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Jede Nacht betreten wir ein magisches Reich: die Welt unserer Träume, die Brücke zwischen unserem Bewusstsein und der geistigen Ebene. Was wir im Schlaf erleben, wurde in der schamanischen Tradition immer als bedeutsamer Teil unserer spirituellen Reise verstanden. Denn wir lauschen im Traum nicht nur unserer Seele, die uns Wünsche, Ängste und Bedürfnisse offenbart. Wir erhalten auch Botschaften und Ratschläge aus der Anderswelt, die uns auf unserem Lebensweg leiten. Finde heraus, was 70 typische Traumsymbole wie »Fliegen«, »Prüfung«, »Nacktheit« oder »Verstorbene« bedeuten. Reinhard Stengel, der beliebte »Rainbowman«, gibt dir zudem Tipps zum Führen eines Traumtagebuchs oder dem Bau eines Traumfängers. Das Besondere an der schamanischen Traumdeutung ist, dass sie immer deine persönlichen Erfahrungen und Gefühle in den Mittelpunkt stellt. Denn es ist dein Traum und dein Seelenweg! Bestimmt kennst du diese Bilder aus deinen Träumen. Entdecke, was sie und viele weitere dir sagen wollen: • Blumen • Betrug • Boot • Engel • Fallen • Flucht • Geld • Meer • Reise • Tiere • Tür • Wald • Zähne »Träume sind nicht immer auf den ersten Blick verständlich. Es braucht die Auseinandersetzung, das Nachsinnen über ihre ¬Inhalte, das Meditieren über die inneren Bilder … und dann macht es plötzlich klick! Dir wird klar, was dir das Universum, das Göttliche, die Spirits sagen wollen. Du lauschst, und deine Welt wird größer, deine Sicht auf die Dinge weiter und liebevoller. Das ist es, was letztlich dein Herz heil macht.«
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Seitenzahl: 192
Veröffentlichungsjahr: 2025
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ISBN Printausgabe 978-3-8434-1586-6
ISBN E-Book 978-3-8434-6561-8
Reinhard Stengel:
Die schamanische Traumdeutung Botschaften der Seele und der Anderswelt verstehen
© 2025 Schirner Verlag GmbH & Co. KG
Birkenweg 14 a, 64295 Darmstadt
E-Mail: [email protected]
Umschlag: Jennifer Maar & Hülya Sözer, Schirner, unter Verwendung von # 2432502017 (© Brian A Jackson), # 300334265 (© Ksenia Lokko), # 1926358538 (© Umuarus), # 2177832841 (© Olga_Angelloz) und # 324481763 (© Elena Eskevich), www.shutterstock.com
Print-Layout: Jennifer Maar, Schirner
Lektorat: Bastian Rittinghaus, Schirner
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt, Germany
www.schirner.com
1. E-Book-Auflage Oktober 2025
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten
Vorwort
Über dieses Buch und wie du es nutzen kannst
Mein Weg zum Traumdeuter
Vom Bodensee nach Montana
Ausbildung zum Schamanen
Träume – Botschaften der Seele und der Anderswelt
Träume in verschiedenen Kulturen
Träume aus wissenschaftlicher Sicht
Wann deine Träume stattfinden
Warum manche Träume so realistisch wirken
Träume schamanisch betrachtet
Traumfänger
Träume als Spiegel der Seele
Warum man seine Träume leben sollte
Die Kunst des luziden Träumens
Mit Traumdeutung das Leben verändern
Grundthemen der Traumdeutung
Besonderheiten der schamanischen Traumdeutung
Versteckte Botschaften
Träume als Verpflichtung
Schamanische Traumdeutung leicht gemacht
Alkohol
Armut
Augen
Auswandern
Auto
Ballon
Betrogen werden
Blumen
Boot/Schiff
Chef oder Chefin
Clown
Dolch
Drache
Drogen
Einbrecher oder Einbrecherin
Einhorn
Engel
Erbschaft
Erdbeben
Erfindungen
Fallen
Feuer
Finsternis/Dunkelheit
Fliegen
Flucht/Verfolgung
Friedhof
Frühkindliche Traumata/Erlebnisse
Geburt/Schwangerschaft
Gefängnis
Geld
Gespenst/Geist
Hexe/Schamane oder Schamanin
Hochzeit
Kampf/Krieg
Leiter
Meer/Ozean
Motorrad
Nacktheit
Prüfung/Durchfallen
Reise
Rollstuhl
Schlafwandeln
Schornsteinfeger oder -fegerin
