Die sterbenden Sonnen - - Carolyn J. Cherryh - E-Book

Die sterbenden Sonnen - E-Book

Carolyn J. Cherryh

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Beschreibung

Unter sterbenden Sonnen

Die Regul sind die mächtigsten Handelsherren der Galaxis und ein altes, erfahrenes Volk. Aber irgendwie scheinen sie diese junge Rasse, mit der sie einen Krieg angezettelt haben, unterschätzt zu haben: die Menschen. Für die Regul kämpfen die Mri Kel‘en, erbarmungslose Söldner mit einem strengen Ehrenkodex. Welt um Welt wird vernichtet, das Blut zahlloser Unschuldiger vergossen. Erst als Sten Duncan, ein Einzelkämpfer und Spezialist für lebensfeindliche Planeten von der Erde, einen der führenden Mri persönlich kennenlernt und sein Vertrauen gewinnt, scheint der Friede in greifbarer Nähe. Aber der Weg dorthin ist lang, denn die Regul sehen plötzlich in den Menschen eine Möglichkeit, sich einen alten, aber gefährlichen Verbündeten vom Hals zu schaffen …

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C. J. CHERRYH

DIE STERBENDEN

SONNEN

KESRITH – SHON'JIR – KUTATH

Das Buch

Die Regul sind die mächtigsten Handelsherren der Galaxis und ein altes, erfahrenes Volk. Aber irgendwie scheinen sie diese junge Rasse, mit der sie einen Krieg angezettelt haben, unterschätzt zu haben: die Menschen. Für die Regul kämpfen die Mri Kel'en, erbarmungslose Söldner mit einem strengen Ehrenkodex. Welt um Welt wird vernichtet, das Blut zahlloser Unschuldiger vergossen. Erst als Sten Duncan, ein Einzelkämpfer und Spezialist für lebensfeindliche Planeten von der Erde, einen der führenden Mri persönlich kennenlernt und sein Vertrauen gewinnt, scheint der Friede in greifbarer Nähe. Aber der Weg dorthin ist lang, denn die Regul sehen plötzlich in den Menschen eine Möglichkeit, sich einen alten, aber gefährlichen Verbündeten vom Hals zu schaffen …

Der Autor

Titel der Originalausgaben

THE FADED SUN: KESRITH

THE FADED SUN: SHON'JIR

THE FADED SUN: KUTATH

Aus dem Amerikanischen von Thomas Schichtel

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1978, 1978, 1979 by Caroline Janice Cherryh

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Das Illustrat

INHALT

Erster Roman – Kesrith

Zweiter Roman – Shon'jir

Dritter Roman – Kutath

ERSTER ROMAN

Für Don Wollheim

1

Windkind, Sonnenkind, was ist Kath?

Kindergebärer, Freudenbringer, das ist Kath.

Es war ein Spiel, Shon'ai, das Spiel des Weiterreichens im Kel-Stil in der matt erleuchteten runden Halle des Kel im Mittelpunkt des Hauses – schwarzgekleidete Männer und eine schwarzgekleidete Frau, ein Zehnerkreis. Als Krieger spielten sie nicht wie Kinder in der Runde, mit ein paar Steinen, sondern mit den sich drehenden Klingen der As'ei, die verwunden oder töten konnten. Beim Namensschlag, dem Schnappen der Finger, flogen die As'ei über den Kreis der sitzenden Spieler, und geübte Hände fassten die Hefte in der mittleren Drehung, um die Zeit zu schlagen und beim nächsten Namensschlag die Klingen weiterzuschleudern.

Feuerkind, Sternenkind, was ist Kel?

Schwertträger, Sangesweber, das ist Kel.

Sie spielten ohne Worte, nur mit dem Rhythmus ihrer Hände und der Waffen, des Fleisches und des Stahles. Der Rhythmus war so alt wie die Zeit und so vertraut wie die Kindheit. Das Spiel hatte eine größere Bedeutung als die bloße Durchführung, größer als die Einfachheit der Worte. Es wurde das Spiel des Volkes genannt.

Dämmerungskind, Erdkind, was ist Sen?

Runenzeichner, Hausvorsteher, das ist Sen.

Ein Kel'en der zurückwich, dessen Auge versagte oder dessen Verstand wanderte, hatte im Haus keinen Wert. Die Jungen und Mädchen und Frauen des Kath spielten mit Steinen, um ihre Geschicklichkeit zu üben. Diejenigen, die Kel'ein wurden, spielten fortan mit geschärftem Stahl. Wie die Mütter und Kinder des freundlichen Kath lachte das Kel, während es spielte. Die Angehörigen der Kel-Kaste lebten kurz und hell wie die Motten. Sie erfreuten sich des Lebens, weil sie das wussten.

Dann-Kind, Jetzt-Kind, was sind wir?

Traumsucher, Lebensträger, das sind wir …

Eine Tür öffnete sich widerhallend, das Geräusch klang durch die Höhlen und die Tiefen des Turmes. Sen Sathell brach über sie herein, plötzlich und ohne Warnung oder Höflichkeiten.

Der Rhythmus endete. Die Klingen ruhten in den Händen Niuns, des jüngsten Kel'en. Das Kel insgesamt neigte die Köpfe respektvoll vor Sathell s'Delas, Oberhaupt der Sen-Kaste, der Gelehrten. Er war goldgekleidet und fiel wie Licht in die dunkle Halle des kriegerischen Kel, und er war sehr alt – der älteste Mann im Haus.

»Kel'anth«, sagte er ruhig, an Eddan gewandt, seinen Gegenpart im Kel, »Kel'ein – es sind Neuigkeiten eingetroffen. Es geht das Gerücht, dass der Krieg zu Ende ist. Die Regul haben die Menschen um Frieden ersucht.«

Es herrschte völlige Stille.

Eine plötzliche Bewegung. Die As'ei schwirrten und gruben Kerben in den bemalten Verputz der entfernten Wand.

Der jüngste Kel'en stand auf und verschleierte sich, schritt von den anderen weg und ließ den Schrecken in seinen Fußstapfen zurück.

Der Sen'anth und der Kel'anth sahen sich gegenseitig an, alte Männer und Verwandte, hilflos in ihrem Schmerz.

Und in den tiefsten Schatten regte sich eines der Dusei, eine braune Gestalt mit hängenden Schultern, größer als ein Mann, stand auf und schlenderte hervor ins Licht, in dieser düsteren, abwesenden Haltung der Dusei. Es bahnte sich respektlos seinen Weg zwischen den beiden Ältesten hindurch und drückte im Verlangen nach Trost seinen massigen Kopf an den Kel'anth, der sein Meister war.

Kel'anth Eddan tätschelte das Tier mit vom Alter weichen Fingern und blickte zu dem alten Gelehrten auf, der, abgesehen vom Unterschied der Kaste und Pflicht, sein Halbbruder war. »Ist diese Nachricht über jeden Zweifel erhaben?«, fragte er, wobei noch eine letzte Spur von Hoffnung in seiner Stimme mitschwang.

»Ja. Die Quelle sind öffentliche Bekanntmachungen der Regul, keine Stadtgerüchte. Es scheint völlig glaubwürdig zu sein.« Sathell raffte seine Gewänder um sich, klemmte sie zwischen die Knie und ließ sich auf dem teppichbedeckten Boden zwischen den Kel'ein nieder, die gemächlich auswichen, um für ihn Platz in ihrem Kreis zu schaffen.

Diese zehn waren, abgesehen von einem, die Ältesten des Hauses.

Sie waren Mri.

Wenn sie in ihrer Sprache diese Äußerung machten, bezeichneten sie sich einfach als ›das Volk‹. Ihre Worte für andere Arten war Tsi'mri, was ›Nicht-Volk‹ bedeutete, und umfasste gleichermaßen Philosophie und Religion der Mri sowie die persönlichen Einstellungen der Ältesten.

