3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €
Der junge Jim Hawkins stößt auf eine mysteriöse Schatzkarte, die ihn auf eine gefährliche Reise zu einer abgelegenen Insel führt. Gemeinsam mit einer bunt zusammengewürfelten Crew begibt er sich auf die Suche nach dem legendären Piratenschatz. Doch schon bald wird klar, dass nicht jeder an Bord ehrliche Absichten hat und Jim muss sich fragen, wem er wirklich trauen kann. Und dann taucht plötzlich ein geheimnisvoller Fremder auf, der behauptet, den Schlüssel zum Schatz zu besitzen - doch ist er wirklich ein Freund oder ein gefährlicher Feind?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kapitel 1: Der alte Seehund im »Admiral Benbow«
Kapitel 2: Black Dog taucht auf und verschwindet wieder
Kapitel 3: Der schwarze Fleck
Kapitel 4: Die Schifferkiste
Kapitel 5: Der Tod des Blinden
Kapitel 6: Die Papiere des Kapitäns
Kapitel 7: Ich gehe nach Bristol
Kapitel 8: "Zum Fernrohr"
Kapitel 9: Pulver und Pistolen
Kapitel 10: Die Seefahrt
Kapitel 11: Was ich in der Apfeltonne hörte
Kapitel 12: Kriegsrat
Kapitel 13: Der Beginn meines Abenteuers an Land
Kapitel 14: Der erste Schlag
Kapitel 15: Der Inselmann
Kapitel 16: Der Doktor erzählt weiter: Wie das Schiff aufgegeben wurde
Kapitel 17: Fortsetzung der Geschichte des Doktors: Die letzte Fahrt der Jolle
Kapitel 18: Fortsetzung der Geschichte des Doktors: Der Ausgang des Gefechts am ersten Tage
Kapitel 19: Jim Hawkins erzählt weiter: Die Garnison im Pfahlwerk
Kapitel 20: Silver als Parlamentär
Kapitel 21: Der Angriff
Kapitel 22: Der Beginn meines Abenteuers auf See
Kapitel 23: Die Ebbströmung
Kapitel 24: Die Irrfahrt des Korakels
Kapitel 25: Herunter mit dem Jolly Roger
Kapitel 26: Israel Hands
Kapitel 27: »Piaster!«
Kapitel 28: Im feindlichen Lager
Kapitel 29: Noch ein schwarzer Fleck
Kapitel 30: Auf mein Ehrenwort
Kapitel 31: Die Schatzsuche; Flints Wegweiser
Kapitel 32: Die Schatzsuche; Die Stimme in den Bäumen
Kapitel 33: Der Sturz eines Piratenhäuptlings
Kapitel 34: Ende
Inhaltsverzeichnis
Impressum:Pretorian Media GmbHUlica Yanaki Bogdanov 11BG-9010 Varna
Gutsherr Trelawney, Dr. Livesey und die anderen Herren baten mich, unsere Reise zur Schatzinsel vom Anfang bis zum Ende zu schildern und dabei nichts zu verschweigen als die genaue Lage der Insel, und das auch nur, weil es dort noch ungehobene Schätze gibt. So greife ich zur Feder und versetze mich in die Zeit zurück, als mein Vater den Gasthof zum »Admiral Benbow« führte und der braungebrannte alte Seemann mit der Säbelnarbe im Gesicht zum ersten Mal unter unserem Dach Wohnung nahm.
Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, wie der Mann durch die Tür unseres Hauses kam, während ihm seine Seemannskiste auf einem Schiebkarren hinterhergezogen wurde - ein großer, kräftiger, schwerer, haselnussbrauner Mann; sein teeriger Zopf hing ihm über seinen fleckigen blauen Rock im Nacken herab; seine Hände waren schwielig und rissig mit abgebrochenen schwarzen Fingernägeln, und die Säbelnarbe, die sich über eine Wange hinzog, war von schmutzigweißer Farbe. Er sah sich in der Schankstube um und pfiff, dann stimmte er das alte Schifferlied an, das er später so oft sang:
Fünfzehn Mann bei des Toten Kist' -
Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum!
mit dieser zitternden, hohen Stimme, die sich anhörte, als würde eine Ankerwinde gedreht. Dann schlug er mit einem Knüppel, so dick wie eine Handspeiche, gegen die Tür, und als mein Vater erschien, verlangte er barsch ein Glas Rum. Als man es ihm brachte, trank er es langsam aus, wie ein Kenner, mit der Zunge den Geschmack prüfend, während er durch das Fenster die Klippen am Strand und das Schild unseres Gasthauses betrachtete. Schließlich sagte er:
»Das ist 'ne schöne Bucht und 'ne schön gelegene Grogkneipe. Viel Gesellschaft, Maat?«
Mein Vater antwortete ihm, dass es leider nicht viel Gesellschaft gäbe.
»Na, dann ist das der richtige Ort für mich. Heda, mein Mann!« rief er dem Mann zu, der den Handwagen schob: »Ladet meine Kiste ab und bringt sie nach oben! Ich will eine Weile hier bleiben! Ich bin ein einfacher Mann - Rum und Speck und Eier, mehr brauche ich nicht; und die Klippe da draußen, um die Schiffe zu beobachten. Wie kann man mich nennen? Kapitän können Sie mich nennen. Ach - ich sehe schon, worauf Sie hinauswollen - da!« und er warf drei oder vier Goldstücke auf den Tisch. »Wenn ich das verzehrt habe, können Sie mir Bescheid sagen!« rief er und sah dabei so stolz aus wie ein Admiral.
