Die Tore nach Thulien - 4. Episode - Grüfte und Katakomben - Jörg Kohlmeyer - E-Book

Die Tore nach Thulien - 4. Episode - Grüfte und Katakomben E-Book

Jörg Kohlmeyer

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Beschreibung

Die Jagd nach den Widergängern in Leuenburg hat begonnen. Alte Geheimnisse, verborgen in verstaubten Schriften, führen Taris und die anderen an längst vergessene Orte der Stadt und damit auf die Spur der Incubi. Menschen verschwinden, und ein alter Bekannter findet sich urplötzlich im selben unheilvollen Strudel wieder, der auch die Herzogstadt in den Abgrund zu reißen droht. Sollte Uriel am Ende tatsächlich Recht behalten und die Wiederkehr in Leuenburg ihren Anfang nehmen? Was weiß Herzog Grodwig darüber, und warum verlässt er derart überhastet den Reichstag beim König? Das Schicksal Liams und seiner Familie mag vor diesem Hintergrund eher wie eine Randnotiz erscheinen. Gleichsam könnte es aber auch ein Vorgeschmack auf Kommendes sein, lagen doch Verzweiflung und Hoffnung niemals zuvor so nahe beieinander. GRÜFTE UND KATAKOMBEN ist die vierte Erzählung der "Tore nach Thulien", mit der wir euch in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Welt von Thulien entführen möchten. In den drei Buchreihen Wilderland, Leuenburg und Schlachtgesänge geben wir euch die Möglichkeit, aktiv an der Entstehung der Geschichten und dem Ausbau der Welt teilzuhaben. Wir schreiben Geschichten … und ihr könnt mitmachen! Wie genau das funktioniert, und noch weit mehr, erfahrt ihr auf unserer Website Tore-nach-Thulien.de. 1. Auflage Null Papier Verlag

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Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

Fantasy Roman

 

 

 

Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

4. Episode – Grüfte und Katakomben

(LEUENBURG)

 

 

Coverhintergrund und Logogestaltung: Diana Rahfoth

Published by Null Papier Verlag, Deutschland

Copyright © 2014 by Null Papier Verlag

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-425-5

www.null-papier.de/tnt

 

 

Zum Buch

Danke, dass du mit dem Kauf dieses ebooks das Indie-Literatur-Projekt »Tore nach Thulien« unterstützt! Das ist aber erst der Anfang. Lass Dich von uns zu mehr verführen…

Was sind die »Tore nach Thulien«?

Die „Tore nach Thulien“ sind Dein Weg in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Fantasy-Welt von Thulien. Sie werden Dir die Möglichkeit geben, mit uns gemeinsam an den großen Geschichten zu arbeiten und der Welt mehr und mehr Leben einzuhauchen.

Unter www.Tore-nach-Thulien.de kannst du uns besuchen und Näheres erfahren. Wir freuen uns auf Dich!

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Autor

Jörg Kohlmeyer, geboren in Augsburg, studierte Elektrotechnik und arbeitet heute als Dipl.-Ing. in der Energiewirtschaft. Schon als Kind hatte er Spaß am Schreiben und seine erste Abenteuergeschichte mit dem klangvollen Namen »Die drei magischen Sternzeichen« passt noch heute bequem in eine Hosentasche.

Der faszinierende Gedanke mit Bücher interagieren zu können ließ ihn seit seinem ersten Kontakt mit den Abenteuer Spielbüchern nicht mehr los und gipfelte im Dezember 2012 in seinem ersten Literatur-Indie-Projekt »Die Tore nach Thulien«. Immer dann wenn neben der Familie noch etwas Zeit bleibt und er nicht gerade damit beschäftigt ist, seinen ältesten Sohn in phanatasievolle Welten zu entführen arbeitet er beständig am Ausbau der Welt »Thulien«.

www.Tore-nach-Thulien.de

 

