Die Spur im Schnee - Walter Flex - E-Book

Die Spur im Schnee E-Book

Walter Flex

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Beschreibung

Die Spur im Schnee ist eine Novelle von Walter Flex, Auszug: Wenn ich nicht wüßte, daß ich vor wenigen Tagen auf natürlichem Wege mit Pferd und Schlitten hier einpassiert bin, so würde ich es für unmöglich halten, daß jemand von außen in die Einsamkeit des tiefverschneiten Winkels gelangen könnte. Man weiß hier nichts mehr von Himmel und Erde. Das unablässige Flockengeriesel sperrt jede Aussicht. Das Tal ist so tief und verlassen, daß schon die schneebelasteten Wipfel des Fichtenwaldes auf den Höhen ringsum unerreichbar und unsichtbar in dem schweren, dämmergrauen Rauch verschwinden, der wie eine ewige drückende Nacht mählich vom Himmel auf Berg und Tal herniedersank. Und solange sie währt, bin ich ein Gefangener dieses verträumten Thüringer Walddörfchens, aus dem kein erkennbarer Weg mehr hinausführt, auf dessen weichem Schneefeld weit im Umkreis keine andere Spur als etwa der baldverwehte Eindruck eines Vogelfußes zu sehen ist. Ich frage mich manchmal, ob die Raben, die ich zuweilen von meinem Fenster aus wie tote, schwarze Klumpen im weißen Schnee liegen sehe, noch jemals mit verdrießlichem Krächzen vor dem langvergessenen Klang heller Schlittenglöckchen entfliehen werden.

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Seitenzahl: 20

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Die Spur im Schnee

Die Spur im SchneeAnmerkungenImpressum

Die Spur im Schnee

Wenn ich nicht wüßte, daß ich vor wenigen Tagen auf natürlichem Wege mit Pferd und Schlitten hier einpassiert bin, so würde ich es für unmöglich halten, daß jemand von außen in die Einsamkeit des tiefverschneiten Winkels gelangen könnte. Man weiß hier nichts mehr von Himmel und Erde. Das unablässige Flockengeriesel sperrt jede Aussicht. Das Tal ist so tief und verlassen, daß schon die schneebelasteten Wipfel des Fichtenwaldes auf den Höhen ringsum unerreichbar und unsichtbar in dem schweren, dämmergrauen Rauch verschwinden, der wie eine ewige drückende Nacht mählich vom Himmel auf Berg und Tal herniedersank. Und solange sie währt, bin ich ein Gefangener dieses verträumten Thüringer Walddörfchens, aus dem kein erkennbarer Weg mehr hinausführt, auf dessen weichem Schneefeld weit im Umkreis keine andere Spur als etwa der baldverwehte Eindruck eines Vogelfußes zu sehen ist. Ich frage mich manchmal, ob die Raben, die ich zuweilen von meinem Fenster aus wie tote, schwarze Klumpen im weißen Schnee liegen sehe, noch jemals mit verdrießlichem Krächzen vor dem langvergessenen Klang heller Schlittenglöckchen entfliehen werden.

Ein einsames Hausen zu zweit, dessen Ende niemand absehen kann, ist aus dem geplanten kurzen Besuch bei meinem alten Schulfreunde, dem Pfarrherrn, geworden. Ein Hausen zu zweit, obwohl noch ein dritter Bewohner im Hause sein Wesen treibt, ein Mensch, der mir bisweilen vorkommt wie die Seele dieser schwermütigen und unergründlichen Stille, von der ich bisweilen glaube, daß er uns verläßt und in nichts verschwindet, wenn der drückende Alp dieser dämmernden Tage weicht.

Es ist ein blasser, langaufgeschossener Knabe von vierzehn Jahren. Und wenn ich an ihn denke und mir ihn vorstellen will, merke ich, daß ich mir eigentlich nichts in Erinnerung rufe als ein paar graue Augen von gewöhnlicher Größe und gewöhnlicher Farbe, an denen nichts auffallend ist als ihre tiefe, hoffnungslose Traurigkeit. Eben tönt vom Kirchplatz herauf das Johlen und Kreischen der Bauernjungen, die sich mit Besen und Schippen soviel Raum geschafft haben, als zu ihren Schneeballschlachten und Raufereien nötig ist; und ohne auf den Platz hinauszutreten und nach den obersten Fenstern des Pfarrhauses hinaufzuschauen, weiß ich, daß sich jetzt dort oben ein blasses Kindergesicht an die Scheiben drückt. Unter der Stirn, die durch den leichten Druck noch etwas weißer wird, blicken jene müden, hoffnungslosen Kinderaugen wie auf etwas Unverstandenes oder Unsichtbares, ich weiß nicht auf was.

Es ist immer wieder dasselbe traurige Bild, Tag für Tag, und ist fast etwas Alltägliches geworden, etwas so Alltägliches, daß schon nicht mehr einer den andern anstößt, wenn sein Blick zufällig hinauffliegt und die seltsam unlebendige Gestalt streift.