Die tote Pilzsammlerin - Detlef Kast - E-Book

Die tote Pilzsammlerin E-Book

Detlef Kast

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Beschreibung

In den dichten Wäldern bei Bad Hindelang wird eine junge Frau tot aufgefunden – brutal erschlagen, offenbar beim Pilzesammeln. Torben Möller und sein Team übernehmen die Ermittlungen und stoßen auf ein Netz aus Lügen und Geheimnissen, das den ganzen Ort in Aufruhr versetzt. Wird Torben den Täter fassen? Und wie viele düstere Geheimnisse müssen noch gelüftet werden, bevor der Fall gelöst ist? Die Spannung spitzt sich dramatisch zu.

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Seitenzahl: 396

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Detlef Kast

Die tote Pilzsammlerin

Detlef Kast

Impressum

Texte:   © 2024 Copyright by Detlef Kast

Umschlag: © 2024 Copyright by Detlef Kast

Verantwortlich

für den Inhalt: Detlef Kast

Waldenserstraße 73

71277 Rutesheim

[email protected]

Lektoren:  Verenissa Eppinger, Frank Mösle sowie

Noelle Kast

Cover:  KI & Detlef Kast

Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig.

Begleite Torben bei seinen aufregenden Abenteuern und spannenden Fällen! Folge ihm jetzt auf Instagram und TikTok unter @torbens.welt und sei hautnah dabei!

Inhalt

Danksagung / Hinweise / Bitte 7

Kapitel 1 10

Kapitel 2 30

Kapitel 3 54

Kapitel 4 82

Kapitel 5 103

Kapitel 6 122

Kapitel 7 131

Kapitel 8 155

Kapitel 9 182

Kapitel 10 206

Kapitel 11 238

Kapitel 12 259

Kapitel 13 283

Kapitel 14 307

Kapitel 15 317

Epilog 339

Danksagung / Hinweise / Bitte

Zunächst einmal danke ich allen Personen, die mich zum Schreiben meines ersten Krimis ermutigt haben. Es ist immer gut zu wissen, dass es Menschen gibt, die einem etwas zutrauen.

Ein großer Dank gilt meinen Lektoren dafür, dass sie sich die Mühe gemacht haben, mein Geschriebenes nicht nur inhaltlich zu prüfen, sondern auch die Rechtschreibfehler auszubügeln. Da diese nicht wenig waren, entschuldige ich mich bei euch allen. Ich gelobe Besserung, irgendwann halt.

Alle im Krimi vorkommenden Personen sind frei erfunden, auch wenn vereinzelt reale Personen als Inspiration dienten. Der dargestellte Fall basiert in einigen Aspekten auf einem tatsächlichen Ereignis, jedoch wurden die handelnden Personen und Schauplätze entsprechend abgeändert.

Ich habe eine Bitte bezüglich der Bewertungen auf den verschiedenen Plattformen, auf denen das Buch erhältlich ist: Eine  ehrliche Meinung ist mir sehr wichtig, und konstruktive Kritik ist sinnvoll und erwünscht. Nur sollte diese doch bitte sachlich formuliert sein. Pauschale Aussagen wie „Das taugt nichts“ sind wenig hilfreich. Wenn es einen Grund gibt, warum einem etwas besonders gut gefallen hat oder nicht, wäre ich dankbar, wenn man dies konkret benennt. Nur so kann ich aus dem Feedback lernen und mich kontinuierlich verbessern.

Prolog

In den tiefen Wäldern des Allgäus liegt an diesem Oktobermorgen eine unheilvolle Kälte.

Der Nebel zögert, sich zu lichten, als ob er ein düsteres Geheimnis hüte.

Durch die dichten Baumkronen dringen nur vereinzelte Sonnenstrahlen, die dem moosbedeckten Boden ein schauriges Leuchten verleihen.

Ein Hauch von Taunässe liegt über dem Moos, und die Stille wird nur vom leisen Erwachen der Natur durchbrochen.

Ein einsamer Fuchs durchstreift die feuchte Erde, auf der Suche nach seiner Beute, als wäre er von einer unsichtbaren Macht geleitet.

Seine Sinne führen ihn zu einem vermeintlichen Baumstamm, der jedoch eine düstere Wahrheit verbirgt.

Denn dort, zwischen den Schatten der Bäume, liegt eine tote Frau auf dem Boden, neben ihr ein Korb voller Steinpilze, die wie eine morbide Opfergabe wirken.

In ihrer Hand hält sie ein Pilzmesser, als wäre es das letzte, was sie mit dieser Welt verbindet.

Ihr lebloses Gesicht ruht auf dem Boden, während eine blutige Wunde an ihrem Hinterkopf klafft, bereits von den ersten Anzeichen des Verfalls umgeben. Daneben ein größerer Ast, an welchem getrocknetes Blut klebt und langsam durch den Regen ausgewaschen wird.