Und in der Tat, so ärmlich seine Kleider waren und so gemein er sprach, er sah gar nicht aus wie ein Mann, der vor dem Mast segelte, sondern war offenbar ein Steuermann oder Schiffer, der gewohnt war, dass man ihm gehorchte, da es sonst Prügel setzte. Der Mann, der den Schiebkarren gelenkt hatte, erzählte uns, die Postkutsche habe ihn am Vortage in Royal George abgesetzt; er habe sich erkundigt, was für Gasthäuser es an der Küste gäbe, und als er gehört habe, wie man unser Haus lobte - und vor allem, so vermute ich wenigstens, als man es ihm als einsam schilderte -, habe er beschlossen, bei uns zu bleiben. Und das war alles, was wir über unseren Gast erfahren konnten.
Er war ein schweigsamer Mann. Den ganzen Tag trieb er sich in der Bucht oder auf den Klippen herum und blickte durch sein Messingfernrohr über das Meer und den Strand; den ganzen Abend aber saß er in einer Ecke der Schenkstube, dicht am Feuer, und trank Rum und Wasser, eine sehr steife Mischung. Wenn man ihn ansprach, antwortete er gewöhnlich nicht, sondern blickte nur plötzlich mit zornigen Augen auf und blies durch seine Nase wie durch ein Nebelhorn; und wir und unsere Besucher merkten bald, dass man ihn dann in Ruhe lassen musste. Jeden Tag, wenn er von seinen Gängen zurückkam, fragte er, ob Seeleute auf der Landstraße vorbeigekommen seien. Zuerst dachten wir, er frage, weil er sich nach der Gesellschaft von Kameraden sehne, aber schließlich merkten wir, dass er im Gegenteil das vermeiden wollte. Wenn ein Seemann im »Admiral Benbow« einkehrte, wie es von Zeit zu Zeit geschah, wenn die Leute auf der Küstenstraße nach Bristol gingen, sah er ihn durch das kleine, verhängte Fenster in der Tür an, bevor er in die Schenke trat; und wenn ein solcher Seemann anwesend war, verhielt er sich immer mäuschenstill. Auch vor mir versuchte er kein Geheimnis daraus zu machen, im Gegenteil, er ließ mich gewissermaßen an seiner Unruhe teilhaben. Er hatte mich nämlich eines Tages beiseite genommen und mir versprochen: Er wolle mir an jedem Monatsersten ein silbernes Vierpfennigstück geben, wenn ich nur »mein Wetterauge nach einem einbeinigen Seemann offenhalten« wolle, und wenn ich ihm, sobald er auftauche, sofort Bescheid gebe. Wenn nun der Monatserste kam und ich meinen Lohn von ihm verlangte, so kam es oft genug vor, dass er nur durch die Nase blies und mich mit einem zornigen Blick ansah; aber ehe die Woche um war, hatte er sich jedes Mal besonnen: er brachte mir das Vierpfennigstück und wiederholte seinen Befehl, »nach dem einbeinigen Matrosen Ausschau zu halten«.
Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, wie dieser Matrose mich in meinen Träumen verfolgte. In stürmischen Nächten, wenn der Wind an den vier Ecken unseres Hauses rüttelte und die Brandung der Bucht gegen die Klippen donnerte, sah ich ihn in tausend Gestalten und mit tausend teuflischen Gesichtern. Bald war das Bein am Knie abgetrennt, bald an der Hüfte; dann wieder war er ein monströses Geschöpf, das immer nur ein Bein hatte, und zwar mitten unter dem Rumpf. Es zu sehen, wie es sprang und lief und mich über Gräben und Hecken verfolgte, war für mich der schrecklichste Albtraum. So bezahlte ich mein monatliches Vierpfennigstück eigentlich recht teuer, denn ich nahm dafür diese schrecklichen Traumgesichter in Kauf.
Wenn ich auch vor dem einbeinigen Matrosen schreckliche Angst hatte, so hatte ich vor dem Kapitän selbst weniger Angst als andere, die ihn kannten. An manchen Abenden trank er mehr Rum und Wasser, als sein Kopf vertragen konnte; dann saß er manchmal da, ohne sich um jemanden zu kümmern, und sang seine schändlichen, alten, wilden Seemannslieder; manchmal aber bestellte er Runden und zwang die ganze zitternde Gesellschaft, seinen Geschichten zu lauschen oder im Chor in seine Lieder einzustimmen. Oft bebte das Haus von dem »Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum«; alle anderen Gäste sangen aus voller Kehle mit, mit Todesangst im Leibe, und einer sang noch lauter als der andere, damit nur der Kapitän nichts merkte. Denn wenn er solche Anfälle hatte, war er die unangenehmste Gesellschaft der Welt; dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und befahl Ruhe; wenn eine Zwischenfrage gestellt wurde, ärgerte er sich fürchterlich - manchmal aber noch mehr, wenn keine Frage gestellt wurde, weil er dann glaubte, man höre seiner Erzählung nicht zu. An solchen Abenden durfte niemand die Schenkstube verlassen, bis er selbst vom Trinken schläfrig geworden war und ins Bett taumelte.
Am meisten erschreckte er die Leute mit seinen Geschichten. Und es waren schreckliche Geschichten: vom Hängen, über die Planke gehen, von Stürmen auf hoher See, von den Schildkröteninseln, von wilden Kämpfen und Taten, von Häfen in den westindischen Gewässern. Nach seinen eigenen Erzählungen musste er unter den größten Verbrechern gelebt haben, die Gott je zur See gehen ließ; und die Worte, mit denen er diese Geschichten erzählte, entsetzten unsere guten Landsleute fast ebenso sehr wie die Verbrechen, von denen sie handelten. Mein Vater sagte immer wieder: "Unser Wirtshaus wird zugrunde gehen, denn bald werden die Leute nicht mehr kommen, um sich anschreien zu lassen und sich dann mit zitternden Gebeinen zu Bett zu legen. Aber ich glaube, in Wirklichkeit tat uns seine Anwesenheit gut. Die Leute waren zwar entsetzt, aber im Nachhinein mochten sie die Geschichten; es war eine angenehme Aufregung in ihrem stillen Landleben. Unter den Jüngeren gab es sogar einen Teil, der voller Bewunderung von ihm sprach. Sie nannten ihn »einen echten Seehund« und »eine echte alte Teerjacke« und so weiter und sagten, das seien eben die Leute, die England auf See so gefürchtet machten. In einer Beziehung aber ruinierte uns der Kapitän: Er blieb eine Woche nach der anderen, so dass die Goldstücke, die er auf den Tisch warf, schon längst bezahlt hätten werden sollen; aber mein Vater brachte es nie übers Herz, mehr Geld von ihm zu verlangen. Sobald er die leiseste Andeutung machte, blies der Kapitän so laut durch die Nase, dass es fast ein Brüllen war, und sah meinen Vater so zornig an, dass dieser die Schankstube verließ. Ich sah, wie er nach dieser Zurückweisung die Hände rang, und ich bin überzeugt, dass der Ärger über seinen Gast und die Angst, in der er lebte, seinen frühen unglücklichen Tod sehr beschleunigten.
