"Die Schattenkrone – Fluch der zwei Herzen" - Elara Nox - E-Book

"Die Schattenkrone – Fluch der zwei Herzen" E-Book

Elara Nox

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Beschreibung

Die Schattenkrone – Fluch der zwei Herzen Ein Reich aus Licht. Eine Krone aus Dunkelheit. Eine Liebe, die alles zerstören – oder retten kann. Verstoßen. Verflucht. Auserwählt. Elaria trägt die Narben eines Königshauses, das sie verbannt hat – und die Gabe einer Macht, die sie nie wollte. Als finstere Kreaturen ihr Heimatdorf angreifen, taucht der rätselhafte Kael auf – ein Krieger mit silbernen Augen, dessen Berührung Magie entfesselt… und Schmerz hinterlässt. Zwischen ihnen entsteht eine gefährliche Verbindung – aus Feuer, Schatten und etwas Tieferem, das selbst die Götter fürchten. Doch Kael hütet ein uraltes Geheimnis, und Elaria ahnt bald: Sie ist nicht nur Teil einer vergessenen Prophezeiung – sie ist der Schlüssel zum Untergang oder zur Erlösung aller Reiche. Die Schattenkrone ruft. Und wer sie trägt, bezahlt mit dem Herz.

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


„Die Schattenkrone – Fluch der zwei Herzen“

Kapitelübersicht (40 Kapitel)

Akt 1: Die Verbannte (Kapitel 1–10)

„Man kann nur fliehen, wenn man weiß, was einen jagt.“

Flüstern im Nebel

– Elaria spürt eine dunkle Präsenz im Wald

Die Verbannung

– Rückblick auf ihre Verstoßenheit durch das Königshaus

Zorn der Leeren

– Kreaturen greifen ihr Dorf an

Das gefallene Licht

– Kael erscheint als Retter

Befehl der Götter

– Kaels Mission wird angedeutet

Verbrannte Spuren

– Elaria erfährt, dass jemand sie verfolgt

Das schwarze Siegel

– Elaria berührt versehentlich Kael – es entfacht Magie

Reise ins Herz der Nacht

– Aufbruch zur Akademie

Die flüsternden Hallen

– Ankunft an der Akademie

Das Band der Verlorenen

– Sie erkennen ihre seelische Verbindung

Akt 2: Die Akademie der Verdammten (Kapitel 11–20)

„Man kann das Schicksal nicht betrügen – aber man kann es küssen.“

Magie unter Zwang

– Elaria kämpft mit ihrer Schattenkraft

Verbotene Bibliothek

– Kael und Elaria entdecken alte Aufzeichnungen

Duell der Unberührbaren

– Erstes Kampftraining – Kaels Berührung verletzt

Die Prüfung der Risse

– Sie müssen sich ihren größten Ängsten stellen

Nächte ohne Licht

– Kael offenbart Teile seiner Vergangenheit

Die Stimme der Göttin

– Elaria hört ihre Mutter in einem Traum

Verrat unter Schülern

– Ein anderer Schüler attackiert Elaria

Der Blutschwur

– Elaria und Kael retten sich gegenseitig

Ein Kuss im Verbot

– Fast-Kuss, unterbrochen durch magisches Beben

Die Wahrheit über Kael

– Seine Vergangenheit als Wächter kommt ans Licht

Akt 3: Der Fluch der Zwei (Kapitel 21–30)

„Liebe ist das Messer – und auch die Wunde.“

Flucht aus den Schattenhallen

– Die Akademie wird angegriffen

Die verlorene Stadt

– In einer Ruine finden sie göttliche Relikte

Das Seelenfragment

– Sie entdecken, dass ihre Seelen verbunden sind

Der Verräter im Licht

– Elaria erfährt die Wahrheit über ihren Vater

Die Rückkehr der Nachtgöttin

– Ihre Mutter erscheint im Schatten

Opfer aus Liebe

– Kael schützt sie – sein Fluch wird schlimmer

Der Kuss unter dem Blutmond

– Sie küssen sich – der Fluch bricht fast

Der Preis der Nähe

– Kael beginnt zu sterben

Ruf der Götter

– Elaria wird als neue Göttin erwählt

Der Schwur der Schattenkrone

– Sie entscheidet sich für das Reich

Akt 4: Krone aus Schmerz (Kapitel 31–40)