Als Art waren sie goldgetönt. Mri-Legenden besagten, dass das Volk aus der Sonne geboren war: Haut, Augen, die groben schulterlangen Mähnen, alles war bronzen und golden. Hände und Füße waren lang und schmal und gehörten zu einer großen, schlanken Rasse. Ihre Sinne waren selbst im hohen Alter noch sehr scharf, das Gehör im besonderen äußerst empfindlich. Ihre Augen besaßen gefaltete doppelte Lider, denn eine Nickhaut schützte reflexhaft die Sicht vor wehendem Staub.

Außenstehende glaubten, dass sie eine Art von Kriegern waren, von Söldnern – denn Außenstehende sahen das Kel, selten das Sen und niemals das Kath. Mri dienten Außenstehenden gegen Bezahlung – dienten als Regul, den massigen Tsi'mri-Kaufleuten, die von Nurag stammten, einem Planeten des Sternes Mab. Seit vielen Jahrhunderten hatten sich Mri-Kel'ein verdingt, um den Handel der Regul zwischen den Welten zu beschützen, im allgemeinen von einer Regul-Gesellschaft als Verteidigung gegen die Absichten und die Skrupellosigkeit eines Geschäftsrivalen angestellt, und demzufolge hatten Mri gegen Mri gekämpft. Diese Jahre und dieser Dienst waren gut für das Volk gewesen, dieses Kräftemessen zwischen Kel'ein in verschiedenen Diensten im richtigen und traditionellen Kampf, wie es immer gewesen war. Solche Waffengänge förderten die Kraft des Volkes, vernichteten die Schwachen und Untauglichen und ehrten die Starken. In diesen Jahren hatten die Tsi'mri-Regul sich selbst als kampfunfähig und ungeübt im Planen von Strategien erkannt und vernünftigerweise alle Konfliktfälle dem Mri-Kel überlassen, um sie nach Art der Mri beizulegen.

Aber in den letzten vierzig Jahren hatten die Mri den vereinigten Regul gegen alle Menschen beigestanden. Es war eine bittere und hässliche Auseinandersetzung, der die Ehre und jede Genugtuung von Seiten des Feindes fehlte. Die Ältesten der Mri waren alt genug, um sich daran zu erinnern, wie das Leben vorher gewesen war, und wussten daher, welche Veränderungen der Krieg bewirkt hatte; und sie waren mit ihnen nicht einverstanden. Die Menschen kämpften in Massen, waren Herdentiere, und kannten ganz einfach keine andere Art der Kriegsführung. Die Mri, die einzeln kämpften, hatten dies schon früher vermutet, es mit ihrem Leben herausgefunden, es als bittere Wahrheit erkannt. Die Menschen wiesen das A'ani, den ehrbaren Kampf, zurück, akzeptierten keine Herausforderung und verstanden nichts außer ihren eigenen Methoden, die aus weitläufiger Vernichtung bestanden.

Die Mri hatten sich der Notwendigkeit gebeugt, von der Menschheit zu lernen, den Methoden des Feindes, und hatten begonnen, ihre Unternehmungen und ihren Dienst für die Regul entsprechend anzupassen. Die Mri waren Profis, wenn es zum Kampf kam. Jede Neuerung war bei den Yin'ein, den alten Waffen, die im A'ani benutzt wurden, ehrlos und undenkbar. Aber bei den Zahen'ein, den modernen Waffen, waren Neuerungen einfach eine Frage des Austauschens und der Anpassung von Methoden, eine Frage der Kompetenz in dem Beruf, den Mri ihr Leben lang ausübten.

Die Regul waren unglücklicherweise weniger fähig, neue Taktiken zu übernehmen. Sie besaßen gewaltige und genaue Erinnerungen. Sie konnten niemals vergessen, was immer geschehen war, aber umgekehrt konnten sie sich nichts vorstellen, was bislang noch nicht geschehen war, und sie machten keine Pläne, um es zu verhindern. In Bezug auf ihre persönliche Sicherheit waren die Regul zuvor völlig von den Mri abhängig gewesen, und die Voraussicht der Mri – denn diese besaßen Vorstellungskraft – hatte sie beschützt und ihre Blindheit gegenüber dem Unerwarteten ausgeglichen. Aber als der Krieg später anfing, Regul das Leben zu nehmen und ihr Eigentum zu bedrohen, nahmen sie die Sache in ihre eigenen ungeübten Hände. Die Regul gaben Befehle aus, die ihrer Einschätzung nach klug waren, aber deren Durchführung militärisch unmöglich war.

Um der Ehre willen hatten die Mri versucht zu gehorchen.

Um der Ehre willen waren Mri zu Tausenden gestorben.

In diesem Haus auf dieser Welt lebten nur noch dreizehn Mri. Zwei waren jung. Die übrigen machten die Politik – ein Rat der Alten und Veteranen. Vor vielen Jahrhunderten hatte das Haus allein über zweitausend im Kel beherbergt. Im gegenwärtigen Zeitalter waren alle außer diesen wenigen ihren Weg in den Krieg und den Tod gegangen.

Und ihr Krieg war verloren worden, von den Regul, die die Menschen um Frieden ersucht hatten.

Sathell blickte sich um und machte sich Gedanken um diese alten Kel'ein, die ihren eigenen Dienstjahre überlebt hatten, deren Gedächtnis ihnen in einigen Angelegenheiten die Perspektive von Sen'ein gab. Sie waren Ehemänner der She'pan – Waffenmeister, solange es noch Kath-Kinder gegeben hatte, die zu unterrichten waren. Und es gab Pasev, die einzige Überlebende Kel'e'en des Hauses, die nach Eddan selbst am meisten an den Yin'ein Geübte. Da waren Dahacha und Sirain von Nisren; Palazi und Quaras und Lieth von Guragen, einem toten Haus, die Zuflucht bei der Mutter dieses Hauses gesucht hatten und von ihr als Ehemänner angenommen worden waren. Und aus einem weiteren toten Haus stammten die Wahrbrüder Liran und Debas. Sie waren Angehörige eines Zeitalters, das bereits vergangen war, einer Zeit, die das Volk nie mehr erleben würde. Sathell spürte ihre Trauer und deren Widerhall in den Tieren, die sich in den Schatten aneinander drängten. Eddans Dus, dessen Art angeblich nie mit einer anderen Kaste als den Kel-Kriegern gutgestanden hatte, schnupperte kritisch an den goldenen Gewändern des Gelehrten, erduldete eine Berührung und schob seine große Masse dann ein wenig dichter heran, runzelte dichtbepelzte Fleischmassen und akzeptierte schamlos die Zuneigung, wo sie angeboten wurde.

»Eddan«, sagte Sathell und streichelte die warme Schulter des Tieres, »ich muss dir auch mitteilen, dass die Meister sehr wahrscheinlich diese Welt abtreten werden, wenn die Menschen das als Teil des Friedens verlangen sollten.«

»Das wäre eine sehr weitgehende Regelung«, meinte Eddan.

»Nicht in Bezug auf das, was wir gerade gehört haben. Es wird berichtet, dass die Menschen die gesamte Front kontrollieren, dass die Regul-Lords vollständig auf dem Rückzug sind, dass die Menschen sich in der Position befinden, alle umkämpften Gebiete erreichen zu können. Sie haben Elag genommen.«

Es herrschte Stille. Anderswo im Turm wurde eine Tür geschlossen. Schließlich zuckte Eddan die Achseln und machte mit seinen schlanken Fingern eine Geste. »Dann werden die Menschen ganz sicher diese Welt fordern. In ihrem Verlangen nach Rache werden sie nur sehr wenig auslassen. Und die Regul haben uns dem ausgeliefert.«

»Es ist unglaublich«, meinte Pasev. »Götter! Es war für die Regul nicht nötig, nicht im geringsten nötig, Elag zu verlassen. Das Volk hätte es halten können, hätte die Menschen zurückschlagen können, sofern die erforderliche Ausrüstung zur Verfügung gestanden hätte.«

Sathell machte eine hilflose Geste. »Vielleicht. Aber halten: für wen? Die Regul haben sich zurückgezogen, haben alles mitgenommen, was dort für die Verteidigung gebraucht wurde, haben Schiffe unter ihre Kontrolle gezwungen. Nun sind wir – Kesrith – die Grenze. Du hast recht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Regul auch hier keinen Widerstand leisten werden. In der Tat ist es für sie nicht vernünftig, das zu tun. Wir haben getan, was wir konnten. Wir haben Rat gegeben, wir haben gewarnt – und wenn unsere Auftraggeber es ablehnen, diesen Rat anzunehmen, so können wir wenig mehr tun, als ihren Rückzug decken, da wir sie von diesem nicht zurückhalten können. Gegen unseren Rat haben sie die Kriegsführung in die eigenen Hände genommen. Jetzt haben sie ihren Krieg verloren; wir nicht. Der Krieg hat vor einigen Jahren aufgehört, unser Krieg zu sein. Nun seid ihr schuldlos, Kel'ein. Davon könnt ihr ausgehen. Es gibt einfach nichts mehr, was noch getan werden könnte.«

»Es gab einmal etwas, das hätte getan werden können«, beharrte Pasev.

