Die Taube, die nicht hören wollte & Ruhe in Unfrieden! - Rolf Bidinger - E-Book

Die Taube, die nicht hören wollte & Ruhe in Unfrieden! E-Book

Rolf Bidinger

0,0

Beschreibung

Kenne Sie auch solche Tauben, die völlig ungeniert in die Blumentöpfe auf Ihrem Balkon kacken? Denen Sie am liebsten den Hals umdrehen möchten? Doch da gibt es solche, die den Spieß umdrehen, wenn Sie es versuchen ... Sie lieben Gerichtsshows, finden aber die Laienschauspieler grottenschlecht? "Ruhe in Unfrieden!" beweist, dass man Morde an unbeliebten Personen auch mit ungewöhnlichen Mitteln lösen kann. Rolf Bidinger setzt in diesem Buch gekonnt bitterböse Satire und rabenschwarzen Humor ein, die für beste Unterhaltung sorgen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 268

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Rolf Bidinger

Die Taube, die nicht hören wollte

&

Ruhe in Unfrieden!

Dirk-Laker-Verlag

Dirk-Laker-Verlag

www.dilav.de

Juni 2020

Veröffentlicht im Dirk-Laker-Verlag

Dirk Laker, Bielefeld 2020

© by Rolf Bidinger

Lektorat: Dirk Laker

Covergestaltung unter Verwendung eines Motivs von www.pixabay.com: Dirk Laker

eBook-Ausgabe

Inhaltsverzeichnis

Die Taube, die nicht hören wollte

(Satire vom Feinsten)

Vorwort

Nachwort zum Vorwort

Wie alles begann …

Hart(z) aber herzlich oder Endlich Freizeit

Mein Verhältnis zu Frauen oder warum ich keins habe

Drucksache Sorgenbrecher

Brief an Anne Will

Wie von Zauberhand

Lied für Wiesbaden

Nachts

Wie werde ich sie wieder los?

Schluss – Song

Epilog

Lieber tot als glücklich

Duett im Himmelsreich

Mein Leben mit Mutter

Die Taube, die nicht hören wollte

Fernsehamateure

Dichterisches Lexikon

Traum eines Wahnsinnigen

Ein Ostergedicht

Ei – Ei – Ei

Reden ist Silber

Smartphone – die Rache Gottes

Urnengang

Willkommen zu der Weihnachts-Show

Das Krippenspiel

Weihnachten? Nein Danke!

Ein allzu guter Nikolaus

Das Fest der Liebe birgt Gefahren! 1.Teil

Weihnachtsstatistik

Das Fest der Liebe birgt Gefahren! 2. Teil

Schnee in der Allee

Die Lücke des Lebens

Eine G-schichte

Nichts

Mein neuer bester Freund

Ein Dichtermärchen

Nachwort

Anhang

Intellektueller Feingeist erobert Musicalbühne!

Können diese Augen lügen?

++++ Breaking News +++ Breaking News +++

Ruhe in Unfrieden

(Ein Dramolett in mehreren Akten)

1. Akt

2. Akt

3. Akt

4. Akt

5. Akt

6. Akt (Furiose Aufklärung eines Jahrhundertverbrechens)

Die Taube, die nicht hören wollte

Satire vom Feinsten

Vorwort

Jedes gute Buch hat ein Vorwort. Jedes schlechte allerdings auch. Braucht es denn eins? Bevor ich also nun eins schreibe, muss diese Frage zunächst zu meiner vollen Befriedigung beantwortet werden.

Also mache ich mich auf, um entsprechende Recherchen anzustellen.

Bepackt mit Schlafsack, Kaffeemaschine, einer Stange Zigaretten, sowie genügend selbst belegter Butterbrote und dreißig hartgekochter Eier, die ich noch vom Erstellen meiner Eiergedichte übrig hatte, ließ ich mich in der städtischen Bücherei über die Osterfeiertage einsperren.

Über Ostern hatte die Bücherei vier Tage zu und ich konnte mich dort in aller Ruhe meinen Vorwortstudien widmen. Jedes einzelne Vorwort wurde von mir sorgsam katalogisiert, analysiert und auf ihren Inhalt durchleuchtet. Eine solche, großangelegte Untersuchung erfordert natürlich eine gewisse Systematik. Ich entschied mich für die traditionelle Herangehensweise.

Ich ging alphabetisch vor. Angefangen bei Adorno, Brecht, Cervantes, dann weiter mit Dickens, Erhardt, Fontane, Grass, bis hin zu Zuckmayer!

So jedenfalls war der Plan. Doch meine gut ausgetüftelte Strategie geriet schnell ins Stocken, nämlich bereits bei Adorno. Ich verstand ihn nicht. Weder das Vorwort, noch das ganze Buch brachten mich weiter. Ich verstand nur so viel, dass es offensichtlich weder Krimi, noch Liebesgeschichte war.

Nach drei Tagen des Studiums entschied ich, weiterzugehen zu Brecht. Ich stellte schnell fest, der hat viel geschrieben. Ich begann mit seinen Gedichten. Nach dem Lesen der ersten zwei Gedichte zog ich mein Fazit und musste konstatieren, dass Brecht eine Sau war. Der schreibt offenbar Pornos! Das hätte er mal im Vorwort erwähnen sollen. Hätte mir viel Zeit erspart.

