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Sei es, daß Beschäftigung mit zu wichtigen Dingen, sei es, daß irgend ein anderer wichtiger Grund und Ursache unsere lieben Schildbürger abgehalten, uns von ihren höchst seltenen, dazu merkwürdigen Taten Kunde zu verschaffen. Ganz im Geheim und verborgen vor der Welt, lebten unsere Schildbürger in ihrem Streben nach Wissenschaft fort, und suchten immer mehr und mehr ihre Weisheit noch zu vergrößern. Ungeachtet sie es auf einen hohen Grad zu bringen gewußt haben, so waren sie dennoch gar zu bescheiden, als daß sie sich darum vor ihren übrigen Mitmenschen hervorheben und sich damit hätten brüsten wollen, als ob sie alles verständen ... Das Original!
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2016
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unbekannter Verfasser
Höchst wunderseltsame, abenteuerliche Geschichten und Taten.
Mit schönen Figuren.
In dieser Form neu: idb, 2016
zuerst erschienen im 16. Jh.
redigiert im 19. Jh.
Sei es, daß Beschäftigung mit zu wichtigen Dingen, sei es, daß irgend ein anderer wichtiger Grund und Ursache unsere lieben Schildbürger abgehalten, uns von ihren höchst seltenen, dazu merkwürdigen Taten Kunde zu verschaffen. Ganz im Geheim und verborgen vor der Welt, lebten unsere Schildbürger in ihrem Streben nach Wissenschaft fort, und suchten immer mehr und mehr ihre Weisheit noch zu vergrößern. Ungeachtet sie es auf einen hohen Grad zu bringen gewußt haben, so waren sie dennoch gar zu bescheiden, als daß sie sich darum vor ihren übrigen Mitmenschen hervorheben und sich damit hätten brüsten wollen, als ob sie alles verständen.
Einem ganz zufälligen Ereignis jener Zeit verdanken wir das große Glück, daß unsere gegenwärtige Historie der Nachwelt überliefert worden. Vernehmet, liebe Leser, mit Aufmerksamkeit: wie es sich fügen mußte, daß die Taten unsers berühmten Schildbürger-Stammes zur Öffentlichkeit gebracht worden sind.
Unsere Schildbürger selbst konnten sowohl wegen ihrer großartigen Arbeiten, als wegen ihres tiefen Denkens, wie sie auf die geschickteste und leichteste Art alle ihre Geschäfte ausführen wollten, nicht zur Aufzeichnung ihrer weltberühmten Geschichte kommen. Sie waren auch sehr zufrieden, wenn ihnen nur ihre Arbeiten gelungen wären, worüber bei dem scharfen Verstand und Urteil, womit sie begabt und stets zu Werke gegangen, durchaus nicht der geringste Zweifel entstehen konnte.
Diejenigen aber, welche sich durch solche vorzügliche Eigenschaften ausgezeichnet hatten, verehrten sie auch noch nach ihrem Tode auf verschiedene ehrenhafte Weise, besonders auf den Grabmälern ihrer abgeschiedenen berühmten Voreltern mußte man noch erkennen, mit welchen vorzüglichen Eigenschaften ein Jeder derselben begabt gewesen.
Zwar waren unsere Schildbürger des Schreibens noch nicht kundig, um Inschriften auf ihre Grabsteine fassen zu können; sie errichteten darum solche bloß aus weicher Masse, nämlich aus Lehm, und bezeichneten durch Figuren die Taten ihrer Ahnen darauf; sie taten dies mit ihren Fingern und so lange die Masse noch weich war, denn sie waren bei ihrem großen Verstande gleich anfangs auf den Gedanken gekommen, daß es zu viel Zeit kosten würde, wenn sie in eine harte Masse graben müßten. Bei solcher Grabsteinzeichnung hatten sie besonders ihre liebe Nachkommenschaft im Auge, denn auch diese sollte von der Weisheit ihrer Voreltern alsbald Kunde erhalten. Ihnen selbst wäre sie entbehrlich gewesen, denn sie waren schon von der Geburt an mit einem so vorzüglichen Gedächtnisse begabt, daß sie sich nicht nur der Berühmtheit ihrer Väter bis nach dem Tode erinnern konnten, sondern überhaupt, was ein Schildbürger in Mutterleibe hörte, das konnte er noch nach seinem Tode so akkurat wiedererzählen, als hätte er es schon bei der Geburt seiner Urgroßmutter vernommen.
