Die Tochter des Tuchkaufmanns - Susann Rosemann - E-Book

Die Tochter des Tuchkaufmanns E-Book

Susann Rosemann

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Beschreibung

Ulm im Jahr 1485. Die kaufmännisch begabte Jolanthe rivalisiert mit ihrer Schwester Sieglinde um das Unternehmen ihres kranken Vaters. Als auch noch Pascal, ein undurchsichtiger französischer Kaufmann, sich auffallend um die beiden Schwestern bemüht, eskaliert die Situation. Was führt der Fremde im Schilde? Warum hilft er Jolanthe bei ihren heimlichen Geschäften? Sie muss bis in die blühende Handelsstadt Venedig reisen, um die Fäden zu entwirren.

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Die Tochter des Tuchkaufmanns

Historischer Kriminalroman

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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Christoph Neubert

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

Prolog

Ulm, 1475 Sommer

Das Geschrei der Mutter wollte nicht enden. Jolanthe steckte ihre Finger in die Ohren und begann, ein Lied zu summen. Sie wiegte sich vor und zurück und erklärte dem Stoffhasen vor sich, die Mutter würde sicher bald aufhören mit diesem Lärm. Doch sie hörte nicht auf.

Draußen war es bereits dunkel geworden, die Schwester hatte vergessen, die Läden vor dem Fenster ihrer gemeinsamen Schlafkammer zu schließen. Jolanthe zog vorsichtig die Finger aus den Ohren und lauschte. Der Ruf des Nachwächters hallte durch die Stille. Sonst tat sich nichts. Erleichtert nahm sie ihren Hasen und schlüpfte in die Holzpantoffeln, wollte hinüberlaufen ins andere Zimmer, das Kind anschauen, das die Mutter endlich geboren zu haben schien. Doch das Geschrei fing von vorn an. Wie erstarrt blieb sie stehen und biss sich auf die Unterlippe. Da stimmte etwas nicht, auch wenn ihre große Schwester sie mit beruhigendem Murmeln aus dem Raum geschoben hatte. Jolanthe wusste noch nicht viel, doch dass diese Geburt zu lange dauerte, das spürte sie.

Sie schlich den Gang entlang und öffnete vorsichtig die Tür zur Kammer der Eltern. Verbrauchte Luft schlug ihr entgegen, unterlegt mit dem metallischen Geruch nach Blut und dem scharfen Gestank von Urin. Sieglinde und die Hebamme waren damit beschäftigt, der schreienden Mutter beizustehen, sie bemerkten Jolanthe erst, als sie am Bett stand und das schweißglänzende Gesicht der Mutter sah.

»Geh!«, fuhr Sieglinde sie an. »Du hast hier nichts zu schaffen.«

»Ich muss Martha holen«, antwortete Jolanthe ernst in dem Wissen, dass sie recht hatte. »Mutter wollte sie bei sich haben, warum hast du sie nicht benachrichtigt?«

Kapitel 1

Ulm, 1485 Frühling

Das Stimmengewirr schwoll an, während Jolanthe aus einer Seitengasse auf den Marktplatz trat. Ein paar vereinzelte Töne einer Laute erklangen. Als sie sich umsah, war Katrein, ihre Magd, mehrere Schritte hinter ihr zurück geblieben und schaute einem Mann in bunten Beinlingen zu, wie er vor einer Gruppe Aufstellung nahm, um ein Lied darzubieten.

»Trödle nicht!«, rief Jolanthe, was die Magd zusammenschrecken ließ. Natürlich gab es vieles zu entdecken an einem Markttag in Ulm, sie selbst liebte dieses Gewimmel und Gewirr, die vielen unterschiedlichen Gerüche. Man brauchte nur stehen zu bleiben, die Augen zu schließen und sich darauf zu konzentrieren, um zu erfahren, welche Stände, welche Läden am nächsten waren. Allerdings durfte man das nicht zu häufig tun, sonst kam man nie dort an, wo man hin wollte.