Wer suchet, der findet

Vom Kutscher und dem Patienten mit der Sieche fehlte jede Spur. Noch in der Nacht von Talins Tod hatte Taris das ganze Hospital und auch die Gassen in der näheren Umgebung absuchen lassen, doch sowohl der Wagenlenker, als auch der Erkrankte blieben verschwunden. Erschöpft hatte er sich schließlich gemeinsam mit dem Medikus, dem Erlöser und Bruder Malachias im Hospital schlafen gelegt. Nachdem Uriel am nächsten Morgen erklärte, die Kranken vorübergehend im Kloster bei den Fraternern aufzunehmen, ließ er den Betrieb der Heilanstalt bis auf Weiteres einstellen. Er wusste, dass nichts von dem, was geschehen war, an die Öffentlichkeit dringen durfte, und so wollte er das Hospital fortan als inoffizielles Hauptquartier auf der Suche nach den Widergängern nutzen. Im Geheimen wurden dort nun Beratungen abgehalten, Karten studiert und neue Touren für die Jagd des nächsten Tages festgelegt. Dank der nach außen hin veröffentlichten Geschichte, die den Ausbruch der Keuche in den Mauern des Hospitals proklamierte und eine fast vollständige Isolation verlangte, waren sie dort vor unliebsamen und neugierigen Besuchern geschützt und konnten in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen.

Nachdem Ritter Tolidan den Befehl seines Herzogs kannte und selbst auch um die Wichtigkeit der Mission wusste, entband er Taris kurzerhand von sämtlichen Pflichten der Stadtwache und übernahm selbst deren Führung. Zunächst war Taris alles andere als begeistert von dieser Entscheidung gewesen, doch schon bald hatte er erkannt, dass er sich so wesentlich besser auf die Jagd nach den Widergängern konzentrieren konnte. Außerdem kannte er Ritter Tolidan als gewissenhaften und ehrenvollen Mann und wusste, dass die Stadtwache bei ihm in guten Händen war.

Leider hatten der Tag nach Talins Tod und auch die Folgenden keine neuen Erkenntnisse gebracht. Die Widergänger tauchten nicht mehr auf, und die beiden Vermissten waren wie vom Erdboden verschluckt. Anfangs suchte die Gruppe noch gemeinsam die Straßen und Plätze Leuenburgs ab, eines Morgens aber machte Uriel den Vorschlag, getrennt nach den Widergängern Ausschau zu halten. Taris gefiel die Idee, und seit diesem Tag gingen er und Eirik unabhängig von Uriel und Bruder Malachias auf die Suche. Im ersten Moment hatte Taris noch darüber nachgedacht, den Medikus gemeinsam mit Uriel gehen zu lassen, sich dann jedoch dagegen entschieden. Der brüchige Waffenstillstand zwischen den beiden hielt an und er wollte diesen doch sehr flüchtigen Zustand nur ungern aufs Spiel setzen. Abends ein oder zwei Stunden gemeinsam über der Karte Leuenburgs zu brüten und sich weitere Routen für den nächsten Tag zu überlegen, war das Eine, zusammen auf eine immer wieder aufs Neue erfolglose Suche zu gehen etwas ganz anderes.

Die Jagd stellte sich ohnehin als wesentlich schwieriger und anstrengender heraus als ursprünglich angenommen. Aus der Bevölkerung kamen keinerlei Hinweise auf Vorkommnisse, die mit den Hellen in Verbindung gebracht werden konnten, und außer der Gewissheit Uriels, dass die sich noch immer in Leuenburg aufhielten, gab es Nichts, was die Fortführung der Suche rechtfertigte. Erschwerend kam hinzu, dass jeder weitere Tag die Geheimhaltung der Jagd schwieriger gestaltete. Zwar war Taris von Anfang an darauf bedacht, so wenig wie möglich von ihrer Suche an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, doch irgendwann fiel den Leuten natürlich die Präsenz der Wachen auf, und mehr als nur einmal drehten sie sich überrascht um, als sie den Erlöser Leuenburgs immer öfter unter Ihresgleichen sahen. Die offizielle Verlautbarung der Kirche in dieser Sache lautete, dass der Erlöser in Zeiten der Not – und die Keuche wäre definitiv eine Not – mehr am weltlichen Leben der Menschen teilnehmen und ihnen mit seiner Anwesenheit Trost spenden wollte. Für den Anfang musste das genügen, und nachdem Taris die Suche so schnell wie möglich abzuschließen gedachte, brauchten sie sich in dieser Hinsicht eigentlich keine Gedanken mehr zu machen. Unabhängig davon mussten die Widergänger jedoch unbedingt und so schnell wie möglich gefunden werden. Laut Uriel war die Wiederkehr, die Erweckung weiterer Widergänger, nur eine Frage der Zeit, und war es erstmal so weit gekommen, würde eine Eindämmung sehr schwer werden und viele Opfer nach sich ziehen.