Der glückliche Zufall mußte es fügen, daß wir durch den erhabenen Beherrscher von Nirgendsland, der ein über die Maßen hoch verständiger und gelehrter Herr war, in die Geschichte unserer Schildbürger eingeweiht wurden. Gleichwie dem egyptischen Könige von sieben fetten und magern Kühen träumen mußte, so kam es, daß es auch unserm nirgendsländischen Könige von der Weisheit der Schildbürger träumte. Alsbald ließ der König aus seinem hohen Adel drei der vornehmsten Räte vor sich fordern, sie waren: der Freiherr von Lustig, ein Scherenschleifer, der Baron von Durstig, ein Hexelschneider, und der Edle von Lüderlich, ein Schlott- oder Schornsteinfeger. Diesen seinen ersten Räten gebot der König, daß sie bei Strafe des Todes und bei Verlust allerhöchster Gnade keine Mühe scheuen und von Land zu Land reisen sollen, bis sie drei andere, an Höhe und Dicke des Verstandes und der Weisheit ihnen gleichstehenden gefunden hätten.
Wer wird zweifeln, daß bei der Weltweisheit dieser Gesandten ihr höchster Auftrag nicht auf's pünktlichste ausgeführt worden sei? Kaum zehn Jahre nach ihrer Aussendung gelang es ihrem vereinten, scharfsinnigen und umsichtigen Streben, in Schildburg hinter Utopia in kalekutischen Landen glücklich einzutreffen und ihren Auftrag auszuführen.
Die Gesandten trafen den hochweisen Magistrat von Schildburg unter dem Vorsitze des Meisters Schultheißen oder Bürgermeisters, gerade als er sich zu Rat zu versammeln im Begriffe war. Noch waren aber nicht alle Ratsherren versammelt, als unsere Gesandten in Schildburg eintrafen; die fehlenden mußten deshalb herbeigerufen werden. Sogar diese an und für sich nicht schwierige Arbeit versah der Herr Bürgermeister dem festen Grundsatz der Kürze getreu. Er verwaltete nämlich außer seiner Ortsvorsteherstelle auch noch das Schweinhirtenamt, darum bediente er sich des Schweinhorns, womit er gewöhnlich den Schweinen herausgeblasen, und blies nun den fehlenden Ratsmitgliedern heraus; stieß aber dabei einige Mal so entsetzlich in das Schweinhorn hinein, daß ihm das Gesicht schwarz wurde. Er war ungeduldig: dies merkten seine Ratsherrn, deshalb liefen sie so eilig nach dem Rathause, daß sie daselbst außer Atem ankamen. Darüber hatte aber der Herr Bürgermeister natürlich ein sehr großes Wohlgefallen, denn er konnte vor den fremden Gesandten hier seine Macht und Stärke nicht wenig beweisen. Er sprach nun in Freundlichkeit und mit zärtlichen Worten den Kommenden zu: »Also muß man Euch Herren herbeirufen, ihr Flegel!« Ein kleiner Umstand verhinderte jedoch den versammelten Magistrat, seinen Rat alsbald zu beginnen. Es mußte sich nämlich zum Glück oder Unglück ereignen, daß zur selben Zeit, in welcher der Bürgermeister Sitzung halten wollte, von dem Schweinhirtenamts-Verwalter die Schweine ausgefahren wurden, welche ihr Weg an dem Ratsgebäude vorbeiführte. Die Schweine rieben sich am Fuße dieses Gebäudes, und dadurch wurde es so sehr erschüttert, daß es den Einsturz drohte. Der Magistrat hatte auch wirklich große Besorgnis; aber selbst in dieser allgemeinen Ratsbestürzung verlor der Herr Bürgermeister seine Geistesgegenwärtigkeit nicht im mindesten. Sogleich ließ er den Befehl ergehen, daß sich in jeder Ecke des Hauses der vierte Teil der Ratsversammlung aufstellen soll, um die Schweine mit ihren großen Hüten, vor denen sie mehr Achtung haben, vom Rathaus wegzuweisen. Auf diese Art wurde auch wirklich dem drohenden Rathaussturze noch zeitig gesteuert, und der daraus entstandene Kommunschaden vermieden, denn die Schweine gingen mit gehörigem Respekte an ihren Ratsherren vorüber. Nun ging man zu Rate; in Ermanglung einer Stiege, in dem sonst sehr schönen Ratsgebäude, mußte sich der Knecht des Schultheißen jedes Mal oben aufstellen, ein Seil herunterlassen, an dessen Ende ein dicker Knopf angebracht war, und so die Herrn Gemeinde- oder auch Landräthe, wie man sie heißen will, nach und nach mittelst einer Rolle hinaufwinden.