Während der ganzen Zeit, die der Kapitän bei uns verbrachte, trug er immer denselben Anzug; er änderte ihn nie, nur einmal kaufte er von einem Hausierer Strümpfe. Als sich eine der Krempen seines Hutes gelöst hatte und herunterhing, ließ er ihn so, wie er war, obwohl ihn diese Krempe bei starkem Wind sehr störte. Ich sehe noch seinen Rock vor mir, den er oben in seinem Zimmer selbst flickte, so oft er es für nötig hielt, denn der ganze Rock bestand nur aus Flicken. Nie schrieb er einen Brief, nie erhielt er einen; mit niemandem sprach er ein Wort, außer mit den Nachbarn, die zu uns in die Wirtschaft kamen, und auch mit diesen meist nur, wenn er zu viel Rum getrunken hatte. Niemand von uns hatte je seine große Seemannskiste offen gesehen.
Nur ein einziges Mal wagte es jemand, ihm über den Mund zu fahren, und das geschah erst in der letzten Zeit, als mein armer Vater schon sehr krank und dem Tode nahe war. Doktor Livesey kam eines Nachmittags zu später Stunde, um nach dem Kranken zu sehen; meine Mutter setzte ihm etwas zu essen vor, und dann ging er in die Schenkstube, um eine Pfeife zu rauchen, bis sein Pferd aus dem Dorf zurückgebracht wurde; denn wir hatten keinen Stall auf dem alten »Admiral Benbow«. Ich ging mit dem Doktor in die Schenkstube, und ich erinnere mich noch, wie mir der Unterschied auffiel zwischen dem sauberen, munteren Doktor mit seiner schneeweiß gepuderten Perücke, seinen hellen, schwarzen Augen und seinem liebenswürdigen Benehmen und den groben Landleuten, vor allem aber der Gegensatz zu dem schmutzigen, zerlumpten alten Piraten, der stark angetrunken hinter seinem Tisch saß und die Ellenbogen aufgestützt hatte. Plötzlich begann er, der Kapitän, sein ewiges Lied zu brüllen:
Fünfzehn Mann bei des Toten Kist' -
Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum!
Suff und der Teufel holten den Rest -
Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum!
Zuerst hatte ich gedacht, »des Toten Kist'« sei die große Schifferkiste oben im Vorderzimmer, und ich hatte sie in meinen Träumen mit dem einbeinigen Schiffer in Verbindung gebracht. Aber inzwischen hatten wir alle längst aufgehört, auf seinen Gesang zu achten; an jenem Abend war das Lied nur für Dr. Livesey neu, und ich bemerkte, dass es auf ihn keinen angenehmen Eindruck machte; denn er sah einen Augenblick ganz verärgert aus, bevor er sein Gespräch mit dem alten Gärtner Taylor fortsetzte, mit dem er sich über ein neues Heilmittel gegen das Gliederreißen unterhielt. Der Kapitän lachte über sein eigenes Lied und schlug schließlich mit der Faust vor sich auf den Tisch; wir alle wussten, dass er damit den Anwesenden befehlen wollte, still zu sein. Alle verstummten augenblicklich, bis auf Dr. Livesey, der ruhig weitersprach und nach jedem zweiten oder dritten Wort einen kurzen Zug aus seiner Pfeife nahm. Der Kapitän starrte ihn eine Weile an, schlug dann wieder mit der flachen Hand auf den Tisch, starrte ihn noch grimmiger an und stieß schließlich einen bösen Fluch aus:
»Ruhe unter Deck!«
»Haben Sie etwas zu mir gesagt, Herr?« fragte der Doktor.
Und als der Kerl ihm mit einem neuen Fluch antwortete, ja, das habe er, antwortete der Doktor:
»Ich habe Ihnen nur eines zu sagen, Herr: Wenn Sie weiter so viel Rum trinken, ist die Welt bald um einen sehr schmutzigen Schurken ärmer!«
Die Wut des Alten war furchtbar anzusehen. Er sprang auf, zog ein Matrosenklappmesser hervor, öffnete es, schwang es in der geöffneten Handfläche und drohte dem Doktor, ihn an die Wand zu spießen.
Aber der rührte sich nicht einmal. Er sprach wie bisher über die Schulter hinweg zum Kapitän und sagte mit derselben ruhigen Stimme, ziemlich laut, so dass es jeder im Zimmer hören konnte, aber ganz ruhig:
»Wenn Ihr nicht sofort das Messer in die Tasche steckt, gebe ich Euch mein Wort: Nach der nächsten Gerichtssitzung hängt Ihr am Galgen!«
Dann trafen sich ihre Blicke; aber der Kapitän gab bald nach, steckte seine Waffe ein und setzte sich wieder, knurrend wie ein geprügelter Hund.