Ich entschied kurzerhand, mich Autoren zu widmen, die ich kenne. Gerhard Schröder, Lothar Matthäus, Joschka Fischer, Oliver Pocher. Endlich konnte ich da was lernen. Die haben einen hohen Frauenverschleiß! Bringt mich zwar nicht in meiner Vorwortanalyse weiter, ist aber unterhaltsam. Besonders Matthäus schreibt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und daran krankt das Buch. Nach vier Tagen intensivstem Lesemarathon wurde ich von einem Wachmann entdeckt, angezeigt und der Polizei übergeben.

Nach einer Nacht in der Zelle wurde ich gegen Kaution freigelassen und warte nun auf meinen Prozess wegen Hausfriedensbruchs, Einbruch und Vandalismus. Letzteres nur, weil ich mir einige Vorworte aus den Büchern ausgeliehen hatte.

Dennoch habe ich viel gelernt, bei meiner Recherche, das nicht unerwähnt bleiben darf:

Vorworte sind meist langweilig.

Schreibt der Autor sein Vorwort selbst, ist es meist kurz gehalten.

Schreibt es jemand anderes für ihn, ist es meist eine Lobhudelei, die nichts mit dem Buch zu tun hat.

Prominente schreiben nicht einmal ihr Vorwort selbst.

Manche Autoren übertreiben es. Neben einem Vorwort hängen sie am Ende eines Buches auch noch ein Nachwort dran. Muss ich dann wohl auch machen!

Vorworte stehen am Anfang, Nachworte am Ende. Ich überlege, nur so aus Spaß, das einfach umzudrehen. Ob das wohl jemand merken würde?!

Hartgekochte Eier im Überfluss sorgen für Verstopfung.

Aus oben genannten Gründen habe ich mich nun entschieden, kein Vorwort zu schreiben und auch niemanden zu bitten, eines für mich zu verfassen. Ich konzentriere mich jetzt lieber auf das Nachwort!

Über die Pfingstfeiertage sind die Büchereien ja auch geschlossen. Aber das bleibt unter uns!

Mainz, bei schlechtem Wetter, 2020

Der Autor

(Den genauen Namen entnehmen sie bitte dem Buchdeckel)

Nachwort zum Vorwort

(Das eigentliche Nachwort finden sie am Ende des Buches)

Auf meine Bitte, mir ein Vorwort zu schreiben, erhielt ich bis Druckschluss leider keine Rückmeldungen. Vermutlich haben weder der Dalai Lama noch Barack Obama die nötige Muße gehabt oder einfach mein Schulenglisch nicht verstanden.

Wie alles begann ...

Als ich das Licht der Welt erblickte, verdunkelte sich der Himmel! So schrieb es meine Großmutter liebevoll in mein Poesiealbum. Sie war eine weise und vorausschauende alte Dame.

Ich war ihr erster Enkel und dabei sollte es auch bleiben. Das war die einzige Freude in ihrem Leben. Sie war ein mürrisches altes Weib. Erst als die Demenz völlig von ihr ergriffen war, was sie selbst ja nie war, lächelte sie vor sich hin. Sie schien mich wohl auch vergessen zu haben. Unser Verhältnis war, zeit ihres Lebens, nicht ungetrübt. Ihr Tod war für lange Zeit meine einzige Freude. Sie war damals bei meiner Geburt dabei und nichts hätte mich davon abhalten können, ihr einen Gegenbesuch abzustatten. Der Pfarrer fand auch ganz rührende und wohlmeinende Worte. Und ich dachte immer, die dürften nicht lügen. Da gibt es doch irgendein Gebot.

Muss ich mal googeln!

Aber der Pfarrer erreichte immerhin, mich zum Weinen zu bringen. So sehr musste ich lachen. Beim Schlusssatz des Pfarrers drohte ich fast ins offene Grab zu fallen. Der schwänzte offenbar einen anderen Beruf. Als Komiker war er echt eine Granate. Er beendete seine sicher gut gemeinte Lobhudelei mit den Worten: „Sie war ein Mensch voller Güte!“ Und dieses: „Güte“ war auch das erste Wort, das ich von meiner Großmutter mitbekam. Ich hörte es direkt nach meiner Entbindung. „Meine Güte, das ist ja ein hässliches Kind!“ Sie sagte es zwar leise, kaum zu hören, aber ich glaube, ich bekam es mit. Jedenfalls erzählte es meine Mutter immer gerne. Kein Weihnachten ohne diese Anekdote. So blieb dieser inbrünstige Ausstoß von ihr für immer in mein Hirn einzementiert. Wahrscheinlich verpasst man mir diesen Spruch auch noch als Grabinschrift.

Also, da ist man kaum zwei Minuten auf dieser schönen Welt, dann so ein Spruch und einem wird schlagartig klar: „Wärst du besser mal drin geblieben!“, denn auf so eine Begrüßung war ich nicht vorbereitet. Ich wollte auch sogleich dagegen protestieren, ich war ein frühentwickelter Revoluzzer, aber ich war damals sprachlich noch nicht ganz ausgereift. Also blieb mir nur eine Form, um mich auszudrücken.

Als der Arzt mich in die Hände meiner Großmutter geben wollte, nahm sie mich genauso angewidert an, wie der Arzt mich auch angewidert loswerden wollte. Da zeigte ich ihnen, was in mir steckt und pieselte beide in hohem Bogen an.