Kapitel 1

Ich öffnete langsam und vorsichtig die Augen und wurde sofort von den ersten Sonnenstrahlen des Tages geblendet. Blitzschnell schloss ich die Augen wieder und mein Verstand erfasste schlagartig, dass ich nicht in meinem eigenen Bett lag. Denn in mein eigenes Schlafzimmer schien die Morgensonne niemals herein. Dort zeigte sich die Sonne erst gegen Abend, da mein Schlafzimmerfenster in Richtung Westen ausgerichtet war.

In wessen Bett lag ich denn nun schon wieder? So sehr ich mich auch zu anstrengen versuchte, ich konnte mich einfach nicht daran erinnern. Da die Sonne immer noch sehr hell war, drehte ich mich einfach zur Seite. Verwundert stellte ich fest, dass ich nicht allein in dem gemütlichen Bett lag.

Ich sah rote, lockige, lange Haare direkt vor meinen Augen, welche sanft auf der hellen Haut des Rückens einer mir unbekannten Frau ruhten. Sie schien noch zu schlafen, was die gleichmäßigen Bewegungen des Oberkörpers durch das Atmen verrieten.

Die roten Haare verwirrten mich sehr, kannte ich doch zumindest bis jetzt keine Frau, welche so eine Feuermähne hatte. Wer war diese unbekannte Frau, und noch, wie bin ich hier gelandet und was war alles geschehen?

Ehrlich gesagt nervten mich solche Situationen langsam. Seit meiner Scheidung vor ein paar Jahren war mein Liebesleben eine reine Achterbahnfahrt. Immer, wenn es in Sachen Liebe nach oben ging, kam postwendend der freie Fall. So war es nicht von der Hand zu weisen, dass es bei mir bei gelegentlichen Bettgeschichten mit unterschiedlichen Frauen blieb. Im Laufe der Zeit störten mich allerdings diese Bettgeschichten nicht mehr so sehr, aber mir wäre dennoch eine feste Beziehung lieber. Dadurch war mein Leben zu unruhig und beeinflusste meine Arbeit auf eine gewisse Art und Weise.

Allerdings bringt das Singledasein auch seine Vorteile mit sich. Man war niemandem eine Rechenschaft schuldig und im Grunde konnte ich tun und lassen, was ich wollte. Wobei mir manchmal dennoch eine Frau an meiner Seite lieber wäre, die einfach da ist, wenn man nach der Arbeit erschöpft, zu Hause ankommt.

Zudem waren meine Abenteuer mit verheirateten Frauen nicht immer ohne Folgen, was meine Kollegen auch immer wieder an meinem Gesicht ablesen konnten, wenn es mal wieder vom gehörnten Ehemann ein blaues Auge gab. Am Ende des Tages fand ich solche Situationen auch schon mal lustig und konnte über die Szenen der Ehemänner nur schmunzeln. Es gab sicherlich Gründe, warum die Frauen ein Abenteuer suchten, aber das würden die Männer vermutlich nie verstehen oder verstehen wollen.

Natürlich hatte ich da auch ein wenig Verständnis. Immerhin verlief meine Ehe auch nicht bilderbuchmäßig und ging am Ende in die Brüche. Aber darüber machte ich mir zwischenzeitlich keine Gedanken mehr, da es eh nichts bringen würde. Die Scheidung lag jetzt auch schon ein paar Jahre zurück, und über so alte Dinge mache ich mir keine Gedanken mehr. Auch wenn ich als Ermittler bei der Kriminalpolizei oft knifflige Fälle zu bearbeiten hatte und immer wieder unkonventionell um die Ecke denken musste, so war das Mysterium Frau mir bislang noch immer ein großes Rätsel. Doch vielleicht basierte darauf meine Faszination, sie zu verführen.

Und jetzt befand ich mich wohl wieder in einer der Situationen, wo ich in einem fremden Schlafzimmer aufwachte und im Grunde nur darauf wartete, bis irgendwann die Tür aufging und der Freund oder der Ehemann wild tobend im Schlafzimmer stehend, mir mit Schlägen drohte. Aber bislang blieb es ruhig, und ich beschloss mich auf die Suche nach der Küche zu machen. Mir war nach einem starken Kaffee. Um auf andere Gedanken zu kommen und überhaupt mal darauf zu kommen, wie ich hier gelandet war.

Ich schob vorsichtig die Decke beiseite und setzte mich auf die Bettkante. Schaute mich und um und inspizierte das mir noch fremde Schlafzimmer.