In der Annahme, dass Katrein ihr folgen würde, ging sie weiter und sah sich um. In den nach vorn offenen unteren Stockwerken der Häuser hatten die Händler die Holzläden vor den Geschäften nach oben geklappt und mit Stricken an Ösen befestigt, die sie irgendwann einmal mit kräftigen Schlägen in die Hauswände getrieben hatten. Der Geruch nach Kohl und gesottenem Fleisch aus einer Garküche zog an ihr vorbei. Nebenan breitete ein Tuchmacher bunte Stoffe auf einem Holzgestell aus. Jolanthe strich mit den Fingern über den groben Wollstoff und nickte anerkennend über die sattgrüne Farbe, die ein wenig in Gelb überging und damit den Frühling selbst widerzuspiegeln schien, der aus allen Ecken kroch.

Im Haus daneben verkaufte die Bäckersfrau frisches Brot, während ihr Gatte im hinteren Teil des Raumes Teigfladen in den Ofen schob, das Gesicht gerötet von der Hitze, die ihm entgegenschlug, wenn er die Klappe öffnete. Jolanthe blieb so unvermittelt stehen, dass die Magd in sie hineinlief. Wusste ich’s doch, sie ist unaufmerksam.

»Dummes Gör! Kannst du nicht aufpassen?«, sagte sie mehr zu sich als zu dem Mädchen, doch das knickste und schaute verschämt auf den Boden, die Hände verkrampft um den Henkel des Korbes, den sie trug. Jolanthe tätschelte ihr aufmunternd den Arm. Katrein hatte es nicht leicht bei ihnen im Haus. Seit dem Tod der Mutter führte Sieglinde ihrem Vater Winald den Haushalt und weiß Gott, die Schwester war nicht einfach zufriedenzustellen, das wusste Jolanthe nur zu gut. Die Magd, die ihnen zuvor zu Diensten war, hatte Sieglinde zum Teufel geschickt, weil sie zwei Widerworte zu viel in den Mund genommen hatte. Katrein hingegen verhielt sich demütig genug, wie es schien. Jolanthe hätte ihr gern mehr Mut zugesprochen, doch damit hätte sie dem Mädchen keinen Gefallen getan.

Sie wandte sich der Bäckerin zu und setzte ein Lächeln auf, von dem sie hoffte, dass es gewinnend wirkte. Eine Mischung irgendwo zwischen fröhlich, höflich und spitzbübisch, das sie nach Belieben verwenden konnte, weil sie es eingeübt hatte. Sie hatte gelernt, wie wichtig die Mimik bei der Geschäftemacherei war. Manches glich einem Spiel. Wer zuerst eine Schwäche zeigte, hatte verloren.

»Seid gegrüßt, Hermine, wie geht es den Kindern? Ich habe letzt erst zu meiner Schwester gesagt, wie prächtig doch die Kleinen vom Bäcker Johann gedeihen.«

Die Bäckersfrau blies verdrießlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und stemmte beide Hände in die beleibten Hüften. Sie musterte Jolanthe. Dann antwortete sie: »Kommt mir nicht so freundlich, wir haben kein Brot von gestern, und wenn Ihr wieder zehn Laib zum Preis von neunen haben wollt, schert Euch zur Konkurrenz. Bei uns gibt’s keine Sonderpreise für niemanden. Auch nicht für die reiche Tochter vom Kaufmann Winald Kun.«

Jolanthe winkte dem Bäcker verstohlen zu, der sich bei den Worten seiner Frau umdrehte. Er zwinkerte verschwörerisch, bevor er sich bückte, um einen Klumpen Teig aus einem Bottich zu holen. Er warf ihn auf eine mit Mehl bestäubte Arbeitsfläche und knetete ihn mit beiden Händen.