Strike! Eins zu null für mich.

Meine Mutter bestreitet heute noch, dass die Schwester, die mich Waschen musste - sie soll beim Streichholzziehen den Kürzeren gezogen haben - mich fallen ließ.

Ich hätte auch vorher schon so ausgesehen! Gewundert hätte es mich allerdings nicht. Ich war und bin von jeher ein Pechpilz. Der legitime Nachfahr von Hiob! Hiob kennen sie nicht? Dann müssen sie in der Bibel nachschlagen. Der hat noch kein Facebook-Profil.

Zu meinem Vater entwickelte ich auch keine wirkliche Beziehung. Das Band der Liebe hatte er sehr früh zerrissen, noch im Kreißsaal. Er hat aus Enttäuschung über das Ergebnis seines Ejakulats, die Nabelschnur durchgebissen. Noch am gleichen Tag unterzog er sich einer Vasektomie!

Erst mit dreiundvierzig Jahren erfuhr ich, dass er das bei mir auch gleich hat machen lassen. Die hatten wohl grade ein Angebot. „Nehmen sie zwei und zahlen sie nur eins!“ Die Enttäuschung meines Vaters bezog sich nicht vordergründig auf mein Aussehen, sondern vielmehr auf mein Geschlecht.

Die Ärzte versicherten ihm, ich sei ein Junge, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht erkennen könnte. Sie deuteten auf eine bestimmte Stelle und erklärten ihm, woran man sieht, dass es sich hierbei um einen Jungen handelt. Der Anblick enttäuschte ihn noch mehr. Eine Krankenschwester versuchte ihn mit den Worten: „Das entwickelt sich noch“ zu trösten, doch hörte man aus ihrer Stimme heraus, dass sie wohl selbst nicht daran glaubte. Meine Mutter meinte, diese Krankenschwester hätte sich mehr als rührend um meinen Vater in seiner schwersten Stunde gekümmert. Näheres zu der Schwester, die mich ja angeblich fallen ließ, weiß ich nicht.

Aus Erzählungen meiner Mutter weiß ich nur, dass es sich wohl um eine Frau Luder handeln muss. Jedenfalls soll mein Vater, zwei Tage nach meiner Geburt, mit dieser Frau Luder abgehauen sein. Sie sollen irgendwo in Schwarz- oder Weißafrika eine Elefantenaufzuchtstation betreiben.

Er muss wohl irgendwas kompensieren. Mehr kann ich über meinen Vater nicht sagen.

Was mein ... na ja, sie wissen schon ... - wie bringt man das literarisch wertvoll zum Ausdruck, ohne dass Karasek und Reich-Ranicki gleich im Grab rotieren - angeht, hat es sich im Laufe der Jahre doch noch herausgebildet.

Könnte mehr sein, aber man muss auch mit Kleinigkeiten zufrieden sein.

Zwar funktionstüchtig, dafür aber dank Vater wirkungslos.

Wenn ihnen der Begriff Attrappe etwas sagt?!

Frauen erzählen ja auch immer gerne, es käme nicht auf die Größe an.

Aber wahrscheinlich erzählen sie es nur, um uns Unterprivilegierten noch einen Funken von Selbstachtung zu lassen. Ich denke, Münchhausen muss doch eine Frau gewesen sein.

Aber meine Erfahrung auf dem Gebiet sollte mich ja auch erst später beunruhigen. Viel später ...! Jahre später...! Jahrzehnte später...! Aber dazu später!

Meine weitere Kindheit verlief relativ normal! Masern, Mumps und Gelbsucht. Irgendwas war immer. Schon im Kindergarten war ich sehr beliebt. Mit Vorliebe spielten die anderen Kinder mit meinen Spielsachen, die sie mir wegnahmen. Meine Pausenbrote waren die Beliebtesten überhaupt. Sie fütterten mich mit Sand oder warfen mich von der Schaukel. Kein anderes Kind stand so sehr im Mittelpunkt wie ich. Als ich dann in die Schule kam, stand ich nicht mehr im Mittelpunkt, dafür aber meist in der Ecke. Manche Lehrer erkannte ich nur an der Stimme, so selten sah ich sie. Immer, wenn jemand seine Hausaufgaben vorlesen musste, zeigten alle auf mich. Natürlich hatte sie mir vorher irgendeiner aus dem Ranzen geklaut. Immer, wenn die Lehrer sagten: „Wer war das?“, kam es aus vierunddreißig Kehlen: „HaGü!!!!!“ HaGü war ich! Eigentlich Hans-Günter. Aber den Namen fanden alle blöd. Ich auch. HaGü klingt, als wenn man ein Pferd anhalten möchte. Mit großer Leidenschaft und Strebertum habe ich die neun Schuljahre hinter mich gebracht. Am Tag meiner Volljährigkeit hielt ich voller Stolz mein Abschlusszeugnis in Händen. Dreizehn Jahre harter Arbeit und jetzt lag das Abschlusszeugnis der neunten Klasse vor mir. Meine Mutter nahm den Beweis meiner Intelligenz zitternd und schluchzend vor Stolz in ihre Hände und meinte mit brüchiger Stimme: „Ich habe es ja immer gewusst, dass du das Zeug dazu hast. Ich werde einen Rahmen kaufen und wir hängen es über den Fernseher, neben das Jesus-Bild und die beleuchtbare Venedig-Gondel.“ Dann lud sie mich ein zu Gerda. Gerda war die Besitzerin eines Speiserestaurants. Also fuhren wir zum Bahnhof und gingen in die Trinkhalle. Von dort hatte man immer einen wunderbaren Blick auf die gegenüberliegende Damenpension. Eigentlich war es keine Damenpension. Mutter nannte sie nur so. Was genau es war, habe ich nie erfahren, denn Mutter hatte mir strikt untersagt, dort hinzugehen. Ich habe nie verstanden, weshalb ich da nicht hindurfte. Tante Elfie geht dort täglich ein und aus. Anfangs dachte ich, da dürfen nur Frauen rein, aber einmal sah, ich wie unser Lehrer da rauskam. Na ja, irgendwann frag ich mal Tante Elfie.