»Und nun noch etwas, mein Mann«, fuhr der Doktor fort: »Da ich nun weiß, dass ein solcher Bursche in meinem Bezirk ist, so könnt Ihr Euch darauf verlassen, dass ich Tag und Nacht ein Auge auf Euch haben werde. Ich bin nicht nur Arzt, sondern auch Beamter, und wenn ich auch nur die geringste Beschwerde über Euch höre, und sei es nur wegen einer Unhöflichkeit wie heute Abend, so werde ich dafür zu sorgen wissen, dass man Euch am Kragen packt und abführt. Und damit genug!«
Bald darauf wurde Dr. Liveseys Pferd gebracht, und er ritt davon; der Kapitän aber schwieg an jenem Abend und tat noch viele Abende danach den Mund nicht auf.
Nicht lange nach dieser Begegnung ereignete sich das erste der rätselhaften Ereignisse, die uns schließlich von unserem Kapitän trennen sollten, wenn auch nicht von seinen Angelegenheiten, wie der Leser sehen wird.
Es war ein bitterkalter Winter mit langen, harten Frösten und heftigen Stürmen, und es war von Anfang an klar, dass mein armer Vater kaum eine Chance hatte, den Frühling noch zu erleben. Er wurde von Tag zu Tag schwächer, und meine Mutter und ich mussten uns um den ganzen Betrieb des Gasthofes kümmern; so hatten wir immer viel zu tun und konnten uns nur wenig um unseren unangenehmen Gast kümmern.
Es war an einem Januarmorgen in aller Frühe. Das Wetter war bitterkalt; die ganze Bucht war grau vom Raureif; die Sonne stand noch tief, berührte kaum die Hügelkuppen und schien weit über das Meer hinaus. Der Kapitän war früher als gewöhnlich aufgestanden und zum Strand hinuntergegangen; sein Stutzsäbel baumelte unter den breiten Schößen seines blauen Rockes hin und her, das Messingfernrohr hatte er unter die Achsel geklemmt, den Hut hatte er in den Nacken geschoben. Sein Atem hing wie eine Rauchfahne hinter ihm her, als er mit langen Schritten dahinschritt, und der letzte Laut, den ich von ihm hörte, als er um den großen Felsen bog, war ein lautes, empörtes Schnauben, als ob er noch immer an Dr. Livesey dachte. Mutter war oben bei Vater, und ich war gerade dabei, den Frühstückstisch zu decken, damit er bei seiner Rückkehr alles bereit vorfand, als die Tür zur Schankstube aufging und ein Mann hereintrat, den ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Er war ein Kerl mit einem blassen, käsigem Gesicht; an der linken Hand fehlten ihm zwei Finger, und obwohl er einen Stutzsäbel trug, sah er nicht gerade wie ein großer Fechter aus. Ich war immer auf der Lauer nach Seeleuten, ob mit einem oder zwei Beinen, und ich erinnere mich noch heute, dass mir dieser Mann sofort verdächtig vorkam. Er sah nicht aus wie ein Seemann, und doch hatte er etwas von der See an sich.
Ich fragte ihn, was er wolle, und er sagte, er wolle ein Glas Rum. Aber als ich hinausgehen wollte, um das Getränk zu holen, setzte er sich auf einen Tisch und winkte mir zu, ich solle näherkommen. Ich blieb aber stehen, wo ich war, mit meinem Wischtuch in der Hand. Da sagte er:
»Komm her, Junge! Komm doch näher!«
Ich ging einen Schritt auf ihn zu.
»Ist der Tisch hier für meinen Maat Bill gedeckt?« fragte er und sah mich lauernd an.
Ich sagte ihm, dass ich seinen Maat Bill nicht kannte und dass der Tisch für jemanden gedeckt worden war, der bei uns wohnte und den wir den Kapitän nannten.
»Nun«, sagte er, »mein Maat Bill wird sich wohl Kapitän nennen lassen, das sollte mich nicht wundern. Er hat eine Narbe auf einer Wange und ist ein ganz netter Kerl, mein Maat Bill, besonders wenn er trinkt. Sagen wir, Euer Kapitän hat eine Narbe auf der Wange - und, was meinst du? - Sagen wir, er hat sie auf der rechten Wange. Aha, siehst du, ich hab's dir ja gesagt. Na, ist mein Maat Bill hier?«
"Er ist ausgegangen."
»Wohin, Junge? Welchen Weg ist er gegangen?«
Ich zeigte ihm den Felsen und sagte ihm, dass der Kapitän jedenfalls bald nach Hause käme, und beantwortete ihm noch einige andere Fragen. Schließlich sagte er:
»Na, da wird sich mein Maat Bill aber freuen wie über ein Glas Rum.« Der Gesichtsausdruck, mit dem er diese Worte aussprach, war alles andere als angenehm, und ich hatte meine besonderen Gründe, anzunehmen, dass der Fremde sich irrte, selbst wenn seine Worte aufrichtig gemeint waren. Aber ich dachte, das ginge mich nichts an; außerdem war es schwer zu entscheiden, was zu tun sei.
Der Fremde blieb in der Nähe der Eingangstüre und spähte jeden Augenblick um die Ecke wie eine Katze, die auf die Maus lauerte. Einmal ging ich selbst auf die Straße hinaus, aber er rief mich sofort zurück, und als ich nicht schnell genug folgte, verzerrte sich sein käsiges Gesicht auf eine ganz schreckliche Weise, und mit einem Fluch, der mir Angst machte, befahl er mir, sofort ins Haus zu gehen. Als ich aber wieder drinnen war, benahm er sich wieder wie vorher, halb spöttisch, halb schmeichelnd; er klopfte mir auf die Schulter und sagte, ich sei ein guter Junge, und er hätte große Lust, mich zu leiden.