»Beruhigt Euch, so reich sind wir nun nicht, es gibt weit bedeutendere Handelshäuser in Ulm«, sagte sie zu Hermine. »Wir müssen genauso mit unserem Hab und Gut haushalten wie Ihr. Ich nehme drei Brote, fünf Pasteten und drei von den süßen Seelen.«

Bei ihrem letzten Einkauf hatte sie der Bäcker bedient. Sie hatte ihn um einiges herunterhandeln können, und es hatte ihnen beiden Freude bereitet, auch wenn er, wie sie zugeben musste, sicher ungünstiger aus dem Ganzen hervorging als sie. Wer zuerst eine Schwäche zeigt …

»Du verdrehst einem den Kopf mit deinem vielen Gerede«, hatte er schließlich gerufen und gelacht, als sie ihm von treuer Kundschaft erzählte und auf das Brot wies, das sie zu kaufen gedachte.

Katrein nahm die bestellten Dinge entgegen und verstaute sie in ihrem Korb.

»Was habt Ihr daheim nur mit den vielen Broten gemacht?«, fragte Hermine mit einem Kopfschütteln.

Jolanthe wechselte ihren Korb von einer Hand in die andere und beobachtete den Bäcker beim Formen von länglichen Teigwülsten.

»Brotsuppe. Drei Tage lang«, antwortete sie schließlich. Aus den Augenwinkeln sah sie Hermines Lächeln.

»Eure Schwester, die Sieglinde«, sagte die Frau des Bäckers schließlich, »die versteht viel von der Führung eines Haushaltes.«

Im Gegensatz zu mir, ergänzte Jolanthe in Gedanken. Sie antwortete: »Aber sie hat einen großen Fehler. Sie kann nicht rechnen.« Sie zählte die Münzen auf den Tisch und verabschiedete sich mit einem Nicken.

Auf dem Marktplatz reihte sich ein Stand an den nächsten, darüber grobe Tücher als Dach, abgestützt mit Holzstangen, die Regen oder Sonne abhalten sollten, damit die Waren keinen Schaden nahmen. Ab und an blähten sie sich auf, wenn eine Windböe darunter fuhr. Es gab ein knackendes Geräusch, wie bei einem Schiff unter Segeln. Das Geschiebe nahm zu, als Jolanthe und Katrein zwischen die Stände traten. Ein Kind plärrte und wurde von einer verärgerten Stimme zur Ordnung gerufen. Das Gekläff eines Hundes übertönte für Augenblicke das Geschrei der Händler in ihren Buden. Drüben am Pfahl des Prangers hing heute keiner, der einen Fehltritt büßen musste. Das dunkle Holz war leer, auch die abgeschnittene Hand eines Diebes, die dort letzt noch zur Abschreckung vermoderte, hatte man abgenommen.

Jolanthe hielt inne und überlegte, wo sie als Nächstes hingehen sollte. Sieglinde gab die Aufgabe, für den Haushalt einzukaufen, nicht häufig aus den Händen. Zu unzufrieden war sie mit dem, was Jolanthe ihr brachte. Dies war ihr zu alt, jenes zu viel, von anderem wiederum zu wenig. Sie habe doch alles Aufgetragene notiert, warf sie der Schwester immer wieder vor. Dass Jolanthe wesentlich weniger von dem Haushaltsgeld vergeudete als Sieglinde, das wurde immer unter den Tisch gekehrt, auch von ihrem Vater. Jolanthe hatte es aufgegeben, sich über dessen Uneinsichtigkeit zu ärgern, und tat weiterhin, was sie für richtig hielt. Ob sie auf dem Markt feilschte oder im Handelskontor darauf achtete, dass alles seinen rechten Gang nahm, während Winald sich im Handelshaus der Tuchhändler aufhielt und mit den anderen Männern endlose Debatten über politische Entwicklungen führte, es war für sie ein und dasselbe. Beides bereitete ihr Freude.

Vom Vater hatte sie die Erlaubnis erkämpft, die Abrechnungsbücher zu führen. Offiziell war er der Meinung, dass eine junge Frau so etwas nicht leisten konnte. Sie hatte den Verdacht, dass ein wenig Eigennutz dahinter steckte, wenn er ihr dennoch mehr und mehr Befugnisse im Kontor einräumte. Seit der alte Vincent, dem sie so lange auf die Nerven gefallen war, bis er ihr das Rechnen beibrachte, aus dem Unternehmen ausgeschieden war, sparte Winald sich so das Gehalt für einen neuen Angestellten.