Seitensprung
Sonne
Spritze
Straße
Tiere
Bär
Biene
Delfin und Atlantis
Fische
Fuchs
Katze/schwarze Katze
Kuh
Pferd
Schlange
Schmetterling
Spinne
Storch
Vögel
Wolf
Tür
Umzug
Unfall
Verstorbener oder Verstorbene/Tod
Wahrträume der Zukunft
Wald
Warnträume von Krankheit
Wasser
Weg ohne Rückkehr
Wunschträume
Wüste
Zahlen
Zähne/Zahnausfall
Zirkus
Schlusswort
Über den Autor
Bildnachweis
Jede Nacht betreten wir im Schlaf ein mystisches Reich: die Welt unserer Träume. Wir erleben vielleicht die wildesten Dinge, können fliegen, verwandeln uns in Tiere, bereisen fremde Länder, vollbringen sogar die eine oder andere Heldentat. Hier gibt es keine Grenzen: Wirklich alles ist möglich. Wir können alles sein und alles tun. Doch das, was wir nachts erfahren und durchleben, ist nicht bloß Fantasie. Es ist deutlich mehr als das – es stammt aus einem viel tieferen Bereich unser selbst.
Seit jeher gelten Träume als Brücke zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Sphäre, zwischen unserem Alltagsbewusstsein und der Geistigen Welt. Daher wird in vielen Kulturen, insbesondere in den schamanischen Traditionen, der Traum nicht nur als Spiegel unserer inneren Prozesse betrachtet, sondern auch als Botschaft aus der spirituellen Ebene, die uns Orientierung und Führung auf unserem Lebensweg geben kann.
Die schamanische Traumdeutung, mit der wir uns in diesem Buch beschäftigen, ist mehr als die Analyse von Symbolen oder das Erzählen alter Geschichten. Sie versteht jeden Traum als ganz individuelle Annäherung an die Geistige Sphäre und eine sehr persönliche Form der Kommunikation mit den Energien, die dort lebendig sind. Die Anderswelt kann uns über diesen Kanal etwas Wichtiges mitteilen, vielleicht Fragen an uns stellen oder uns wichtige Aufgaben erteilen.
Dieses Buch lädt dich ein, mit den Energien und Kräften zu arbeiten, die dir in deinen Träumen begegnen, und ihnen die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken, die du den Vorkommnissen deiner Alltagswelt entgegenbringst. Je mehr du dich den Möglichkeiten öffnest, die sich dir jede Nacht bieten, desto klarer wirst du dir darüber, welche Sehnsüchte nach Veränderung, Heilung oder Wachstum in dir verborgen sind. Mithilfe deiner Träume, deiner Erinnerungen an sie und das Werkzeug der schamanischen Traumdeutung, dessen Anwendung du in diesem Buch erlernst, werden dir immer mehr Dinge bewusst werden, die bislang im unbewussten Bereich deines Seins schlummerten.
Auf diese Weise werden dir deine Träume nicht nur zeigen, wo du stehst, sondern auch, wohin du unterwegs bist, wohin du dich bewegen kannst – wenn du den Mut hast, die Botschaften anzunehmen und in deinem Leben umzusetzen.
Diese Integration wird immer zu Veränderungen führen, denn Wandel ist die Natur der Geistigen Welt und der schamanischen Arbeit. Manchmal mag das Angst machen, denn es ist viel bequemer, wenn alles beim Alten bleibt. Doch so funktioniert das Leben nicht, wie du bestimmt schon erfahren hast.
Ich möchte dir Mut machen, dich auf diesen Weg einzulassen und mit einer gewissen spirituellen Neugier zu betrachten, was sich zeigt. Dann wirst du nach und nach die Weisheit deiner Träume entdecken und ganz bewusst nutzen, um die Veränderungen in deinem Leben selbst zu gestalten. Hierbei kann es sowohl um persönliche Heilung als auch um spirituelles Erwachen oder aber die Bewältigung von Herausforderungen gehen – deine Träume tragen die Schlüssel zur Transformation in sich.
Ich bin dankbar, dass ich dich auf dieser Reise ins Unbekannte begleiten darf und mit dir erforschen werde, wie die Symbole, Energien und Wesen deiner Träume dich auf positive und heilsame Art leiten können.