Es war ein schöner großer und heller Raum mit einem großen Doppelbett. Gegenüber vom Bettende stand ein weißer, deckenhoher Schiebetürenschrank, welcher die komplette Raumbreite einnahm. Während rechts neben dem Bett das Fenster die Morgensonne in den Raum scheinen ließ, befand sich auf der linken Bettseite noch eine Kommode mit einem großen Schminkspiegel. Links daneben konnte ich die Zimmertür erkennen. Alles in allem ein geschmackvoll eingerichtetes Schlafzimmer, gemütlich, nicht zu groß, aber groß genug. Ein Es gab nur ein Problem: Es war nicht mein Schlafzimmer.

Mein Kopf fing wieder unwillkürlich an zu grübeln, was in der letzten Nacht geschehen war. Aber ohne Kaffee war das ein sinnloses Vorhaben.

Ich konnte mich zumindest daran erinnern, dass ich gestern Abend bei mir zu Hause auf dem Sofa saß, und mir einen Film anschaute. Irgendwann hatte mein Smartphone geklingelt und Julia war am anderen Ende der Leitung. Ein wenig angetrunken, wollte sie das ich noch in den Club komme, da sie viel Spaß hatten.

Sie? Okay, Julia befand sich wohl nicht allein im Club. Vermutlich war sie in Begleitung der rothaarigen Schönheit, die nun hier neben mir im Bett lag. Aber irgendwie wollten sich meine Synapsen noch nicht so verbinden, dass ein Bild daraus entstand.

Ich kramte nach meiner Boxershorts und meinem Shirt und zog die Sachen an. Ich schlich leise aus dem Schlafzimmer, auf der Suche nach der Küche.

Nach dem Verlassen des Schlafzimmers kam ich in einen langen, schmalen Flur. Ein paar Türen gingen links und rechts weg und führten in die anderen Räume. Am Ende des Flures konnte ich die Wohnungstüre erkennen, oder war es die Haustüre? Ich wusste nicht einmal, ob ich in einer Wohnung oder einem Haus war.

Langsam ging ich den Flur entlang und schaute im Vorbeigehen in die Räume hinein, bis ich endlich den richtigen Raum mit der Küche erreichte.

Die Küche war klein, aber dennoch gemütlich. Direkt angrenzend öffnete sich ein großer Durchgang zum Essbereich. Alles sah gemütlich und einladend aus und hatte definitiv die Handschrift einer Frau. Ordentlich aufgeräumt, in der Ecke auf der Arbeitsplatte stand ein Korb mit Früchten. Unwillkürlich musste ich beim Anblick der Früchte schmunzeln. Also meine Küche war es definitiv nicht.

Die Küche besaß auch eine kleine Theke mit zwei Hockern. Schien also eher eine Single-Wohnung zu sein. Nur von wem, das war die große Frage, die noch im Raum stand. Wer war die rothaarige Frau, die noch friedlich schlummernd im Bett lag?

Mit diesem Gedanken im Kopf konnte ich zwischen Herd und Waschbecken das Objekt meiner Begierde entdecken. Eine nahezu neue oder ordentlich gepflegte Nespresso-Kapselmaschine. Zumindest der Kaffee schien gerettet zu sein, ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Neben der Maschine stand ein kleiner Korb mit entsprechenden Kapseln in diversen Geschmacksrichtungen. Die Namen wie ‚Odacio‘ oder ‚Melozio‘ sagten mir absolut nichts, daher schnappte ich mir einfach eine der Kapseln die mir farblich am besten gefiel und steckte sie in die Maschine. Ich kontrollierte ob noch genug Wasser im Tank vorhanden war und schaltete die Maschine ein. Ein paar Minuten später lief herrlich duftender Kaffee in eine Tasse, welche ich aus einem der Oberschränke geangelt hatte.

In dem Moment, als ich die Tasse aus der Maschine zog und mich umdrehte, stand die rothaarige Frau, die noch vor ein paar Minuten im Bett lag, vor mir und sagte freudig strahlend "Guten Morgen, Torben."

Vor lauter Schreck hätte ich fast den heißen Kaffee über mich ergossen, konnte dies aber gerade noch verhindern.

Sie sah einfach umwerfend aus und ja klar, ganz mein Typ, daher war ich wohl hier, auch wenn ich bislang immer noch nicht die Details zusammen bekam.

Was ich aber viel erschreckender fand, mir fiel ihr Name nicht ein. Daher versuchte ich die Situation ein wenig zu überspielen und lächelte sie freundlich an.

Nachdem ich mir jetzt doch ein wenig blöd vorkam, brachte ich immerhin ein kurzes „Guten Morgen“ aus mir heraus, starte aber verlegen in meine Kaffeetasse.

Die rothaarige Schönheit musste grinsen, schaute mir direkt in die Augen und wurde nun neugierig.  "Du kannst dich wohl nicht mehr an meinen Namen erinnern?"