 

Es fing gerade an zu dämmern, als Taris in Begleitung von Eirik in das Hauptquartier der Jäger zurückkehrte. Auch der fünfte Tag war erfolglos verstrichen, und langsam machte sich Frust unter den Jägern breit. Stumm öffnete der Medikus die Tür zur Bibliothek des Hospitals und lies sich sofort erschöpft in den großen Stuhl hinter dem Schreibtisch fallen. Taris zog sich kopfschüttelnd die ledernen Handschuhe aus und setzte sich, den missbilligenden Blick Eiriks dabei ignorierend, kurzerhand halb auf dessen Arbeitstisch. Beiden sah man die fruchtlosen Anstrengungen der letzten Tage an. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen und die schon länger nicht mehr rasierten Bartstoppeln schimmerten grau im Licht der flackernden Öllampen.

»Irgendwas haben wir übersehen«, mutmaßte Taris und rieb sich müde mit den Händen über das Gesicht. »Nichts! Wir haben Nichts! Keine Spur von Ihnen.« Ratlos warf er seine Handschuhe auf den Schreibtisch.

Eirik schnaubte, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen. »Wir suchen an den falschen Stellen. An belebten Orten oder auf den Gassen werden wir sie nicht finden«

»Oder zur falschen Zeit«, erklang plötzlich eine dritte Stimme vom anderen Ende der Bibliothek. Sie gehörte Uriel, dem Erlöser von Leuenburg.

Taris hob den Kopf und Eirik öffnete die Augen. Uriel und Bruder Malachias mussten bereits vor ihnen zum Hauptquartier zurückgekehrt sein. Sie saßen in der hinteren Ecke an einem Tisch, die Köpfe tief in alten Folianten vergraben. Taris hatte die beiden aufgrund der Vielzahl an Büchern nicht gesehen. »Wie meint Ihr das?«, wollte er wissen und erhob sich langsam vom Schreibtisch.

Uriel stand auf und kam ihm mit einem uralten Buch auf den Armen entgegen. »Bei einer Suche muss man nicht nur am richtigen Ort, sondern auch zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Zu früh oder zu spät und man geht fehl.« Der Erlöser lächelte und tippte mit dem Finger auf einen kleinen Textabsatz im aufgeschlagenen Buch.

Interessiert begann Taris laut vorzulesen: »Wie dem Mensch der Tag, so dem Incubi die Nacht. Die Dämmerung, gleich welcher Art, ist seine Braut.« Irritiert, aber doch verstehend blickte Taris erst zu Uriel und dann zu Eirik.

Der aber verschränkte noch immer die Arme hinter dem Kopf und dachte gar nicht daran, aufzustehen. »Und jetzt? Was hilft uns das? Der richtige Ort UND der richtige Zeitpunkt, das waren Eure Worte eben, Erlöser. Vielleicht, und selbst das ist nicht gesichert…« Eirik konnte sich einen geringschätzigen Blick auf den alten Folianten nicht verkneifen »… kennen wir jetzt den richtigen Zeitpunkt, doch was ist mit dem Ort? Sollen wir unsere Suche nun auf die Dämmerung und die Nacht beschränken, und uns abwechselnd in ganz Leuenburg die Füße in den Bauch stehen?« Eirik schüttelte seufzend den Kopf und schloss wieder die Augen.