Vertraue darauf, dass jede Botschaft, so verborgen sie auch scheinen mag, dir dient, dein Leben bereichert und dich deiner Bestimmung näherbringt – und dich somit zu einem glücklicheren Menschen macht.
Mögest du in deinen Träumen den Mut finden, den Wandel zu umarmen, und in deinem Leben die Kraft, ihn zu verwirklichen.
Reinhard Stengel
Frühjahr 2025
In diesem Buch dreht sich alles um die Welt deiner Träume. Mir persönlich ist es sehr wichtig, sie als eine weitere Facette der Realität zu sehen. Es sind nicht »nur« Träume, die keinen Bezug zu deinem Alltag haben, vielmehr machen sich in den Erlebnissen, die du während des Schlafens hast, tiefere Schichten deiner Seele und die spirituelle Welt bemerkbar und vermitteln dir wichtige Botschaften.
In vielen traditionellen Kulturen werden Träume weitaus ernster genommen als in unserer westlichen Gesellschaft. Das Wissen um ihre Deutung wird dort oft mündlich über viele Generationen hinweg weitergegeben. Träume werden als erweiterte Form der Realität wahrgenommen, genau wie die Erlebnisse auf schamanischen Reisen oder Visionssuchen. Diese Kulturen, die zumeist schamanische Wurzeln haben, betonen die Verbindung zwischen Mensch, Natur und dem Spirituellen. Im Traum sind die vermeintlichen Grenzen zwischen diesen Bereichen viel fließender, und wir können leicht zwischen ihnen wechseln, können Mensch, Tier, Baum sein und direkt mit dem Geistigen oder Göttlichen kommunizieren.
Dieses Buch möchte all diese Themenbereiche aufgreifen und dich inspirieren, deine eigene Beziehung zur Natur und zu ihren Reichen zu reflektieren und zu vertiefen. In einer Welt, die zunehmend nach alternativen Wegen der Spiritualität sucht, kann dieses Buch über schamanische Traumdeutung hoffentlich eine Brücke zwischen alten Weisheiten und modernen Lebensweisen schlagen.
Viele Menschen, denen ich in meinen Seminaren oder bei Vorträgen begegne, sind auf der Suche nach neuen Ansätzen, um ihre Träume zu verstehen und ihr Unterbewusstsein zu erkunden. Sie möchten ihr Leben tiefer erfahren, ihren Alltag reicher und bunter gestalten, sich selbst besser kennenlernen und ebenso die Welt und all ihre Wesen verstehen. Hierbei kann die schamanische Traumdeutung wirklich ein Werkzeug für innere Heilung, Selbstfindung und persönliches Wachstum sein. Ich möchte dir einige ganz praktische Impulse geben, wie du deine Träume interpretieren und für deine spirituelle Entwicklung nutzen kannst.
Im Vergleich zu psychoanalytischen oder symbolisch orientierten Ansätzen der Traumdeutung bietet die schamanische Perspektive eine einzigartige Herangehensweise, die auf spirituellen Reisen, der Verbindung zu den Ahnen und der Kommunikation mit Geistern (oder auch dem Einen Geist, dem Großen Geist oder Spirit) basiert. Das unterscheidet sie von anderen Traumdeutungsmethoden.
Darüber hinaus wünsche ich mir von Herzen, dass dieses Buch dazu beiträgt, kulturelle Missverständnisse über den Schamanismus abzubauen, und ganz nebenbei dazu führt, Respekt und Verständnis für indigene Weisheiten zu fördern. Es kann dir zeigen, wie unterschiedlich Kulturen Träume deuten und ihre Bedeutung begreifen. Zugleich werde ich dich immer wieder daran erinnern, dass es letztlich um deinen Traum geht und somit auch um dein Verständnis. Obwohl du selbstverständlich zutiefst mit der ganzen Welt verbunden bist, stellst du eine Welt für dich dar. Du bist etwas ganz Einzigartiges, hast deine eigene Geschichte, deine eigene psychologische und kulturelle Prägung, und somit bedeutet ein bestimmtes Traumbild für dich vielleicht etwas völlig anderes als für mich oder für einen Ureinwohner der nordamerikanischen Prärie oder des südamerikanischen Dschungels.
