Die Straflager der Sowjetunion - Walter Brendel - E-Book

Die Straflager der Sowjetunion E-Book

Walter Brendel

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Beschreibung

Das System Gulag hat für die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts höchste Bedeutung. Dieses repressive und kriminelle System war geprägt von außergewöhnlicher Reichweite und Langlebigkeit. Der Aufbau der sowjetischen Lager begann bereits 1918 und erreichte Ende der 1950iger Jahre seinen Höhepunkt. In nahezu 500 Lagern waren über einen Zeitraum von 40 Jahren mehr als 20 Millionen unschuldige Menschen interniert. Die der Staat mit einem Federstrich zu Schuldigen erklärt hatte. Jeder sechste Erwachsene in der Sowjetunion machte in dieser Zeit die Erfahrung von Lagerhaft oder Deportation. Das System Gulag erstreckt sich über tausende von Kilometern. Vom Weißen bis hin zum Schwarzen Meer, von Moskau bis Wladiwostok, vom Polarkreis bis hin nach Zentralasien. Das System der sowjetischen Lager wurde jahrzehntelang vertuscht, verschleiert, ignoriert und verleugnet. Gulag – das war ein Staat im Staat. Ein verlorener Kontinent, ein von allen getrennte Lebenswirklichkeit, schwer zu beschreiben und bis heute oft falsch eingeschätzt und verstanden.

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Walter Brendel

Die Straflager der Sowjetunion

Die Straflager der Sowjetunion

Das System Gulag

Walter Brendel

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel

Umschlag:© Copyright by Walter Brendel

Verlag:Das historische Buch, 2022

Mail: [email protected]

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Einleitung

Erster Teil: Die Anfänge: 1917 – 1933.

Zweiter Teil: Ausbau des Gulag und der Große Terror: 1934 - 1945

Dritter Teil: Höhepunkte und der Tod Stalins: 1945 – 1990

Vierter Teil: Der Rote Diktator: (1922 bis 1953)

Quellen

Einleitung

Das System Gulag hat für die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts höchste Bedeutung. Dieses repressive und kriminelle System war geprägt von außergewöhnlicher Reichweite und Langlebigkeit. Der Aufbau der sowjetischen Lager begann bereits 1918 und erreichte Ende der 1950iger Jahre seinen Höhepunkt.

In nahezu 500 Lagern waren über einen Zeitraum von 40 Jahren mehr als 20 Millionen unschuldige Menschen interniert. Die der Staat mit einem Federstrich zu Schuldigen erklärt hatte. Jeder sechste Erwachsene in der Sowjetunion machte in dieser Zeit die Erfahrung von Lagerhaft oder Deportation.

Das System Gulag erstreckt sich über tausende von Kilometern. Vom Weißen bis hin zum Schwarzen Meer, von Moskau bis Wladiwostok, vom Polarkreis bis hin nach Zentralasien.

Das System der sowjetischen Lager wurde jahrzehntelang vertuscht, verschleiert, ignoriert und verleugnet. Gulag – das war ein Staat im Staat. Ein verlorener Kontinent, ein von allen getrennte Lebenswirklichkeit, schwer zu beschreiben und bis heute oft falsch eingeschätzt und verstanden.

Gulag beziehungsweise GULag steht im Sprachgebrauch der sowjetischen Behörden für russisch Главное управление лагерей (abgekürzt ГУЛаг) oder übersetzt „Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und -kolonien“. Zunächst war diese Behörde der Geheimpolizei GPU der RSFSR zugeordnet. Nach Gründung der Sowjetunion 1922 wurde die Geheimpolizei nach dem sowjetrussischen Modell der GPU auf alle damaligen Unionsrepubliken ausgeweitet und 1923 in OGPU umbenannt. 1934 wurde die OGPU dem NKWD, dem sowjetischen Innenministerium, eingegliedert.

