Die Stunde des Adlers (Thriller) - Will Markus A. - E-Book

Die Stunde des Adlers (Thriller) E-Book

Will Markus A.

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Beschreibung

Es scheint, als habe Hanns-Hermann von Hartenstein verloren: Laster um Laster verlassen in der »Stunde des Adlers« schwer beladene und gesicherte Fahrzeuge den geheimen Atombunker der Deutschen Bundesbank. Jahrzehntelang tief im Wald verborgen, rollt die neue D-Mark hinaus ins Land. Gerade einmal 14 Tage davor: Von Hartenstein und die Spitze der neuen Bundesregierung verhandeln im Geheimen über die Zukunft des Euro. Doch statt nüchterner Diskussionen steht urplötzlich nur noch eine Frage im Vordergrund: Wie bekommen die Deutschen schnellstmöglich ihre geliebte D-Mark wieder? Der Währungskrieg zwischen Euro und D-Mark beginnt, Währungsmanager und Euro-Verfechter von Hartenstein hat denkbar schlechte Karten. Die deutsche Bevölkerung steht nämlich klar auf der Seite der neuen Bundesregierung, geführt von der »Deutsche Mark Partei«: Seit 2010 hatten die Deutschen ihr Gold aus Angst vor dem Zerfall des Euro im Garten vergraben, Land gekauft und beackert, Geld in echte Waren getauscht. Die Alten fürchteten um ihre Rente, die Jungen um ihre Zukunft. Nach dem Willen der Partei soll die Wiedereinführung der D-Mark endlich die Rettung bringen. Für von Hartenstein beginnt ein schier aussichtsloser Kampf um die Zukunft Deutschlands, denn seine Gegner schrecken im Währungskrieg auch nicht vor Mord zurück. Die spannende Antwort auf die Frage: Was passiert eigentlich, wenn die D-Mark wiederkommt?

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Seitenzahl: 324

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.  

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2012

© 2012 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096  

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.  

Redaktion: Caroline Kazianka

Korrektorat: Annegret Schenkel

Umschlaggestaltung: Pamela Günther

Satz: Georg Stadler

Epub: Grafikstudio Foerster, Belgern  

ISBN Epub 978-3-86248-291-7  

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Prolog

14 Tage zuvor

D-Day minus 14: Montag

D-Day minus 13: Dienstag

D-Day minus 12: Mittwoch

D-Day minus 11: Donnerstag

D-Day minus 10: Freitag

D-Day minus 9: Samstag

D-Day minus 8: Sonntag

D-Day minus 7: Montag

D-Day minus 6: Dienstag

D-Day minus 5: Mittwoch

D-Day minus 4: Donnerstag

D-Day minus 3: Freitag

D-Day minus 2: Samstag

D-Day minus 1: Sonntag

Markus A. Will

Danksagung

Wieder haben Freunde Die Stunde des Adlers »testmitgelesen« – ein von mir kreiertes Wort. Ihnen gilt mein tiefer besonderer Dank: Das bewährte Team um Rolf-Ernst Breuer, Siegfried Guterman, Wolfgang Gutt und Corinna Sander wurde dieses Mal erweitert: Claudia Schramm hat nicht nur test-mitgelesen, sondern mich dabei beispielsweise auch darauf aufmerksam gemacht, dass Revolver keine Schalldämpfer haben! Sollte ich dennoch Mark und Euro verwechselt oder perfide Miststücke unsachgemäß ermordet haben, geht das auf meine Kappe.

Mein Dank gilt auch Georg Hodolitsch vom FinanzBuch Verlag und meiner Agentin Lianne Kolf. Sie ist »schuld«, dass Die Stunde des Adlers überhaupt geschrieben wurde. Bei einem Mittagessen im Sommer 2011 hat sie mich Folgendes gefragt: »Was passiert eigentlich, wenn morgen die D-Mark wiederkommt, Herr Will?« Zwölf Monate später kann ich die Antwort vorlegen. Nicht nur für Lianne Kolf, sondern auch für viele Leser mit derselben sorgenvollen Frage, die für die Zukunft Europas entscheidend sein kann.