„Um zu retten, musst du zuerst zerstören.“

Der brennende Himmel

– Krieg bricht zwischen Licht und Schatten aus

Die letzte Prüfung

– Elaria muss zwischen Liebe und Macht wählen

Kaels Opfer

– Er übergibt ihr seine Seele

Krönung der Verdammten

– Elaria nimmt die Schattenkrone an

Das Ende des Fluchs

– Der Fluch wird gebrochen – mit einem Preis

Tod eines Vaters

– Elaria tötet den König

Stille nach dem Sturm

– Das Reich erwacht neu

Die Götter ziehen sich zurück

– Magie verändert sich

Zwischen Himmel und Schatten

– Kael wird zum Wächter der neuen Ordnung

Ein letzter Kuss

– Hoffnung auf ein gemeinsames Leben – aber noch nicht jetzt

Kapitel 1: Flüstern im Nebel

Der Nebel lag schwer über dem Wald wie ein schleierhafter Fluch, der sich weigert, dem Tag zu weichen. Elaria zog ihren dunklen Umhang enger um die Schultern, während sie durch das Unterholz trat, das feucht unter ihren Stiefeln knisterte. Der Morgen war noch jung, doch die Schatten zwischen den knorrigen Bäumen wirkten älter als Zeit selbst.

Der Wald von Bravenmoor war verflucht, so sagte man. Niemand aus dem Dorf wagte sich vor der Mittagsstunde hierher, und selbst dann nur, wenn der Mond in der Nacht zuvor freundlich geschienen hatte. Doch Elaria war nicht wie die anderen. Sie hatte sich an die Kälte des Waldes gewöhnt – und an das leise Wispern, das nur sie zu hören schien.

Heute war das Wispern lauter.

Sie hielt inne, als ein kalter Hauch an ihrem Nacken entlangglitt, obwohl kein Windhauch die Bäume bewegte. Der Nebel verdichtete sich, formte sich beinahe zu einer Hand, die nach ihr griff. Ihre Finger schlossen sich fester um das Messer an ihrem Gürtel – mehr Symbol als Waffe, denn sie wusste, Stahl würde gegen das, was sie fühlte, nichts ausrichten.

„Elaria ...“

Sie erstarrte.

Die Stimme war kaum mehr als ein Hauch, doch sie vibrierte tief in ihren Knochen. Sie war weder männlich noch weiblich – sie war ... alt. Älter als Erinnerung. Eine Silbe, getragen von dunkler Magie, die sich wie Asche auf ihrer Zunge legte.

„Zeig dich“, flüsterte sie, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie es wollte.

Ein Knacken hinter ihr ließ sie herumfahren. Ihre Augen suchten das Dickicht ab. Zwischen Farnen und Wurzeln – nichts. Nur Schatten, die sich nicht richtig bewegten. Sie hob die Hand, und ein feiner silbriger Schein breitete sich von ihren Fingerspitzen aus – Magie. Unkontrolliert, wie immer. Aber vielleicht genug, um zu warnen.

„Du bist nicht allein“, sagte die Stimme. Diesmal war sie näher.

Elaria wich einen Schritt zurück. Das Wispern kam von überall. Aus dem Nebel, aus den Wurzeln unter ihren Füßen, aus den Zweigen über ihrem Kopf. Es war, als würde der Wald atmen – und sie einziehen wollen.

Sie konzentrierte sich. Sie durfte keine Angst zeigen.

„Ich weiß“, flüsterte sie. „Du beobachtest mich seit Wochen.“

Stille.

Dann trat etwas aus dem Nebel – oder nein, es war, als würde sich der Nebel selbst formen. Ein Schatten, höher als ein Mensch, mit leerer Silhouette, wie ausgeschnitten aus der Welt. Zwei Augen leuchteten in hellem Grau auf, schimmerten wie Asche im Wind.

Elaria wich zurück. Ihre Magie flackerte.

Das Ding sprach nicht mehr. Es bewegte sich nicht. Und doch hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden, als würde es jeden Gedanken, jede Erinnerung durchwühlen.

Dann, plötzlich – ein Zucken.

Sie warf sich zur Seite, und eine schwarze Klaue schoss an ihr vorbei, schlug in einen Baumstamm, der sofort zu faulen begann. Die Rinde schälte sich ab, das Holz verdorrte.