Mehr als 2,7 Millionen starben im Lager oder in der Verbannung. In den letzten Lebensjahren Stalins erreichte der Gulag mit rund 2,5 Millionen den Höchststand an Insassen. Hinzu kamen in diesem Zeitraum rund sechs Millionen Personen, die als „Sondersiedler“ oder „Arbeitssiedler“ zum Verbleib an ihrem Arbeitsort verbannt waren. Während des Zweiten Weltkrieges und in den Nachkriegsjahren hielt die Sowjetunion ferner rund vier bis sechs Millionen Kriegsgefangene in Lagern des GUPWI, übersetzt „Hauptverwaltung für Angelegenheiten von Kriegsgefangenen und Internierten“) fest und forderte von ihnen Zwangsarbeit. Unmittelbar nach Kriegsende kamen 700.000 Insassen von Filtrationslagern hinzu. Fachleute gehen heute davon aus, dass insgesamt rund 28,7 bis 32 Millionen Menschen in der Sowjetunion Zwangsarbeit zu verrichten hatten.

Der Gulag gilt als eine der markantesten historischen Besonderheiten des 20. Jahrhunderts. Das 1918 ins Leben gerufene Netz sowjetischer Straf- und Arbeitslager, eine Art Staat im Staate, wurde viele Jahrzehnte lang geheim gehalten und geleugnet. Die ersten Lager entstanden wenige Monate nach der Oktoberrevolution. Die Bolschewiki wollten sich dort ihrer politischen Gegner entledigen und "asoziale Elemente" durch Zwangsarbeit umerziehen. Stalin schickte Hundertausende in Lager, wo sie als Zwangsarbeiter ihren Beitrag zum Aufbau des Sozialismus leisten sollten.

Der Gulag gilt als eine der markantesten historischen Besonderheiten des 20. Jahrhunderts. Das 1918 ins Leben gerufene Netz sowjetischer Straf- und Arbeitslager erreichte seine größte Ausdehnung in den 1950er Jahren, wurde jedoch viele Jahrzehnte lang geheim gehalten und seine Existenz von staatlicher Seite geleugnet.

Das Buch erzählt die Geschichte eines Staats im Staate, der bis heute nicht vollständig erforscht ist.

Erster Teil: Die Anfänge: 1917 – 1933.

Kurz nach der Oktoberrevolution 1917 werden die Mönche aus dem orthodoxen Kloster Solowezki-Kloster am Weißen Meer gelegen, vertrieben. Genau dieser heilige Ort wird ausgewählt, um die Organisationsprinzipien des Gulags zu testen. Ein abgeschlossener, entlegener und isolierte Ort unter strengen klimatischen Bedienungen. Auf den Solowezki-Inseln im Weißen Meer, rund 160 Kilometer südlich des Polarkreises, entstand die „Urzelle des späteren sowjetischen Lagersystems.

Solowezki-Kloster

Hier auf den Solowezki-Inseln wird also das erste Lager für die Gegner der bolschewistischen Herrschaft eingerichtet. Und die ersten Menschen werden hierher depotiert. Und hier entstand ab 1923 ein Lagerkomplex: die „Solowezki-Lager zur besonderen Verwendung“ (SLON). Der Lagerkomplex war für Schwerkriminelle und politische Häftlinge bestimmt. Letztere wurden zu diesem Zweck aus den sogenannten „Politisolatoren“ (Spezialhaftstätten für politische Gefangene) des Festlandes dorthin verlegt. In den 1920er Jahren saßen im SLON durchschnittlich einige Tausend Häftlinge ein. „Politische“ (Angehörige linker Parteien, Anarchisten) und „Konterrevolutionäre“ (Überlebende des Kronstädter Matrosenaufstands, Vertreter des alten Regimes wie weißgardistische Offiziere, Geistliche, Nonnen etc.) stellten die Mehrheit der Insassen, „Kriminelle“ waren in der Minderheit.

Bis 1928/1929 gaben die „Politischen“ unter den Häftlingen den Ton an, anschließend übernahmen die „Kriminellen“ die Herrschaft unter den Gefangenen. Zum Alltag im Lager zählten prügelnde Wachmannschaften, Schikanen, Folterpraktiken sowie Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen weiblicher Insassen.