Taris stöhnte leise. Konnte es Eirik nicht einfach mal sein lassen? Dieser alte Zausel missgönnte Uriel jeden Erfolg und versuchte immer wieder, gute Ansätze des Erlösers schlecht zu reden.

»In diesen Büchern steht alte Wahrheit geschrieben. Ihr solltet etwas mehr Vertrauen in Eure Ahnen haben«, mischte sich Bruder Malachias plötzlich ein. Er hatte den mit Büchern und alten Schriften überfüllten Tisch ebenfalls verlassen und stand nun hinter dem Erlöser. Scheinbar war auch er inzwischen von Eiriks Art genervt und fühlte sich trotz seiner deutlich untergeordneten Stellung genötigt, offensiv das Wort für Uriel zu ergreifen.

»Schon gut, schon gut!«, rief Eirik daraufhin und hob beschwichtigend die Arme. »Fangt nur nicht schon wieder mit der Diskussion über Wahrheit an. Mir sitzt die letzte von vor ein paar Tagen noch in den Knochen.« Schwerfällig erhob er sich von seinem Stuhl und verzichtete auch nicht darauf, das Ganze mit einem übertrieben lauten Stöhnen zu untermalen. Eirik spielte immer wieder gerne auf sein Alter an, und bei vielen Leuten hatte er damit auch Erfolg. Taris aber kannte ihn besser. Er wusste, wann der Medikus wirklich mit seinen Gebrechen zu kämpfen hatte und wann es eher Mittel zum Zweck war. Uriel hingegen schien es zumindest zu erahnen, denn er schmunzelte und sah dann belustigt zu Taris.

Der Medikus umrundete schlurfend den Tisch, trat an Uriel heran und nahm ihm einfach das Buch aus der Hand. Er machte sich gar nicht erst die Mühe danach zu fragen. »Lasst mich mal sehen!«, brummelte er, gar so, als müsse er die Authentizität der Worte erst bestätigen. Schnell ließ er die, ganz im Gegensatz zu seinem alten Körper, noch immer jungen und klaren Augen über die uralten, verblichenen Zeilen fliegen. »Dort unten steht aber noch mehr, Hochwürden. Habt Ihr das etwa übersehen?« Ohne vom Buch aufzusehen, deutete er mit einem runzligen, knöchrigen Finger ganz unten auf die Seite.

Taris sah überrascht zum Erlöser. Der warf ihm blitzschnell ein Augenzwinkern zu und wandte sich dann interessiert und hoch konzentriert wieder Eirik und dem Buch zu. Innerlich musste Taris lachen und dem Erlöser größten Respekt zollen. Mit einer einfachen, aber genialen, und vor allen Dingen unerkannten Geste hatte der dem Medikus, ohne dessen Wissen, die Möglichkeit gegeben, ihn auf einen vermeintlichen Fehler seinerseits hinzuweisen. Jetzt rückte die Wissenschaft wieder auf Augenhöhe mit der Religion und das Verhältnis war abermals ausgeglichen. Dieser Erlöser beeindruckte Taris immer mehr, und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass dessen Erscheinen in Zeiten größter Not kein Zufall mehr war. Die Herrin hatte ihn nach Leuenburg geschickt, und unter seiner religiösen Führung würde die Stadt die kommenden, dunklen Wolken, die sich bereits drohend am Horizont zusammenbrauten, überstehen. Taris war sich dessen ganz sicher.

»Des Nachts ist ihre Schaffensstunde, doch meiden sie der Herrin Angesicht«, zitierte nun Eirik die Schrift aus dem Buch und gab es Uriel genauso unsanft und kommentarlos zurück wie er es ihm genommen hatte. »Ich vermute, man kann diese Zeilen als eine Art Hinweis dahingehend deuten, dass sich die Widergänger während des Tages gerne vor dem Sonnenlicht verbergen.«

»Glaubt Ihr, dass ihnen Sonnenlicht schadet?«, wollte Taris daraufhin wissen.