„Ein Leerer“, keuchte sie, halb zu sich selbst, halb zum Wald.

Die Dorfbewohner hatten von ihnen geflüstert, von Kreaturen aus Schatten, die Seelen verschlangen und Erinnerungen fraßen. Doch niemand hatte je einen gesehen – bis jetzt.

Elaria rappelte sich auf, riss die Hand nach vorn und schleuderte den Rest ihrer Magie auf das Wesen. Ein gleißender Schattenblitz – halb Licht, halb Dunkel – schoss aus ihrer Hand. Das Ding schrie nicht. Aber es erstarrte, als hätte es zum ersten Mal Schmerz empfunden.

Sie nutzte den Moment, um davonzulaufen. Äste schlugen ihr ins Gesicht, Wurzeln schienen sich unter ihren Füßen aufzubäumen. Der Wald selbst stellte sich ihr entgegen – oder war es ihre eigene Kraft, die ihn aufrührte?

Hinter ihr: Schritte. Zu schwer für ein Tier. Zu leicht für ein Mensch.

„Elaria!“

Die Stimme war diesmal real. Männlich. Fremd.

Sie riss sich herum – und stand einem Mann gegenüber. Schwarzhaarig, mit durchdringenden, silbernen Augen. Eine Narbe zog sich über seine linke Wange, als hätte ihn einst ein Schwert berührt und verschont. Er trug keinen Umhang, keinen Namen – nur Dunkelheit und eine Ruhe, die nicht in diese Welt passte.

„Wer bist du?“ fragte sie keuchend, bereit, sich erneut zu wehren.

Er hob nur die Hand – und der Leere, der hinter ihr aus dem Nebel trat, erstarrte, als hätte ihn etwas Unsichtbares gepackt. Dann zerfiel das Wesen zu Staub.

Elaria keuchte.

„Was... bist du?“ fragte sie, unfähig, ihren Blick von ihm zu lösen.

Er sah sie an, und sein Blick war wie ein Schnitt. Nicht böse, nicht freundlich – aber tief.

„Kael“, sagte er nur. „Und du bist in Gefahr.“

Elaria wollte etwas erwidern – eine Drohung, eine Frage, vielleicht sogar ein Dank. Doch dann schwankte der Boden unter ihr, als würde sich der Nebel in ihre Lungen legen. Ihre Knie gaben nach. Kael fing sie auf, bevor sie fiel. Seine Hand, fest an ihrer Schulter, brannte kalt – so kalt, dass es schmerzte.

„Lass... mich...“ flüsterte sie.

Aber er ließ sie nicht los.

„Du bist nicht, was du glaubst“, sagte er. „Und sie kommen. Wegen dir.“

Dann wurde alles schwarz.

Kapitel 2: Die Verbannung

Schwärze.

Kälte.

Der Geruch von nassem Stein und Asche. Als Elaria erwachte, war die Welt still – zu still. Ihre Finger tasteten über Moos, dann über raues Gestein. Ihre Lider flatterten, und für einen Moment wusste sie nicht, wo sie war. Doch dann kehrte das Bild zurück – die leuchtenden Augen des Leeren. Der Mann mit dem Namen Kael. Und schließlich: der Fall in die Bewusstlosigkeit.

Sie richtete sich mühsam auf. Ihre Schulter brannte von der Stelle, an der Kael sie berührt hatte. Die Kälte war tiefer gewesen als bloßer Frost. Es war, als hätte sie kurz in das Ende der Welt geblickt.

Langsam setzte sie sich auf. Der Nebel hatte sich verzogen. Sie war allein – zumindest scheinbar.

Und doch war etwas anders.

Es war, als hätte Kaels Berührung eine Tür geöffnet. In ihrem Geist rumorte es. Erinnerungen, so scharf wie Glassplitter, stiegen auf. Bilder, die sie seit Jahren verdrängt hatte.

Drei Jahre zuvor.

Der Thronsaal war kalt, obwohl hunderte Kerzen an den Wänden brannten. Elaria stand allein in der Mitte des Raumes, barfüßig, das Haar zerzaust, das Kleid zerrissen vom Versuch, sich gegen die Wachen zu wehren.

Vor ihr: der König. Ihr Vater.