Jetzt erst, nachdem die fremden Gesandten dies mit angesehen hatten, gerieten sie völlig in Staunen. Offenen Mundes standen sie da, sie vergaßen es sogar, ihre Mäuler wieder zuzumachen, und bewunderten sich über alle Maßen solcher weisen Anordnung der Dinge. Jetzt glaubten sie, sie hätten an Verstand, Weisheit und Scharfsinn,, wo nicht mehr, doch wenigstens ihres Gleichen gefunden. Bevor sie jedoch den weisen Herrn Bürgermeister anredeten, gedachten sie erst der künstlichen Grabsteine und besuchten darum vor Allem den Kirchhof. Wie staunten sie über die geschmackvolle Arbeit, und fast in Entsetzen gerieten sie, als sie nach langem Hin- und Herdenken endlich entdecken, was die auf den Grabsteinen eingezeichneten Figuren zu bedeuten hätten, daß nämlich die vorzüglichsten Eigenschaften der Verstorbenen so sinnreich und doch so einfach darauf bemerklich waren. Bei dem einen war eine Dunggabel abgebildet, der da lag, hatte sich nämlich besonders auf den Dung gut verstanden; bei dem andern ein Ochse, der da schlief, mußte es gut mit den Ochsen verstanden haben u.s.w. Nachdem sich nun die fremden Gesandten recht satt gesehen und die Zweckmäßigkeit der Einrichtung der Grabsteine recht weidlich bewundert gehabt hatten, wurde beschlossen, jetzt sich in das Rathaus zu verfügen und von dem wohlweisen Bürgermeister Säufried Lädel gnädige Audienz zu erbeten.
Je bedeutungsvoller nun der nirgendsländische Gesandte, der Schleifer Freiherr von Lustig seine Anrede und Bitte an den wohlweisen Bürgermeister machte, desto nachdenklicher und tiefsinniger wurde dieser, und erst nach langem Bedenken ließ er sich zur gnädigen Audienz herab. Der Schleifer Freiherr von Lustig begann nun unter vielen Reverenzen: Wir drei nirgendsländischen hochgeborenen Gesandten, besonders ich, kunstreicher Messer-, Scheren-, Beil- und anderer Sachen Schleifer mit meinem runden Schleifstein und mein Gesell, hinten aufgerückter und vornen niedergebückter Stroh- oder Hexelschneider, sammt dem auch hochsteigenden und unverzagten Schlottfeger, kommen auf Befehl unsers allergnädigsten Fürsten und Königs zu Euch, Herr Säufried, der sein Schweinhirtenhorn so stark blasen kann und der seine Schweingeißel schwang vom Aufgang bis zum Niedergang unter und zwischen den Säufüßen.« – Über einmal stockte seine Rede, der Schleifstein auf seinem Buckel wurde zu schwer und zog ihn mit sich rückwärts so unsanft hinunter, daß es mit dem Reden aus war. Nachdem er sich wieder etwas erholt hatte, bat ihn der Magistrat, seine Rede fortzusetzen; allein er konnte sich nicht rühren. Jetzt erst merkte der wohlweise Rat von Schildburg, daß der nirgendsländische Gesandte, Freiherr von Lustig, eine Rippe entzwei gebrochen hatte.