Eirik verzog abschätzend den Mund und begann schlurfend, und deutlich langsamer als noch eben, wieder um den Tisch herumzugehen. Auf der anderen Seite angekommen, plumpste er geradezu in den Stuhl. Das darauf folgende Stöhnen war diesmal sogar echt. Er ließ sich viel Zeit mit seiner Antwort. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, das denke ich nicht. Sie werden es nur nicht mögen, was ich mir aber anhand ihrer Farbgebung erkläre.«

Uriel, Bruder Malachias und Taris sahen sich fragend an und warteten dann geduldig auf eine Erklärung. Der Hauptmann ahnte aber bereits, dass sich der Medikus damit wieder etwas Zeit lassen würde.

Der streckte sich lange und ausgiebig in seinem Stuhl und genoss offensichtlich die Ratlosigkeit der anderen drei. Dann endlich räusperte er sich. »Helle Farben ziehen das Sonnenlicht weniger an, speichern dessen Wärme aber deutlich länger als dunklere Farben. Nur jemand, der wenig oder gar keine Sonne sieht, hat eine derart helle Pigmentierung wie die Widergänger.«

»Das bedeutet, die Widergänger verbringen den Tag in einer Art Unterschlupf«, schlussfolgerte Uriel und nickte verstehend. »Gut vor unliebsamen Augen versteckt und mehr als ausreichend vor Sonnenlicht geschützt.«

»Und wenn wir den Unterschlupf haben, dann haben wir auch die Widergänger«, warf Bruder Malachias daraufhin aufgeregt ein und sah zum Erlöser.

»Du meine Güte, welch geistreiche Kombinationen!«, zeterte Eirik griesgrämig. »Es gehört nicht viel dazu, diese Schlüsse zu ziehen. Mal davon abgesehen, dass sie uns sowieso nicht weiter bringen. Ich jedenfalls habe den Unterschlupf der Widergänger noch nicht entdeckt, aber vielleicht habt ihr ja …« Er verzog übertrieben einfältig den Mund. Dann aber wurde er sofort wieder ernst. Er schüttelte den Kopf und winkte vehement ab. »Nein! Diese alten…«, kurz suchte er nach dem richtigen Wort. »… Texte bringen uns auch nicht weiter!«.

Taris entging nicht, dass der Medikus die Schriften erst hatte anders bezeichnen wollen und war froh, dass der es sich nochmal überlegt hatte. »Ihr sprecht wahr Eirik. Gefunden haben wir ihn noch nicht, doch können wir jetzt die in Frage kommenden Orte deutlich einschränken.« Er wandte sich um und ging zu der großen Karte Leuenburgs, die auf Eiriks Tisch ausgebreitet lag. Uriel und Bruder Malachias folgten ihm.

»Ausreichend vor Sonnenlicht geschützt, sehr gut versteckt und vor den Augen der Bevölkerung verborgen«, zählte er auf, beugte sich über die Karte und begann sie zu studieren. »Mehr als eine Hand voll Orte werden da nicht zusammenkommen.«

Auch Uriel und Bruder Malachias fingen an, sich eingehender mit dem gezeichneten Umriss der Stadt zu beschäftigen. Nach anfänglichem Zögern rutschte schließlich auch Eirik etwas nach vorne und warf einen Blick auf die Karte.

»Der Garten der Herrin! Dort gibt es viele Grüfte und große, teils unterirdische Familiengräber«, merkte Bruder Malachias an und tippte mit dem Finger auf eine ovale Stelle mit vielen kleinen Lorbeerkränzen. Uriel und Taris nickten.

»Unter dem alten Markt befindet sich die Kanalisation. Von da aus laufen unzählige Rohrsysteme zu den Herrschaftsvillen am Alten Markt. Über den Leuenkanal kommt man sehr gut an die Schächte heran. Dort müssen wir ebenfalls nachsehen«, erklärte Taris.

