das Gras am Raine nieder; man ging wohl auch quer über das Stück Feld, kurz: der Ort belebte sich immer mehr. Als die Füße der Spaziergänger den Rasenteppich abgenützt hatten und der festgestampfte Boden grau und hart geworden war, glich der ehemalige Kirchhof einem schlecht geebneten öffentlichen Platze. Um jede peinliche Erinnerung völlig zu tilgen, gewöhnten sich die Bewohner, fast ohne es zu merken, allmählich daran, die Benennung des Gebietes zu ändern; man begnügte sich damit, bloß den Namen des Heiligen zu behalten und legte diesen auch dem Gäßchen bei; man sagte: das »Saint-Mittre-Feld« und das »Saint-Mittre-Gäßchen«.

All dies ist schon lange her. Seit mehr denn dreißig Jahren hat das Saint-Mittre-Feld sein eigenartiges Aussehen. Die Stadt, viel zu lässig und sorglos, um das Grundstück auszunützen, hat es gegen ein geringes Entgelt an die Wagner der Vorstadt verpachtet, die daselbst einen Zimmerplatz eingerichtet haben. Heute noch liegen stellenweise Haufen von riesigen Balken, zehn bis fünfzehn Meter lang, herum, gleich umgestürzten hohen Pfeilern. Diese Balkenhaufen, diese parallel hingelegten Maste, die sich fortsetzen von einem Ende des Feldes bis zum anderen, sind die ewige Freude der Jungen. Einzelne Balken sind herabgeglitten, so daß stellenweise der Boden mit einer Art Parkett, aus runden Stücken bestehend, bedeckt ist, auf dem man nur mit dem Aufgebot halsbrecherischer Balancierkünste dahinschreiten kann. Den ganzen Tag sind Scharen von Kindern da, die sich dieser Leibesübung hingeben. Man sieht sie über die großen Bohlen springen, die schmalen Kanten entlang schreiten, rittlings dahinrutschen, all die verschiedenen Spiele treiben, die gewöhnlich mit einer Keilerei, mit Geheul und Gezeter endigen; oder auch es setzen sich ihrer je ein halbes Dutzend, eng aneinander gedrängt, auf die beiden Enden eines quer über die anderen gelegten Balkens und schaukeln sich stundenlang. Das Saint-Mittre-Feld ist ein Unterhaltungsplatz geworden, auf dem die Vorstadtjungen seit einem Vierteljahrhundert die Hosen zerreißen.