Jolanthe setzte sich erneut in Bewegung, lief vorbei an einem Stand, an dem Küken in Käfigen übereinander krabbelten.

»Zeig mir die Liste«, sagte sie zu Katrein, die ihr das Gewünschte hinhielt, da sie es selbst nicht lesen konnte. Einen ganz bestimmten Fisch hatte ihr Sieglinde diktiert, sie suchte auf dem Wachstäfelchen nach dem Namen, genau, einen Zander. Heute würde sich Besuch für den Vater einfinden. Sieglinde stand bereits seit dem Morgengrauen auf den Füßen, um alles vorzubereiten.

Jolanthe sah sich die Auslagen der Bauern an, die aus dem nahen Umland nach Ulm kamen, um ihre Waren anzubieten. Einer, den sie kannte, weil sie immer bei ihm kaufte, hatte frische Forellen aus seinen Teichen gefischt. Gelegentlich bot er diese an. Sie schmeckten tadellos. Mehrere Gewässer hatte er mit einem kleinen Bach verbunden, sodass immer frisches Wasser hindurchfloss, das hatte er ihr erläutert. Und auch wie wichtig das war, damit die Fische gut gedeihen konnten. Doch Sieglinde wollte keine Forellen. Deshalb warf sie einen bedauernden Blick auf die Ware und ging weiter.

Bei einem der Flussfischer auf dem angrenzenden Fischmarkt blieb sie stehen und begutachtete das Angebot. Sie beugte sich über ein paar Zander, strich mit dem Finger darüber, um zu fühlen, wie glitschig die Schuppen waren, sah sich die trüben Augen an und war sicher, dass die Fische nicht das versprachen, was der Händler durch sein vollmundiges Anpreisen vorgab.

»Guter Mann!« rief sie dem Fischer zu. »Wie viel kosten diese Zander hier? Sie riechen, als lägen sie schon eine Woche außerhalb des Wassers.«

Der Mann wandte sich von einer Kundin ab, der er gerade sein Sortiment aufzählte. »Die sind von gestern und gut gelagert. Wie Ihr sicher wisst, werden wir streng kontrolliert.« Er zog die Brauen zusammen und nannte einen Preis, der Jolanthe nicht lange überlegen ließ. Sie drehte sich um.

»Was tut Ihr?«, fragte Katrein besorgt. »Ihr wollt einfach so gehen? Frau Sieglinde war der Fisch besonders wichtig.«

»Ich weiß«, antwortete Jolanthe und begab sich zurück zu dem Bauern mit den Forellen, dessen Angebot um etliche Pfennige billiger ausfiel und der sich freute, ihr seine Ware zu verkaufen.

»Und wenn Sieglinde mit Forellen aus der Zucht nichts anzufangen weiß, sondern lieber dieses faulende Etwas von Zander aus dem Fluss haben will, dann soll sie mich gern haben. So etwas kaufe ich nicht«, sagte sie zufrieden zu Katrein, als sie das Geschäft getätigt hatte.

Jemand zupfte sie am Ärmel. Sie sah nach unten. Ein Kind in Lumpen, die ihm vom mageren Körper hingen, schaute mit großen Augen zu ihr hoch und streckte ihr wortlos seine Hand entgegen. Jolanthe strich ihm mit dem Finger über die schmutzige Wange, drehte sich zu Katrein und zog eine der mit Honig gesüßten Seelen aus Dinkelmehl aus dem Korb. Die gab sie dem kleinen Bettler, der das Gebäck mit einer schnellen Bewegung an sich riss und weghuschte, so als könne seine Wohltäterin ihre Gesinnung ändern, wenn er nicht schnell genug reagierte.

Jolanthe ging weiter, schaute sich rechts und links die Waren an und hielt beim Stand des Schlachters inne, der gerade mit Schwung ein Beil auf den Hals eines Huhnes niederfahren ließ. Blut spritzte auf seine Schürze. Er schob den abgetrennten Kopf auf den Boden und begann, das Huhn zu rupfen.

»Wollte meine Schwester nicht auch ein Huhn für morgen?«, fragte Jolanthe. Katrein nickte eilfertig.

Sie sprach die Frau des Schlachters an, die ebenfalls eine blutige Schürze trug und ein Fleischmesser in der Hand hielt.

»Gebt mir zwei von diesen Hühnchen und macht mir einen guten Preis. Ich hoffe, der Stoff, den ich Euch letzte Woche liefern ließ, kleidet Eure Tochter vorzüglich? Ein so günstiges Angebot zu solch hoher Qualität war ein großes Glück, dem seid versichert. Die Leute schlagen sich geradezu um diese Ware.«

Die Frau lächelte erfreut, als sie Jolanthe erkannte. »Sie war bereits beim Schneider damit. Er wird das Kleid nächste Woche liefern. Zwei Hühner wollt Ihr? Schaut her, ich habe da prächtige Exemplare.«

Jolanthe suchte sorgfältig aus und wartete, bis ihr das Gewünschte gereicht wurde. Ein paar Stände weiter kaufte sie noch ein paar Veilchen, die sie in einer Vase auf dem Esstisch drapieren wollte. Schließlich lenkte sie ihre Schritte vorbei an einem Stand mit Töpferwaren in Richtung eines Gewürzhändlers, der ihr auf dem Hinweg bereits aufgefallen war. Sein Angebot umfasste Alltägliches ebenso wie teuren Koriander. Sieglinde erwartete Pfeffer.

»Ihr kommt von weit her?« fragte sie, während sie die Gewürze betrachtete. Es war immer gut, erst einmal ein allgemeines Gespräch zu beginnen, um die Stimmung zu lockern.

»Ich komme mal von hier, mal von dort. In Ulm war ich schon seit längerer Zeit nicht mehr, falls Ihr das meint.«

Jolanthe nickte und deutete auf ein grünes Glasgefäß. »Was ist darin?«

»Reiner und echter Safran, meine Liebe, wenn Ihr wisst, was das ist. Ein sehr wertvolles Gewürz, was in keiner gehobenen Küche fehlen sollte. Ich rieche Fisch in Eurem Korb, lasst Euch gesagt sein, dass Safran vorzüglich mit Fisch …«

Jolanthe winkte ab, was glaubte der Kerl? Natürlich wusste sie, was Safran war, doch bislang hatte sie es nicht für nötig befunden, welchen zu kaufen. Er war ihr zu teuer gewesen für den geringen Nutzen, den er brachte. Dennoch warf sie einen Blick in das geöffnete Gefäß, das er ihr hinhielt. Goldgelbe Fäden sah sie.

»Ihr habt ganz außergewöhnliche Schätze hier liegen. Wie viel würdet Ihr für den Safran verlangen?«

»Kommt drauf an, wie viel Ihr mir abnehmt.«

Der Händler reizte mit dieser Antwort ihren Widerspruch. »Wie viel wollt Ihr mir denn verkaufen?« fragte sie zurück und erntete dafür ein Lachen.

»Zwei Fäden drei Schilling.« Er zupfte an seinen ausgestellten Ärmeln. Erst jetzt fiel Jolanthe auf, dass sein Hemd aus Seide gearbeitet war.

»Das, was Ihr mir da anbietet, ist gerade mal die Hälfte wert.« Sie konnte nicht verhindern, dass sich ein überlegenes Lächeln auf ihre Lippen legte. »Ihr wisst Eure Kundschaft auszunehmen. Der Preis für Safran liegt in Italien bei der Hälfte von dem, was Ihr hier in Ulm verlangt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich auf dem Transportweg verdoppelt.« Es war eine Annahme, die sie jedoch stützen konnte auf ein Gespräch, das sie letzt mit einem Kunden ihres Vaters geführt hatte. Der war auf einer Reise in Italien gewesen und ein begnadeter Erzähler, von dem sie nebenbei immer wieder wichtige Dinge erfuhr, weswegen sie sich gern mit ihm unterhielt.

»Ihr habt erstaunliche Erfahrung, wenn ich das so sagen darf.« Der Mann zog eine Braue hoch, eine Geste, die Jolanthe arrogant vorkam. »Habt Ihr dieses Land bereist, meine Gute?«

»Nein«, Jolanthe verschränkte die Arme vor der Brust. »Das muss ich nicht, um zu sehen, dass Ihr mich übervorteilen wollt.«

»So, das seht Ihr also.«

»Wundert Euch das? Ich biete Euch einen Schilling für einen Faden von Eurem Safran. Und legt mir noch ein paar Pfefferkörner obenauf.«

Der Mann stützte beide Hände auf seinen Tisch und beugte sich vor, um sie zu mustern. Mit gesenkter Stimme sagte er: »Euch ist dieser Safran zu teuer? Gut. Ich habe da noch etwas Besonderes, was Euch sicher genehmer ist. Ich biete das nicht jedem an, nur denen, die mir gefallen.« Er bückte sich unter den Tisch und kam mit einem kleinen Kästchen wieder zum Vorschein. Er öffnete es und ließ Jolanthe hineinsehen. Sie konnte längliche Fäden erkennen, die etwas heller schienen als die aus dem grünen Glas. »Ein ganz besonderer Safran, direkt aus dem Orient importiert, meine Liebe. Und da ich dorthin Beziehungen habe, bekomme ich ihn zu einem günstigen Preis.« Er schloss das Kästchen. »Den gebe ich gern an Euch weiter. Vier Fäden für drei Schillinge. Wie gefällt Euch das?«

Jolanthe zögerte und ließ sich noch einmal die helleren Fäden zeigen, drehte das Kästchen ins Licht, um sie genau zu betrachten und sicherzugehen. Jetzt habe ich dich, dachte sie. »Ein Faden hiervon, fünf Pfefferkörner für zehn Pfennige, dann sind wir beieinander.«

Der Händler nickte. Er schickte sich an, das Gewünschte zu verpacken, dann hielt er die Hand hin. Doch Jolanthe machte weder Anstalten, die Ware an sich zu nehmen, noch sie zu bezahlen.

»Ihr habt geglaubt, ich lasse mich reinlegen, was?«

Er zog seine Hand zurück, und sie freute sich diebisch über seinen misstrauischen Gesichtsausdruck. Sie trommelte mit den Fingern auf den Holztisch, zögerte den Augenblick hinaus, so lange es ging.

»Inwiefern?«

»Dies hier ist kein Safran. Das ist Saflor, durchaus schmackhaft, aber eine Fälschung. Ihr wolltet mich täuschen.« Sie hatte erst letzt ein Gespräch des Vaters mit angehört, bei dem es um die hohen Strafen ging, die der Rat verhängte für Händler, die gefälschten Safran unter die Leute brachten.

Er lachte. »Aber niemals!«

Natürlich bestritt er, aber sie war sich ihres Urteils sicher. Sie brauchte nur zu sehen, wie er das Zittern seiner Hände zu verbergen versuchte, indem er sie in den Ärmeln versteckte.

»Das ist schön für Euch. Seid froh, dass ich es nicht dem Rat melde«, entgegnete Jolanthe und wandte sich ab.

»Gute Frau, so wartet doch! Kann ich Euch mit einer Gabe milde stimmen, ich wollte Euch nicht…«

»Der Pfeffer«, hörte sie Katrein neben sich flüstern. Sie lief los, ohne darauf zu reagieren. Der Händler rief ihr hinterher: »Ich schenke Euch fünf Pfefferkörner, so wartet doch!«

Jolanthe hörte nicht auf ihn, sie achtete nicht darauf, ob Katrein ihr folgte oder nicht. Sie schob sich durch die Menge, erreichte eine Nebengasse und schritt schnell aus. »Der Pfeffer«, ahmte sie die Magd nach und wechselte den Korb so schwungvoll von einer Hand in die andere, dass er ihr fast entglitt. Was waren schon ein paar Pfefferkörner gegen den Triumph, den sie spürte, wenn sie den Mann einfach stehen ließ? Der würde sich das nächste Mal genau überlegen, wie hochmütig er sie behandeln wollte. Sie war eine Kaufmannstochter, und wenn sich solche Gestalten wie der Gewürzhändler das merkten, dann zählte für sie nichts sonst.

Wer so hochmütig mit seinen Kunden umging, war schlicht und ergreifend kein guter Händler! Und sie, Jolanthe, sie ließ sich nicht von Halsabschneidern beschenken. Wenn sie sich das nicht schon längst vorgenommen hatte, so galt es ab jetzt und heute.

Kapitel 2

Vor ihrem Zuhause blieb Jolanthe stehen und blickte die Fassade des mehrstöckigen Gebäudes hoch. Ihr Vater gehörte nicht zu den reichsten Kaufleuten Ulms, doch zu den alteingesessenen allemal, und sein Heim konnte sich sehen lassen. Dem unteren Stockwerk in Stein gemauert, schloss sich oben Fachwerk an mit Läden an den Fenstern, in die Winald im mittleren Teil Glas hatte einsetzen lassen. Dahinter lag das Kontor, in dem sich vor allem die Schreibstube befand sowie genügend Platz, um Ware zwischenzulagern. Auf den Fensterbänken hatte Sieglinde Holzkästen mit Frühlingsblumen bepflanzt. Die Sonne stahl sich zwischen den Hausdächern hervor und ließ den weißen Putz zwischen den Balken leuchten.

Jolanthe schob mit beiden Händen die schwere Eingangstür auf, drehte sich noch einmal um und sah auf den Weg, den sie gekommen war, doch Katrein ließ sich immer noch nicht blicken. Entweder das Mädchen hatte sich mal wieder verirrt, oder sie trödelte mit Absicht, um dem häuslichen Ärger zwischen den Schwestern zu entgehen, den sie wohl erwartete.

Was, ihr habt keinen Pfeffer mitgebracht?, hörte Jolanthe die Stimme Sieglindes in ihrem Kopf und entgegnete ihr in Gedanken: Ich bin ebenso die Tochter des Hauses wie du und kann meine eigenen Entscheidungen treffen. Das war eine Tatsache, die hier jeder zu übersehen schien. »Nur weil du fünf Jahre älter bist, kannst du nicht über mich bestimmen«, brummte sie.

Im Flur, der nur durch ein schmales Fenster erhellt wurde, stellte sie ihren Korb mit den Fischen auf den Steinboden und zog ihren Umhang aus, den sie sorgfältig zusammenfaltete und in eine Truhe legte. Wenn ihre Mutter nicht bei der Geburt des einzigen Sohnes vor Jahren gestorben wäre, hätte sie vielleicht als Maß aller Dinge vermittelnd zwischen den Schwestern eingreifen können. Der Sohn war ihr gefolgt. Sieglinde hatte kurz darauf die vom Vater eingesetzte Haushälterin zum Teufel gejagt und spielte sich seither auf, als habe sie als Einzige das Sagen. Ich weiß am besten, was Vater braucht, war ihr liebster Spruch. Dasselbe hatte sie gesagt in der Nacht, als es der Mutter so schlecht ging, als sie Jolanthe daran gehindert hatte, Martha, die Kräuterfrau, zu holen. »Ich weiß am besten, was Mutter braucht.«

Ins Kontor setze Sieglinde kaum je einen Fuß und missbilligte, dass Jolanthe sich dort andauernd, wie sie betonte, herumtrieb. Manchmal fragte Jolanthe sich, wie Sieglinde beim Vater scheinbar mühelos ihren Kopf durchsetzen konnte, während sie selbst um alles zu kämpfen hatte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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