Seine Krone funkelte wie Hohn im Kerzenlicht, und seine Augen – dieselben eisblauen wie die ihren – sahen durch sie hindurch, als wäre sie nichts.

„Sie ist ein Fehler“, sagte die Hohepriesterin zur Linken des Thrones. „Ein Irrtum aus einer dunklen Nacht. Halb Mensch, halb… etwas anderes.“

„Ich bin eure Tochter!“ Elaria schrie, aber ihre Stimme verhallte ungehört.

Die Hofbeamten wandten den Blick ab. Der Rat der Magier schwieg. Selbst die Diener hielten den Atem an.

Der König erhob sich langsam. In seiner Stimme lag nichts als Pflicht – keine Spur von Liebe.

„Du bist eine Bedrohung, Elaria. Deine Magie ist unkontrollierbar. Deine Geburt... war ein politischer Fehler. Eine Sünde, begangen in der Schwäche eines sterblichen Mannes.“

Elaria wollte auf ihn zugehen, doch eine unsichtbare Kraft warf sie zu Boden. Ihre Hände fingen sich auf dem kalten Marmor ab. Tränen mischten sich mit dem Blut an ihrer Lippe.

„Ich habe niemandem geschadet...“ hauchte sie.

„Noch nicht“, sagte die Hohepriesterin. „Aber das wird sich ändern. Schon jetzt erwacht die Schattenmagie in dir. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

„Verbannt sie in die nördlichen Wälder“, sprach der König. „Und löscht ihren Namen aus den Chroniken.“

Elaria blickte auf. Ihre Augen blitzten. In ihnen spiegelte sich nicht nur Wut, sondern ein Echo dessen, was in ihren Adern schlummerte – das göttliche Erbe ihrer Mutter.

„Ihr werdet mich vergessen. Aber das Reich wird mich erinnern.“

Für einen Wimpernschlag schien die Flamme der Kerzen zu flackern. Ein Windhauch durchzog den Saal. Die Priesterin schien zu frieren.

Dann packten sie zwei Wächter und führten sie hinaus.

Gegenwart.

Elaria stand auf, schwankte leicht. Ihre Hände berührten das kalte Moos. Der Nebel war fort – doch in ihr war er geblieben. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal an den Thronsaal gedacht hatte. An seinen Verrat. An das Urteil. Es war, als hätte Kaels Anwesenheit etwas in ihr geöffnet, das sie zu lange verschlossen hatte.

Ihre Gedanken kreisten um ihre Mutter.

Sie hatte sie nie gesehen – nicht wirklich. Nur in Träumen, aus Licht und Schatten geformt. Die Legenden sagten, die Nachtgöttin Nytheria sei in einer menschlichen Gestalt erschienen, nur ein einziges Mal, in einer Nacht ohne Sterne. Und aus dieser Vereinigung war Elaria geboren worden. Als Bastard. Als Bedrohung. Als Brücke zwischen zwei Welten.

In den Jahren der Verbannung hatte sie gelernt zu überleben. Sie war durch Dörfer gezogen, hatte als Heilerin gearbeitet, sich versteckt, wann immer das Licht des Königs über das Land wanderte. Ihre Magie war ein Fluch gewesen – immer dort, immer bereit, aber nie beherrschbar. Mal ein schützender Schatten, mal ein kalter Blitz, der einen ganzen Stall in Brand setzte.

Sie hatte geschworen, nie zurückzukehren.

Doch nun... war etwas in Bewegung geraten.

Kael.

Der Leere.

Die Stimme im Nebel.

Was, wenn das Königshaus recht gehabt hatte? Was, wenn die Schattenmagie in ihr wuchs – und sie eines Tages nicht nur eine Bedrohung, sondern ein Urteil über das Reich sein würde?

Ein Rascheln im Gebüsch ließ sie zusammenfahren. Diesmal war es kein Leerer. Ein Hirsch sprang über die Lichtung, das Geweih majestätisch, die Augen kurz auf sie gerichtet, dann wieder verschwunden.

Sie atmete durch.

Doch in ihr blieb Unruhe. Die Erinnerungen klebten an ihr wie Blut an der Haut. Sie konnte das Urteil ihres Vaters nicht abschütteln – das Gefühl, nie genug gewesen zu sein, nie gewollt, nie akzeptiert.

Und doch...

Etwas war anders.