Verdammt war das peinlich. Natürlich wusste ich ihren Namen nicht. Ich wusste nicht einmal, wie ich hierhergekommen war. Es war an Peinlichkeit wohl kaum zu übertreffen und insgeheim dachte ich, dass sie mich ohnehin gleich aus der Wohnung werfen würde. "Ja, sorry, ich weiß überhaupt nicht, was letzte Nacht passiert ist.“

Immerhin lachte sie herzhaft und nahm mir ganz frech den heißen Kaffee aus der Hand. „Das wäre aber nicht nötig gewesen, Torben“ lachte sie erneut und betonte meinen Vornamen für meinen Geschmack ein wenig zu deutlich, sodass ich mir erneut dämlich vorkam.

Ich versuchte die Situation sportlich zu nehmen und machte mich erneut an der Nespresso-Maschine zu schaffen, um meinen eigenen Kaffee herauszulassen. Nachdem dieser Kaffee ebenfalls durchgelaufen und in der dazugehörigen Tasse angekommen war, schlug die rothaarige Schönheit vor, dass wir uns doch einfach an die Bar setzen könnten.

Die Idee fand ich sehr gut, vielleicht konnte ich durch ein Morgengespräch, das ein oder andere Detail herausfinden, um zu erfahren, was letzte Nacht passiert ist.

Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gebracht, fing sie auch schon an.

"Also, du heißt Torben, richtig? Ich bin Sarah, eine neue Kollegin von Julia. Julia hatte mich gestern spontan gefragt, ob ich mit ihr in den Club gehen will. Ich selbst bin erst vor vier Wochen hierher ins Allgäu gezogen. Ursprünglich komme ich aus Bitburg in der Eifel, aber aus privaten Gründen habe ich meinen Job gewechselt und bin jetzt hier bei euch im Allgäu“ beendete Sarah ihren Satz und nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse. Bevor ich etwas dazu sagen konnte, fuhr sie fort.

"Da ich noch nicht viele meiner Kollegen kenne, hatte Julia die Idee, einfach in den Club zu gehen. Nachdem wir eine Weile dort waren und schon den ein oder anderen Drink hatten, entschied Julia, dich spontan anzurufen, damit wir uns kennenlernen."

Sarah zuckte mit den Schultern und fuhr fort: "Ich kann dir jetzt nicht genau sagen, was Julias Absichten waren, da ich auch schon den ein oder anderen Drink zu viel hatte. Ob sie tatsächlich mit dem Gedanken gespielt hat, dass wir beide im Bett landen, weiß ich nicht. Das müssten wir sie wohl selbst fragen.

Zumindest kann ich dir sagen, als wir den Club verlassen haben, hatte Julia ein breites Grinsen im Gesicht, als ob sie ihr Ziel erreicht hätte. Es schien, als wären ihre Absichten etwas mehr als nur freundschaftlich für uns Zwei."

Ja, das klang sehr nach Julia. Sie hatte schon immer versucht, mich mit irgendwelchen Frauen zu verkuppeln und schien da auch sichtlich ihren Spaß daran zu haben. Dass das ihre Hintergedanken waren, war also nicht von der Hand zu weisen.

"Im Club haben wir uns am Anfang nicht so viel unterhalten. Du warst ruhig und extrem schüchtern", fuhr Sarah fort. „Ich wollte Julia schon fragen, was ich mit dir anfangen soll, aber sie meinte nur, ich solle mich von deinem ersten Eindruck nicht täuschen lassen, da du es wohl faustdick hinter den Ohren hättest.

Nun ja, was soll ich sagen. Letztendlich muss ich sagen, Julia hatte recht. Am Anfang dachte ich wirklich, oh je, was für ein langweiliger Abend mit diesem Typen hier. Aber nach dem zweiten Aperol Spritz bist du aus dir herausgekommen und hast dich ganz anders dargestellt.

Du hast mir von deinem Job bei der Polizei erzählt und auch die eine oder andere Geschichte, die du erlebt hast. Es war tatsächlich noch ein unterhaltsamer Abend, und wir sind uns immer nähergekommen.“

Ich musste immer wieder aufs Neue feststellen, dass ihr Lächeln einfach bezaubernd war und ertappte mich selbst dabei, wie ich ihr ständig auf ihre zarten Lippen starte.

„Du hast natürlich völlig unbewusst meine Hand berührt oder auch mal deinen Arm um mich gelegt. Ich fand das sehr angenehm und hatte schon Gefallen an dir gefunden. Und dass, obwohl du am Anfang so schüchtern warst."

Sarah musste herzlich lachen bei dem Gedanken, wie unbeholfen und ruhig ich am Anfang wohl war.