Prolog

Kraftlos steht von Hartenstein auf, schleppt sich zur Theke und greift nach dem Handy. Im Hinterzimmer erblickt er den tonlos laufenden Fernseher: »Bundesbankpräsident Claus Victor Dohm ermordet« blinkt die Breaking News tiefrot ein. Baron Dr. Hanns-Hermann von Hartenstein sackt in sich zusammen. Seit Tagen hat der große schlanke Mann kaum etwas gegessen. Die Betäubung, der Gewaltmarsch, jetzt der Mord an seinem Freund – für den Bundesbanker ist das zu viel. Alles, aber auch alles ist verloren!

Seit Mitternacht lief »Operation D-Day« – die streng geheime Wiedereinführung der D-Mark in Deutschland. Nach Dienstanweisung der Deutschen Bundesbank war die frische Liquidität verpackt: Scheine und Münzen nach Wert geordnet in Säcken, mit Siegel und zwei Unterschriften versehen – vom Pfennig bis zum 1.000-D-Mark-Schein. Das musste ordentlich, aber auch möglichst schnell ausgebucht werden. Laster für Laster, Charge für Charge, 60 tonnenschwere Lkws pro Stunde. Wenn es neues Geld gab, sah das nicht viel anders aus als eine allgemeine Mobilmachung. Und die D-Mark war eine sehr scharfe Waffe in diesem Währungskrieg mit den anderen Eurostaaten.

Nach jeder ausgebuchten Zehner-Charge schloss sich das schwere Bunkertor. Draußen gliederten sich dann die schwer bewaffneten Begleitfahrzeuge ein. Erst wenn das innere Panzertor zu und die Begleitung parat war, rollte die besicherte Charge auf der großen Anlage an das schwere Außentor. Nie waren beide Tore gleichzeitig offen. Einmal runter vom Bunkergelände hielten die Kolonnen bis zum Ziel aus Sicherheitsgründen nicht ein einziges Mal an. Motorräder mit Blaulicht machten den Kolonnen jede Straße frei. Die Codes mit ihren Fahrbefehlen waren eindeutig. So war der Plan, immer wenn es neues Geld gab, immer nach einem Wochenende. Neues Geld kam immer montags.

Zentralbereichsleiter von Hartenstein kannte den Geheimplan und den nicht minder geheimen Ort genau: Einige Male, wenn die Deutsche Bundesbank zu D-Mark-Zeiten den Wechsel einer kompletten Serie an Mark und Pfennig geübt hatte, war er »Bundesbankpräsident ÜB«. Er hatte geheime Wochenendsitzungen geleitet, manche sogar im Rahmen ganzer Nato-Übungen, in den gut ausgestatteten Kammern des Bunkers übernachtet, sich mit dem Bundessicherheitskabinett abgestimmt und dann – immer um Mitternacht von Sonntag auf Montag – den streng geheimen ÜB-Code für das Manöver gegeben.

Die Bundesbank nannte diese Übungen »Die Stunde des Adlers«– in Anlehnung an den Bundesadler auf der Mark. Seit der Einführung des Euro hatte es das aber nicht mehr gegeben. Von Hartenstein zählte zu den wenigen Top-Bundesbankern, die wussten, dass die Deutsche Bundesbank sicherheitshalber eine Serie mit Mark und Pfennig gebunkert hatte. Trotz Friedens in Europa hatte ja auch jedes Land weiter sein eigenes Militär, und die Bundeswehr würde im Falle des Falles auch auf Waffen zurückgreifen können und nicht mit Wattebäuschchen werfen.