Bei Gerda gab es zur Feier des Tages Schnitzel mit Pommes. Mutter erlaubte mir sogar etwas Alkohol. Gerda brachte mir das erste Kölsch meines Lebens. Gott war ich stolz. Dieses erste Kölsch war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die mein Leben entscheidend prägen sollte.

Voller Stolz zeigte meine Mutter in der ganzen Trinkhalle mein Zeugnis herum. Es wurden sogar zwei Lokalrunden geordert. Die musste ich dann später in der Spülküche abarbeiten, da man diese Runden in meinem Namen bestellt hatte. Aber egal, ich war im Mittelpunkt! Alle prosteten mir zu. Als eine La-Ola-Welle durch die Trinkhalle anhob, war ich zu Tränen gerührt. Eine ältliche Dame, nein, das wäre falsch formuliert, eine alte Frau, bekannt als Strip-Uschi, küsste mich überschwänglich und rieb ihre Hand an meiner Hose. War aber sicher ein Zufall. Sie musste sich sicher nur abstützen, da ihr Rollator draußen vor der Tür stand. Sie rülpste mir zärtlich und liebevoll ins Ohr und meinte, jetzt müsse ich nur noch ein richtiger Mann werden und zeigte auf das Pensionat, aus dem gerade zwei ehemalige Mitschüler von der Polizei herausgeführt wurden. Wieso durften die da rein und ich nicht? Wahrscheinlich antiautoritär erzogen. Einer der beiden Mitschüler machte später sogar Karriere. Der war neulich in der Zeitung, sogar mit Foto. Der sitzt jetzt wegen Bankbetrug. In Mathe war der immer gut gewesen. Ich wusste immer, mit dem muss man rechnen. Der andere hat sich selbstständig gemacht. Er ist Besitzer von fünf Wohnwagen und vermietet sie an junge Frauen. Die stehen auf Autobahnraststätten und bieten Autofahrern eine Ruhemöglichkeit. Heute fährt er einen dicken Ami-Schlitten und will sich jetzt angeblich von Prinz Frederik von Anhalt adoptieren lassen. Dabei hat der noch Eltern. Meine Karriere sollte sehr eng mit Gerdas Trinkhalle verbunden sein, aber davon wusste ich damals noch nichts. Mir wurde sehr schnell klar, dass mein Talent in der Wirtschaft zu finden ist. Und ich machte dann ja auch eine glänzende Karriere. Heute lebt Gerda leider nicht mehr. Aber ich vergesse es ihr nie, dass sie es war, die mir das erste Kölsch ausschenkte. Es war der Grundstein für mein weiteres Leben.

Hart(z) aber herzlich oder Endlich Freizeit.

Heute Morgen habe ich geweint. Mache ich jetzt jeden Morgen. Kommt man erst so richtig in Stimmung. Ganz egal, wie das Wetter ist. Auch wenn die Sonne sich in den leeren Bier- und Ouzo-Flaschen widerspiegelt, ich heul erst mal eine Runde. Fängt der Tag doch gleich ganz anders an.

Ich muss meinem Status als Hartz-IV-Privilegierter doch gerecht werden. Und ich hab ja auch sonst nicht viel zu tun. Außerdem zieht sich der Tag ja auch sonst so lange hin. Ich hab ja auch mittags frei. Und dazwischen passiert auch nicht viel. Lediglich abends kommt etwas Spannung auf, ob ich die Raviolidose aus dem Aldi wohl so aufkriege, dass ich mir den Daumen nicht einreiße. Bisher hat die Dose vier zu eins gewonnen. Und die Woche ist noch nicht zu Ende. Günter, sag ich dann immer zu mir, eine Dose ist wie eine Rose, die hat Dornen. Aber bei der roten Soße fällt das auch nicht weiter auf. Muss ich halt nicht mehr verdünnen. Sogar meine Blutgruppe ist null.

Aber das weiß ich erst, seitdem ich das Antragsformular für die Beantragung von Arbeitslosengeld II mit sämtlichen Unterantragsnummern, Ergänzungsblättern, Informations- und Hinweisblättern und den dazu benötigten Bestätigungen, Mitteilungen, Mitgliedsbescheinigungen von Krankenkasse, Rentenvorabbescheinigungen, letztjährigen Verbrauchsabrechnungen, Mietunterlagen, eidesstattlichen Versicherungen, Einkommensnachweisen, Führungszeugnis, Röntgenbilder, sowie Siegerurkunden und Seepferdchenbestätigung, beigefügt, alles gelesen, verstanden, ausgefüllt, kopiert, beglaubigt und eingereicht habe.