»Das Sen hat oft versucht, mit den Meistern zu reden. Entsprechend dem alten Abkommen haben wir unsere Dienste und unseren Rat angeboten. Wir konnten nicht …« Im Sprechen hörte Sathell die Schritte des Jungen die Treppe hinab, und die Störung unterbrach seinen Gedankengang. Er starrte unwillkürlich in die Halle hinein, als die Tür unten an der Treppe gewaltsam zugeschlagen wurde. Er warf dem Kel einen kummervollen Blick zu. »Sollte nicht wenigstens einer von euch mit ihm reden?«

Eddan zuckte die Achseln, verlegen in seiner Autorität. Sathell wusste es. Er baute auf Verwandtschaft und Freundschaft und ging zu weit mit Eddan, als er diesen Protest vorbrachte. Er liebte Niun; das taten sie alle. Aber selbst wenn sie fehlgeleitet war, war die Autonomie des Kels betreffs der Disziplin seiner Mitglieder heilig. Nur die Mutter konnte in Eddans Bereich eingreifen.

»Niun hat doch seinen Grund, meinst du nicht?«, fragte Eddan ruhig. »Sein ganzes Leben lang hat er sich auf diesen Krieg vorbereitet. Er ist kein Kind des alten Weges wie wir. Und jetzt ist ihm auch der neue verschlossen. Du hast ihm etwas genommen. Was erwartest du von ihm, Sen Sathell?«

Sathell erkannte die Wahrheit darin, und da er nicht in der Lage war, mit Eddan in dieser Angelegenheit zu streiten, senkte er den Kopf und versuchte, die Dinge so zu sehen, wie sie ein junger Kel'en sehen könnte. Man konnte dem Kel nichts erklären, man konnte es nicht in einer Debatte bezwingen noch von ihm Voraussicht erwarten. Als Kinder des Tages waren die Kel'ein kurz angebunden und leidenschaftlich, ohne Gestern und ohne Morgen. Ihre Unwissenheit war der Preis, den sie für die Freiheit bezahlten, das Haus zu verlassen und unter Tsi'mri zu gehen; und sie kannten ihren Platz. Wenn ein Sen'en sie mit Vernunft herausforderte, konnten sie ihrerseits einfach nur den Kopf senken und sich ins Schweigen zurückziehen: sie hatten nichts, womit sie antworten konnten. Und es war gewissenlos, den Frieden ihres Geistes zu zerstören. Wissen ohne Macht war die schlimmste aller Situationen.

»Ich denke«, sagte Sathell, »dass ich euch alles berichtet habe, was ich euch im Moment berichten kann. Ich werde euch unverzüglich benachrichtigen, sobald es weitere Neuigkeiten gibt.« Inmitten dieser Stille erhob er sich und glättete seine Gewänder, vermied behutsam das reflexhafte Zuschnappen des Dus. Das Tier fasste nach seinem Knöchel, harmlos in der Absicht, aber nicht in den Fähigkeiten. Niemand außer einem Kel'en durfte mit den Dusei vertraulich umgehen. Sathell hielt inne und blickte Eddan an, der das Tier mit einer Berührung zurechtwies und ihn so befreite.

Er entzog sich der massigen Tatze und warf einen letzten Blick auf Eddan; aber Eddan sah weg, täuschte vor, an Sathells Abschied nicht weiter interessiert zu sein. Sathell hatte nicht vor, öffentlich in dieser Angelegenheit Druck auszuüben. Er kannte seinen Halbbruder und wusste, dass der Schmerz genau seinen Grund in der gegenseitigen Zuneigung hatte. In der Öffentlichkeit gab es eine sorgsam gezogene Grenze zwischen ihnen. Das musste so sein, wenn Verwandte durch Kasten getrennt waren, um den Stolz des Geringeren zu wahren.

Sathell verabschiedete sich mit formeller Höflichkeit von den anderen, zog sich zurück und freute sich, diese grimmige Halle verlassen zu haben, so schwer war dort die Luft mit dem Ärger enttäuschter Männer durchsetzt und dem der Dusei, deren Zorn langsamer, aber gewalttätiger war. Er war jedoch erleichtert darüber, dass sie allem zugehört hatten, was er zu sagen gehabt hatte. Es würde keine Gewalt geben, keine irrationale Handlung, die das Schlimmste war, was man vom Kel befürchten konnte. Sie waren alt. Die Alten konnten sich gruppenweise miteinander unterhalten, sich gegenseitig beratschlagen. In der Jugend war der Kel'en ein Einzelkämpfer, unbekümmert und ohne Perspektive.

Sathell erwog, Niun zu folgen, und wusste nicht, was er ihm sagen sollte, wenn er ihn gefunden hatte. Seine Pflicht war es, anderswo Bericht zu erstatten.

Und als sich die Tür schloss, zog die betagte Pasev, Kel'e'en, Veteranin der ersten Einnahme von Nisren und Elag, die As'ei aus dem abgesplitterten Verputz und zuckte nur die Achseln über den Sen'anth. Sie zählte mehr Jahre und hatte mehr vom Krieg erlebt als jeder andere lebende Krieger außer Eddan selbst. Trotzdem spielte sie das Spiel, wie es alle taten, einschließlich Eddan. Es war ein ebenso ehrenwerter Tod wie der im Krieg.

»Lasst es uns zu Ende spielen«, sagte sie.

»Nein«, erwiderte Eddan fest. »Nein, nicht jetzt.«

Er hielt ihren Blick fest, während er sprach. Sie sah ihn offen an, den betagten Liebhaber, betagten Rivalen, betagten Freund. Ihre schlanken Finger streiften über die scharfe Kante des Stahls, aber sie verstand den Befehl.

»Aye«, sagte sie, und die As'ei wirbelten an Eddans Schulter vorbei und gruben sich in die gemalte Karte von Kesrith, die die östliche Wand schmückte.

»Das Kel hat die Neuigkeiten mit mehr Zurückhaltung aufgenommen, als ich von ihm erwartet hatte«, sagte Sen Sathell. »Aber sie haben sich auch nicht darüber gefreut. Sie fühlen sich betrogen. Sie empfinden es als Verstoß gegen ihre Ehre. Und Niun ging fort. Er wollte nicht einmal alles anhören. Ich weiß nicht, wo er hingegangen ist. Ich bin betroffen.«

She'pan Intel, die Lady Mutter des Hauses und des Volkes, lehnte sich in ihre zahlreichen Polster zurück und ignorierte einen stechenden Schmerz. Der Schmerz war ein alter Gefährte. Sie kannte ihn seit dreiundvierzig Jahren, seitdem sie gleichzeitig ihre Kraft und ihre Schönheit in den Feuern des brennenden Nisren verloren hatte. Selbst damals war sie nicht mehr jung gewesen. Selbst damals schon war sie She'pan der Heimatwelt gewesen, Herrscherin über alle drei Kasten des Volkes. Sie gehörte zur ersten Reihe des Sen, stand über Sathell, ebenso über den anderen She'panei, den wenigen, die noch lebten. Sie kannte die Mysterien, die den anderen verschlossen waren; sie kannte den Namen und das Wesen des Heiligen und der Götter; und die Pana, die Verehrten Gegenstände, befanden sich in ihrem Gewahrsam. Ihr Wissen umfasste Tiefe und Weite, Geburt und Bestimmung ihrer Nation.