Kaels Blick, als er sie ansah, war nicht leer gewesen. Er hatte sie erkannt. Nicht nur als Mädchen, nicht nur als Bedrohung – sondern als etwas, das Bedeutung trug.

Vielleicht war ihre Verbannung kein Ende gewesen.

Sondern ein Anfang.

Kapitel 3: Zorn der Leeren

Das Dorf Tareth lag wie ein vergessenes Blatt am Rande des Waldes – windschief, verregnet, zu klein, um auf den Karten des Reiches verzeichnet zu sein. Gerade deshalb hatte Elaria es ausgewählt, als sie vor drei Jahren in die Verbannung geschickt wurde. Hier kannte sie niemand. Hier war sie nur eine Heilerin mit dunklem Haar und stillen Augen.

Doch diese Stille sollte heute zerbrechen.

Der Morgen begann wie jeder andere. Nebel kroch über die Felder, Hühner krähten, und irgendwo schrie ein Kind, weil es nicht zur Schule wollte. Elaria stand in ihrer Hütte und mahlte Kräuter, die sie gegen Fieber gemischt hatte. Ihre Hände arbeiteten mechanisch, doch ihr Geist war abwesend – gefangen in den Erinnerungen an die Begegnung im Wald.

Kael.
 Die Leeren.
 Die Vergangenheit.

Sie war noch nicht bereit, sich den Fragen zu stellen, die in ihr wühlten. Doch das Schicksal wartete nicht auf Bereitschaft.

Ein Schrei durchriss die morgendliche Stille. Hoch, schrill, menschlich.

Elaria ließ den Mörser fallen.

Draußen rannten Menschen über den Platz. Kinder weinten, Mütter schrien ihre Namen. Ein dumpfer, donnernder Laut hallte durch das Tal – wie ein Herzschlag, der aus der Tiefe kam.

Elaria riss die Tür auf – und sah sie.

Sie kamen aus dem Wald. Schatten, halb nebelhaft, halb körperlich. Ihre Formen wirkten nicht fest, sondern flüssig, als wären sie aus Dunkelheit gegossen. Ihre Gesichter – wenn man sie so nennen konnte – waren leer. Keine Augen, keine Münder, nur das Echo eines alten, tiefen Hasses.

„Leere…“, hauchte sie.

Die Dorfbewohner hatten keine Chance. Einer der Männer stürzte mit einem Heugabel auf die Kreatur zu – und wurde mit einem einzigen Schlag ihrer Klaue durch die Luft geschleudert. Sein Körper traf die Mauer der Bäckerei mit einem dumpfen Knall und blieb reglos liegen.

Elaria rannte.

Nicht fort – sondern hinein. Sie stürmte auf den Dorfplatz, wo zwei Leere bereits auf ein kleines Mädchen zustrebten, das in einer Pfütze hockte und vor Angst nicht mehr laufen konnte.

Sie hob die Hand.

Ihre Magie zischte hervor – wie ein Schattenblitz, ein dünner Riss in der Luft, der zwischen ihr und den Leeren zu tanzen begann. Die Wesen hielten inne, als spürten sie, dass sie ihnen nicht ganz unähnlich war. Ein Augenblick des Zögerns – dann ein Angriff.

Elaria warf sich vor das Kind. Der Schlag traf sie nicht – ihre Magie hatte sich instinktiv zu einem Schild geformt. Etwas Dunkles, vibrierend, das knisterte wie Spannung vor einem Sturm.

Doch der Schild hielt nicht lange.

Die Kreaturen fauchten lautlos. Eine ihrer Klauen durchdrang das Magiegeflecht und streifte ihre Schulter. Schmerz zuckte durch sie. Ihre Knie gaben nach.

„Steh auf, verdammt!“ zischte sie zu sich selbst, während das Kind hinter ihr wimmerte.

Etwas in ihr brach auf.

Nicht wie eine Wunde – eher wie eine Tür, die aufgerissen wurde. Und mit ihr kam Kraft. Kälte. Dunkelheit. Eine andere Art von Magie, die tiefer saß. Keine Schatten mehr – sondern Nacht. Alte Nacht. Uralte, die durch die Knochen der Welt selbst floss.

Elaria schrie – oder vielleicht war es die Magie, die durch sie schrie.