Nun, dass war halt so eines meiner Probleme. Auch wenn ich gerne der Lustige war, so verhielt ich mich Anfangs immer ein wenig schüchtern und zurückhaltend. Menschen, die mich nicht kannten, packten mich meist in die Schublade „ruhiger Typ“, was ich zwar auch sein konnte, aber das ist wirklich selten.

Meine Vorgehensweise war dabei immer die gleiche. Zunächst beobachtete ich am Anfang die Menschen, wenn mir diese noch nicht so bekannt waren. Ihr Verhalten, ihre Ausdrucksweise. So erhielt ich einen besseren Eindruck, wodurch ich oft beurteilen kann, wo ich in einem Gespräch einsteige. Allerdings gab es auch Situationen, in welchen ich mich einfach ruhig verhalte und im Hintergrund blieb. Ich fühlte mich dann meist fehl am Platz und war froh, wenn ich wieder weg war. Da kam es dann schon auch mal vor, dass ich recht früh den Abgang machte.

Sarah riss mich aus meinen Gedanken, indem sie die Geschichte von gestern Abend fortsetzte.

"Julia hat mich noch kurz zur Seite genommen, als wir auf die Toilette gegangen sind und mich gewarnt. Sie meinte, ich solle aber aufpassen. Ich wäre nicht die Erste, die von dir verführt wird. Am nächsten Tag könnte es durchaus vorkommen, dass du nicht mehr wüsstest, was passiert ist.

Ich habe ihre Warnung zur Kenntnis genommen, aber ehrlich gesagt, es störte mich in dem Moment nicht wirklich. Bevor ich aus Bitburg weggezogen bin, hatte ich eine längere Beziehung, die am Ende in einem Desaster endetet. Momentan bin ich daher nicht bereit, was Neues einzugehen. Mir ist eher nach ein bisschen Spaß als nach einer langen Beziehung."

Jetzt war ich tatsächlich ein wenig sprachlos. Eigentlich waren mir am nächsten Tag eher andere Szenen bekannt. Von wütenden Beschimpfungen bis zum Rauswurf und der Aufforderung, mich nie wieder blicken zu lassen. Sarah schien hier jedoch komplett anders. Sie wirkte sehr entspannt und war zudem eine sehr interessante und äußerst attraktive Frau.

Irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass ich von Sarah verführt und als Betthupferl missbraucht wurde. Jetzt fand ich mich doch tatsächlich in der Rolle wieder, in denen sich üblicherweise die Frauen befanden, mit denen ich im Bett war. Irgendwie fühlte sich diese Rolle für mich neu und merkwürdig an. Aber auch auf die ein oder andere Weise entspannt. Es gab kein Theater, keine unschönen Szenen. Ich konnte es nicht verneinen, es fühlte sich tatsächlich schön an.

Was für eine Frau, dachte ich mir. Sie faszinierte mich schon nach einer Nacht und machte mich neugierig. War es vielleicht genau diese Frau, auf die ich jahrelang gewartet hatte?

Den Gedanken schob ich aber schnell beiseite, weil es einfach viel zu früh dafür war, irgendetwas zu beurteilen. Hier übernahm der Ermittler in mir Überhand, der den vernünftigen Part einnahm und analysierte, dass noch viel zu wenige Informationen für eine Lagebeurteilung vorlagen.

Ich nahm daher einen großen Schluck Kaffee aus meiner Tasse, welcher im Übrigen sehr lecker und nicht zu stark war, und sprach Sarah an.

"Ja also Sarah, schön dich kennenzulernen. Ich bin Torben, aber das weißt du ja schon. Das ist eine sehr witzige Geschichte. Doch ich muss leider gestehen, dass ich mich so gut wie an nichts erinnern kann, was gestern passiert ist. Ich kann dir nur sagen, dass ich meines Wissens zwei Aperol Spritz getrunken habe.

Wie wir zu dir gelangt sind und wann, das kann ich überhaupt nicht sagen. Auch kann ich mich nicht daran erinnern, was hier bei dir in der Wohnung passiert ist. Das ist mir zwar etwas peinlich, da du eine sehr attraktive Frau bist, aber ich möchte dir nichts vormachen und ehrlich sein.

Irgendwie ist es schon sehr ärgerlich, dass ich nicht weiß, was im Schlafzimmer passiert ist."

Ich merkte sehr schnell, dass sich meine Gesichtsfarbe leicht änderte. Es war auch eine sehr peinliche Situation. Da wacht man neben einer attraktiven Frau auf, beide nackt und ich konnte mich nicht erinnern, was geschehen war. Am liebsten hätte ich mich in einem großen Loch versteckt, aber es war gerade keines verfügbar.