»Unglaublich«, flüsterte von Hartenstein vor sich hin, je näher sein Lkw der Abfertigung rückte. Hunderte von solchen tonnenschweren Lastern mit Abermilliarden an frischen Scheinen und Münzen warteten geduldig in einer endlosen Schlange. Truck an Truck, fast alle mausgrau, reihten sich auf der tunnelartigen Hauptstraße des Bunkers zur Abfertigung am schweren Panzertor auf. Als Bundesbanker kannte er das alles, wusste, dass jede Zehner-Charge genau zehn Minuten brauchte, um drinnen abgefertigt zu werden. Immer wenn seine Charge wieder ein Stück vorfahren konnte, ruckelte es. Das hielt den völlig übermüdeten von Hartenstein wach. Vier oder fünf Tage mussten die Markigen ihn hier interniert haben. In seinem unrasierten Gesicht hatte der Dreitagebart gerade begonnen, in ein zotteliges Gewuchere überzugehen.

Widerstand war zwecklos, die Operation lief, von Hartenstein wollte nur noch raus. Er hatte verloren. Für sich, für Deutschland und für Europa; denn für ihn war immer klar, dass Europa den Euro brauchte. Wie viele Diskussionen er darüber gerade mit Schülern geführt hatte. Wie oft er jungen Menschen zu erklären versucht hatte, dass Europa viel mehr war als ein Wirtschaftsraum. Dass es um eine europäische Identität ging. Und dass es auch um Frieden in Europa ging.

In den letzten Wochen hatte er alles darangesetzt, um diese verdammte Operation D-Day noch zu verhindern. Allein hatte er zuletzt gegen die ganze markige Bewegung gekämpft. Und dies, obwohl Triple H, wie er in der Bundesbank genannt wurde, nie Held sein wollte wie sein Großvater und Urgroßvater, beide gefallen auf dem Feld der Ehre zweier Weltkriege. Als jemand, der seinem Land als hoher Beamter diente, war es für von Hartenstein keine einfache Entscheidung gewesen, sich gegen die eigene Regierung zu stellen. Aber er hatte es nicht geschafft.

Mutlos kauerte er zwischen den Münzen und Scheinen, versteckt in einem großen leeren Geldsack. Heute war keine Stunde des Adlers, sondern wirklich D-Day. Keine Stunde der Übung, sondern ein Tag der Entscheidung, der den Deutschen ihre ersehnte D-Mark zurückbrachte, die Fesseln der Europäischen Währungsunion löste und den Euro beerdigte.

So etwas hatte es seit der Währungsreform von 1948 nicht mehr gegeben. Danach hatte man nur noch alte gegen neue Scheine ausgetauscht, meist aus Sicherheitsgründen, wenn Farbkopierer oder andere Neuigkeiten das Fälschen leichter gemacht hatten. Letztmalig hatte die Deutsche Bundesbank 1989 kurz vor dem Fall der Mauer das Geld ausgewechselt. Von Clara Schumann bis Balthasar Neumann zierten damals große Deutsche die Scheine. Die Bundesbank hatte sogar eine Werbekampagne gestartet, wie sich von Hartenstein, damals gerade erst ein paar Jahre in den Diensten der Bundesrepublik, ausgerechnet jetzt im Laster erinnerte. Damals hatte man den Deutschen den Wert des Geldes, der Stabilität der Mark vermittelt.

Heute würde man ihnen etwas zurückgeben, das wohl genau das Gegenteil bewirken würde. Ganz anders als 1948, als die D-Mark für die junge wachsende deutsche Wirtschaft so etwas wie das Blut eines Gesunden für einen Kranken war – ein Blutaustausch, der die Schwarzmärkte ersetzte, die Marktwirtschaft in Gang brachte und »Made in Germany« zur Erfolgsstory machte. Von Hartenstein hatte seine Doktorarbeit über die historische Bedeutung der deutschen Währungsreform geschrieben; und er wusste besser als jeder andere, dass dieses Mal alles anders sein würde. »Bad Germany« würden die alten Partner morgen sagen.