Ein falsches Kreuz gemacht, dann, Gnade dir Gott, gehst du, ohne Angabe von Gründen und Beweispflicht des Arbeitsamtes, sofort in den Knast!

Widerspruch zwecklos! Widersprüche heißen Widersprüche, weil sie immer wieder und wieder abgelehnt werden.

Nach drei Monaten hatte ich endlich alle Unterlagen zusammen und war deutschlandweit der älteste Teilnehmer, der jemals das Seepferdchen bestanden hat, allerdings im dritten Anlauf. Zugegebenermaßen bekam ich es mehr aus Mitleid, da ich mehrfach dem Gelächter der anderen, meist neunjährigen Schwimmern, ausgesetzt war.

Ich kontrollierte sehr sorgsam mehrfach alle Unterlagen, um auch ja keinen Fehler zu machen. Aber sich durch den Paragraphendschungel durchzuschlagen ist nicht einfach. Da hilft einem ja auch keiner bei!

Es gibt keine Bücher zum Thema: Arbeitslos leicht gemacht oder Mein Leben für Hartz IV! Über jeden Mist wird ein Buch geschrieben, aber über was wirklich Wichtiges, nee, da gibt´s nix. Mit Erfolg zu Hartz IV, na, das wäre doch mal was. Mit so einem Buch könnte man die Bestsellerlisten stürmen. Das würden alle Hartz-Vierer doch sofort kaufen, wenn sie könnten. Müsste halt billig sein.

Könnte man ja aus Altpapier machen und einen billigen Einband drum rum. Vielleicht aus alten Stellenangeboten oder aus diesen Pizzalieferungsprospekten, die jeden Morgen meinen Briefkasten zum Überquellen bringen, wenn ich mir abends die Morgenzeitung meiner Nachbarn hole, die die mir da reingesteckt haben. Ist echt nett von denen. Seit die das machen, wird ihre Zeitung auch nicht mehr geklaut. Kam früher ja öfter vor. Ja, ja, die Menschheit ist im tiefsten Grunde schlecht.

Wo war ich? Ach ja! Ein Buch müsste man schreiben. Für die Vervielfältigung bräuchte man ja auch keinen Verlag. Das kann man doch auch alles in Eigenregie machen. Man holt sich einfach ein paar Ein-Euro-Jobber und die schreiben das Manuskript einfach ab. Es wird doch auf dem Arbeitsamt irgendwo im Keller noch eine alte Schreibmaschine geben. Und die Seiten werden einfach zusammengetackert. Das ist zwar nicht so ansehnlich, aber es erfüllt seinen Zweck.

Eben ruft mich das Arbeitsamt an und teilt mir mit, und die Dame hat einen merkwürdigen und mir unverständlichen Unterton in der Stimme: „Meinen Stuhl hätte ich nicht beilegen müssen!“ Ich habe mich natürlich sofort für meine Unzulänglichkeit entschuldigt. Man muss sich mit denen ja schließlich gut stellen. „Gnädige Frau, sie sehen mich völlig zerknirscht!“, was natürlich Schwachsinn war, denn sie konnte mich ja am Telefon nicht sehen. Zärtlich flötete ich in den Hörer: „Ich dachte ja nur ... sicher ist sicher ... nachher geht was und sie streichen mir die Bezüge.“ Wie man es auch macht ... immer ist es verkehrt. Aber, „Günter“ habe ich zu mir gesagt, immer schön freundlich zu der Sachbearbeiterin sein, sonst, ruckzuck, wird dir wieder ein Tagessatz gestrichen. Also habe ich lieb ins Telefon gelächelt, aber mit der Faust in der Tasche und habe mich untertänigst mehrere Male entschuldigt. Dann versuchte ich, das Gespräch mehr auf die private Ebene zu bringen und fragte höflichst an, ob sie so unwirsch sei, weil sie vielleicht ihre Tage habe. Statt mein ehrliches Interesse zu honorieren, brach das Gespräch abrupt ab. Hat die einfach aufgelegt. Da meint man es nur gut und dann sowas. Die ist sicher heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgewacht oder aus dem falschen Bett aufgestanden oder mit dem Falschen aus dem Bett aufgestanden. Aber was geht mich auch deren Erotikleben an, wenn die überhaupt eins hat, bei der Laune.