»Was ist mit der alten Kapelle der Herrin an der Ostmauer? Dahinter erstreckt sich eine kleine Grotte, die gerne von Landstreichern oder Bettlern als Unterkunft genutzt wird«, brachte Bruder Malachias vor.

»Auch dort müssen wir suchen, ja«, stimmte ihm Taris zu.

Eirik, der sich bisher zurückgehalten und keinen der Vorschläge kommentiert hatte, tippte plötzlich stumm mit dem Finger auf ein bereits verblassendes Rechteck auf der Karte.

»Was ist das?«, wollte Uriel wissen und sah sich die Umrisse des Gebäudes genauer an.

»Das alte Refraktorium. Es wurde seinerzeit unter Herzog Helfast gebaut. Ein Teil der Warte und der Kuppel sind heute noch zu sehen, der eigentliche Hauptkomplex jedoch liegt unterhalb der Oberfläche. In den oberen Bereichen befindet sich heute eine Schmiede. Die Untergeschosse sind, soweit ich weiß, versiegelt und werden nicht mehr genutzt.«

»Auch ein gutes Versteck«, pflichtete Taris dem Medikus bei und die anderen nickten verstehend.

»Schade, dass ein derartiges Kleinod der Wissenschaft heute nicht mehr in Betrieb ist und dem Verfall anheim gegeben wurde. Nicht wahr Hochwürden?« Eirik fixierte Uriel über den Tisch hinweg.

Taris wusste genau, worauf der Medikus anspielte und verdrehte die Augen. Der alte Meister wollte einfach keine Gelegenheit auslassen, die Kirche auf ihre Fehler hinzuweisen.

»Seht mich da nicht so an!«, konterte Uriel gelassen. »Ich bin nicht für die Machenschaften meiner Vorgänger verantwortlich.«

»Aber Ihr vertretet, noch dazu in hohem Amt, die Kirche, und das taten Eure Vorgänger auch. Wie denkt Eure Kirche heute darüber?«

»Es ist nicht MEINE Kirche und die Kirche denkt auch nicht. Sie ist das Instrument, auf dem die besten Theologen des Reiches immer wieder neue Facetten des Glaubens hervorbringen. Nicht die Kirche macht Fehler, sondern die Menschen, die dahinter stehen«, erwiderte Uriel, machte sich aber nicht die Mühe, von der Karte aufzusehen.

»Dann war es also ein Fehler der Kirche, das Refraktorium von Leuenburg zu schließen und den damaligen Magister der Erlösung durch das Feuer zu unterziehen?«, hakte Eirik vorsichtig nach.

Jetzt erst sah Uriel auf und in seinem Blick lagen weder Härte noch Zorn. »Ja, das war es. Zumindest in meinen Augen.«

Taris konnte sehen, wie die unverblümte Ehrlichkeit des Erlösers Eirik überraschte. Mehr als ein Nicken brachte der im ersten Moment auch nicht zustande.

»Die Fehler meiner Vorgänger sind aber nicht die meinen, Medikus, vergesst das bitte nicht!«, ergänzte Uriel und widmete sich dann wieder übergangslos der Karte. Für ihn war das Thema damit offensichtlich erledigt, und sehr zu Taris’ Überraschung murmelte Eirik sogar eine deutlich hörbare Zustimmung.

»Dann hätten wir also vier Orte, die wir uns genauer ansehen müssen«, griff Taris das eigentliche Thema wieder auf. Nur Dank Uriel hielt der wachsweiche Waffenstillstand mit Eirik, und er wollte, dass es noch ein Weilchen so blieb. Dringendere Probleme warteten darauf, gelöst zu werden. »Der Garten der Herrin, die Kanalisation, die Grotte und das Refraktorium. Am besten wird es sein, wenn wir uns morgen wieder aufteilen. Uriel, was haltet Ihr davon, gemeinsam mit Bruder Malachias der Grotte und den Grüften einen Besuch abzustatten? Ich denke, Euer Amt verleiht dem Ganzen selbst unter den gegebenen Umständen einen würdevollen Anstrich.«