Sie war She'pan eines sterbenden Hauses, älteste Mutter einer sterbenden Art. Das Kath, die Kaste der Kindergebärer und Kinder, war tot, sein Turm dunkel und seit zwölf Jahren geschlossen. Die letzte der Kath'ein ruhte schon lange in den Felsen von Sil'athen, und die letzten Kinder, mutterlos, abgesehen von ihr, waren ihrer Bestimmung nach draußen gefolgt. Die Zahl ihres Kel war auf zehn gesunken, und das Sen …

Das Sen befand sich vor ihr: Sathell, der Älteste, der Sen'anth, dessen schwaches Herz ständig nur einen Schlag von der Dunkelheit entfernt war; und das Mädchen, das im Moment zu ihren Füßen saß. Sie, die Lichtträger, die Hochkaste, trugen die goldenen Gewänder. Intels eigene Gewänder waren weiß, unbeeinträchtigt durch die Kontraste des Schwarz, Blau und Gold in der Kleidung der geringeren She'panei. Deren Wissen war fast vollständig, während ihres umfassend war. Würde ihr Herz in diesem Augenblick stehenbleiben, wäre dem Volk so viel, so unberechenbar viel verloren. Die Überlegung, wie viel in jedem Herzschlag und jedem Atemzug auf ihr ruhte, war furchteinflößend inmitten solcher Qual.

Dass Haus und Volk nicht sterben!

Das Mädchen Melein blickte zu ihr auf – Melein s'Intel Zain-Abrin, die einmal Kel'e'en gewesen war, das letzte aller Kinder. Gelegentlich zeigte Melein noch die Heftigkeit des Kel, wenn sie auch äußerlich die Gewänder und die Kastenheiterkeit des gelehrten Sen angenommen hatte, wenn auch die Jahre ihr andere Fähigkeiten geschenkt hatten und sich ihr Geist weit über die Einfachheit einer Kel'e'en hinaus entwickelt hatte. Intel strich über Meleins Schulter, eine Liebkosung. »Geduld«, riet sie, als sie Meleins Angst sah, und sie wusste, dass der Rat in jeder Beziehung abgelehnt werden würde.

»Lass mich Niun suchen und mit ihm reden«, bat das Mädchen.

Bruder und Schwester, Niun und Melein – und sie waren eng verbunden, obwohl sie durch das Gesetz und den Erlass der She'pan und die Kaste und die Gebräuche getrennt worden waren. Kel'en und Sen'e'en, dunkel und hell, Hand und Geist; aber in Herz und Blut waren sie dasselbe. Intel erinnerte sich an das Paar, dem diese beiden das Leben verdankten, ihren jüngsten und am meisten geliebten Ehemann und eine Kel'e'en von Guragen, beide jetzt verloren. Sein Gesicht, seine Augen, die sie durch die Augen Meleins und Niuns wieder anblickten, hatten sie die Keuschheit einer She'pan bedauern lassen, und sie erinnerte sich daran, dass er auch einen starken Willen gehabt hatte, heißblütig und klug gewesen war. Vielleicht hasste Melein sie; sie hatte den Befehl, das Kel zu verlassen und dem Sen beizutreten, nur unwillig entgegengenommen. Aber sie zeigte jetzt keinen Trotz, obwohl die She'pan danach suchte. Melein zeigte nur Angst, nur einen natürlichen Kummer um den Schmerz ihres Bruders.

»Nein«, erwiderte Intel scharf, »ich befehle dir, ihn allein zu lassen.«

»Er könnte sich etwas antun, She'pan.«

»Das wird er nicht. Du unterschätzt ihn. Er braucht dich jetzt nicht. Du gehörst nicht mehr zum Kel, und ich bezweifle, dass es ihm im Augenblick recht wäre, einer des Sen gegenüberzustehen. Was könntest du ihm auch sagen? Was könntest du ihm antworten, wenn er dir Fragen stellte? Könntest du schweigen?«

Das saß. »Vor sechs Jahren wollte er Kesrith verlassen«, sagte Melein, in deren Augen unvergossene Tränen schimmerten; und möglicherweise war es nicht nur die Sache ihres Bruders, für die sie jetzt sprach, sondern auch ihre eigene. »Du wolltest ihn nicht gehen lassen. Jetzt ist es zu spät, She'pan. Es ist auf immer zu spät für ihn, und was kann er für sich selbst erwarten? Was gibt es für ihn?«

»Denke darüber nach«, sagte Intel, »und teile mir deine Antwort mit, Sen Melein s'Intel, nachdem du einen Tag und eine Nacht damit zugebracht hast. Aber mische dich nicht mit deinem Rat in die Privatangelegenheiten eines Kel'en. Und betrachte ihn nicht als deinen Bruder. Eine Sen'e'en hat keine andere Verwandtschaft als das Haus als ganzes, und das Volk.«

Melein stand auf und blickte auf Intel herab, und ihre Brust hob und senkte sich unter mühevollen Atemzügen. Sie war schön, diese ihre Tochter: Intel sah sie in diesem Augenblick und war erstaunt darüber, wie sehr Melein, die nicht von ihrem Blut war, zu dem geworden war, was ihre eigene Jugend einmal versprochen hatte – erblickte ihr eigenes Spiegelbild vor dem Fall von Nisren, vor dem Niedergang des Hauses und ihrer eigenen Hoffnungen. Der Anblick wunderte sie. In diesem Augenblick verstand und kannte sie die Sen'e'en, die Melein war, und fürchtete und liebte sie gleichzeitig.

Melein, die ihren, Intels, Tod kaum bedauern würde.

Sie hatte sie selbst dazu gemacht, absichtlich, Ereignis auf Ereignis, Entscheidung auf Entscheidung, ihre nicht leibliche Tochter, ihr Kind, ihre Erwählte, bei Kath und Kel und Sen gebildete, Teilnehmerin an den Mysterien aller Kasten des Volkes.

Die sie hasste.

»Lerne Zurückhaltung«, forderte sie von Melein mit ruhiger, sanfter Stimme, die nur mühsam in Meleins Ärger vordrang. »Lerne, eine Sen'e'en zu sein, Melein, mehr als alles andere, das du dir wünschst.«

Die junge Sen'e'en stieß zitternd den Atem aus, und Tränen quollen aus ihren Augen. Da für den Augenblick ihre Pläne durchkreuzt waren, wurde sie wieder zum Kind; aber dieses Kind war gefährlich.

2

Eine Trennungslinie durchzog die Welt, markiert durch einen Straßendamm aus weißem Fels. Auf der einen Seite und am unteren Ende lebten die Regul von Kesrith – Stadtleute mit langsamen Bewegungen und langem Gedächtnis. Die Tieflandstadt gehörte allein ihnen: flache, ausgedehnte Gebäude; einen Hafen; Handel mit den Sternen, Bergbau, der die Erde zernarbte; eine Anlage, die dem Alkalimeer Wasser entnahm. Das Land war die Dus-Ebene genannt worden, bevor es Regul auf Kesrith gab; die Mri erinnerten sich daran. Aus diesem Grund, aus Respekt vor den Dusei, hatten die Mri die Ebene gemieden. Die Regul hatten jedoch darauf bestanden, dort ihre Stadt zu errichten, und die Dusei waren dort weggegangen.

Im Hochland, in den zerklüfteten Bergen am anderen Ende des Straßendammes, erhob sich der Turm der Mri. Er wirkte wie vier verkürzte Kegel, die an den Ecken eines trapezförmigen Grundrisses standen – die schrägen Wände waren aus der bleichen Erde des Tieflandes gefertigt, die man behandelt und gehärtet hatte. Dies war das Edun Kesrithun, das Haus von Kesrith, das Heim der Mri von Kesrith, und wegen Intel das Heim aller Mri im weiten Universum.