»Ich habe selbst einen Jungen«, sagte er, »der sieht dir zum Verwechseln ähnlich und ist mein ganzer Stolz. Aber die Hauptsache für einen Jungen ist Gehorsam - Gehorsam, mein Junge! Nun, wenn du mit Bill auf See gewesen wärst, hättest du hier nicht gestanden und dir etwas zweimal sagen lassen - glaube mir! Das gab's bei Bill nicht und das gibt's auch bei denen nicht, die mit ihm gefahren sind. Und sieh mal, da kommt mein Maat Bill, mit dem Fernrohr unterm Arm, der gute alte Mann! Da wollen wir beide mal in die Schenkstube gehen, Junge, und uns hinter die Tür stellen, und wollen Bill ein bisschen überraschen, die gute alte Seele!«
Mit diesen Worten ging der Fremde mit mir in die Schankstube zurück und ließ mich hinter ihm in die Ecke treten, so dass wir beide hinter der offenen Tür verborgen waren. Ich fühlte mich sehr unbehaglich und unruhig, wie man sich denken kann, und meine Angst wurde noch dadurch gesteigert, dass der Fremde offenbar selbst Angst hatte. Er lockerte den Griff seines Säbels und lockerte die Klinge in der Scheide; und während wir so dastanden und warteten, schluckte er fortwährend, als hätte er einen Kloß im Hals.
Endlich kam der Kapitän herein, schlug die Tür hinter sich zu, ohne nach rechts oder links zu sehen, und ging quer durch den Raum zu dem Tisch, auf dem das Frühstück für ihn bereitstand.
»Bill!«, sagte der Fremde mit einer Stimme, der ich deutlich anmerkte, dass er alle Kraft zusammengenommen hatte, um laut und kühn zu klingen.
Der Kapitän drehte sich auf dem Absatz um und sah uns an; alle braune Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, und sogar seine Nase war blau; er sah aus wie ein Mensch, der ein Gespenst oder den Teufel oder noch etwas Schlimmeres erblickt hatte, wenn es so etwas gab.
»Nun, Bill, du kennst mich doch, du kennst doch einen alten Schiffsmaat, Bill!« sagte der Fremde.
Der Kapitän öffnete den Mund, schnappte nach Luft und schrie:
»Black Dog!«
»Wer denn sonst?« antwortete der andere, der sich offenbar etwas wohler zu fühlen begann. »Black Dog, immer noch der alte, ist hier, um seinen alten Schiffskameraden Bill im ›Admiral Benbow‹ zu besuchen. Oh, Bill, Bill, wir haben viel durchgemacht, wir beide, seit ich die beiden Greifer verloren habe!« Und dabei hielt er seine verstümmelte Hand in die Höhe.
»Nun denn«, sagte der Kapitän, »du hast mich gefunden, hier bin ich. Also, was willst du?«
»Das sieht dir ähnlich, Bill!« antwortete Black Dog. »Du bist immer noch der alte Billy. Ich will mir ein Glas Rum von dem lieben Jungen hier geben lassen, der so nett ist; und dann wollen wir uns hinsetzen, wenn es dir recht ist, und ein ernstes Wort miteinander reden, wie richtige alte Schiffskameraden."
Als ich mit dem Rum wieder hereinkam, saßen sie sich schon am Frühstückstisch des Kapitäns gegenüber, Black Dog neben der geschlossenen Tür und etwas seitwärts auf seinem Stuhl, so dass er, wie mir schien, mit einem Auge auf seinen alten Schiffskameraden und mit dem anderen auf seinen Fluchtweg blickte.
Er befahl mir, hinauszugehen und die Tür weit offen zu lassen.
»Durchs Schlüsselloch gucken, das gibt's bei mir nicht, Junge!« sagte er.
Ich ließ die beiden zusammen sitzen und zog mich in den Schankraum zurück.
Obwohl ich mir natürlich alle Mühe gab, etwas zu hören, konnte ich lange Zeit nur ein leises Gemurmel vernehmen, aber schließlich wurden die Stimmen lauter, und ab und zu konnte ich ein paar Worte des Kapitäns verstehen, meistens Flüche.
»Nein, nein, nein, nein! Und damit basta«, schrie er einmal. Und ein andermal: »Wenn's zum Baumeln kommt, sollen alle baumeln - das sage ich!«
Dann aber gab es plötzlich einen furchtbaren Ausbruch von Flüchen und anderen Geräuschen - Stühle und Tisch fielen um, es folgte ein Klirren von Stahl und dann ein Schmerzensschrei. Und im nächsten Augenblick sah ich Black Dog Hals über Kopf fliehen und den Kapitän dicht hinter ihm, beide mit gezogenen Stutzsäbeln; Black Dog aber lief das Blut von der linken Schulter. Unmittelbar vor der Tür führte der Kapitän noch einen letzten furchtbaren Streich gegen den Flüchtenden; der Hieb hätte ihn gewiss getötet, wenn er nicht von dem großen Wirtshausschild des »Admiral Benbow« aufgefangen worden wäre.
Mit diesem Schlag war der Kampf beendet. Kaum war Black Dog auf der Straße, so legte er trotz seiner Wunde einen ungeheuren Zahn zu und war in einer halben Minute jenseits der Höhe verschwunden. Der Kapitän aber starrte wie geistesabwesend auf das Schild. Dann fuhr er sich ein paarmal mit der Hand über die Augen, ging schließlich ins Haus zurück und sagte zu mir:
»Jim, Rum!«
Als er diese Worte aussprach, taumelte er hin und her und musste sich mit einer Hand an der Wand abstützen.
»Sind Sie verwundet?« rief ich.
»Rum!« sagte er wieder. »Ich muss hier weg. Rum! Rum!«
Ich lief schnell, um welchen zu holen; aber ich war so verwirrt von all dem, dass ich ein Glas zerbrach und den Zapfen nicht richtig aufdrehen konnte. Und während ich noch damit beschäftigt war, hörte ich im Schankzimmer einen schweren Fall. Und als ich hineinlief, sah ich den Kapitän längs auf dem Boden liegen. Im selben Augenblick kam meine Mutter, die durch die Schreie und den Lärm des Kampfes aufgeschreckt worden war, die Treppe hinuntergelaufen, um mir zu helfen. Mit vereinten Kräften hoben wir seinen Kopf hoch. Er atmete sehr schwer und laut, aber seine Augen waren geschlossen und sein Gesicht so blau und rot, dass es schrecklich anzusehen war.