Na ja, die Sexualität ist ja auch so was von überbewertet. Geht auch ganz gut ohne! Also, jetzt nicht missverstehen, nicht dass ich nicht könnte, wenn ich wollte. Wenn ich wollte, dann könnte ich auch. Gelernt ist schließlich gelernt. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wehe, wenn er losgelassen! When the Tiger over the tanks come! Ja, ich kann auch Englisch. In Wort und Schrift, wie es immer so schön heißt. Musste ich ja beim Amt auch angeben. Damit bin ich dann auch weltweit auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar. Sogar für höhere Positionen bin ich bereit. Muss mich nur einer wollen. Das habe ich der Sachbearbeiterin auch gesagt. Da hat die nicht schlecht gestaunt. Geradezu sprachlos war sie. Ja, der Günter kann mit Frauen. Die fressen mir aus der Hand. Lasse ich mir natürlich nicht anmerken. Ich will lieber auf Distanz bleiben, sonst könnte die Dame womöglich meinen, ich wolle was von ihr. Oder sie kriegt Ärger mit ihrem Chef. Denn irgendwie arbeitet die ja für mich. Und eine Beziehung unter Kollegen ... ist doch immer etwas heikel. Da gibt es dann nur Gerede! Das geht doch rum wie ein Lauffeuer im Amt. „Haste gehört, die Müller soll was mit dem 52706BG haben!“ Ich hab ja auf dem Amt meine eigene Nummer! 52706BG. Da steckt die Sechs ja schon drin. Wenn das mal kein Zufall ist! Die Nummer hab ich persönlich von Frau Müller bekommen. Die wird sich schon was dabei gedacht haben. Nachtijall ick hör dir trapsen! Aber ich möchte nicht als das Luder vom Amt verschrien sein. Und für eine einmalige Sache bin ich mir zu schade. Die will ja nur ihre Machtstellung ausnutzen. Hat man doch alles schon gehört: „Sachbearbeiterin verführt Leistungsempfänger.“ Da bekommt der Satz: „Einführung in den neuen Arbeitsmarkt“ doch eine ganz andere Bedeutung. Nein, Arbeit und Freizeit gehören getrennt. Sie arbeitet und ich hab Freizeit. Außerdem ist sie auch nicht mein Typ. An der ist ja nix dran, wenn sie verstehen!

Obwohl, als sie den Eingangsstempel für meine Bewerbung als Leistungsempfänger so zärtlich und doch zugleich energisch auf meinen Bewilligungsbescheid sanft hingehaucht hat, da wurde mir schon ein wenig anders. Na ja, wer weiß, was da noch zukünftig auf mich zukommt, denn dank Hartz IV sind wir ja über Jahre geradezu symbiotisch miteinander vereint. Keiner kann ohne den anderen! Ohne mich wäre sie nichts. Da wäre sie arbeitslos. Würde die auch Hartz IV kriegen. Und was wäre ich ohne sie? Entspannter! Ist ja auch kein Vergnügen, immer auf das Amt zu gehen. Wegen jeder Änderung musst du da antanzen. Wenn das Auto kaputt, der PC zu langsam beim Chatten ist, für unterwegs brauchst du einen neuen Laptop. Willst ja auch nicht mit den alten Brettern in den Ski-Urlaub. Für eine transportable Bierzapfanlage kämpfe ich noch. Das muss ja alles erstmal mühsam beantragt werden. Aber das besorgt die dir alles, wenn du nur hartnäckig genug bist und ausgekocht. Deshalb ist es gut, wenn sie auf mich steht. Schmeichelt mir natürlich auch etwas. Wenn ich zu ihr gehe, mache ich auch gerne mal einen Hemdenknopf mehr auf. Sie soll ruhig sehen, dass Fitnesstraining und Solarium Wirkung zeigen. Schließlich zahlt sie es ja auch.

Obwohl sie immer etwas misstrauisch ist, wenn ich ihr wöchentlich mit einem neuen Antrag komme. Sätze wie: „Ob das denn alles wirklich nötig wäre ... Sachleistungen müssten im Rahmen bleiben ... sonst würde ja jeder kommen ... das wären doch keine Grundbedürfnisse!“ Ich höre mir das immer stoisch ohne Gefühlsregung an und nicke dann immer verständnisvoll. Man muss schon auch die Sorgen der Frau verstehen. Aber ich argumentiere dann immer: „Ist doch nicht Ihr Geld!“ Die soll sich nicht so anstellen! Das nächste Mal bring ich halt mal ein paar Blumen mit. So ein Stiefmütterchen macht sich sicher gut auf ihrem Schreibtisch. Ich hab da nämlich so einen Flatscreen entdeckt, den will ich ihr noch aus den Rippen leiern.

Neulich allerdings, das muss ich jetzt einmal kritisch anmerken, da hat sie mich etwas verärgert. Krieg da mal wieder einen Brief von ihr. Ein Formschreiben, ohne persönliche Note. „Melden Sie sich am Montag um acht Uhr bei Frau Müller, Ihrer Sachbearbeiterin.“ Kein Bitte, kein wenn es möglich ist, kein wenn es ihre Zeit erlaubt ...! Ich war ein bisschen vergrämt, das muss ich zugeben. Da ich an diesem Tag zu einem Junggesellenabend nach Bayern fuhr, schickte ich ihr von da eine liebgemeinte Postkarte, mit dem Motiv von Schloss Neuschwanstein und fragte nach, ob man die Uhrzeit etwas flexibler gestalten könnte und Mittwoch wäre es mir auch lieber, da sich so ein Junggesellenabend auch gerne mal über mehrere Tage hinziehen könnte. Zumal der Besuch eines einschlägigen Etablissements von gewissem Ruf nicht ausgeschlossen sei, wo auch sicher das ein oder andere Glas auf den Bräutigam geleert werden müsse. Einen Tag Rekonvaleszenz würde mir das Amt doch wohl zugestehen. Deshalb gehe ich davon aus, dass seitens des Amtes mir das gleiche Verständnis entgegengebracht wird, wie auch ich immer Verständnis für das Amt aufbringe. Montag um acht Uhr sei völlig indiskutabel, da, wenn ich erschiene, ein völlig falsches Bild von mir gezeigt werden könnte, welches ich als nichtalltäglich bezeichnen würde. Die Spuren des Junggesellenabschieds möchte ich Frau Müller nicht zumuten. Da mir aber an einem guten, wenn nicht sogar ausgezeichneten Miteinander gelegen ist, ja, ich möchte sogar sagen, es ist mir eine Herzensangelegenheit, erlaube ich mir im Laufe des Mittwochs vorstellig zu werden. Ich verbleibe mit freundschaftlichen und kollegialen Grüßen.