Von dem Aussichtspunkt, den Niun in seinem einsamen Zorn eingenommen hatte, konnte man den größten Teil der Kesrithi-Zivilisation sehen. Er kam oft hierher zu diesem höchsten Teil des Straßendammes, zu diesem eigensinnigen Felsvorsprung, der die Regul-Straße abgewehrt und die Meinung der Regul über ihre Pläne geändert hatte, sie in die Berge und das Heiligtum von Sil'athen hinein auszubauen. Niun mochte ihn deswegen, wie auch wegen der Aussicht. Unter ihm lagen die Regul-Städte und das Mri-Edun, zwei sehr kleine Narben auf dem Körper der weißen Erde. Über ihm, in den Bergen und dahinter und noch weiter dahinter, gab es nur noch Regul-Automaten, die der Erde Minerale entnahmen und Regul-Kesrith den Grund für seine Existenz lieferten; und wilde Dinge gab es dort, denen die Welt gehört hatte, bevor die Regul und die Mri gekommen waren; und die schwerfälligen Dusei, die einst Kesriths höchste Lebensform gewesen waren.

Niun saß brütend auf dem Felsen, der die Welt überblickte, und hasste die Tsi'mri mit mehr als nur mit dem üblichen Hass der Mri auf Fremde, der schon beträchtlich war. Niun war sechsundzwanzig Jahre alt, nach der Jahresrechnung des Volkes, die sich nicht nach Kesriths Orbit um Arain richtete und auch nicht nach dem Standard von Nisren oder einer der beiden anderen Welten, die das Volk in der Zeitspanne, an die die Lieder des Kel erinnerten, als Heimatwelt bezeichnet hatte.

Selbst nach den Maßstäben seines Volkes war Niun groß. Seine hohen Wangenknochen trugen die Seta'al, die Dreifach-Sterne seiner Kaste, blaugefärbt und unauslöschlich. Sie besagten, dass er ein voll-flügges Mitglied des Kel war, der Hand des Volkes. Und als Angehöriger des Kel war er vom Kragen bis zu den Stiefelspitzen in schlichtes Schwarz gewandet; und ein schwarzer Schleier und ein mit Quasten verziertes Kopftuch, Mez und Zaidhe, verbargen alles außer Stirn und Augen vor Außenstehenden, wenn er beschoss, ihnen zu begegnen. Das Zaidhe hatte außerdem noch einen dunklen, transparenten Sichtschutz, der die Verschleierung vervollständigen konnte, wenn Staub wehte oder das rote Licht Arains seinen unangenehmen Zenit erreichte. Niun war ein Mann: sein Gesicht und seine Gedanken wurden als private Identität erachtet, und es war ungebührlich, sie Fremden zu offenbaren. Die Schleier umhüllten ihn wie die Gewänder, ein entscheidendes Merkmal der einzigen Kaste des Volkes, die mit Außenstehenden verkehren konnte. Die schwarzen Gewänder, die Siga, wurden über Taille und Brustkorb von Gürteln gehalten, die seine verschiedenen Waffen trugen; ebenso hätten sie J'tai halten sollen, Medaillen, für seine Dienste am Volk errungene Ehrungen. Aber sie fehlten, und dieser Mangel an Status würde jedem Mri auffallen, der ihn sah.

Als Angehöriger des Kel konnte er weder lesen noch schreiben, aber er konnte nummerierte Tastaturen bedienen und beherrschte die Mathematik, sowohl die der Regul als auch die der Mri. Die komplizierten Stammbäume seines Hauses, das das von Nisren gewesen war, kannte er auswendig. Es erfüllte ihn mit Melancholie, wenn er die Namenslieder sang; es war schwer, das zu tun und dann die brechenden Mauern des Edun Kesrithun zu sehen und zu wissen, wie wenige Leute jetzt noch lebten, und dann nicht zu erkennen, dass ein Verfall stattfand, wirklich und bedrohlich. Er kannte all die Lieder. Er konnte voraussehen, dass er nie ein eigenes Kind zeugen würde, das sie singen mochte, nicht auf Kesrith. Er lernte die Lieder; er lernte Sprachen, die Teil des Kel-Wissens waren. Er beherrschte vier Sprachen fließend, von denen zwei seine eigenen waren, eine die der Regul und die vierte die des Feindes. Er war ein Experte in Waffen, sowohl der Yin'ein als auch der Zahen'ein. Neun Waffenmeister waren seine Lehrer gewesen; er wusste, dass seine Geschicklichkeit in all diesen Dingen groß war.

Und umsonst, alles umsonst.

Regul.

Tsi'mri.

Niun warf einen Stein den Berghang hinab in einen heißen Teich, dessen Dämpfe durcheinandergewirbelt wurden.

Frieden.

Es würde ein Frieden zu menschlichen Bedingungen sein. An jedem kritischen Moment des Krieges hatten die Regul die Mri-Strategen missachtet. Die Regul würden uneingeschränkt Mri-Leben opfern und den Blutpreis an die Edunei zahlen, deren Söhne und Töchter des Kel fielen, und alles nur, weil ein Kolonialbeamter der Regul in Panik geraten war und der Handvoll Mri, die ihm persönlich dienten, einen selbstmörderischen Angriff befohlen hatte, um seinen Rückzug und den seiner Junglinge zu decken. Aber weit weniger willig würde derselbe Regul Leben oder Eigentum seiner Artgenossen aufs Spiel setzen. Denn der Verlust von Regul-Leben würde auch einen Verlust an Status bedeuten; er hätte diesem Regul sofortige Missbilligung von Seiten der Regul-Behörden eingebracht, den Rückruf zur Heimatwelt, eine Untersuchung seines Wissens und aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Tod und den seiner Jungen.

Es war unvermeidlich, dass die Menschen diese grundlegende Schwäche der Partnerschaft zwischen Regul und Mri erkannten, dass die Menschen lernten, welch weit größeren Effekt es hatte, den Regul Verluste zuzufügen, als dieselben Verluste den Mri zuzufügen.

Es war vorhersagbar, dass daraufhin die Regul unter diesem Druck in Panik gerieten, dass sie mit dem Rückzug reagierten, immer weiter, ohne auf die gegenteiligen Ratschläge der Mri zu hören, dass sie auf ihrem hastigen Rückzug in die völlige Sicherheit Welt auf Welt dem Angriff aussetzten. Folgerichtig konnte es diese völlige Sicherheit nicht geben.

Und dass die Regul anschließend ihre Dummheit durch direkte Verhandlungen mit den Menschen vervollständigen würden – auch das war bei den Regul zu erwarten gewesen, Krieg zu kaufen und zu verkaufen, und im Falle einer Bedrohung eher einen raschen Ausverkauf durchzuführen, als zu großen Verlust an notwendigen Besitztümern zu riskieren.

Die Regul-Sprache enthielt bezeichnenderweise kein Wort für Mut.

Und auch keines für Vorstellungskraft.

Der Krieg ging zu Ende, und Niun blieb an seine Welt gebunden, ohne jemals die Dinge, die er gelernt hatte, angewandt zu haben. Die Götter mochten wissen, welche Handelsmethoden die Kaufleute benutzten, welche Verfügung über sein Leben getroffen wurde. Er sah voraus, dass die Dinge in den Zustand vor dem Krieg zurückkehren konnten, dass Mri wieder einzeln Regul dienen würden – dass Mri wieder gegen Mri kämpfen würden, in einem Kampf, in dem Erfahrung eine Rolle spielte.

Und die Götter mochten wissen, wie lange es noch möglich sein würde, einen Regul zu finden, dem er dienen konnte, wenn der Krieg zu Ende ging und die Dinge in Fluss gerieten. Die Götter mochten wissen, wie wahrscheinlich es war, dass ein Regul einen unerfahrenen Kel'en zum Wächter seines Schiffes machte, wenn andere – kriegserfahrene – verfügbar waren.

Sein ganzes Leben lang hatte er trainiert, um gegen Menschen zu kämpfen, und die Politik dreier Arten verschwor sich, ihn davon abzuhalten.