Unterschiedliche Lebensumstände führen dazu, dass Menschen bestimmte Bilder anders verstehen oder bewerten. So ist dieses Buch zwar in gewisser Weise eine Landkarte, die dich durch das Reich deiner Träume führen kann, doch kannst nur du selbst deine eigenen Träume wirklich anschauen und ihre Botschaft hören.
Verstehe also bitte alle Deutungen von Traumbildern in diesem Buch als Vorschläge und Möglichkeiten, die dich inspirieren wollen, tiefer in deine Bilder einzutauchen und dich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Ich habe mich bemüht, in diesem Buch nur Techniken wie beispielsweise Traumreisen, Meditationen oder Rituale zu erklären, die leicht umsetzbar sind und ohne Probleme in den Alltag integriert werden können. Du musst dafür keine neue Religion annehmen oder deine kulturellen Wurzeln hinter dir lassen. Du brauchst lediglich eine gewisse Offenheit und Neugier, um das zu entdecken, was in dir lebendig ist und im Schlaf zu dir spricht.
Vielleicht kennst du mich und meine Arbeit bereits, vielleicht ist dieses Buch auch deine erste Begegnung mit mir. Daher möchte ich dir zu Beginn ein wenig von mir erzählen und auch von einigen prägenden Träumen berichten, die meinen Weg mitbestimmt haben. Doch keine Sorge – ich fasse mich möglichst kurz, damit du schnell zu den Themen kommst, die dich auf deine eigene Reise schicken …
Ich bin 1950 in Wien unter dem Sternzeichen der Waage geboren worden, hinein in eine Welt, die immer noch an den Wunden des Zweiten Weltkrieges litt. Deutschland war auf seinem Weg des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders, doch in Österreich gab es diese positive Entwicklung noch nicht in diesem Ausmaß. Mein Vater war arbeitslos, und bald entschieden sich meine Eltern, ihr Glück lieber in Deutschland zu versuchen. Und so machten wir uns als Familie auf nach Friedrichshafen am Bodensee, wo meine Großeltern wohnten.
Hier wuchs ich auf, erkundete als kleiner Junge in Lederhosen die Ufer der Rotach, lief barfuß durch die Wälder und war glücklich zwischen den Bäumen, spielte mit den Flusssteinen und lauschte der Natur, die sich mir auf großzügige Weise offenbarte.
Ich war gern allein, denn dann musste ich mit niemandem reden, konnte den ganzen Tag vor mich hinträumen, während ich durch die Natur streifte.
Wenn ich heute zurückdenke, wird mir klar, wie sehr ich mich damals zu den glatten Steinen des Flusses hingezogen fühlte und wie ich mit ihnen sprach, sie meine ersten Lehrer wurden und es bis heute geblieben sind. Ebenso erinnere ich mich, dass ich, wenn ich den ganzen Tag am Fluss verbracht hatte, auch nachts von ihm träumte, sein Rauschen und Plätschern mich im Schlaf begleitete. Immer wieder sah ich mich selbst am Fluss sitzen – und scheinbar ahnte ich, dass die Natur eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen würde.
Zugleich war ich auch fasziniert von Technik, bewunderte schnelle Autos, schaute gern unter Motorhauben und sah zu, wenn etwas repariert, hier eine Schraube angezogen und dort ein Ventil ausgetauscht wurde. Daher träumte ich schon sehr früh nicht nur vom Fluss und seinen Steinen, sondern auch davon, selbst einmal ein eigenes Autohaus zu betreiben. Diese Visionen waren sehr plastisch, sehr deutlich und detailreich. Später habe ich dann tatsächlich ein Autohaus besessen und alles so umgesetzt, wie ich es in meinen Kindheitsträumen gesehen hatte. Ich glaube, dass dieses Vertrauen in sie viel zu meinem damaligen Erfolg beigetragen hat. Ich hatte immer das Gefühl, dass es richtig sei, einem Traum zu folgen, fest an ihn zu glauben und damit auch das Vertrauen in mich selbst zu stärken. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass diese Überzeugung mich in meinem Leben immer geführt und mir viele Dinge ermöglicht hat.