Nun hielt man Rat, wie ihm wieder zu helfen sei. Man kam überein, ihn wiederum heraufzuknebeln und ihn zum zweiten Mal hinunterpurzeln zu lassen, auf daß er seine Rippe wieder zurechtfalle. Nachdem dies geschehen war, ermahnten sie ihn abermal, seinen Sermon fortzusetzen; er aber antwortete mit betrübtem Gesicht: »Ach, er ist mir in meinem Schrecken entfallen!« Nun holte alles Schaufeln, Hauen, Aexte, Karsten und was sie an solchen Werkzeugen hatten, herbei, um die entfallene Rede wieder herauszugraben. Allein ungeachtet ihres sehr tiefen Grabens fanden sie die entfallene Rede nicht mehr. Nun trauerten sie, daß dieses Mal ihr weiser Entschluß gescheitert habe und besannen sich hin und her, was mit dem gegrabenen Loche anzufangen sein möchte; sie meinten, es könnte vielleicht zu etwas Anderem zweckmäßig bestimmt werden. Nach langem Beraten wurde beschlossen, nach weiser Berechnung das Loch zu einem Brunnen zu machen. Nun wollten sie aber auch die Tiefe des Brunnens erfahren; darüber verfielen sie auf den gescheiten Einfall, eine Stange über das Loch zu legen, und sich Einer nach dem Andern und aneinander bis an den Boden des Loches hinzuhängen. Die Last wurde natürlich dem Obersten je länger desto schwerer; er rief daher seinen untern Mitgliedern zu: »Ihr lieben, Nachbarn, haltet euch fest, ich muß einmal in die Hände speien!« Er ließ die Stange fahren und rutsch dich, Alle fielen über einen Haufen. Es mußte sich nun unser guter Schildbürger-Magistrat, eingedenk seiner sonstigen Weisheit, das Sprichwörtlein zum Tröste dienen lassen: »Es entschlüpft mancher geschickten Katze über kurz oder lang auch eine Maus.
Was aber jetzt mit der ausgegrabenen Erde angefangen werden sollte, darüber war eine Ratssitzung notwendig, welche auch erfolgte und nach langem Hin- und Herreden zu dem Beschluß führte, daß ein Loch gegraben und die erde hineingeführt werden müsse; dabei aber erhob sich eine Stimme im Rat: Wo soll man aber hin mit der neu ausgegrabenen Erde?« – »Ei, antwortete der erste: »seid ihr nicht große Narren! muß Man doch das Loch so groß machen, daß beide Haufen darein gehen.«
Bei solchen Beschlüssen nun verging den nirgendsländischen Gesandten Hören und Sehen. Sie fühlten ihre Schwäche gegen solche Leute zu sehr, als daß sie sich hätten länger bei denselben aufhalten können, und zogen darum wieder ab, um ihrem Könige ausführlich Rapport zu erstatten von dem, was sie in den kalekutischen Landen gesehen und gehört hatten. Sie selbst haben es verheißen, noch einmal herzuziehen, um sich noch Mehreres zu erkundigen, zuvor aber wollten sie dafür sorgen, daß sie mehr Verstand mitbringen, um der Schildbürger Weisheit besser zu verstehen und beurteilen zu können.
Von dem Ursprung, Herkommen und Namen der Schildbürger in Misnoxotamia.
Vor vielen Jahrhunderten haben die Alten schon diesen herrlichen Spruch gehabt, welcher auch noch zu unsern Zeiten als gültig anerkannt werden muß, und der also lautet:
So wie die Eltern geartet sind, Sind größtenteils auch ihre Kind: Sind sie mit Tugenden begabt, An Kindern ihr desgleichen habt. Ein guter Baum gibt gute Frucht; Der Mutter nach schlägt gern die Zucht. Ein gutes Kalb, eine gute Kuh: Das Jung tut's gern dem Vater zu. Hat auch der Adler hoch an Mut Furchtsame Tauben je gebrut't? Doch merk' mich recht, merk' mich mit Fleiß, Was man nicht wäscht, wird selten weiß.