Plötzlich stand er auf, als sein Geist auf eine Idee kam, die länger als nur an diesem Tag in ihm gegoren hatte, und er sprang auf den Boden und begann die Straße hinabzuschreiten. Er blickte nicht zurück, nachdem er am Edun vorbeigegangen war, ohne angerufen zu werden, ohne bemerkt zu werden. Er besaß nichts. Er brauchte nichts. Was er trug und was er an Waffen mit sich führte, gehörte ihm durch Recht und Brauch, und er konnte von seinem Edun nicht mehr erbitten, selbst wenn er es mit ihrem Segen und ihrer Hilfe verlassen hätte, was nicht der Fall war.

Im Edun würde es Melein sicherlich Kummer bereiten, dass er so schweigend abtrünnig wurde, aber sie war lange genug selbst Kel'e'en gewesen, um auch um seinetwillen froh zu sein, dass er in Dienst ging. Ein Kel'en in einem Edun war so unbeständig wie der Wind und sollte nach der Kindheit keine festen Bindungen mehr haben, abgesehen an die She'pan und an das Volk und an ihn oder sie, der oder die ihn in Dienst nahm.

Er empfand auch eine gewisse Schuld gegenüber der She'pan, die ihn weit mehr bemuttert hatte, als es die Schuldigkeit einer She'pan gegenüber einem Sohn ihrer Ehemänner war. Er wusste, dass sie seinen Vater Zain besonders begünstigt hatte und immer noch dessen Tod betrauerte; und sie würde die Reise, die er jetzt antrat, weder gutheißen noch erlauben.

Es war in der Tat Intels hartnäckiger, besitzergreifender Wille, der ihn so lange auf Kesrith festgehalten hatte, ihn jahrelang an ihrer Seite gehalten hatte, weit über den angemessenen Zeitpunkt hinaus, ihre Autorität und die seiner Lehrer zu verlassen. Er hatte Intel einst geliebt, tief und voller Verehrung. Aber selbst diese Liebe hatte sich in den langen Jahren, seit er den anderen Kel'ein hätte folgen und sie verlassen sollen, in Bitterkeit verwandelt.

Er hatte es ihr zu verdanken, dass seine Fähigkeiten ungeübt geblieben waren, sein Leben unausgefüllt und jetzt vielleicht überhaupt nutzlos. Neun Jahre waren vergangen, seitdem die Seta'al des Kel in sein Gesicht geschnitten und gemalt worden waren, neun Jahre, in denen er jeweils mit vor Verlangen klopfendem Herzen dagesessen hatte, wenn ein Regul-Meister die Straße zum Edun heraufkam, um einen Kel'en als Wächter für sein Schiff zu suchen, sei es für den Krieg oder selbst den Handel. Immer weniger dieser Nachfragen waren in den vorüberziehenden Jahren gekommen, und jetzt kam überhaupt keine mehr zum Edun. Er war der letzte all seiner Brüder und Schwestern im Kel, das letzte Kind des Edun außer Melein. Die anderen hatten alle einen Dienst gefunden, und die meisten von ihnen waren tot. Aber Niun s'Intel, seit neun Jahren ein Kel'en, hatte die beschützende Umarmung der She'pan noch nicht abgestreift.

Mutter, lass mich gehen!, hatte er sie vor sechs Jahren gebeten, als das Schiff seines Vetters Medai abgegangen war – es war die äußerste, niederschmetternde Schmach, dass Medai, der großtuerische, prahlerische Medai für die größte Ehre ausgewählt werden sollte, und er in Schande zurückgelassen wurde.

Nein, hatte die She'pan in absoluter Form gesagt, ihre Autorität hervorgekehrt und auf sein wiederholtes Bitten um ihr Verständnis und seine Freiheit geantwortet: Nein. Du bist der letzte meiner Söhne, der letzte, den ich jemals haben werde, Zains Kind. Und wenn ich möchte, dass du bei mir bleibst, dann ist das mein Recht, und das ist meine endgültige Entscheidung. Nein, nein.

Er war an jenem Tag in die hohen Berge geflohen und hatte wider Willen zugesehen, wie die HAZAN, das Schiff des Regul-Oberkommandos der Zone, zu der Kesrith gehörte, Medai s'Intel Sov-Nelan in die Männlichkeit trug, zum Dienst, zur höchsten Ehre, die jemals einem Kel'en des Edun Kesrithun zuteil geworden war.

An jenem Tag hatte Niun geweint, obwohl Kel'ein nicht weinen konnten. Und dann hatte er vor Scham über seine Schwäche das Gesicht mit dem rauen, pulverigen Sand gereinigt und einen weiteren Tag und zwei Nächte fastend in den Bergen verbracht, bis er wieder hinabgestiegen war zu den anderen Kel'en und der ängstlichen und besitzergreifenden Liebe der Mutter.

Sie alle waren alt. Außer ihm gab es jetzt keinen Kel'en mehr, der in einen angebotenen Dienst treten konnte. Sie alle waren in großem Maß geübt. Er vermutete, dass sie die größten Meister der Yin'ein im gesamten Volk waren, obwohl sie sich selbst nicht mehr zumaßen als beträchtliche Kompetenz. Aber die Jahre hatten ihren tiefgründigen Raubzug durchgeführt und ihnen die Kraft genommen, ihre Künste im Krieg anzuwenden. Sie waren ein Kel aus acht Männern und einer Frau, die den Grund für ihr Leben überlebt hatten, ohne die Kraft zum Kämpfen oder – nach ihm – Kinder, die sie unterrichten konnten: Alte, deren Träume nur noch rückwärts gewandt sein konnten.

Sie hatten ihm neun Jahre gestohlen, ihn mit sich begraben, und dann selber Leben aus zweiter Hand durch seine Jugend gelebt.

Er folgte der Straße ins Tiefland hinab, ließ sich vom Straßendamm zu den Regul führen, da die Regul in dieser Zeit nicht zum Edun kamen. Es war nicht der direkte Weg, aber der leichteste, und er folgte ihm mit unverschämter Sicherheit, da die Alten des Kel ihn auf einem so langen Weg nicht einholen konnten. Er hatte nicht vor, zum Hafen zu gehen, zu dem der Weg querfeldein führte, sondern zu dem, was am Ende des Straßendammes lag: das Nom, ein zweistöckiges Gebäude, höchstes Bauwerk in Kesriths einziger Stadt und eigentliches Zentrum der Regul-Behörden.

Er fühlte sich unwohl, als seine Stiefel auf Beton traten und er überall um sich herum die hässlichen, flachen Gebäude der Regul erblickte. Dies war eine Welt, die sich von der Reinheit der hohen Berge unterschied, sogar mit einem anderen Geruch in der Luft, einer Abstumpfung des scharfen Geschmacks von Kesriths kalten Winden, einer feinen Ausdünstung von Öl und Maschinen und nach Moschus riechenden Regul-Körpern.

Regul-Junglinge beobachteten ihn – die Beweglichen, die Jungen der Regul. Ihre kauernden Körper würden beim Heranwachsen dicker werden, die grau-braune Haut dunkler und loser – Fett würde sich ansammeln, bis sie sich selbst so sehr von Gewicht umgeben finden würden, dass ihre schrumpfenden Muskeln sie nicht mehr heben konnten. Die Mri sahen nur selten ältere Regul. Niun selbst hatte noch nie einem Älteren gegenübergestanden, nur gehört, wie seine Lehrer im Kel sie beschrieben. Erwachsene Regul blieben in ihrer Stadt, umgeben von Maschinen, die sie trugen und ihre Luft reinigten; sie wurden von Junglingen versorgt, die ständig für sie da sein mussten, die selbst ein ungewisses Leben lebten, bis sie ihre Reife erreichten. Die einzige Gewalttätigkeit, die die Regul verübten, richtete sich gegen ihre eigenen Jungen.