Sarah schaute mich an und brach in lautes Lachen aus. Vor lauter Lachen hatte sie sogar Tränen im Gesicht. Meine Gesichtsfarbe wechselte jetzt zu knallrot, aber irgendwie steckte Sarahs entzückendes Lachen einfach an, sodass wir beide gefühlt fünf Minuten dasaßen und einfach nur herzhaft lachten.

Die Stimmung war entspannt und es fühlte sich sehr gut an, als der Klingelton von meinem Smartphone unser ausgelassenes Gelächter unterbrach. Ich hörte zwar das Klingeln, musste aber erst einmal genau überlegen, wo ich das Smartphone überhaupt deponiert hatte. Mein letzter Kenntnisstand war der, dass es irgendwo in meiner Hose sein musste. Und besagte Hose dürfte wohl noch im Schlafzimmer liegen. Ich schaute Sarah kurz verzweifelt an, stand auf und ging in Richtung Schlafzimmer, immer dem nervigen Klingelton folgend.

Im Schlafzimmer angekommen, konnte ich das Klingeln unter dem Bett ausmachen. Ich bückte mich, schaute unter das Bett und entdeckte dort meine Hose. Wie um alles in der Welt musste man eine Hose ausziehen, damit diese so unter das Bett gelangte? Wieder eine Frage, auf welche ich wohl so schnell keine Antwort bekommen würde. Ich hätte gerne noch länger überlegt, wäre da nicht weiterhin dieses penetrante Klingeln gewesen.

Ich fischte mein Smartphone aus der Hosentasche und schaute auf das Display.

Jan Stricker konnte ich vom Display ablesen. Was konnte mein Kollege Jan von mir wollen? Es war schließlich Wochenende. Dass war nicht typisch für ihn. Jan rief eigentlich immer nur an, wenn es um die Arbeit ging. Verdammt, es wird doch hoffentlich nichts Wichtiges sein? Gerade jetzt, wo die Stimmung zwischen mir und Sarah so gut war.

Ich überlegte lange, ob ich den Anruf überhaupt annehmen sollte.

Jan war so der typische Streberkollege, den es gefühlt überall gab. Zielstrebig, einfach arbeitsgeil und stellte die Arbeit immer über alles.

Das ging schon so weit, dass er mit Ende 40 zwischenzeitlich geschieden war und seine beiden Kinder nichts mehr von ihm wissen wollten, da er ja gefühlt eh nie zu Hause war.Doch seine Arbeitseinstellung hatte noch einen weiteren Preis. Dadurch, dass er immer zur Stelle war, egal um welche Uhrzeit, langweilte er sich ungemein in seiner Freizeit. Er wusste nicht, was er mit sich und seinem unsportlichen und Körper anfangen sollte.

Obwohl er ein lieber, netter und zuverlässiger Kollege war, war er doch manchmal auch einfach nur ein Depp und man musste schon den Kopf schütteln, wie sich ein erwachsener Mann so unfähig anstellen konnte. Da beneidete man doch seine Exfrau, dass sie ihn nicht mehr an der Backe hatte. Wollte Jan einem etwas erklären, so brauchte man viel Zeit und Geduld, weil er einfach nicht auf den Punkt kam. Daher kam es immer wieder vor, dass man einfach abschweifte, an andere Dinge dachte und einfach wartete, bis er fertig war. Bei Jan bekam man das Ende und die eigentliche Botschaft nicht immer mit und musste leider nochmals nachfragen in der Hoffnung, dass die Geschichte kürzer ausfallen würde. Meist vergeblich.

Immer noch grübelnd, was Jan von mir wollte, nahm ich leicht genervt seinen Anruf entgegen.

"Hi Jan, was ist los? Warum störst du mich beim gemütlichen Kaffee? Es ist Wochenende. Ist dir schon wieder langweilig, oder was? Such dir endlich mal eine Beschäftigung" waren meine knappen Sätze in der Hoffnung, Jan würde verstehen, dass er zu einem ungünstigen Zeitpunkt anruft.

Aber Jan ignorierte meine ganzen Anspielungen und kam ausnahmsweise direkt zur Sache. Er befand sich auf unserer Dienststelle, der KPI, also der Kriminalpolizei Inspektion Kempten. Im Wald vom Hintersteinertal in Bad Hindelang hätte der Förster eine weibliche Leiche gefunden. Momentan wäre man bei der KPI dabei, eine Sonderkommission einzurichten.

Während vier Kollegen von der Spurensicherung bereits am Tatort waren, hatte Jan von unserem Vorgesetzen Polizeioberrat Meier den Auftrag erhalten, weiteres Personal für die Sonderkommission zu rekrutieren. Mein Chef wollte, dass ich die Leitung der Sonderkommission übernehme und daher sollte ich dringend auf die Dienststelle kommen.