Monatelang hatten die alten Europartner versucht, die Deutschen zum Bleiben zu überreden, trotz der Probleme mit den für Deutschland immer teurer werdenden Eurobonds. Deutschland bekam über immer höhere Zinsen zu spüren, dass die Welt der Investoren und der Wähler den Glauben an Europa zu verlieren begann. Und weil die demokratische Legitimation für die Transferunion fehlte, hatten sich auch die Wähler abgewandt. Vorschläge mit Zwischenlösungen wie »GEuro« für die Griechen, »EEuro« für Spanien oder »PEuro« für Portugal, also Parallelwährungen zum Euro, waren genauso gescheitert, wie ein Hybrid-Auto stehen bleiben würden, wenn der deutsche Eco-Tankwart die Batterie nicht mehr mit Strom aufladen wollte.

In diesen Monaten war in Deutschland die Stimmung gekippt. Erst hatte man angefangen, die Dinge mit einem »man wird doch mal sagen dürfen« abzuwägen, dann waren plötzlich die Nachteile und die Risiken größer, und mit ihnen wurden »Die Markigen« immer größer. Die Bewegung, anfangs politisch belächelt, war tatsächlich an die Regierung gekommen. Radikale Entwicklungen wie in vielen Ländern Europas, spätestens seit 2012, hatten auch die deutsche »markige Bewegung« beflügelt. Dabei hätte man seit den Erfolgen der Piraten und an den Absichten von Freien Wählergemeinschaften auch in Deutschland sehen können, wie schnell man freie Parlamente entern konnte. Mit nur einem Thema: der Deutschen Mark. Damit stürmte die markige Bewegung mit ihrer »Deutsche Mark Partei«, kurz DMP, die Parlamente.

Ganz demokratisch gewählt, wie auch von Hartenstein in den geheimen Sitzungen der Projektgruppe der Operation D-Day hatte zugeben müssen, wenn er wieder mit der erst 30-jährigen »schwarzen Pest« zusammengerasselt war. Anna-Maria Kuhn, die neue Finanzstaatssekretärin, war der eigentliche Kopf der markigen Bewegung. Mit Internet, Ignoranz, Intrigen, aber auch Intelligenz waren die Markigen an die Macht gekommen. Die markigen Populisten hatten leichtes Spiel beim deutschen Volk, das ein fast schon erotisches Verhältnis zu seiner D-Mark hat. »Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle an die Bundesbank«, hatte der Franzose Jacques Delors, ehedem Präsident der Europäischen Kommission, einmal über die Deutschen gesagt, als es um die Einführung des Euro ging. Wie recht Delors hatte, wusste von Hartenstein in diesem historischen Moment auf der kalten Ladefläche. Geld wärmte eben nicht wirklich.

Da die Politiker in Europa Anfang des zweiten Jahrzehnts keine durchschlagende Lösung für die Eurokrise gefunden hatten, immer wieder neu ein Land unter den Rettungsschirm genommen hatten, hatten die Markigen ständig mehr Zulauf vom Volk erhalten. Vor allem auch, weil das Establishment Angst hatte, die Bürgerinnen und Bürger wirklich mitentscheiden zu lassen. Im Nachhinein musste die politische Klasse zugeben, dass allein der Name der Partei so einleuchtend wie perfekt war: Deutsche Mark Partei. Der Name war das Programm, und wenn es der DMP passte, war markig mal liberal für Wettbewerb der Währungen, mal konservativ für Deutschland oder sogar sozial für die Menschen im Land. Und deutsch war immer gut. Seit der Einheit waren die Deutschen ja wieder unbekümmert mit ihren nationalen Symbolen von Flagge bis Hymne umgegangen.

Hinter den politischen Kampagnen steckte fast immer die schwarze Pest Kuhn, die genau wusste, dass die Zeit gekommen war. Mit immer neuen Geldspritzen und Rettungsschirmen für Griechenland, Spanien, Portugal und auch Italien hatte sich das »Friedensprojekt Euro doch ohnehin scheibchenweise zerlegt«, wie sie entwaffnend erklären konnte. Die »Schweine«, wie der willfährige Teil der deutschen Presse süffisant die Abkürzung PIGS für die vier maroden Südländer übersetzte, »sollten ihren selbst verursachten Mist allein sauber machen«.