Und genauso führte mich dieses unbedingte Vertrauen dann vom Autohaus fort und in eine völlig andere Welt. Nach vielen erfolgreichen Jahren wurde mir bewusst, dass etwas in meinem Leben fehlte, dass die Natur bei aller Arbeit eine zu kleine Rolle gespielt hatte. Ich begann, mich mit spirituellen Themen zu beschäftigen, machte erste noch zaghafte schamanische Erfahrungen und kam schließlich zurück an den Ort meiner Kindheit. Dort packte mich schieres Entsetzen, denn der Wald, in dem ich eine so glückliche und verträumte Kindheit verbracht hatte, war gerodet worden. Irgendjemand hatte entschieden, dass Profit über einer intakten Natur stehe … und ich saß dort auf der Erde und heulte wie ein Kind. So viel Gutes war zerstört worden, dass ich den Ort kaum wiedererkannte. Ich verbrannte Weißen Salbei und entschuldigte mich bei der Natur. Mir wurde bewusst, dass wir Menschen mit unserer Lebensart solche Dinge anrichteten, dass auch ich in gewisser Weise an dieser Zerstörung beteiligt war, und ich spürte sehr deutlich, dass es Zeit für einen Kurswechsel wurde.
In dieser Zeit träumte ich dann von einer weiten Landschaft und von Menschen, die offenbar im Einklang mit der Natur lebten. Sie bewegten sich anders, benahmen sich anders, waren mit den Tieren vertraut und schützten das, was sie liebten.
Meine spirituelle Suche wurde intensiver, und irgendwann beschloss ich, die Gegend aufzusuchen, die ich in meinen Träumen gesehen hatte: Ohne große Erwartungen oder Pläne buchte ich einen Flug nach Montana in den USA. Ich fuhr zum Flughafen nach Zürich und vertrieb mir die Wartezeit, indem ich ziellos im Terminal auf und ab spazierte. Scheinbar zufällig begegnete ich dort einem jungen Mann mit langem schwarzem Haar, der gerade mit einer Maschine aus den USA in Zürich gelandet war und offenbar sein Gepäck suchte. Mit meinen geringen Englischkenntnissen sprach ich ihn an, und wir verstanden uns sofort auf einer tieferen Ebene, auch wenn er seinerseits kaum ein Wort Deutsch beherrschte. Sein Name war Cheys, und als sein Gepäck schließlich auftauchte, schrieb er mir seine Adresse auf einen Zettel und meinte, ich solle ihn in den USA besuchen. Er sei in wenigen Tagen zurück zu Hause.
In Montana angekommen, lebte ich mich ein paar Tage ein, bevor ich mir dann einen Mietwagen besorgte und mich auf den Weg zu der Adresse machte, die Cheys mir aufgeschrieben hatte. Stundenlang fuhr ich nur geradeaus, immer weiter in die Endlosigkeit der Landschaft hinein – und erreichte schließlich das Reservat der Crow in Pryor. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Cheys an einem solchen Ort wohnte, der nur aus etwa fünfzehn Holzbaracken bestand. Jemand erklärte mir, dass ich noch längst nicht bei Cheys angekommen sei. Er wohne draußen in der Prärie, wurde mir gesagt, und so machte ich mich wieder auf den Weg, fuhr weitere Stunden über staubige Straßen und kam schließlich in der Abenddämmerung an einem Halbkreis von zwölf Tipis an, die mitten in der Wildnis der Prärie standen. Etwas abseits davon, vielleicht fünfzig Meter in Richtung Osten, stand ein weiteres Tipi, in dem, wie ich später erfuhr, der Medizinmann des Stammes wohnte.
Hier war ich also bei den Crow gelandet, einem Stamm, der von tiefer Spiritualität, starkem Gemeinschaftssinn und einer engen Verbindung zur Natur (vor allem zum Bison) geprägt ist. Sie glauben bis heute an die spirituelle Kraft von Tieren und Landschaften, wobei Zeremonien wie der Sonnentanz und die Visionssuche ihre zentralen spirituellen Praktiken darstellen. Medizinmänner und -frauen haben nach wie vor eine besondere Stellung und sind wie vor Hunderten von Jahren für die Heilung und spirituelle Führung verantwortlich. Schon die Kinder bekommen den Respekt vor der Natur und den Lebewesen vermittelt, denn die Crow betrachten alle Lebewesen als Teil eines größeren, spirituellen Kreislaufs. Wenn wir uns unsere heutigen Umweltkrisen anschauen, können wir viel von diesen Menschen lernen, die trotz widriger Umstände ihre Traditionen zu bewahren versuchen und einen Weg lehren, in Harmonie mit der Natur zu leben und die Weisheit vergangener Generationen zu ehren.