Das SLON entwickelte sich zu einem Experimentierfeld des künftigen Gulag. Insbesondere Naftali Frenkel, vormals selbst ein Häftling, schwang sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zum Umgestalter des Lagerwesens auf und setzte ökonomische Prinzipien bei der Nutzung des Arbeitskräftepotenzials durch. Ganz gleich, ob „Politische“, „Konterrevolutionäre“ oder „Kriminelle“: Die Häftlinge wurden umfassend für Straßenbaumaßnahmen und bei der Holzernte eingesetzt.

Entsprechende Arbeiten wurden nicht nur im Umfeld der Inseln durchgeführt, sondern auch in weit entfernten Gebieten der Karelischen Republik oder der Oblast Archangelsk. Klagen sowjetischer Behörden über SLON und seine Konkurrenzvorteile durch billige Häftlingsarbeit blieben wirkungslos. Frenkel koppelte ferner die Nahrungsrationen an den Arbeitsertrag, das heißt an die Erfüllung der vorgegebenen Arbeitsnorm.

Er unterschied die Häftlinge nach ihrem körperlichen Zustand in drei Gruppen: Fähig zur Schwerarbeit, fähig zur leichten körperlichen Arbeit und Invalide; für jede dieser Gruppen gab es nun eigene Aufgaben und Arbeitsnormen. Mit den Arbeitskategorien korrespondierte die Verpflegung. Die Unterschiede waren erheblich: Die Häftlinge der niedrigsten Kategorie bekamen nur die Hälfte der Ration, die den Häftlingen der höchsten Kategorie zustand.

In den 1920er Jahren gelangten wiederholt Berichte über die Zustände in den sowjetischen Lagern in den Westen, weil die „Politischen“ über entsprechende Verbindungen zu Exil-Organisationen verfügten. Auch der Lagerkomplex SLON war davon betroffen. So löste ein Zwischenfall vom 19. Dezember 1923 im Ausland Entrüstung aus: Wachen hatten auf eine Gruppe politischer Gefangener geschossen und sechs von ihnen getötet.

Auch in den Folgejahren versuchten Häftlinge, das Ausland über Zustände und Ereignisse auf dem Laufenden zu halten. Die kommunistische Propaganda übertönte sie aber mehr und mehr. Maxim Gorki leistete hier seinen Beitrag. Nach einem Besuch auf den Solowezki-Inseln am 20. Juni 1929 verfasste er einen hymnischen Reisebericht, der die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge und ihre erfolgreiche „Umschmiedung“ zu nützlichen Sowjetbürgern pries. Zu ganz anderen Ergebnissen war nur sechs Wochen zuvor eine Kommission der OGPU gekommen. In ihrem Bericht war von katastrophalen Arbeitsbedingungen, Quälereien an Häftlingen und willkürlichen Erschießungen die Rede. 13 der 38 Offiziere der Lagerverwaltung wurden hingerichtet.

20. Juni 1929: Maxim Gorki (vierter von rechts), eingerahmt von Funktionären der sowjetischen Geheimpolizei OGPU, besichtigt die Solowezki-Inseln

Auch hohe Funktionäre der OGPU, der sowjetischen Geheimpolizei, betrachteten Frenkels Maßnahmen mit Wohlwollen. Frenkels Ideen versprachen, aus kostspieligen und unproduktiven „Sitzgefängnissen“ in der Zuständigkeit des Justizwesens mittels Kostensenkung für die Unterbringung und Verpflegung der Häftlinge auf das äußerste Minimum produktive und rentable Arbeitslager zur Industrialisierung der Sowjetunion zu machen. Genrich Jagoda forderte mit Bezug auf die Solowezki-Inseln, weitere derartige Lager im Norden einzurichten.