»Herrjemine!« schrie meine Mutter, »was für eine Schande für unser Haus! Und dein armer Vater liegt auch noch krank im Bett!«
Wir wussten nicht, wie wir dem Kapitän helfen sollten, denn wir glaubten, er sei im Kampf mit dem Fremden tödlich verwundet worden. Aber ich brachte den Rum und versuchte, ihm etwas davon einzuflößen; aber seine Zähne waren fest geschlossen und seine Kinnbacken hart wie Eisen. Wir waren sehr froh und erleichtert, als plötzlich die Tür aufging und Dr. Livesey eintrat, der meinen Vater besuchen wollte.
»Oh Herr Doktor!« riefen wir, »was sollen wir tun! Wo ist er verwundet?«
»Verwundet? Papperlapapp!« sagte der Doktor. »Er ist nicht mehr verwundet als ihr oder ich. Der Mann hat einen Schlaganfall erlitten, wie ich es ihm vorausgesagt habe. Nun, Frau Hawkins, laufen Sie schnell nach oben zu Ihrem Mann, aber erzählen Sie ihm möglichst nichts von der Geschichte. Ich muss leider mein Bestes tun, um das in jeder Hinsicht wertlose Leben dieses Kerls zu retten, und Jim wird so gut sein, mir eine Schüssel zu holen.«
Als ich mit der Schüssel zurückkam, hatte der Doktor bereits den Ärmel des Kapitäns hochgeschoben und seinen dicken, muskulösen, an mehreren Stellen tätowierten Arm freigelegt: »Viel Glück!« - »Schöner Wind!« - »Billy Bones sein Liebchen!« Auf dem Oberarm aber, nahe der Schulter, war das Bild eines Galgens, an dem ein Mann hing - sehr hübsch und witzig gemacht, wie mir schien.
»Prophetisch!« sagte der Doktor und tippte auf das Bild. »Und nun, Meister Billy Bones - wenn das Euer Name ist - wollen wir uns die Farbe Eures Blutes ansehen. Jim«, sagte er, »hast Du Angst vor Blut?«
»Nein, Meister.«
»Dann halte die Schüssel!«
Mit diesen Worten nahm der Arzt seine Lanzette und öffnete eine Vene.
Eine große Menge Blut wurde abgezapft, bevor der Kapitän die Augen aufschlug und sich mit einem dummen Blick umsah. Zuerst erkannte er den Doktor und runzelte die Stirn, dann fiel sein Blick auf mich und er sah erleichtert aus. Plötzlich aber wechselte er die Farbe, versuchte sich aufzurichten und schrie:
»Wo ist Black Dog?«
»Hier ist kein Black Dog«, sagte der Doktor, »nur ein heftiger Kater. Ihr habt zu viel Rum getrunken; jetzt habt Ihr einen Schlaganfall, wie ich es Euch vorausgesagt habe; aber ich habe Euch, sehr gegen meinen Willen, noch einmal mit dem Kopf voran aus dem Grabe gezogen. Nun, Herr Bones -«
»So heiße ich nicht!« unterbrach der Kapitän den Doktor.
»Ist mir egal!« antwortete dieser, »Ein alter Seeräuber, den ich kenne, heißt so, und ich nenne Euch der Kürze halber so, und was ich Euch zu sagen habe, ist dies: Ein Glas Rum wird Euch nicht umwerfen, aber wenn Ihr eins trinkt, so werdet Ihr noch eins trinken und noch eins, und ich gebe Euch meine Perücke als Pfand: wenn Ihr nicht ganz aufhört, Rum zu trinken, so sterbt Ihr - versteht Ihr? - sterbt und geht dorthin, wo Ihr hingehört, wie der Mann in der Bibel. Nun, versucht aufzustehen. Ich will Euch ins Bett bringen.«
Mit großer Mühe schafften wir beide, der Doktor und ich, den Kapitän die Treppe hinaufzutragen und ihn auf sein Bett zu legen, wo er sofort mit dem Kopf auf das Kissen sank, als wäre er fast ohnmächtig geworden.
»Denkt daran«, sagte der Doktor, »ich wasche meine Hände in Unschuld - das Wort Rum bedeutet für euch den Tod.«
Und damit ging er hinaus, um nach meinem Vater zu sehen. Er nahm mich am Arm und führte mich hinaus, und als er die Tür geschlossen hatte, sagte er zu mir:
"Das hat nichts zu bedeuten, ich habe ihm genug Blut abgenommen, um ihn eine Weile ruhig zu halten, er soll eine Woche im Bett bleiben, das ist das Beste für ihn und für Euch, aber wenn er noch einen Schlaganfall bekommt, dann ist es aus mit ihm".
Um die Mittagszeit stand ich mit einigen kalten Getränken und Medizinflaschen vor der Tür des Kapitäns. Er lag noch ungefähr in der gleichen Position, in der wir ihn verlassen hatten, nur etwas höher. Er wirkte schwach, aber auch aufgeregt.
»Jim«, sagte er zu mir, »du bist der Einzige in diesem Haus, der etwas taugt, und du weißt, dass ich immer gut zu dir war. Es ist noch kein Monat vergangen, in dem ich dir nicht ein silbernes Vier-Penny-Stück gegeben habe. Und nun schau, Maat, mir geht es verdammt schlecht und ich bin von allen verlassen; und, Jim, du wirst mir ein einziges Nöselchen Rum bringen, nicht wahr, mein Junge?«
»Der Doktor«, begann ich.
Aber da verfluchte er den Doktor - mit schwacher Stimme, aber es kam ihm aus dem Herzen.