Zur Presse hatte Frau Kuhn inzwischen beste Kontakte. Eine über Stipendien finanzierte exzellente Ausbildung an einer der besten Business Schools machte sie zu einer gefragten Gesprächspartnerin. Kuhn delegierte die Details, kümmerte sich jedoch perfekt um das große Ganze: ein Gesprächskreis hier, eine Party dort. Eine Patenschaft hier, eine Liegenschaft dort. Kuhn hatte das Netzwerk von Rebekah Brooks studiert. Der »rote Teufel« von Rupert Murdoch hatte das ganze politische Establishment Großbritanniens in der Hand gehabt. Die »Flame-Haired-Queen of Fleet Street« war ihr Vorbild, nur dass die schwarze Pest aus Berlin den Spieß umdrehte und von der politischen Seite aus agierte, intrigierte, organisierte oder spekulierte. Von Hartenstein hatte das zu spüren bekommen.

Die von Kuhn beeinflussten Kommentare in der deutschen Presse wären vielleicht noch irgendwie trotz demütigender Äußerungen mancher Politiker und den harten Spardiktaten aus Brüssel zu beheben gewesen. Doch der Streit zwischen Frankreich und Deutschland über die Eurobonds war nicht mehr beizulegen. Lange hatte sich Deutschland unter der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel ohnehin gegen diese Vergemeinschaftung von Schulden gewehrt. Man hatte Lösungen gefunden, die zwar anders hießen, damit sie vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen konnten, aber am Ende nichts anderes bedeuteten, als Deutschland finanziell mehr und mehr mit Hunderten von Milliarden Euro in die Pflicht zu nehmen. Solange Frankreich noch mitgarantieren konnte, hielt das fragile Band der deutsch-französischen Beziehung. Doch dann konnte Frankreich nicht mehr, die Risikoaufschläge kletterten in die Höhe, auch für Deutschland. Je höher die Zinsen gestiegen waren, desto schlechter wurde die Stimmung gegen den Euro in Deutschland, bis es die etablierte Koalition zerriss. Es kam zu vorgezogenen Neuwahlen.

Das war die Stunde der Markigen. Wie bei einer dreckigen Scheidung fingen die ehemaligen Partner an, sich gegenseitig zu belauern, machten sich Vorwürfe und versuchten, ihr Hab und Gut zu retten. Der Wahlkampf war schmutzig gewesen; denn die etablierten Parteien und Politiker hatten plötzlich das Volk gegen sich, wenn sie gegen die Markigen argumentierten. Je mehr sich aber die Reihen der klassischen Parteien schlossen, desto mehr trieben sie Frustrierte und Nichtwähler in die Arme der Markigen, die so die Wahlen gewannen und mit Überläufern die notwendige Mehrheit im Bundestag hatten.

Da war es zu spät. Dumme Zufälle, wie es sie in der Geschichte immer gegeben hatte, hatten zuvor schon zu mehreren vorgezogenen Neuwahlen in Landesparlamenten und zu Erfolgen der DMP geführt. So blockierten sich schließlich etablierte und neue Parteien, einzelne Traditionalisten und angeblich Moderne und vor allem Junge und Alte. Bis das Wort von Weimar die Runde machte, hatten die Markigen genügend Mandate erobert – alles ganz demokratisch, wie Lautsprecherin Kuhn immer wieder betonte.

Erbost hatte der französische Präsident Émile Dévrent nach der brüsken Abfuhr durch den neuen deutschen Bundeskanzler Franz Peter Roth Berlin nach einem letzten Spitzentreffen verlassen. Roth hatte sich geweigert, weitere teure Eurobonds zu finanzieren. Angeblich soll der Franzose bei seinem überstürzten Abgang aus dem Kanzleramt »Erbfeind« gemurmelt haben, wie die Zeitungen kolportierten.