Ich kam im Zelt des Medizinmanns unter, erhielt Wasser und getrocknetes Büffelfleisch und schlief erst einmal. Am nächsten Morgen reichte man mir eine Pelzjacke und Mokassins, die über die Waden reichten und so vor Schlangenbissen schützen sollten. Dann führte mich der Medizinmann auf einen Berg, wo wir gemeinsam beteten und die Sonne begrüßten. Ich war so ergriffen von der Schönheit der Landschaft und von dem Gefühl, mit der Schöpfung im Einklang zu sein, dass mir Tränen die Wangen hinunterliefen.
Als wir in das Tipi-Dorf zurückkamen, empfing mich Cheys mit einem großen Hallo, und wir kamen gleich in ein intensives Gespräch über die Traditionen seiner Vorfahren. Dann fragte er mich, ob ich mir vorstellen könne, mich einer Ausbildung zum Schamanen und Traumdeuter zu unterziehen, die in der nächsten Woche beginnen sollte. Alles schien auf dieser Reise ganz natürlich an seinen Platz zu fallen, sich zum Besten zu fügen und unendliche Möglichkeiten bereitzustellen. Ohne lange zu überlegen, sagte ich sofort zu und blieb dann einige Monate bei den Crow, um zu lernen.
Bezeichnenderweise träumte ich in den ersten Wochen im Reservat immer wieder von einem Weg, den ich entlangging und bei dem ich sicher war, dass es keine Rückkehr gab. Manchmal machte mir die Endgültigkeit, die der Traum andeutete, Angst – doch ich merkte, dass das Leben eine Entscheidung von mir forderte, die ich selbst schon länger hatte treffen wollen: ein anderes Leben, ein tieferes Leben, und einen Abschied von meinem alten Selbst. Je mehr ich mich auf diesen Weg ohne Wiederkehr einließ, desto leichter fiel es mir, das aufzunehmen, was mir die Crow beibringen wollten. Der Traum zeigte mir die Notwendigkeit auf, etwas ganz Fundamentales in meinem Leben zu ändern, und ich folgte diesem inneren Zeichen voller Vertrauen.
Manchmal war es sogar so, dass ich bestimmte Dinge träumte, die den Ablauf des Tages im Reservat betrafen – und dann geschahen diese Dinge genau in dieser Weise. Traum und Alltag gingen ineinander über und erschufen zusammen eine wunderbare, bereichernde und lebensverändernde Wirklichkeit.
Der Schamane beziehungsweise Medizinmann der Crow-Indianer, in dessen Tipi ich die erste Nacht im Reservat verbracht hatte, hieß schlicht und einfach Fred und entsprach wohl in keiner Weise dem, was die meisten Menschen von einem indigenen Schamanen erwarten würden. Jeans, Sandalen, ein verwaschenes Hemd – ein völlig normaler Typ, dem man seine wichtige spirituelle Rolle für den Stamm absolut nicht ansah. Doch genau das war auch etwas, was mich an ihm faszinierte: Er machte keine große Sache aus seiner Tätigkeit, sah sich selbst nicht als etwas Besonderes, sondern erfüllte seine heilige Pflicht, ohne sein Ego davon aufblähen zu lassen.
Eine Zeit lang hatte er beim Militär gedient, war in Heidelberg stationiert gewesen, und sprach darum ein paar Brocken Deutsch, sodass wir uns halbwegs verständigen konnten. Doch die Sprache spielte ohnehin eine eher untergeordnete Rolle, denn die meiste Zeit sagte er einfach gar nichts – außer, wenn es um die Traumdeutung ging –, sondern lehrte hauptsächlich durch sein Beispiel und durch praktisches Tun. Die Kommunikation lief über Blicke, Bewegungen, Intuition, durch das Aussenden einer gewissen Energie, für die ich immer empfänglicher wurde. Mir schien es, als öffneten sich meine Sinne für eine größere und tiefere Welt.
Auf diese Weise erinnerte er uns Schülerinnen und Schüler immer wieder an unsere Verbindung zur Natur, zu unserer Seele und zu den Geistern, die überall wirkten. Je länger ich blieb und je mehr ich lernte, desto mehr kam es mir vor, als würde langsam etwas aus dem Nebel meines Geistes hervortreten, das schon immer dort gewesen und nur auf mich und eine veränderte Wahrnehmung gewartet hatte.