Eben dieses Sprichwort kann den Schildbürgern (welcher Ort hinter Kalekut, in dem dem großmächtigen Königreich Misnoxotamia gelegen), zu ihrem Lob und Ruhm, auch wohl nicht mit Unrecht nachgesagt werden. Denn auch sie sind in ihrer lieben Voreltern Fußstapfen getreten, haben darin verharrt, und wollten durchaus nicht davon abweichen, bis sie große Not, welche kein Gesetz kennt, auch keines halten kann, so wie die Erhaltung und Förderung des gemeinschaftlichen Nutzens ihres lieben Vaterlandes, dessen Wohl man keinen Dienst versagen darf, davon abtrünnig gemacht und genötigt hat, daß sie einen andern Weg betreten mußten. In dieser Hinsicht sollet ist der Länge nach kurz vernehmen: Uns allen zu einem augenscheinlichen Exempel, um daraus erlernen zu können, welcher Gestalt wir unsern lieben und frommen Eltern in Tugend und Frömmigkeit nachschlagen, und etwa aus der Not selbst eine Tugend machen sollen. Denn, wenn wir nur dem gemeinen Geschrei und Reden, welche von ihnen im ganzen Lande verbreitet sind, Glauben schenken wollen (was wir wohl tun müssen, wenn wir beherzigen, daß keine Scribenten mehr vorhanden, die zu ihrer Zeit davon geschrieben hätten, deren Schriften und Geschichtsregister aber in der ungeheurigen Feuersbrunst zu Schildburg, mit Allem was darin, namentlich auch den Chroniken, verbrannt sind, wovon an seinem Ort gesprochen werden soll); wenn wir, wiederhole ich, dem gemeinen Geschrei, daß nicht immer richtig, sondern, wo nicht ganz, doch zum Teil unwahr ist, Glauben schenken wollen: so werden wir finden, daß die Vorältern unserer Schildbürger aus Griechenland gekommen, und Nachkommen jener weisen Meister gewesen. Was alles laut obgedachten Spruches aus ihrer edlen Art und hohen Weisheit abzunehmen ist, auch von ihrem Landesnamen Misnoxotamia, was ursprünglich ein griechisch Wort ist. Welcher der weisen Meister aber ihr Stammvater war, ist ihnen eben so unbekannt, als dem Juden Schmol, von welchem Stamm der Kinder Israel er entsprossen sei.
Doch kann man muthmaßen, und ist aus den angeführten Gründen glaublich, daß einer der Weisen, ohne Zweifel nicht der Geringste unter ihnen, denn hievon zeugt das Werk selbst, in die erwähnte Länderei gekommen, sich daselbst mit Weib und Kindern niedergelassen und bei seinem Ableben die letztern hinterlassen habe.
An den Kindern ging nun in Erfüllung, was eben gesagt und in dem sogleich folgenden weitern Sprichwort gemeldet wird; es lautet also:
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Das Kind behält seines Vaters Nam'!
denn sie schlugen ihrem Vater nach an Weisheit und Verstand: daher wollten sie, als Kinder, die einmal gebrennt und mit fremdem Schaden klug und witzig geworden sind, die Undankbarkeit der Griechen, welche Grund ihrer Auswanderung geworden ist, nicht selbst erfahren. Darum wurden sie nun einig, in ihrem neuen Lande zu verbleiben, daselbst gewisse und stete Wohnungen zu machen, sich der Ökonomie zu widmen und damit zu begnügen, daß sie bei einander bleiben und fremder Geschäfte entweder gar nicht, oder doch so wenig als möglich sich annehmen wollen.
Von der großen Weisheit und dem hohen Anstande der Schildbürger, als Ursachen, warum sie von Fürsten und Herren viel von Haus abgefordert und beschickt wurden und dadurch zu Haus in Schaden gerieten.