Im April 1929 sah ein entsprechendes Konzept vor, solche Lager zu eröffnen und sie unter die Regie der OGPU zu stellen. Die Mehrheit der Gefangenen unterlag nun nicht mehr den Vorgaben des Justizministeriums. Von 1928 bis 1930 wuchs die Zahl der Gefangenen, die sich jetzt im Direktionsbereich der Geheimpolizei befanden, von 30.000 auf 300.000 Personen an.

„Im Juni 1923 Km ich auf einen Schiff zu den Solowezki-Inseln“, erzählt Andrej Roschin. Er ist 18 Jahre alt, als er auf den Solowezki-Inseln eintrifft, um dort seine Strafe zu verbüßen.

Andrej Roschin

„Auf dem Schiff waren auch viele politische Gefangene, Menschewiki, Sozialrevolutionäre und Anarchisten. Der Lagerkommandant empfängt die Neuankömmlinge mit den Worten: Vergesst alle Rechte, die ihr vorher gehabt habt, wie haben hier unsere eigenen Gesetze.“

Im Alter von 22 Jahren wird Dimitri Likhatchev wegen der Mitgliedschaft in einer illegalen Studentengruppe verhaftet. Hier begrüß der Lagekommandant die Gruppe mit den Worten: „Hier gelten nicht die sowjetischen Gesetze. Hier gilt das Solowezki-Gesetz. Kein Staatsanwalt wird diese Inseln je betreten. Keiner schert aus der Kolonne aus, jeder Schritt nach links oder rechts gilt bereits als Fluchtversuch.“

Das sogenannte Solowezki-Gesetz bedeutet absolute Willkür, die zur Regel erklärt wird. Die Strafen, die die Wärter den Häftlingen auferlegen, grenzen an reinen Sadismus.

Mitten im Höllenkreis der Solowezki-Inseln steht auf einen Hügel, den die Häftlinge Axt-Hügel nennen, die Christi-Himmelfahrts-Kirche.

Sie wird zu einem Isolationstrakt umgebaut, in dem auch Hinrichtungen stattfinden. An den Unglücklichen wird ein Gewicht befestigt und sie werden auf einer Treppe mit 375 Stufen hinuntergestürzt. Viele Wärter sind oft auch ehemalige Straftäter und zeichnen sich durch gnadenlose Gewalt aus. Das Schicksal der Frauen, die etwa 10 Prozent der Insassen ausmachen, ist besonders grausam.

In diesem rechtsfreien Raum sind sie für die Wärter nichts weiter, als Sexsklavinnen. Monat für Monat treffen immer mehr Häftlinge auf den Solowezki-Inseln ein. 1923 zählt das Lager einige hunderte Insassen. Drei Jahre später sind es fast 20.000, weil die Repression aller derjenigen zunimmt, die nicht dem bolschewistischen Idealbild entsprechen.

Christi-Himmelfahrts-Kirche

Die Diktatur setzte bereits wenige Tage nach der Machtübernahmen von Lenins Genossen im Jahre 1917 ein. Als äußerst kleine Minderheit in einem riesigen Land ergreifen die Bolschewiki sofort Gewalt- und Zwangsmaßnahmen, um ihre Herrschaft zu festigen. Für Lenin gibt es keine Gewaltenteilung.

Die Repression gründet in der Überzeugung, dass neue Regime hat das Recht, all seine Gegner, die es als Volksfeine bezeichnet, gnadenlos auszuschalten. Um Angst und Schrecken zu verbreiten, gründet die bolschewistische Regierung im Dezember 1917 die Geheimpolizei Tscheka. Als Schwert und Schild der Partei handelt die Tscheka, wörtlich übersetzt: „Sonderkommission“ jenseits aller Legalität. An die Spitze der Tscheka setzt Lenin den 40jährigen Feliks Dzierżyński, der elf Jahre seines Lebens im Gefängnis bzw. in der Verbannung verbracht hatte. „Von uns allem saß Felix die längste Zeit in Gefängnissen des Zarenregimes. Er kennt sich aus,“ kommentiert Lenin seine Entscheidung. In weniger als einen Jahr baut Dzierżyński mit Lenins Unterstützung eine gewaltige Repressionsmaschinerie auf.