Die Junglinge auf dem Platz betrachteten ihn jetzt mit seitlichen Blicken und unterhielten sich in verschwiegenem Tonfall, der sein empfindliches Gehör deutlicher erreichte, als ihnen bewusst war. Normalerweise hätte ihm diese Boshaftigkeit nicht im geringsten Sorgen bereitet: man hatte ihm beigebracht, sie seinerseits noch viel weniger zu mögen, und er verachtete sie und ihre ganze Brut. Aber hier war er der Bittsteller, verzweifelt und ängstlich, und sie besaßen, was er haben wollte, und hatten auch die Macht, es ihm zu verweigern. Ihr Hass umhüllte ihn wie die verseuchte Stadtluft. Er hatte sich verschleiert, lange bevor er die Stadt betreten hatte; aber mit nur wenig mehr Ermutigung hätte er auch den Sichtschutz des Zaidhe heruntergeklappt. Bei seinem letzten Besuch in dieser Stadt hatte er es getan, als er noch ein sehr junger Kel'en gewesen war und in den Eigentümlichkeiten des Verhaltens zwischen Regul und Mri nicht ganz bewandert. Aber jetzt, da er älter und ein Mann war, traute er sich, auf den Sichtschutz zu verzichten und die Blicke der Junglinge zu erwidern, die ihn zu kühn anstarrten; und die meisten konnten den direkten Blickkontakt mit ihm nicht ertragen und wichen vor ihm zurück. Einige wenige, älter und tapferer als die anderen, zischten leise vor Missfallen, warnten ihn. Er missachtete sie. Er war kein Regul-Jungling, der ihre Gewalttätigkeit fürchten musste.

Er kannte seinen Weg. Er kannte den Haupteingang des Nom entlang einer Seite des großen Platzes, um den herum die Stadt in konzentrisch angelegten Vierecken errichtet war. Der Eingang war der aufgehenden Sonne zugewandt, wie es für Haupteingänge von zentralen Regul-Gebäuden erforderlich war. Niun erinnerte sich daran. Er war in Begleitung seines Vaters hier gewesen, als dieser in seinen letzten Dienst getreten war. Aber damals war er nicht mit drinnen gewesen. Nun kam er wieder zu der Tür, vor der er damals gewartet hatte, und von seiner Gegenwart alarmiert, erhob sich das Regul-Jungling, das in der Vorhalle Wache hielt.

»Geh weg!«, sagte das Jungling mit flacher Stimme; aber Niun kümmerte sich nicht darum, betrat das widerhallende Hauptfoyer, auf einmal fast erstickt durch die Hitze und den Moschusgeruch in der Luft. Er fand sich in einem großen Raum wieder, umgeben von beschrifteten Türen und Bürofenstern. Ihm wurde rasch übel, und die Luft machte ihn benommen; er stand verwirrt und beschämt mitten in der Halle, denn von hier an war es eine Frage des Lesens, zu wissen, wohin er jetzt gehen musste, und er konnte nicht lesen.

Es war das Regul-Jungling vom Schreibtisch in der Vorhalle, das mit kurzen schlurfenden Schritten über den Boden stampfte und in Niuns Verlegenheit drang. Das Jungling war vor Ärger oder Hitze dunkelrot angelaufen und atmete schwer unter der Anstrengung, Niun einzuholen. »Geh weg!«, wiederholte es. »Du hast weder aufgrund des Abkommens noch des Gesetzes hier etwas zu schaffen.«

»Ich will mit euren Ältesten sprechen«, erklärte er dem Jungling. Man hatte ihm beigebracht, dass dies der äußerste und keinen Widerspruch duldende Appell bei den Regul war. Kein Jungling konnte eine endgültige Entscheidung treffen. »Sag ihnen, dass ein Kel'en hier ist, um mit ihnen zu sprechen.«

Das Jungling blies Luft durch seine bebenden Nasenlöcher. »Dann komm mit mir!«, sagte es und warf Niun einen missbilligenden Blick zu, ein Aufblitzen von rot geädertem Weiß aus dem Winkel des rollenden Auges. Es war – es, denn Regul konnten bis zur Reife ihr Geschlecht nicht voraussehen – wie alle Regul eine kauernde Gestalt, der Körper berührte selbst im Stehen fast den Boden. Es war auch sehr jung für einen Regul, dem man die für Regul beträchtliche Ehre erwiesen hatte, auf die Nom-Tür achtzugeben. Es hielt sich noch selbst aufrecht, die Knochen zeichneten sich unter der braunen, genarbten Haut ab, die noch fein gemasert war und eine feine Beige-Tönung und einen metallischen Schimmer aufwies. Es ging mit einer rollenden Gangart neben ihm her, die beträchtlichen Spielraum erforderte. »Ich bin Hada Surag-gi«, sagte es. »Sekretär und Hüter der Tür. Du bist zweifellos einer von Intels Leuten.«

Niun antwortete einfach nicht auf diese Grobheit von Seiten des Tsi'mri-Wächters, der die She'pan mit solch unverschämter Vertrautheit beim Namen genannt hatte. Die Regul bezeichneten Ältere mit der Verehrte, der Ehrenwerte, der Herr … und Niun ging davon aus, dass die Vertrautheit als berechnete Beleidigung gedacht war, und merkte sie sich für einen späteren Zeitpunkt, wenn es dazu kam, dass er Hada Surag-gi das Gewünschte geben konnte. Im Moment tat das Jungling, was er von ihm wollte, und das genügte zwischen Mri und Tsi'mri.

Stählerne Schienen liefen an den gekrümmten Kanten der Wände entlang, und ein Fahrzeug flüsterte mit solch einer Geschwindigkeit an ihnen vorbei, dass es nur einen Augenblick lang überhaupt bemerkbar war. Die Schienen liefen an der Wand gegenüber den Türen in alle Richtungen, immer weitere Fahrzeuge kamen vorbei und verfehlten sich immer nur um Handbreite. Niun zeigte sich über diese Dinge nicht überrascht.

Er dankte dem Jungling auch nicht, als dieses ihn durch eine Tür in einen Warteraum gewiesen hatte, in dem ein anderer, offenbar erwachsener Regul an einem Metallschreibtisch saß. Niun drehte dem Jungling, als dieses ihm nicht mehr von Nutzen war, einfach den Rücken zu und hörte, wie es ging.

Der Beamte lehnte sich vom Schreibtisch zurück und wiegte sich in dem beweglichen Stuhl, der überraschenderweise von Energie angetrieben wurde. Wieder so ein Fahrzeug, ein glänzendes, stählernes Gerät, und Niun hatte gehört, dass die erwachsenen Regul sie benutzten, um sich zu bewegen, ohne aufzustehen.

»Wir kennen dich«, sagte der Regul. »Du bist Niun vom Berge. Deine Ältesten haben sich mit uns in Verbindung gesetzt. Sie haben angeordnet, dass du umgehend zu deinem Volk zurückzukehren hast.«

Niuns Gesicht begann zu glühen. Natürlich würden sie versucht haben, ihm zuvorzukommen. Er hatte nicht einmal daran gedacht. »Das spielt keine Rolle«, sagte er vorsichtig formell. »Ich bitte darum, auf einem eurer Schiffe dienen zu dürfen. Ich entsage meinem Edun.«

Der Regul – eine gefaltete und nochmals gefaltete braune Masse, sein Gesicht inmitten der Gewichtigkeit überraschend knochig und glatt – seufzte und betrachtete Niun mit kleinen Augen zwischen zerknittert wirkenden Winkeln. »Wir hören, was du sagst«, meinte er. »Aber unser Abkommen mit deinem Volk erlaubt es uns nicht, dich gegen den Protest deiner Ältesten anzunehmen. Bitte kehre sofort zurück! Wir wollen keinen Streit mit Ihnen haben.«

»Hast du einen Vorgesetzten?«, fragte Niun rau, ungeduldig und auch fast hoffnungslos. »Lass mich mit jemandem sprechen, der mehr Autorität hat.«

»Du möchtest den Direktor sprechen?«

»Ja.«

Der Regul seufzte und fragte über Interkom nach. Eine knirschende Stimme lehnte im flachen Tonfall ab. Der Regul sah auf und rollte seine Augen mit einem Ausdruck, der eher zufrieden und blasiert als entschuldigend war. »Du hast gehört«, sagte er.

Niun drehte sich auf den Fersen um, schritt aus dem Büro und dem Foyer hinaus, ignorierte den amüsierten Blick des Junglings Hada Surag-gi. Er fühlte, dass sein Gesicht brannte, dass sein Atem stoßweise ging, als er das warme Innere des Nom verließ und auf den öffentlichen Platz trat, wo der kalte Wind durch die Stadt fegte.