Daraus nun, daß der erste Schildbürger ein sehr hochverständiger und weiser Mann war, läßt sich leicht erklären, daß er seine Kinder nicht wie das unverständige Vieh, welches keinen Herrn hat, habe herum laufen lassen, oder (wie häufig geschieht) ihre Sorge und Pflege der Mutter überließ, sondern er ist ohne Zweifel ein strenger Vater gewesen, der ihnen nichts Böses übersehen hat, die Sorge über sie, – weil er wohl wußte, wie die Mütter ihre Kinder verwahrlosen – selbst getragen und sie zu allem Guten angewiesen, gelehrt und geführt hat.
Daher sie, von ihrem getreuen Vater und Lehrmeister unterwiesen, fleißig lernten, – wie denn die rechte Unterweisung und Lehre, zu welcher die Natur den Grund und das Fundament in die Hände gibt und selber sehr viel tut, und das einmal angefangene Werk, welches sonst unvollkommen blieb, zur Vollkommenheit führt und ihm einen Namen gibt, wenn das Lehren und das Lernen (welches beisammen sein soll und muß, so etwas Gutes daraus werden soll) in dem Fundament, welches die Natur anfänglich gelegt, in einander greifen und sich eins mit dem andern vergleichen und vereinbaren muß – daher sie, sage ich, auch mit allen Gaben und Tugenden, vorzüglich mit Weisheit auf das Höchste begabt und geziert, ja überschüttet wurden, dergestalt, daß ihnen damals in der Welt, so groß und so weit sie ist, Niemand vorzusetzen, ja nicht einmal zu vergleichen war; denn zu jener Zeit waren die weisen Leute dünn gesäet; es war ein ganz seltsames Ding, wenn sich einer der Art hervortat und sehen ließ. Sie waren nicht so häufig wie gegenwärtig, wo jeder, und besonders die größten Toren und Narren, weise sein und für klug gehalten werden will.
Der Ruhm und das Lob von diesem ihrem hohen Verstand und ihrer vortrefflichen Weisheit erscholl bald in allen umliegenden Städten, ja über alle Länder verbreitete sich ihr Glanz und wurde Fürsten und Herren bekannt. Wie denn ein so herrliches Licht sich nicht leicht verbergen läßt, sondern allzeit hervorleuchtet und seine Strahlen von sich wirft.
Darum geschah es, daß aus den entferntesten Orten, von Kaisern, Königen, Fürsten, Herrn und Städten oft und viel stattliche Botschaften abgeschickt wurden, um bei der Weisheit unserer Schildbürger in zweifelhaften und schwierigen Fällen sich Rats zu erholen, und es war da, wo alles voller Weisheit steckte, guter Rat immer in Überfluß zu finden. Es ergab sich auch nie, daß ihre treuen Anschläge, so wie sie solche gaben, ohne besondern Nutzen abgegangen, und nicht immer das darauf erfolgt wäre, was man gewünscht hatte, wenn man denselben nur gefolgt und nachgelebt ist: was freilich geschehen soll und muß, begehrt man anders etwas Gutes auszurichten. Dieses brachte ihnen erst das rechte Lob bei Jedermann, und gebar ihnen ihren großen Namen durch die ganze Welt.
Sie wurden daher auch, wie sie es wohl wert waren, mehrmals mit Gold, Silber, Edelsteinen und andern köstlichen Sachen und Kleinodien reichlich beschenkt: denn die Weisheit war damals weit höher geschätzt als wirklich, wo die Narren hervorgezogen und obenan, bisweilen auch allein an der Herren Tafel gesetzt, die Weisen aber gering geschätzt, wo nicht gar verachtet und verstoßen werden. Jedoch, als weise und verständige Leute schätzten sie alles gering, denn sie hielten dafür (wie es auch gewiß und wahr ist), daß die Weisheit mit keinem Gut oder Geld zu bezahlen sei, weil solche alles andere so weit übertreffe, wie etwa die Sonne mit ihrem Glanz die übrigen Himmelskörper verfinstert. Denn:
Der Höchst', nach Gott, der weise ist, Dem Gut gebricht zu keiner Frist, Ist reich, frei, schön und wird geehrt, Trotz einem König, der's ihm wehrt.
Endlich kam es dazu, daß Fürsten und Herren, welche sich selbst auf keine Weise mehr raten konnten,