»Doktoren sind alle Schwätzer«, sagte er, »und der Doktor da - ach, was versteht der von Seeleuten? Ich bin an Orten gewesen, da war's heiß wie in der Hölle, und die Kameraden fielen vom Gelbfieber um mich herum wie die Fliegen, und das Land da schwankte von Erdbeben wie Meereswogen - was versteht so ein Doktor von solchen Ländern? Und ich blieb am Leben, sage ich dir, und das tat der Rum. Der war für mich Essen und Trinken, und wir waren wie Mann und Frau, und wenn ich meinen Rum nicht bekomme, bin ich ein armes altes Wrack an einer Leeküste - und mein Blut kommt auf dich, Jim, und auf den Schwätzer da, den Doktor!«.
Es folgte wieder eine Reihe von Flüchen, und dann fing er wieder an zu betteln:
»Sieh doch, Jim, wie meine Finger zittern. Ich kann sie nicht still halten, ich kann einfach nicht. Habe noch keinen Tropfen getrunken an diesem lieben Tag. Der Doktor ist ein Schafskopf, sag ich dir. Wenn ich nicht einen Schluck Rum kriege, dann kriege ich das graue Elend; hab's schon ein paarmal gehabt. Ich hab' den alten Flint da in der Ecke gesehen; da hinter dir; hab' ihn klar und deutlich gesehen; und wenn ich das graue Elend kriege - na, ich hab' ein schweres Leben gehabt, und mir wird schlecht bei dem Gedanken. Der Doktor hat's mir selbst gesagt: ein einziges Glas würde mir nicht schaden. Ich will dir einen goldenen Guinee geben für ein Nöselchen!«
Er wurde immer aufgeregter, und das machte mich unruhig um meines Vaters willen, mit dem es an diesem Tage sehr schlecht stand und der Ruhe brauchte; außerdem hatte der Doktor ja wirklich die Worte gesagt, die der Kapitän mir genannt hatte. Der Bestechungsversuch aber ärgerte mich; aber ich sagte:
»Ich brauche Ihr Geld nicht; bezahlen Sie nur, was Sie meinem Vater schuldig sind. Ich bringe Ihnen ein Glas, aber nicht mehr«.
Als ich ihm das Glas Rum brachte, griff er gierig danach und trank es aus; dann sagte er:
»Ah! ah! das tut gut! ich fühle mich schon etwas besser. Und nun höre, mein Junge: Hat der Doktor gesagt, wie lange ich hier in dem alten Kasten liegen muss?«
»Mindestens eine Woche.«
»Donnerwetter!« schrie der Kapitän. »Eine Woche! Das kann nicht sein: in der Zwischenzeit bringt man mir den schwarzen Fleck. Die Schweinehunde sind schon dabei, mir den Wind aus den Segeln zu nehmen - die Schweinehunde, die mit dem, was sie haben, nicht haushalten können und nun stehlen wollen, was einem anderen gehört! Benimmt sich so ein anständiger Seemann? Das will ich hören! Ich bin ein sparsamer Mensch. Ich habe noch nie gutes Geld verschwendet, das ich verdient habe; ich habe noch nie Geld verloren, und ich will auch jetzt wieder dafür sorgen, dass sie sich den Mund abwischen können. Ich habe keine Angst vor ihnen! Ich setze noch ein Segel, mein Junge, und sie können mir nachfliegen!«
Während er diese Worte sprach, hatte er sich mit großer Mühe von seinem Bett erhoben; er hielt sich an meiner Schulter fest mit einem Griff, dass ich fast laut aufschrie, und ich merkte, dass seine Beine schwer wie Blei sein mussten, denn er konnte sie kaum bewegen. Seine Worte an sich waren sehr mutig, aber die schwache Stimme, mit der er sie sprach, bildete einen traurigen Kontrast dazu. Als es ihm gelungen war, sich auf die Bettkante zu setzen, schwieg er einen Augenblick. Dann flüsterte er:
»Der Doktor hat mir alles gemacht, es dröhnt mir in den Ohren. Leg mich auf den Rücken.«
Ich konnte ihm nicht viel helfen, denn ehe ich mich versah, war er schon wieder in seine alte Lage zurückgesunken. Eine Weile lag er still da, dann sagte er:
»Jim, hast du heute den Seemann gesehen?«
»Black Dog?«
»Ja, Black Dog! Er ist ein schlimmer Kerl, aber die, die ihn angestiftet haben, sind noch schlimmer als er. Nun, wenn ich nicht irgendwie von hier wegkomme und sie mir den schwarzen Fleck in die Hand drücken, dann merke dir, was ich dir jetzt sage: Sie sind hinter meiner alten Schifferkiste her. Jetzt nimmst du dir ein Pferd - du kannst doch reiten, oder? Na also - du setzt dich auf ein Pferd und reitest - in Gottes Namen! - zu dem ewigen Schwätzer, dem Doktor, und sagst ihm, er soll alle Mann an Deck pfeifen - die Behörden und so - und sich längsseits des ›Admiral Benbow‹ legen, und er wird die ganze Mannschaft des alten Flint einfangen, groß und klein, alles, was noch übrig ist. Ich war der erste Steuermann, ja, das war ich! Der alte Flint sein erster Steuermann, und ich bin der einzige, der die Stelle kennt. Er gab sie mir in Savannah, als er im Sterben lag, genau wie ich jetzt, wie du siehst. Aber du brauchst es nicht zu melden, bis sie mir den schwarzen Fleck in die Hand geben, oder bis du Black Dog wiedersiehst, oder einen einbeinigen Seemann, Jim - den vor allen!«
»Aber was ist der schwarze Fleck, Kapitän?« sagte ich.
»Das ist ein Befehl, Maat. Ich will es dir erklären, wenn sie damit kommen. Aber die Hauptsache ist, dass du dein Wetterauge offen hältst, Jim, und verlass dich drauf, ich will mit dir teilen, Jim, halb und halb, auf meine Ehre!«
Er fantasierte noch eine Weile, und seine Stimme wurde immer leiser. Dann gab ich ihm seine Medizin, er schluckte sie wie ein Kind und sagte:
"Wenn je ein Seemann Medizin gebraucht hat, dann bin ich es.