Herzlichst, Ihr Hans-Günter Sorgenbrecher

P.S.: Die Bahnfahrkarten, sowie Hotelrechnung und sonstige Belege habe ich sorgsam gesammelt und vorsortiert und werde sie zur Abrechnung mitbringen. Ich schlage also den Mittwoch vor, sagen wir gegen 14.30 Uhr. 14.00 Uhr ginge notfalls auch, wenn ich vom Bahnhof direkt mit einem Taxi vorbeikäme, was allerdings zusätzliche Kosten zulasten des Amtes mit sich brächte. Eine Barauszahlung meiner Aufwandsentschädigung würde ich präferieren. Sollte ich bis Sonntag, 18.30 Uhr, keine gegenteilige Information ihrerseits erhalten, gehe ich davon aus, dass sie den von mir vorgeschlagenen Termin einrichten können.

Jetzt weiß ich nicht, kam meine Karte aufgrund einer postalischen Unzuverlässigkeit oder einer internen Fehlinformation bei meiner Sachbearbeiterin nicht an oder wurde von Seiten des Amts gegen Frau Müller intrigiert? Vielleicht wollte ein hinterlistiger Kollege mich als Kunden gewinnen und Frau Müller wegmobben. Man weiß es nicht. Jedenfalls teilte man mir an der Pforte des Arbeitsamtes äußerst unwirsch mit, dass heute, am Mittwoch, kein Termin für mich zu bekommen sei. Außerdem hätte man mir eine schriftliche Aufforderung zugesandt. Warum ich dem Termin am Montag fern geblieben sei? Das Arbeitsamt würde nun rechtliche Schritte einleiten und ich hätte mit Repressalien zu rechnen.

Und so stand ich da, mit meinem Koffer, der Taxiquittung, einer detaillierten Gesamtabrechnung meiner Reise und der Flasche Ettaler Klosterlikör, die ich extra als Mitbringsel besorgt hatte. Und dann versemmeln die einfach den vereinbarten Termin. Die Kosten für meinen Ausflug, den ich im Antrag als Seminar zur Stärkung der Sozialkompetenz deklariert hatte, wurden mir nicht bewilligt. Auch als Fortbildungsmaßnahme Wirtschaft und bayrisches Brauchtum als Zukunftsvision wurde mein Änderungsantrag abschlägig beschieden.

Seitdem ist das Verhältnis zu Frau Müller nachhaltig gestört, um nicht zu sagen zerrüttet. Ich sah mich gezwungen, trotz unserer früheren guten Zusammenarbeit, ihr eine Abmahnung zu schicken. Zumindest der Antrag auf die mobile Bierzapfanlage wurde jetzt bewilligt. Mit meiner Geschäftsidee kam ich nun in das Förderprogramm Ausgliederung zur Eingliederung in die Selbstständigkeit durch Eigeninitiative! Und den Flatscreen gab es auch, als Förderung der Grundausstattung eines neuen Geschäftsmodells.

Zu Frau Müller habe ich übrigens keinen Kontakt mehr. Sie soll gekündigt haben und inzwischen auch Hartz IV bekommen. Sie hat sich mich als Vorbild genommen. Nicht der schlechteste Weg, Karriere zu machen.

Mein Verhältnis zu Frauen oder warum ich keins habe.

Natürlich haben Frauen in meinem Leben auch eine Rolle gespielt. Allen voran meine Mutter Ella. Sie war immer für mich da und glaubte an mich. Sicherlich würde sie es heute noch tun, wäre da nicht über uns dieser Musiker eingezogen. Er war Pianist! Meine Mutter freute sich schon auf den neuen Mitmieter, denn sie liebte Musik.

Aber dazu kam es leider nicht. Als sie eines Tages von der Arbeit nach Hause kam, veränderte sich schlagartig ihr Leben. Sie war Reinigungsfachkraft im gehobenen Dienst. Sie kontrollierte den Ein- und Verkauf von Urinal-Utensilien und hatte die Oberaufsicht über zehn Sanitäranlagen im innerstädtischen Bereich unter sich. Für eine dieser Anlagen war sie selbst verantwortlich. Unter Kennern galt ihre Toilette als absoluter Geheimtipp. Keine andere Bedürfnisanstalt wurde mehr frequentiert. Sie war die Innovativste der ganzen Branche. Sie führte als erste Musikberieselung ein. Händels Wassermusik an den Urinalen und die Hits von Modern Talking in den gemütlich eingerichteten Kabinen. Das löste jede Verstopfung in Windeseile. Liebevoll und voller Hochachtung wurde sie von allen Urin-Ella genannt. Von ihrem reichhaltigen Trinkgeld fuhren wir jedes Jahr an die Cote d`Azur. An meinen Vater habe ich keine Erinnerung mehr. Er hatte sich schon kurz nach meiner Geburt verpisst. Als nun meine Mutter eines Tages nach Hause kam, wurde gerade der Flügel des Musikers angeliefert. Er wurde von zwei Arbeitern mittels eines Flaschenzuges nach oben gezogen. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie riss das Seil.