Feliks Dzierżyński, Leiter der Tscheka (Aufnahme von 1918)

Dieser Apparat steht über dem Gesetz und zuweilen sogar über der Partei. Die Tscheka ist ein wahrer Staat im Staat mit Spitzeln, Spezialtruppen und Spionagediensten. Mit einem Wort, eine politische Polizei mit über 200.000 Mitarbeitern.

Den Attentatsversuch einer Anarchistin auf Lenin am 30. August 1918 nutzt Dzierżyński als Vorwand, um seine Maschinerie in Gang zu setzen. Was war geschehen: zwei der drei Schüsse auf Lenin, abgefeuert von der Anarchistin Fani Kaplan, erreichten ihr Ziel. Sie trafen ihn im Hals und in der linken Schulter. Fani Kaplan, war eine russische Sozialrevolutionärin.

Die Attentäterin konnte schnell festgenommen werden.. Ihre Festnahme erfolgte mit der Brutalität, die ihr auch in den Verhören drohte. Dort erklärte sie aus freien Stücken:

„Ich heiße Fani Jefimowna Kaplan. Das ist der Name, unter dem ich im Arbeitslager Akatui als Gefangene geführt wurde. Ich war wegen meiner Teilnahme an einem Attentat gegen einen zaristischen Beamten in Kiew verbannt und habe zwölf Jahre mit Zwangsarbeit verbracht. Nach der Februar-]Revolution 1917 wurde ich freigelassen. Heute habe ich auf Lenin geschossen. Ich tat das nach eigener Entscheidung. Ich werde keine Details nennen. Ich hatte schon lange beschlossen, Lenin zu töten. Ich halte ihn für einen Verräter der Revolution, und seine Existenz wird den Glauben an den Sozialismus zerstören.“

Schon am 4. September wurde die 28-jährige Kaplan im Hof des Kreml erschossen. Weder gab es eine Gerichtsverhandlung noch gar ein Urteil, ihre sterblichen Überreste verschwanden für immer. Gewundert hat das kaum jemanden, denn dergleichen hatte es seit dem bolschewistischen Oktoberumsturz 1917 tausendfach gegeben.

Fanny Kaplan

Gewiss, der Bürgerkrieg im Lande, die bald auch vom Westen unterstützte Konterrevolution hatten die Spirale der Gewalt in Gang gesetzt. Und doch entwickelte der Rote Terror schnell ein Eigenleben. Vor allem nach der durch die Bolschewiki betriebenen, gewaltsamen Auflösung der konstituierenden Versammlung nahm der Terror kein Ende. Der kurzzeitig als Volkskommissar für Justiz amtierende linke Sozialrevolutionär Isaak Steinberg fragte Lenin angesichts der Gewaltorgien im Februar 1918:

„Wozu haben wir überhaupt ein Volkskommissariat für Justiz? Nennen wir es doch einfach ‚Kommissariat für soziale Ausrottung‘ und kümmern wir uns nicht mehr darum! Lenins Antwort: ‚Gut formuliert, genau das soll es sein. Aber das können wir nicht sagen.‘“ Was man indessen sagen konnte, vor allem nach dem Attentat vom 30. August, ließ an Klarheit nicht zu wünschen übrig. Am 3. September war folgender Aufruf der „Tscheka“ allen großen Städten angeschlagen:

„Die verbrecherischen Pläne der Feinde der Arbeiterklasse werden mit Massenterror beantwortet. Alle Personen, die unberechtigt Waffen tragen, werden sofort erschossen. Solche Personen, die Hetze gegen die Sowjetmacht betreiben, werden sofort festgenommen und kommen in ein Arbeitslager. Alle, die an der Konterrevolution teilnehmen, werden durch das Schwert des revolutionären Proletariats umkommen und vernichtet werden.“