Zu dem Zeitpunkt hatte von Hartenstein bereits bewusstlos geschlagen im Kofferraum eines Autos gelegen, das ihn unbemerkt in den Atombunker gebracht hatte. Ausgerechnet dort, neben dem Geld, hatten sie ihn eingesperrt. Und genau mit diesem Geld wollte er jetzt hier raus. Seine Flucht war ihm geglückt, zumindest der erste Teil aus seiner Zelle auf die Ladefläche eines Lkw in der langen Schlange vor dem näher rückenden Bunkertor.

In ein paar Stunden, so schätzte von Hartenstein, während die lauter werdenden Stimmen signalisierten, dass seine Zehner-Charge Lkw bald an der Reihe sein würde, würde Deutschland so gut wie isoliert sein, die Grenzen wieder kontrolliert werden, Kinder aus ausländischen Internaten zurückgeholt werden, die Tauschwirtschaft zumindest für ein paar Tage blühen, die Restaurantszene eindeutschen, weil viele Italiener, Griechen, Spanier und andere Europäer das Land verlassen würden. Das Friedensprojekt Euro wäre passé. Da wollte er wenigstens zu seiner Familie zurück. Mit italienischer Frau, griechischem Schwiegersohn und englischer Schwiegertochter lebten die von Hartensteins das friedliche Europa familiär seit Jahrzehnten vor.

Als sein Zehnertrupp an der Abfertigung stand, wusste von Hartenstein, dass er nur zwei Möglichkeiten zur endgültigen Flucht hatte. Entweder blieb er einfach auf seinem Laster, bis das Ziel, irgendeine Filiale der Deutschen Bundesbank, erreicht war. Oder er sprang ab, sobald der Geldtransport das streng bewachte Gelände verlassen hatte. Denn danach gab es nur noch Vollgas. In den Stunden des Wartens hatte Hanns-Hermann von Hartenstein sich für die zweite Variante entschieden.

Doch dazu musste er erst einmal unentdeckt aus dem Bunker kommen. Eigentlich war er viel zu groß für den Geldsack, daher machte er sich so klein wie möglich und zog die Schlinge zu. Nur gut, dass sein grau meliertes Haar fast dieselbe Farbe wie die Säcke hatte. Auch nur gut, dass die Wachleute nicht mehr jeden einzelnen Truck genau prüfen konnten. Aus der Erfahrung der Übungen wusste er, dass nur noch stichprobenartige Kontrollen gemacht wurden.

Als die Plane hochgeschoben wurde und ein Wachmann die Ladefläche ausleuchtete, stockte von Hartenstein der Atem. Zwar hatte er sich ziemlich weit hinten versteckt, aber das Licht schien dennoch bedrohlich grell. Dreimal wanderte der Lichtstrahl hin und her wie bei einem Leuchtturm. Jedes Mal litt er Todesängste und fürchtete, jetzt kurz vor der Befreiung doch noch erwischt zu werden. »Okay.« Die scharfe Stimme des Wachmanns war wie eine Erlösung. Sekunden später rollte sein Lkw mit den anderen neun seines Trupps weiter.

Während sich die Sicherheitsfahrzeuge in den Trupp eingliederten, krabbelte von Hartenstein bereits aus seinem Geldsack. Das musste er riskieren. Er wusste, dass es gut 50 Meter nach der Ausfahrt eine lang gezogene Rechtskurve gab. Würde er links abspringen und sich in den Wald rollen lassen, hätte er die Chance, unentdeckt zu bleiben. Die Plane hatte er in den Stunden seines Verstecktseins mit der scharfen Kante eines Stückchen Blechbandes, mit dem das Geld zusammengehalten wurde, vorsichtig angeritzt.