Schließlich fiel er in einen tiefen, ohnmächtigen Schlaf, und ich ließ ihn allein.
Was ich getan hätte, wenn alles gut gegangen wäre, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hätte ich dem Doktor die ganze Geschichte erzählt, denn ich hatte Todesangst, dass der Kapitän es bereute und mich zu Tode prügelte. Aber es geschah, dass mein armer Vater an jenem Abend ganz plötzlich starb, und ich konnte an nichts anderes mehr denken. Unsere natürliche Trauer, die Kondolenzbesuche der Nachbarn, die Vorbereitungen für das Begräbnis und die ganze Arbeit in der Wirtschaft, die nebenbei erledigt werden musste, das alles beschäftigte mich so sehr, dass ich kaum Zeit hatte, an den Kapitän zu denken, geschweige denn, mich vor ihm zu fürchten.
Am nächsten Morgen kam er die Treppe hinunter und nahm seine Mahlzeiten wie gewöhnlich ein; aber er aß wenig, und ich fürchte, er trank noch mehr Rum als sonst; denn er ging einfach in den Schankraum und bediente sich selbst, knurrend und durch die Nase blasend, und keiner von uns wagte es, ihm in den Weg zu kommen.
Am Abend vor dem Begräbnis war er wie gewöhnlich betrunken, und es war schrecklich, ihn in unserem Trauerhause sein scheußliches altes Schifferlied brüllen zu hören; aber so schwach er auch war, wir hatten alle Todesangst vor ihm, und der Doktor war bei einem Schwerkranken, der viele Meilen entfernt wohnte und zu dem er plötzlich gerufen worden war; darum kam er nach meines Vaters Tod nicht ins Haus.
Wie ich schon sagte, war der Kapitän schwach, ja, er schien immer schwächer zu werden, anstatt wieder zu Kräften zu kommen. Er ging die Treppe hinauf und hinunter, von der Schenkstube in den Schankraum und wieder zurück; und manchmal streckte er seine Nase aus der Tür und schnupperte die Seeluft, wobei er sich an den Wänden festhielt und laut und schnell keuchte, als ob er einen steilen Berg hinaufkletterte. Er sprach nie mit mir, und ich glaube, er hatte seine Botschaften fast vergessen; aber er brauste noch leichter auf als sonst, und bei seiner körperlichen Schwäche war er heftiger als je. Er hatte eine beunruhigende Art, wenn er betrunken war, seinen kurzen Säbel zu ziehen und die blanke Waffe vor sich auf den Tisch zu legen. Trotzdem kümmerte er sich weniger als sonst um die Leute und schien mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Einmal stimmte er zu unserer Überraschung eine ganz neue Melodie an, ein altmodisches Liebeslied, das er wahrscheinlich noch aus seiner Jugend kannte, bevor er zur See gefahren war.
So nahmen die Dinge ihren Lauf. Aber am Tag nach der Beerdigung, an einem bitterkalten, nebligen Nachmittag gegen drei Uhr, stand ich einen Augenblick vor der Tür, voll trauriger Gedanken an meinen Vater. Da sah ich auf der Straße einen Mann langsam näher kommen. Er war anscheinend blind, denn er tastete mit einem Stock vor sich hin, trug einen großen grünen Schirm über Augen und Nase, hatte einen gebeugten Rücken, entweder vom Alter oder von Schwäche, und trug einen großen, alten, zerlumpten Schiffermantel mit Kapuze. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine so schreckliche Gestalt gesehen. Unmittelbar vor unserem Wirtshaus blieb er stehen und sagte in einem seltsam singenden Ton, als spräche er in die Luft:
»Will ein freundlicher Mensch so gut sein, einem armen Blinden, der sein kostbares Augenlicht bei der tapferen Verteidigung seines Vaterlandes England verloren hat - Gott schütze König Georg! - und würde er ihm sagen, in welchem Teil des Landes er sich in diesem Augenblick aufhalten könnte?«
"Ihr seid beim Admiral Benbow in Blackhill Bay, mein guter Mann", sagte ich.
»Ich höre eine Stimme«, sagte der Blinde, »eine junge Stimme. Wollt Ihr mir die Hand geben, mein guter junger Freund, und mich hineinführen?
Ich streckte meine Hand aus, und dieses gräuliche blinde Geschöpf mit der sanften Stimme ergriff sie und hielt sie wie in einem Schraubstock. Ich erschrak so sehr, dass ich meine Hand losreißen wollte, aber der Blinde zog mich mit einer einzigen Armbewegung an sich und sagte:
»Nun, mein Junge, bring mich zum Kapitän.«
»Herr!« rief ich, »auf mein Wort, das wage ich nicht.«
»Ach!« sagte er spöttisch, »wenn's nichts weiter ist! Führe mich sofort hinein, oder ich breche dir den Arm!«
Und bei diesen Worten versetzte er mir einen Stoß, dass ich laut aufschrie.
»Herr, ich wage es nicht um Euretwillen. Der Kapitän ist nicht mehr derselbe. Er sitzt mit gezogenem Säbel an seinem Tisch. Ein anderer Herr -«
»Marsch!« unterbrach er mich. Ich hatte noch nie eine so grausame, kalte, unangenehme Stimme gehört wie die dieses Blinden. Sie erschreckte mich noch mehr als der Schmerz seines Händedrucks, und ich gehorchte ihm augenblicklich und ging mit ihm durch die Tür in die Schenkstube, wo unser alter Seeräuber saß, halb besoffen vom Rum. Der Blinde trat dicht an mich heran, ohne seine eiserne Faust von mir zu lassen, und sprach:
"Führe mich zu ihm, und wenn ich vor ihm stehe, sage: 'Hier ist ein Freund von Euch. Wenn du das nicht tust, werde ich etwas anderes tun!«
Tausende von E-Books und Hörbücher
Ihre Zahl wächst ständig und Sie haben eine Fixpreisgarantie.
Sie haben über uns geschrieben: