Die Tore nach Thulien - 2. Episode - Dämmerung - Jörg Kohlmeyer - E-Book

Die Tore nach Thulien - 2. Episode - Dämmerung E-Book

Jörg Kohlmeyer

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Beschreibung

Eine innere Unruhe hat Taris, den Hauptmann der Stadtwache, seit der Niederlage der Schwarzen Skorpione in Leuenburg erfasst. Eigentlich sollte er froh über die Entwicklung sein, doch der Kriegerinstinkt in ihm gemahnt zur Vorsicht. Angst schleicht sich auf leisen Pfoten in sein Herz, und mit dem Einlass eines verwahrlosten Wagens setzt er schließlich ungewollt verhängnisvolle Ereignisse in Gang, an deren Ende der Untergang einer ganzen Stadt stehen könnte. Als er seinen Fehler erkennt, macht er sich, gemeinsam mit dem Medikus und dem Erlöser der Stadt, daran, das drohende Unheil abzuwenden. Er ahnt jedoch bereits, dass das, was in der alten Herzogstadt Einzug gehalten hat, nur der Beginn von Geschehnissen weit schrecklicheren Ausmaßes ist. Schlimmeres als der Tod geht in Leuenburg um, und dessen bleiche Hand greift längst nach dem gesamten Westen des Reiches. DÄMMERUNG ist die zweite Erzählung der "Tore nach Thulien", mit der wir euch in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Welt von Thulien entführen möchten. In den drei Buchreihen Wilderland, Leuenburg und Schlachtgesänge geben wir euch die Möglichkeit, aktiv an der Entstehung der Geschichten und dem Ausbau der Welt teilzuhaben. Wir schreiben Geschichten … und ihr könnt mitmachen! Wie genau das funktioniert, und noch weit mehr, erfahrt ihr auf unserer Website Tore-nach-Thulien.de. 1. Auflage Null Papier Verlag

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Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

Fantasy Roman

 

 

 

Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

2. Episode – Dämmerung

(LEUENBURG)

 

 

Coverhintergrund und Logogestaltung: Diana Rahfoth

Published by Null Papier Verlag, Deutschland

Copyright © 2014 by Null Papier Verlag

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-419-4

www.null-papier.de/tnt

 

 

Zum Buch

Danke, dass du mit dem Kauf dieses ebooks das Indie-Literatur-Projekt »Tore nach Thulien« unterstützt! Das ist aber erst der Anfang. Lass Dich von uns zu mehr verführen…

Was sind die »Tore nach Thulien«?

Die „Tore nach Thulien“ sind Dein Weg in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Fantasy-Welt von Thulien. Sie werden Dir die Möglichkeit geben, mit uns gemeinsam an den großen Geschichten zu arbeiten und der Welt mehr und mehr Leben einzuhauchen.

Unter www.Tore-nach-Thulien.de kannst du uns besuchen und Näheres erfahren. Wir freuen uns auf Dich!

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Autor

Jörg Kohlmeyer, geboren in Augsburg, studierte Elektrotechnik und arbeitet heute als Dipl.-Ing. in der Energiewirtschaft. Schon als Kind hatte er Spaß am Schreiben und seine erste Abenteuergeschichte mit dem klangvollen Namen »Die drei magischen Sternzeichen« passt noch heute bequem in eine Hosentasche.

Der faszinierende Gedanke mit Bücher interagieren zu können ließ ihn seit seinem ersten Kontakt mit den Abenteuer Spielbüchern nicht mehr los und gipfelte im Dezember 2012 in seinem ersten Literatur-Indie-Projekt »Die Tore nach Thulien«. Immer dann wenn neben der Familie noch etwas Zeit bleibt und er nicht gerade damit beschäftigt ist, seinen ältesten Sohn in phanatasievolle Welten zu entführen arbeitet er beständig am Ausbau der Welt »Thulien«.

www.Tore-nach-Thulien.de

 

Einlass

Seit dem Aufbruch der Gruppe in den Norden war nun schon eine Woche vergangen, und dennoch musste Hauptmann Taris heute mehr denn je an die Vorfälle kurz vor der Abreise Tristans denken. Er hoffte inständig, dass die Übergriffe der schwarzen Skorpione mit deren Niederlage in Fuhrheim ein Ende gefunden hatten, doch so recht wollte er nicht daran glauben. Er hatte die schwarz gekleideten Krieger als unerbittliche, zielstrebige und absolut tödliche Kämpfer kennen gelernt, und auch wenn es den Anschein hatte, als wäre wieder Normalität in Leuenburg eingekehrt, so war doch etwas von diesen unheimlichen Feinden in der Stadt des Herzogs geblieben. Taris konnte nicht genau sagen was, doch seither hatte ihn eine Unruhe erfasst, die ihn nicht mehr loslassen wollte. Er selbst machte sich nichts vor und war auch schon zu alt, um sich selbst zu belügen: Er hatte Angst.

Angst um die Stadt, Angst um die Menschen, die darin lebten und Angst um sein eigenes Leben. Dem Tod war er in der Vergangenheit schon oft begegnet und Schlachten hatte er in seinem Leben viele geschlagen, doch das hier war anders. Der Feind war unsichtbar und kannte keine Gnade. Er schlug schnell, hart und erbarmungslos zu und, was noch viel schlimmer war, man wusste nicht, woher er kam und wofür er kämpfte. Sicher, die Sabotage der Reise in den Norden war bisher das ausgemachte Ziel der schwarzen Skorpione gewesen, doch Taris konnte nicht glauben, dass das alles war. Warum hatten es sich die Feinde des Herzogs – und dass er Feinde hatte, stand außer Frage – so schwer gemacht? Weshalb, in der Herrin Namen, die heimlichen Attentate und Sabotageakte? Ein Trupp gut bewaffneter Söldner mit Pferden hätte ein weit besseres Ergebnis außerhalb der Grenzen Leuenburgs erzielt. Diese und andere Fragen geisterten in Taris’ Kopf umher und bisher war es ihm noch nicht gelungen, Antworten darauf zu finden. Wohl auch deshalb hatte er damit begonnen, die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt zu verstärken. Das Stadttor wurde mit der beginnenden Dämmerung geschlossen, Patrouillen hielten Nachtwache in den Gassen und die Garnison war in erhöhter Alarmbereitschaft. Urlaub wurde nur noch in Ausnahmefällen genehmigt und Drill und Ausbildung der Rekruten stand an oberster Stelle des Tagesplans. Taris wusste noch nicht worauf, doch er wollte vorbereitet sein. Viel konnte er nicht tun, doch das Wenige sollte zumindest so gut wie möglich ausgeführt werden.

 

Am Grünwalder Tor herrschte, wie eigentlich immer in diesen Tagen des Frühlings, hektische Betriebsamkeit. Händler brachten ihre Waren vom Treidelhafen die Straße hinauf zur Stadt, Tagelöhner passierten mit der Hoffnung auf Arbeit die Tore und Reisende suchten in der alten Herzogstadt nach einer Herberge. Die Wachen machten ihre Arbeit gut. Jeder, der in die Stadt wollte, musste sich erklären und auch die ein oder andere unangenehme Frage über sich ergehen lassen. Der Verkehr staute sich durch diese Maßnahme ungemein, das wusste Taris, doch war es das bei weitem kleinere Übel. Es war besser, Unruhestifter und Feinde des Herzogs gar nicht erst in die Stadt zu lassen, als sie dann im Nachhinein in den unüberschaubaren Gassen Leuenburgs wieder ausfindig machen zu müssen.

Taris war mit den Abläufen am Grünwalder Tor zufrieden. Er sah den Wachen noch kurz bei ihrer Arbeit zu und wollte sich gerade wieder auf den Weg zur Garnison machen, als ihm ein heruntergekommener Wagen ins Auge stach. Eine der Wachen beorderte den Wagen gerade zu sich und begann ein Gespräch mit dem Kutscher. Auf den ersten Blick war der Fahrer ein Mann mittleren Alters, doch die eingefallenen Wangen und die tief in den Höhlen liegenden Augen sagten etwas anderes. An den Kleidern klebte altes Blut und an vielen Stellen waren sie löchrig. Das Pferd, das den Wagen zog, sah nicht viel besser aus. Ausgemergelt und dürr, traten an vielen Stellen bereits die Knochen unter dem Fleisch hervor und der Schaum ums Maul war mit blutigen Flocken durchzogen. Der Wagen selbst schien auf den ersten Blick noch weitgehend in Ordnung zu sein. Zwar hatte er augenscheinlich schon viele Wegstunden auf dem Buckel, doch war er durchaus noch funktionstüchtig. Einzig die Plane sah nicht mehr sonderlich gut aus und hatte mehr mit der Kleidung des Kutschers gemein, als mit dem Aufbau eines für diese Region typischen Planwagens.

Taris näherte sich dem Gefährt von hinten und ließ dabei weder die Wache, noch den Kutscher aus den Augen. Bisher hatte niemand von ihm Notiz genommen, und er wollte auch, dass es dabei blieb. Ein plötzliches, unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass es besser wäre, unbeobachtet einen Blick in den Wagen zu werfen. Die Wache sprach noch immer mit dem Kutscher und Taris nutzte die Gelegenheit und zog die Plane langsam ein Stück zur Seite. Seine Augen mussten sich erst an das Dunkel dahinter gewöhnen, doch schon der Geruch ließ nichts Gutes erahnen. Nach und nach erkannte er erste Umrisse und schließlich wurden aus den Umrissen scharfe Konturen.

Taris hielt den Atem an. Er konnte nicht glauben, was er sah. Der Hauptmann war ein Mann, der schon Vieles in seinem Leben gesehen hatte, doch dieser Anblick verschlug selbst ihm noch die Sprache. Ein dicker Kloß bildete sich plötzlich in seinem Hals und nur mit Mühe gelang es ihm, die Fassung zu bewahren. Taris ließ die Plane los und trat einen Schritt zurück. Er war froh, dass der ausgefranste Stoff das schreckliche Geheimnis des Wagens wieder verbarg. Einen kurzen Moment brauchte er noch, um das eben Gesehene einzuordnen, doch schon im nächsten Augenblick straffte er sich und ging um den Wagen herum.

»Wache! Dieser Wagen darf nicht passieren. Nehmt Euch zwei Männer und begleitet ihn vor die Stadtmauer.« Energisch marschierte Taris auf den Gardisten zu. Unter dem Eindruck der schrecklichen Ladung sah er sich gezwungen, rasch und konsequent zu handeln.

Der Soldat war sichtlich überrascht, den Hauptmann so plötzlich vor sich zu sehen, doch Taris erkannte auch Erleichterung im Blick des Mannes. Mit einem Wink zum Wachhaus machte sich der Soldat sofort daran, den Befehl auszuführen. Zwei weitere Gardisten hasteten mit einem kurzen Nicken in Richtung Taris aus der Torstube und schlossen sich ihrem Kameraden an.

Einen der Männer hielt der Hauptmann kurz zurück und sah ihn mit ernster Miene an. »Bleibt vom Wagen weg! Geleitet den Kutscher nur vor die Mauern und passt auf, dass er dort bleibt. Was auch geschieht, er darf nicht in die Stadt.«

Durch die Worte seines Hauptmanns sichtlich verunsichert und verwirrt, brachte der Gardist nur ein fahriges Nicken zustande.

»Das ist ein Befehl, Soldat! Der Wagen darf nicht in die Stadt und ihr haltet euch von ihm fern! Habt Ihr das verstanden?« Ungeduldig suchte Taris den Blick des Mannes.

»Jawohl Hauptmann!«, antwortete der Wachmann schließlich und lief zu den anderen, die bereits gegen den Protest des Kutschers damit begonnen hatten, den Wagen aus dem Weg und damit weg vom Stadttor zu bugsieren. Dadurch staute es sich noch weiter, als es ohnehin schon der Fall war, und so mancher Fluch durchbrach die lebhafte Geräuschkulisse des geschäftigen Treibens.

Taris hoffte, dass keiner der Zivilisten dem Wagen aus Unmut zu nahe kommen oder gar einen Blick auf dessen dunkles Geheimnis werfen würde. Nicht auszudenken, was dann geschehen konnte. Er wischte den Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche. Jetzt war er froh, entgegen aller Zweifel die Sicherheitsvorkehrungen in den letzten Wochen doch verschärft, und die Wachen an den Stadttoren verdoppelt zu haben. Erfahrung zahlte sich immer aus, das wusste Taris, und auch diesmal hatte er Recht behalten. Nun galt es, Klarheit darüber zu bekommen, was in dem verwahrlosten Gefährt vorgefallen war. Solange er nicht wusste, mit wem oder was er es zu tun hatte, durften weder der Kutscher noch der Wagen das Tor passieren.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sich nach der kurzen Störung wieder alles normalisierte und auch die übrigen Wachen, zwar leicht verunsichert, aber dennoch gewissenhaft, ihre Arbeit wieder aufnahmen, entsandte Taris einen weiteren Soldaten. Das Ziel war diesmal der Medikus von Leuenburg. Der Feldscher musste sehen, was Taris gesehen hatte, auch wenn er allem Anschein nach nicht mehr viel würde helfen können. Taris jedenfalls hatte etwas Derartiges noch nie zu Gesicht bekommen, und er hoffte, dass zumindest der Medikus Rat wusste.

Mit weit ausholenden Schritten folgte der Hauptmann dem Wagen, achtete jedoch darauf, nicht zu rennen. Noch mehr Verunsicherung musste nicht sein und die Situation war, zumindest momentan, unter Kontrolle. Wie lange das so bleiben würde wusste er nicht, doch zumindest stand jetzt schon fest, dass er einen schweren Tag vor sich hatte.

Es dauerte nicht lange und er holte das unheimliche Gefährt samt Geleitschutz ein. Es stand inzwischen etwas abseits des Weges vor der Stadtmauer und Taris stellte zufrieden fest, dass die Wachen seinen Befehl befolgten. Die Soldaten standen so um den Wagen herum, dass dieser sich nicht ohne Weiteres bewegen konnte, sie jedoch gleichzeitig gebührenden Abstand zu ihm hielten. Der Kutscher saß noch immer auf dem Kutschbock und redete auf eine der Wachen ein.

Taris erkannte, dass dem Soldaten sichtlich unwohl in seiner Haut war. Seine Miene hellte sich aber sofort auf, als er den Hauptmann kommen sah. »Gut gemacht, Männer!«, lobte Taris die Gardisten und trat langsam an den Kutschbock heran. Erst jetzt hatte er Gelegenheit, den Fahrer genauer in Augenschein zu nehmen und was er sah, bereitete ihm noch mehr Kopfzerbrechen. Der Mann sah noch schlechter aus, als Taris ihn in Erinnerung hatte. Der Mangel an Nahrung war deutlich zu erkennen und auch der Dreck und das getrocknete Blut waren noch da, doch am schlimmsten waren die Augen. Rot unterlaufen, glänzten sie fiebrig und flackerten bei jeder Bewegung unruhig hin und her. Etwas Furchtbares musste ihm zugestoßen sein und die Folgen davon wüteten scheinbar noch immer in seinem Inneren. Völlig ausgezehrt, einer leeren Hülle gleich, und die Zügel in den Händen haltend, saß er da.

Es dauerte einen Moment, bis er Taris bemerkte, doch dann begann er sofort zu sprechen. »Leuenburg! Leuenburg! Ich muss nach Leuenburg!« Den Satz wiederholte er einige Male, ohne Unterbrechung, ohne Pause. Speichel sammelte sich dabei in einem Mundwinkel, und lief ihm anschließend als kleines Rinnsal über das Kinn.

Taris beobachtete den Mann genau und sofort hatte er das Gefühl, dass ihn der Kutscher zwar ansah, aber gleichzeitig auch durch ihn hindurch zu sehen schien. »Ihr seid in Leuenburg, beruhigt Euch. Dort, hinter den Mauern, ist die Stadt des Herzogs.« Taris deutete mit einer Geste nach hinten und obwohl er bereits ahnte, dass mit dem Fremden etwas nicht stimmte, versuchte er es dennoch mit der einfachsten aller Möglichkeiten: einer vernünftigen und klaren Antwort. Der Erfolg blieb aus. Entweder wollte der Kutscher sie nicht hören, oder aber er war schon gar nicht mehr dazu im Stande, denn mehr als den Satz von eben bekam Taris nicht als Antwort. Noch einmal versuchte es der Hauptmann, doch auch diesmal war das Ergebnis das Selbe. Seufzend wandte sich Taris ab. Ohne den Medikus würde er hier nicht weiterkommen. Langsam und nachdenklich ging er dann zur Wache, die den Wagen vor dem Tor in Empfang genommen hatte. Mit einem kurzen Nicken grüßte Taris den Soldaten.

»Was hat er Euch vorhin am Tor gesagt?«

»Das Selbe wie Euch eben.« Der Wachmann zuckte entschuldigend mit den Schultern als er bemerkte, dass Taris mit der Antwort nicht wirklich zufrieden war. »Verzeiht Hauptmann! Ich habe mir anfangs nichts dabei gedacht und …«

Taris winkte ab. »Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen! Ihr habt keinen Fehler gemacht.«

»Aber der Wagen … Ihr …«, versuchte es der Mann erneut, doch abermals wurde er von Taris unterbrochen.

»Vergesst den Wagen fürs Erste. Wichtig ist nur, dass er die Stadtgrenze nicht passiert hat. Alles Weitere wird sich in den nächsten Stunden zeigen.« Taris wusste genau, dass sich der Gardist zu erklären versuchte. Immerhin hatte er die Order, strikt darauf zu achten, wer in die Herzogstadt wollte, und auch dessen Beweggründe dafür am Ende zu erfragen. Bei dieser Arbeit war ein besonderes Auge für Menschen, und ein Gespür für die Situation äußerst wichtig, um schon im Vornherein die Zwielichtigen von den Aufrichtigen unterscheiden zu können. Taris wusste zwar nicht, ob sich der Soldat am Ende auch noch die Mühe gemacht und einen Blick ins Innere des Gefährts geworfen hätte. Er wusste jedoch sehr wohl, dass die Arbeit am Tor mit all dem Gedränge und den schimpfenden und zeternden Menschen alles andere als leicht war und der Druck schnell empfindlich hoch werden konnte. Ging es nicht schnell genug oder fühlten sich die Menschen gegängelt, wurde rasch gemeckert und auch die Uniform der Garde schützte dann nicht mehr vor den verbalen Anfeindungen der Händler, Lieferanten und Kaufleute. Es lag Taris fern, den Gardisten zu tadeln, eher im Gegenteil, er wollte ihm Mut zusprechen. Die Männer hatten ihre Pflicht treu und anstandslos erfüllt, und er war froh, sich derart auf sie verlassen zu können.

»Später hättet ihr sicher auch noch einen Blick in den Wagen geworfen. Ich kam Euch nur zuvor. Macht Euch deshalb keine Gedanken mehr!« Taris sah den Gardisten aufmunternd an.

»Jawohl mein Herr!« Der Wachmann neigte etwas verlegen den Kopf und sah dann wieder zum Wagen.

Taris konnte die Unsicherheit des Mannes trotz seiner wohlwollenden Worte beinahe greifen, gestand sich aber im selben Moment ein, dass er im Grunde genauso ratlos war. Ungeduldig sah er dann in Richtung Stadttor. Vom Medikus war noch nichts zu sehen und da er nicht völlig unnütz die Zeit verstreichen lassen wollte, beschloss er, es noch einmal mit dem Kutscher zu versuchen. Es musste doch möglich sein, mehr aus diesem verwahrlosten Kerl herauszubekommen. Allerdings würde er diesmal anders an die Sache herangehen. Zielstrebig trat er an den Kutschbock. »Wer ist das dort hinten im Wagen?«, bellte er in militärischem Befehlston. Zunächst erhielt er jedoch keine Antwort und der Kutscher zeigte auch sonst keinerlei Reaktion. Taris wiederholte seine Worte, nahm jetzt aber keinerlei Rücksicht mehr auf den Gemütszustand des Mannes. Zorn und eine unverhohlene Drohung schwangen in der Stimme mit. Der Mund des Mannes zuckte kurz und Taris wusste, dass er diesmal mehr Erfolg haben würde.

Der Schleier vor den Augen des Kutschers wich etwas zurück und für einen kurzen Moment klarte sich sein Blick auf. »Meine … meine Frau und …«, er schluckte kurz »… und meine Tochter«, stammelte der Mann.

Taris hatte sich schon so etwas gedacht. Er ließ nicht locker. »Und was ist mit ihnen passiert? Wer oder was hat ihnen das angetan?«

Der Kutscher antwortete nicht sofort. Scheinbar konnte er mit der Frage nicht wirklich etwas anfangen. Dann schüttelte er den Kopf.

»Meiner Frau und meiner Tochter geht es gut. Wir … wir müssen nach Leuenburg!«

Taris zog eine Braue nach oben. Wann hatte der Mann das letzte Mal einen Blick in den Wagen geworfen? Wusste er nicht, wie es um die beiden stand, oder wollte er es gar nicht wissen? Taris dachte kurz darüber nach, den Fremden mit der Situation im Wagen zu konfrontieren, überlegte es sich dann jedoch anders. Es war besser, auf den Medikus zu warten. Es konnte gut sein, dass der Mann beim grauenvollen Anblick seiner Familie auch noch das letzte bisschen Verstand, das ihm noch geblieben war, verlor.

Die Wachen hatten den Versuch ihres Hauptmanns, mit dem Kutscher Kontakt aufzunehmen, mitbekommen. Sie wurden immer unruhiger und mehr als nur einmal gingen ihre Blicke verstohlen zum Wagen. Taris musste etwas unternehmen. Er winkte den ranghöchsten der Männer zu sich. Die Angst vor dem Unbekannten war schlimmer als die vor der offensichtlichen Gefahr und auf Letztere konnte man sich zumindest einstellen. Taris wusste das, und deshalb wollte er den Wachmann in das schreckliche Geheimnis des Wagens einweihen. Früher oder später würden sie es sowieso erfahren. Er ging mit dem Soldaten hinter den Wagen und zog die ausgefranste Plane etwas zur Seite.

Der Gardist beugte sich nach vorne, doch schon im nächsten Moment sprang er, sich eine Hand vor den Mund haltend, einen Schritt zurück. Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Leise, fast schon beschwörend, rief er: »Bei der Herrin! Was ist das?«

Taris zog den Mann ein paar Schritte vom Planwagen weg. »Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden«, antworte er.

»Ich habe so etwas noch nie gesehen! Das … das … im Namen der Herrin …« Dem Soldaten fehlten die Worte und Taris konnte sehen, wie es hinter der Stirn des Mannes arbeitete.

»Wer … hat Was