»Gute Fahrt.« Das musste der Wachmann am Außentor gewesen sein, denn danach röhrten die Motoren. Geld war schwer, sodass die 30-Tonner viel zu bewegen hatten und nur langsam Fahrt aufnehmen konnten. Noch ein paar Sekunden wartete von Hartenstein, bis er sicher war, das Gelände verlassen zu haben. Als er die Plane aufriss, roch er den Wind der Freiheit und sah den Wald. Drei, zwei, eins. Von Hartenstein machte einen Sprung, so weit er konnte. Er flog fast gegen einen Baum, drückte sich gerade noch seitlich vorbei, knallte aber mit seinem rechten Bein gegen das Holz.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte er sich auf und schleppte sich weiter in den Wald. Nach 30 Metern ließ er sich fallen. Vorsichtig lauschte er in Richtung Straße. Die Motoren röhrten jetzt ruhiger, die Trucks hatten Tempo aufgenommen und fuhren weiter. Von Hartenstein war offenbar unentdeckt geblieben. Sein Bein schmerzte, aber anscheinend war nichts gebrochen, denn er konnte auftreten und gehen, als er sich vorsichtig erhob. Da auf der Straße alle zehn Minuten eine Kolonne vorbeirauschte, musste er sich immer wieder hinter Büschen verstecken. Bis zum nächsten Ort waren es seines Wissens rund fünf Kilometer. Für einen sportlichen Typ wie ihn eigentlich kein Problem.

Als er zwei Stunden später nach einem Gewaltmarsch die Bäckerei am Eingang des Dorfs erreichte war er nach den fast bewegungslosen Tagen und schlaflosen Nächten unendlich müde. Mehr zog er sich in den Verkaufsraum, als dass er noch aktiv lief. Dann sank er erschöpft auf einen Stuhl. Acht zeigte die Uhr über der Türe an, die nach hinten wohl in Richtung Backstube führte.

»Entschuldigung, ich brauche ein Telefon, dringend.«

»Das ist eine Bäckerei.«

»Sie haben doch sicher ein Handy, oder?« Das junge Mädchen hinter der Theke schaute verdutzt. Von Hartenstein trug zwar eine Anzugshose, die war aber am Knie zerrissen, das Hemd dreckig, und sein Aussehen auch nicht gerade vertrauenswürdig.

»Können Sie zahlen?«

»Ich habe kein Geld.«

»So sehen Sie auch aus.« Obwohl sich das junge Mädchen sicher war, dass das eigentlich ziemlich teure Klamotten sein mussten. »Sie sind mir einer. Telefonieren in der Bäckerei ohne Kohle.«

»Bitte. Ich muss wirklich telefonieren.«

»Na gut.« Die junge Frau griff in ihre Hosentasche und reichte das Handy über die Theke. »Meine Mutter sagt, man soll helfen, wenn jemand bitte sagt. Aber kein Auslandsgespräch.«

»Danke.« Kraftlos stand von Hartenstein auf, schleppte sich zur Theke und griff nach dem Handy. Als die junge Frau sich umdrehte, hörte sie hinter sich einen Schlag. Von Hartenstein lag zusammengebrochen vor der Theke …

14 Tage zuvor

D-Day minus 14: Montag

8.15 Uhr

»Ich habe unser Gold im Garten vergraben, Claus. Nur, dass du es weißt …« Simone Dohm hatte lange auf den richtigen Augenblick gewartet, um ihrem Mann ihr Geheimnis zu beichten.

»Was hast du getan?« Claus Victor Dohm fiel fast die gerade in die Hand genommene Börsen-Zeitung herunter.

»Ich habe seit 2010 Krugerrand und kleine Barren gekauft. Seit Griechenland. Kleine Einheiten, leicht tauschbar. Zwei Millionen Euro, sicher ist sicher!«

»Sicher?«

Zerfleddert wie immer hatte er gerade seine Lieblingslektüre, die , auf die gegenüberliegende Seite des Tisches gereicht, wie immer hatte seine Simone ihr Leib-und-Magen-Blatt, die , sauber gefaltet an ihn gegeben, wie immer gegen 8.15 Uhr, zur Hälfte ihrer Frühstückszeit. Auch wenn er als Präsident der Deutschen Bundesbank zweimal zwei Zeitungen bestellen könnte, pflegte das kinderlose Ehepaar Claus Victor und Simone Dohm seit 25 Jahren die Tradition, sich zu zweit eine Zeitung zu teilen. Gemeinsames Frühstück mit gemeinsamer Morgenlektüre, damit man etwas zum Reden hatte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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