Die Leeren zuckten zurück. Sie sahen sie nun an – wirklich an. Und für den Bruchteil eines Herzschlags schien es, als würden sie sich verbeugen.

Dann zerriss ein zweiter Blitz die Luft.

Elaria hob die Hände – und die Schatten folgten ihrem Willen. Zwei der Kreaturen wurden nach hinten geschleudert, als hätte sie eine unsichtbare Welle getroffen. Sie prallten gegen einen Brunnenrand, ihre Körper flackerten – dann zerfielen sie zu Staub.

Doch es waren mehr.

Fünf. Zehn. Zwölf.

Ein Dutzend Schattenwesen, die sich nun gesammelt hatten und langsam auf sie zuschritten. In ihren Bewegungen lag kein Zorn, keine Hast – nur Hunger. Wie Raubtiere, die wussten, dass das Mahl ihnen nicht entkommen konnte.

Und da war sie – die Angst.

Nicht um sich selbst. Sondern um das Dorf. Um die Menschen, die sie jahrelang ignoriert, manchmal gefürchtet hatten – und die sie nun doch retten wollte.

„Genug“, flüsterte eine Stimme hinter ihr.

Sie drehte sich um – und da stand er. Kael.

Wie ein Schatten unter Schatten. Sein schwarzer Mantel flatterte im Wind, der keiner war. Seine silbernen Augen glänzten – kalt, entschlossen. In seiner rechten Hand hielt er ein Schwert, das nicht aus Metall zu bestehen schien, sondern aus reiner, konzentrierter Dunkelheit.

„Was tust du hier?“ rief sie, zwischen Zorn und Erleichterung schwankend.

„Ich folge dir“, sagte er schlicht. „Weil sie es tun.“

Er trat vor.

Und dann geschah etwas, das Elaria nicht verstand.

Die Leeren hielten inne. Einige fielen sogar auf die Knie – als würden sie ihn anerkennen. Kael hob das Schwert, und mit einer Bewegung, so schnell, dass sie kaum zu sehen war, zerschnitt er die Luft.

Fünf Leeren lösten sich auf. Einfach so.

Doch es war nicht nur Kraft. Es war Macht – und Autorität.

„Sie erkennen dich“, sagte Elaria, ihre Stimme leise. „Wie mich.“

„Du bist mehr, als du glaubst“, erwiderte er. „Aber du bist nicht bereit.“

Ein letzter Leerer sprang auf sie zu – und diesmal war es Elaria, die ihn aufhielt. Ohne zu denken. Ohne zu zögern. Ihre Hand formte einen Bogen aus Nacht, den sie durch die Brust des Wesens jagte. Es zerfiel im Flug.

Dann war es still.

Der Nebel, der mit ihnen gekommen war, verzog sich. Die Dorfbewohner krochen langsam aus ihren Häusern. Schweigend. Starr vor Angst – oder vor Ehrfurcht.

Elaria schwieg.

Kael trat an ihre Seite. Ihre Schultern berührten sich fast – aber nicht ganz.

„Das war nur der Anfang“, sagte er.

Sie nickte langsam.

„Ich weiß.“

Kapitel 4: Das gefallene Licht

Die Nacht senkte sich über Tareth wie eine schwere Decke.

Das Dorf war verstummt. Kein Hund bellte, kein Huf klang auf den Straßen, nicht einmal der Wind wagte sich durch die engen Gassen. Die wenigen Überlebenden der Attacke hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen, mit Barrikaden vor Fenstern und Gebeten, die kaum jemand mehr glaubte.

Elaria saß am Brunnen in der Mitte des Dorfplatzes, den Blick auf die Reste eines Leeren gerichtet – ein dünner, dunkler Staub, der sich selbst im Wind nicht bewegte. Ihre Schultern zuckten bei jedem Geräusch, doch sie zeigte es nicht. Ihre Augen, von Magie durchdrungen, leuchteten noch schwach im Mondlicht.

Kael stand einige Schritte entfernt. Wie ein Schatten, der sich von der Nacht selbst gelöst hatte. Doch diesmal war es nicht die Kälte, die von ihm ausging – es war Schuld.

„Du solltest nicht hier sein“, sagte Elaria ohne ihn anzusehen.

„Und doch bin ich es.“

„Warum? Weil du mich beschützen willst? Oder weil du mich vernichten sollst?“

Er schwieg. Und das war Antwort genug.