Ich teilte Jan kurz und knapp mit, dass ich mich auf den Weg machen würde und legte einfach auf.

Innerlich nervte es mich aber doch sehr, da mein Wochenende nun einfach im Eimer war. Hätte das nicht bis Montag warten können? Die Frau war doch eh schon tot. Manchmal hätte ich mich selbst ohrfeigen können. Ich hatte doch genau gesehen, wer der Anrufer war und eigentlich hätte ich das Smartphone einfach wieder unters Bett packen sollen, um am Montag zu sagen, sorry, hab es nicht mitbekommen. Aber ich kannte Jan gut genug, und wusste, dass er spätestens nach dem dritten Versuch vor meiner Tür stehen würde. Wenn Jan einen Auftrag bekam, führte er diesen aus. Egal wie. Da hätte ich mich schon bei Sarah verstecken müssen, was so gesehen eigentlich gar keine schlechte Idee gewesen wäre. Und Jan hätte mich bei ihr sicher nicht gefunden. Verdammt, warum fiel mir sowas immer erst hinterher ein?

Sarah hätte mir sicherlich gezeigt, was ich letzte Nacht nicht so richtig mitbekommen hatte. Diese Alternative wäre mir definitiv lieber gewesen. Aber gut, es war jetzt eh zu spät.

Mir war auch klar, warum unser Vorgesetzter, der bei uns auch gerne mal als ‚der Alte‘ bezeichnet wurde, mich für die Ermittlungsleitung wollte. Ich hatte eine gute Erfolgsquote aufzuweisen, auch wenn der Alte mit meiner Vorgehensweise nicht immer ganz einverstanden war. Am Ende zählte das Ergebnis und nicht unbedingt der Weg dahin.

Und da unser lieber Herr Polizeioberrat Meier der beste Freund vom aktuellen Bürgermeister Huber war, war auch klar, dass ich den Fall schnell lösen sollte. Die beiden waren nicht nur beruflich ‚Best Buddys‘, sondern zockten nahezu jedes Wochenende Poker im Grünen Baum. Da wurde auch mal die ein oder andere politische Entscheidung getroffen, aber natürlich immer so, dass die beiden Herren zufrieden waren.

Da die Bürgermeisterwahlen vor der Tür standen, kam dem amtierenden Bürgermeister Huber eine Leiche in seinem Wahlkreis natürlich sehr ungelegen. Und dass da jetzt sein Kumpel der Polizeioberrat Meier ranmusste, war so sicher wie das Amen in der Kirche. Schließlich wollte der Alte seinen politischen Freund nicht verärgern, da er ja davon auch profitierte. Mir waren solche Machenschaften einfach zuwider und nervten mich nur. Aber gegen eine Weisung meines Vorgesetzten konnte ich leider nicht so viel ausrichten und musste daher oft in den sauren Apfel beißen.

Den gemütlichen Tag mit Sarah konnte ich mir jedenfalls abschminken und überlegte, während ich mich anzog, wie ich es Sarah erklären könnte.

Ich kehrte im Anschluss wieder in die Küche zurück, wo Sarah immer noch entspannt an der dortigen Theke saß und bereits ihren zweiten Kaffee vor sich stehen hatte.

Leider bemerkte ich erst jetzt, dass sie nur ein langes T-Shirt trug, welches bis zu den Oberschenkeln reichte. Dass Sarah darunter vermutlich nackt war, wurde mir in diesem Moment bewusst. Dennoch versuchte ich dieses Bild zu verdrängen, da mir ja leider jetzt nicht mehr vergönnt war, weiterhin bei ihr zu bleiben, um meine Vermutung zu überprüfen. Ich verfluchte mich innerlich für meine Dummheit, den Anruf von Jan entgegenzunehmen.

Ich hatte jetzt leider die unangenehme Aufgabe, Sarah mitzuteilen, dass es einen dringenden dienstlichen Einsatz geben würde, welcher meine Anwesenheit erforderte. Ich hatte ein wenig Sorge darum, dass es bei Sarah wie eine Art Ausrede ankommen würde, hatte mich aber erneut in ihr getäuscht.

Sarah lächelte mich verständnisvoll an und meinte nur, dass es kein Problem wäre. Zum einen war ihr bekannt, welchen Beruf ich ausübe, und zum anderen hätte sie ja meine Nummer. So könnte sie sich bei mir melden, wenn ihr danach wäre.

Ich musste wohl ziemlich dämlich aus der Wäsche geschaut haben, weil Sarah mich fragend ansah. Mein Kopf versuchte noch zu verarbeiten, wie Sarah an meine Nummer gekommen war. Aber da ich von der letzten Nacht eh nichts mehr wusste, verwunderte mich diese Tatsache nicht allzu sehr.