In der ersten Zeit drehte sich alles um Reinigung. Wir meditierten viel, nahmen die Landschaft in uns auf und ernährten uns von dem, was die Natur uns bot: frischem Quell- oder Flusswasser, Früchten, Beeren, Nüssen, Wildgemüse und Kräutern.
Auch die Schwitzhütte wurde von Fred genutzt, um uns innerlich von Blockaden zu reinigen – ein Ritual, das auch bei uns in Europa immer mehr Anhänger findet und wirklich zu Veränderungen führt: eine kleine, dunkle Hütte aus Zweigen und Decken, mit rot glühenden Steinen in der Mitte und einer Öffnung nach Osten, unglaubliche Hitze und der Duft von verbrannten Kräutern, die dazu beitragen, dass wir uns tief in unser Unterbewusstsein begeben und dort schlummernde Energien wachrufen, damit wir ihnen begegnen und sie transformieren können. In einer solchen Schwitzhütte kam ich mit dem Geist meines Vaters in Kontakt und konnte tatsächlich mit ihm sprechen, ihn Dinge fragen und Angelegenheiten mit ihm klären, was uns leider zu seinen Lebzeiten nicht vergönnt gewesen war. Ich verstand ihn, empfand eine unglaubliche Nähe und konnte mich in diesem Ritual mit ihm versöhnen. Ein wunderbares Geschenk, für das ich immer dankbar sein werde!
Ebenso lehrte uns Fred, zunehmend auf unsere eigene Intuition zu vertrauen und unseren analysierenden Verstand einmal abzuschalten oder ihn zumindest leiser zu drehen. Hier ging es ums Fühlen, um Energien und um eine große Achtsamkeit auf die Vorgänge der Natur. Gleichzeitig lauschten wir unserem eigenen Inneren und öffneten unser Herz.
Wenn ich es ganz kurz zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass das Leben mit jedem Tag eine größere Weite gewann. Neue Erfahrungen, die ich verinnerlichte, machten mich zu einem anderen Menschen auf einem anderen Weg. Und mit jeder dieser Erfahrungen wurde auch der Grundstock zur schamanischen Traumdeutung gelegt.
Wenn ich heute die Augen schließe und an diese Zeit zurückdenke, tauchen immer sehr deutliche Bilder in meinem Geist auf: Ich bin draußen in der Natur. Ich schließe die Augen und höre einen, vielleicht zwei Vögel, die ihr Lied singen. Dann kommen ein dritter, vierter und vielleicht fünfter Vogel hinzu – und irgendwann nehme ich jeden Vogel in meiner Nähe wahr. Die Welt spricht zu mir, wenn ich wahrhaft lausche. Überall gibt es Botschaften – nicht nur durch große Visionen oder außergewöhnliche Erlebnisse vermittelt, sondern manchmal einfach durch das Rascheln einer Maus im Laub.
Ich verstand immer besser, die Zeichen der Natur zu verstehen, wirklich hinzuhören und mit allem, was mich umgab, zu kommunizieren. Fred wies mich auf all die Stimmen hin, die wir so häufig überhören: das Trommeln des Regens, das Rauschen des Windes, das Knacken des Holzes im Feuer, das Plätschern der Bäche und Flüsse, das Knirschen der Kieselsteine unter unseren Füßen und noch so vieles mehr. Ebenso zeigte er mir die Orte, wo die zumeist unsichtbaren Naturgeister zu finden sind, die bei uns in Europa oft als Zwerge, Elfen oder Gnome bezeichnet werden. Ihnen begegnete ich auf unseren Wanderungen durch die Prärie und nahm sie in Baumhöhlen, unter Wurzeln, in Felsnischen oder Quellen wahr.
Ebenso erlernte ich verschiedene Methoden des schamanischen Reisens und der Seelenkommunikation, betrat die drei Bereiche der schamanischen Welt (Obere, Untere und Mittlere Welt) und brachte verlorene Seelenanteile zurück beziehungsweise führte verirrte Seelen ins Licht.
Und dann gab es da noch die verstärkte Aufmerksamkeit für die Träume, die für die Crow eine große Rolle spielten und auch mich besonders faszinierten.
Übung: Der Natur und deiner Seele lauschen