Doch es war wirklich eine schöne Beerdigung. Alle ihre Kollegen waren da, sogar einige Stammkunden. Nach der Trauerfeier versammelten wir uns an Mutters Arbeitsstätte zum Leichenschmaus. Es wurde viel erzählt und gelacht. Es war ein rauschendes Fest, könnte man sagen.

Der Pianist hat übrigens eine Umschulung gemacht. Es muss ihn doch sehr getroffen haben, fast so sehr wie meine Mutter. Er spielt heute Piccolo-Flöte.

Aber ich wollte ja von den Frauen erzählen. Ich hätte sicher auch gerne eine Freundin, aber ich bin wohl zu anspruchsvoll. Man hört ja auch so viele Geschichten, was Frauen alles wollen. Nicht nur Geld und Sicherheiten, nein, vor allem Sex.

Na, und da weiß ich nicht so wirklich Bescheid. In der Schule war ich längere Zeit krank und als ich wiederkam, waren die gerade bei der Entbindung. Meine Klassenkameraden waren mir daher um einiges voraus. Eine Mitschülerin ganz besonders. Sie wurde mit zwölf Jahren schwanger, von einem mitreisenden Kettenkarusselhilfsaufsteller. Schuld daran sind nur unsere Politiker, die mit Verweis auf die rückläufige Bevölkerungsentwicklung mehr Kinder fordern. Aber diese Argumentation hat bei mir nie verfangen. Denn vor die Kinder hat der liebe Gott den Sex gestellt. Wie bereits erwähnt, kenne ich mich da nicht aus. Ein Freund meinte zwar, das sei eine Wissenslücke, die ich füllen müsste. Aber Mutter meinte, man müsse nicht jeden Quatsch mitmachen.

Außerdem habe ich von den vielen Sexrisiken und Sexpraktiken gelesen. Nein, da bleib ich lieber allein mit John und Jim. Ja, ich habe meinen Händen Namen gegeben. Ist doch irgendwie persönlicher! Und die Jungs sind gut. Die verstehen ihr Handwerk. Die will ich nicht missen.

Doch warum werden heute so wenige Kinder gezeugt? Das ist ja kein Wunder, wenn man sich diese ganzen Sexpraktiken ansieht. Da wird ausgepeitscht, geknebelt und gefesselt. Man begießt sich mit Kerzenwachs, bekleckert sich mit Honig, muss Früchte mit Sahne vom letzten Adventskaffee von der Brust schlecken. Wie soll es da noch zum Akt kommen, wenn man sich vor Schmerzen nicht bewegen will oder so verklebt ist, dass man es auch nicht mehr kann. Ganz abnorm wird es, dank veganer oder laktosefreier Sahneersatzprodukte. Veganer Sex zur Befriedigung der Fleischeslust!? Ein Widerspruch in sich. In einer Frauenzeitschrift habe ich gelesen: „Guter Sex muss schmutzig sein!“ Da bietet sich bei mir jederzeit die Küche an. Und Sex wäre nur dann gut, wenn der Nachbar die Zigarette danach auch raucht. Was diese Sexexperten in diesen Gazetten alles so wissen und an Weisheiten weitergeben. Da vergeht es mir ja schon beim Lesen. Außerdem kenn ich meine Nachbarin nicht und möchte auch nicht schuld sein, wenn sie wegen mir an Lungenkrebs stirbt. Ich möchte nicht, dass sie mir dabei zuhört oder mir im Aufzug zuzwinkert. Die Frau ist über achtzig Jahre alt und nicht bei bester Gesundheit. Früher ging man für Sexspielzeug in ein Hygieneinstitut für die Ehe, heute fährt man in den Baumarkt. Wenn ich da so in die Einkaufswagen an der Kasse sehe, da graut es mir.

Ich möchte gar nicht wissen, was die mit Schraubzwingen, Kippdübeln, meterlangen Stahlketten, Gummiflansch und Stacheldraht anfangen. Sind das nun Handwerker oder Sexmonster? Fehlt nur noch, dass mir im Hausflur ein Kerl entgegenkommt, mit einem Andreaskreuz auf der Schulter, der einen Hausbesuch macht. Es soll ja Leute geben, die sich ganze Zimmer aus dem Baumarkt eingerichtet haben. Früher ging man verschämt mit Sonnenbrille, Pudelmütze und angeklebtem falschen Bart in diese Sexshops und heute zeigt ein jeder seine Perversität bei Obi. Ich würde auch nie in eine schlagende Verbindung eintreten.

Und dann immer der Stress mit den Handschellen. Ständig meckert sie rum, nur weil man die Schlüssel nicht finden kann oder einfach schnell weg muss. Ich sag euch, SM fördert nicht gerade den Wunsch nach Kindern. Die sollen weiter unter Schmerzen geboren, aber nicht unter Schmerzen gezeugt werden. Hier hört die Gleichberechtigung aber auf. Peinlich auch, wenn Polizei, Krankenpfleger, Ärzte, Schlüsseldienst und Hausmeister vor der Heizung stehen, an die man angekettet ist. Die Klamotten liegen im anderen Zimmer und das Viagra hält dann wirklich, was es verspricht. Und der Hausmeister lacht dann immer, wenn er dich sieht und fragt: „Na, wie geht´s, wie steht´s?“