Er ging schnell, als hätte er ein Ziel und suchte es freiwillig auf. Er stellte sich vor, dass jeder Regul auf den Straßen von seiner Schmach wusste und insgeheim lachte. Das war nicht ganz ausgeschlossen, denn die Regul neigten dazu, über alles Bescheid zu wissen.

Niun verlangsamte seinen Schritt nicht, bis er die Stadtgrenze auf dem langen, zum Edun führenden Straßendamm hinter sich gelassen hatte, und dann ging er wirklich langsam und kümmerte sich wenig um das, was er auf seinem Weg sah und hörte. Selbst auf der Straße war das offene Land kein Ort, an dem es ungefährlich war, sich nicht um seine Umgebung zu kümmern. Aber genau das tat er und forderte die Götter und den Zorn der She'pan heraus. Es tat ihm leid, dass ihm nichts zustieß und dass er schließlich über den vertrauten irdenen Weg zum Eingang des Edun schritt und zwischen dessen Schatten und Echos trat. Düster und schweigsam stieg er die Stufen zum Kel-Turm empor, schob die Tür zur Halle auf und meldete sich als pflichtbewusster Gefangener bei Kel'anth Eddan.

»Ich bin zurück«, sagte er, ohne sich zu entschleiern.

Eddan besaß den Rang und die Selbstgerechtigkeit, Niuns Zorn ein nacktes Gesicht zuzuwenden, und die Selbstbeherrschung, reglos zu bleiben. Alter Mann, alter Mann, dachte Niun unwillkürlich, die Seta'al sind eins mit den Falten deines Gesichtes, und deine Augen sind so getrübt, dass sie bereits in die Dunkelheit blicken. Du wirst mich hier festhalten, bis ich so geworden bin wie du. Neun Jahre, Eddan, neun Jahre, und du bist schuld daran, dass ich meine Würde verloren habe. Was kannst du mir in neun weiteren Jahren wegnehmen?

»Du bist zurück«, sagte Eddan, der sein erster Waffenmeister gewesen war, und der zwischen Niun und sich dieses Meister-Schüler-Verhalten eingeführt hatte. »Was ist damit?«

Niun entschleierte sich sorgfältig, ließ sich in der Nähe des warmen Dus, das in der Ecke schlief, mit gekreuzten Beinen auf dem Boden nieder. Das Dus wich aus und brummte eine rollende Beschwerde über die Störung seines Schlafs. »Ich wäre gegangen«, sagte Niun.

»Du hast der She'pan Sorgen bereitet«, sagte Eddan. »Du wirst nicht wieder in die Stadt hinabgehen. Sie verbietet es.«

Aufgebracht blickte Niun hoch.

»Du hast das Haus in Verlegenheit gebracht. Denke darüber nach!«

»Denke über mich nach!«, rief Niun erschöpft aus. Er bemerkte, dass sein Ausbruch Eddan erschreckte, und stieß die Wörter mit rücksichtsloser Befriedigung hervor. »Was du getan hast, ist unnatürlich – mich hier festzuhalten. Ich schulde meinem Leben etwas – nicht zuletzt etwas Eigenständiges.«

»Tust du das?« Eddans sanfte Stimme klang scharf. »Wer hat dich das gelehrt? Einige Regul in der Stadt?«

Eddan stand ruhig, die Hände in seinem Gürtel, ein alter Meister der Yin'ein in der Haltung, die jeden Mann erschreckte, wenn er ihre Bedeutung kannte: hier ist die Herausforderung, wenn du sie haben willst. Niun liebte Eddan. Es erschreckte ihn, dass Eddan ihn so anblickte, veranlasste ihn, seine Fähigkeiten gegen die Eddans abzuwägen, sich daran zu erinnern, dass Eddan ihn immer noch besiegen konnte. Es gab einen Unterschied zwischen ihm und dem alten Meister – wenn Eddan gezwungen würde, Farbe zu bekennen, würde Blut fließen.

Und Eddan kannte diesen Unterschied. Hitze stieg Niun ins Gesicht.

»Ich habe niemals darum gebeten, anders als all die anderen behandelt zu werden«, erklärte er und wandte sein Gesicht von Eddans Herausforderung ab.

»Was meinst du, bist du dir schuldig?«, wollte Eddan wissen.

Niun wusste keine Antwort darauf.

»Es gibt einen Schwachpunkt in deiner Verteidigung«, sagte Eddan. »Ein klaffendes Loch. Geh und denke darüber nach, Niun s'Intel, und wenn du zu einer Entscheidung darüber gekommen bist, was das Volk dir schuldet, dann komm und erzähle es mir, und wir werden zur Mutter gehen und ihr deinen Fall vorlegen.«

Eddan verspottete ihn. Es war die bittere Wahrheit, dass er den Spott verdient hatte. Er begriff, dass es sein Übereifer gewesen war, der ihm vor den Regul Schande bereitet hatte. Er brachte den Schleier wieder an und stand auf, um hinauszugehen.

»Du hast Pflichten, die auf dich warten«, sagte Eddan scharf. »Wir haben ohne dich gegessen. Geh und hilf Liran beim Abwasch! Komm deinen eigenen Verpflichtungen nach, bevor du dir überlegst, was man dir schuldet.«

»Sir«, sagte er ruhig, wandte das Gesicht wieder ab und ging hinunter.

3

In das Schiff, das seit Elag/Haven eine lange Reise hinter sich hatte, war wieder dieselbe Langeweile eingekehrt, die auch schon vor der Transition geherrscht hatte. Sten Duncan warf einen zweiten Blick auf die Anzeige des Hauptraumes und stellte enttäuscht fest, dass sie die Veränderung noch nicht wiedergab. Sie hatten die längste Normalraumpassage hinter sich, die er je erduldet hatte, hinaus aus Havens militärisch empfindlicher Nachbarschaft, blind und unter ermüdender Bewachung. Dies war nun plötzlich alles verschwunden. Stattdessen würde es jetzt wahrscheinlich eine weitere, ebenso langweilige Passage geben. Er zuckte die Achseln und ging weiter. Es stank nach Regul. Er hielt den Atem an, als er an der Automatküche vorbeikam, deren Tür offenstand. Er hielt sich in der Mitte des Korridors und nahm kaum wahr, dass ein Schlitten an ihm vorbeihuschte. Die Korridore waren weiträumig gestaltet, in der Mitte hoch und an den Seiten tief, mit leuchtenden, in den Boden eingebetteten Schienen für die Transportschlitten, die die Regul benutzten, um die langen Korridore ihres Schiffes durchqueren zu können.

Es war unmöglich, auch nur für einen Moment zu vergessen, dass dies ein Regul-Schiff war. Die Flure winkelten und krümmten sich nicht wie in den von Menschenhand gefertigten Schiffen, sondern wanden sich in Spiralen, die für die Gleitfahrten der an den Wänden entlangfahrenden Schlitten geeignet waren. Nur in wenigen Korridoren konnte man zu Fuß gehen, und in ihnen gab es in der Mitte genügend Kopfraum für Menschen oder für Mri, die die üblichen Pächter von Regul-Schiffen waren. Aber an den Seiten verliefen die Schienen für die Regul.

Und das ganze Schiff war erfüllt von fremdartigen Gerüchen, dem fremdartigen Aroma unschmackhafter Speisen und Gewürze, fremdartigen Geräuschen, dem polternden Tonfall der Regul-Sprache, die weder Menschen noch selbst Mri wohl jemals so ausgesprochen hatten, wie es die Regul konnten.

Er verabscheute es. Er verabscheute die Regul von ganzem Herzen, und er wusste, dass das in seiner Lage weder weise noch hilfreich war, und er kämpfte ständig gegen seine Instinkte. Es war nur zu deutlich, dass diese Reaktion bei den Regul auf Gegenseitigkeit stieß; sie gewährten ihren menschlichen Gästen nur sechs Stunden, in denen sie scheinbar frei und nach Herzenslust durch die Personalbereiche streifen durften. Danach kam eine zweiundzwanzig Stunden lange Periode des Arrestes.

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