Ich stammelte ein wenig vor mich hin und fragte schließlich: "Ja, okay, habe ich auch deine Nummer?"

Sarah lächelte mich an, schüttelte den Kopf, sodass ihre rote Mähne wild umherflog. "Nein, ich habe mir deine Nummer geben lassen und du warst damit einverstanden, dass ich mich bei dir melde, wenn ich dich wiedersehen möchte. Ich habe es also in der Hand, ob und wann wir uns wiedersehen."

Der Gedanke, dass Sarah mich in der Hand hatte, verwirrte mich zwar ein wenig, machte aber auch neugierig. Daher nahm ich es zur Kenntnis und hoffte insgeheim, dass sich Sarah bei mir melden würde. Mein Interesse an ihr war auf jeden Fall geweckt, und ich hatte den Eindruck, dass Sarah dies genau spürte.

Ich beugte mich zu ihr, gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange und verabschiedete mich von ihr. Mit einem Lächeln im Gesicht verließ ich Sarahs Wohnung.

Vor dem Haus, in welchem sich ihre Wohnung befand, musste ich mich erst einmal orientieren. Wo war ich, wo musste ich überhaupt hin, um nach Hause zu kommen? Immerhin sollte ich mich noch kurz umziehen und das Auto holen.

Schnell stellte ich fest, dass ich mich in meinem Wohnort und nur zwei Straßen von meiner Wohnanschrift entfernt befand. Eigentlich sehr praktisch, so könnte ich immer zu Fuß zu Sarah gehen, wenn sie sich denn wieder melden würde.

Ich machte mich daher zügig auf den Weg zu meiner Wohnung, ertappte mich aber unterwegs immer wieder, wie meine Gedanken zu Sarah abschweiften. So hatte ich es schon lange nicht mehr erlebt. Eigentlich konnte ich solche Affären ganz gut beiseiteschieben und als weiteres Abenteuer ablegen. Aber bei Sarah war es irgendwie anders. Ich wusste nichts von ihr und ein wenig gefiel es mir auch, dass sie mit mir spielen würde. Das hatte schon auch seinen Reiz.

Nicht nur ihr äußeres Erscheinungsbild mit den roten, langen Haaren und den grünen Augen zog viel Aufmerksamkeit auf sich.

Sarah umgab einfach eine geheimnisvolle Aura, welche ich jetzt im Laufe der Zeit ergründen wollte. Im Grunde war sie ein großes Geheimnis, welches meinen Ermittlerinstinkt angesprochen hatte.  Ich war sehr gespannt, wie sich das alles im Laufe der Zeit entwickeln würde.

Angekommen an meiner Wohnung ging ich schnell nach oben. Meine Wohnung lag in einem Mehrfamilienhaus im ersten Stock. Für eine Dreizimmerwohnung war sie sehr großzügig geschnitten. Gerade der Wohn- und Essbereich kam mir aufgrund der Größe sehr entgegen. So konnte ich gut einen Esstisch für 6 Personen aufstellen und hatte dennoch genug Raum zwischen dem Tisch und dem Sofa. Kleine Räume empfand ich immer ein wenig erdrückend. Zugegeben, mein Schlafzimmer war im Gegensatz zum Wohnzimmer nicht gerade groß, aber für die notwendigsten Dinge reichte es. Zudem hielt man sich im Schlafzimmer üblicherweise nicht zu lange auf, also zumindest nicht immer. Daher hatte ich mein Schlafzimmer in den kleinsten Raum der Wohnung verfrachtet.

Der dritte Raum war im Grunde Arbeits- und Gästezimmer in einem. Hier befand sich mein Schreibtisch mit meinem Laptop und einem zusätzlichen Monitor, welcher sich direkt vor dem Fenster befand, sodass ich immer einen Blick ins Grüne hatte, wenn ich am Laptop saß.

Wenn ich nicht gerade im Büro war, vertrieb ich mir die Zeit mit einem Onlineblog und testete hier mit anderen zusammen, Outdoorprodukte, um darüber zu berichten. Dieses Hobby hatte gleich zwei Vorteile. Zum einen konnte ich meine Programmierkenntnisse hier ein wenig einsetzen und blieb dabei auf dem aktuellen Stand, zum anderen musste ich aufgrund der Testprodukte immer wieder raus in die Natur, um diesen dort auf den Zahn zu fühlen. So war ich immer wieder draußen unterwegs, vor allem beim Wandern. Ich konnte hier gut abschalten, den Alltag hinter mir lassen und runterkommen. Die Natur und die Aussicht genießen, aber vor allem die Ruhe. Außerdem war es auch sehr spannend zu sehen, was so Jahr für Jahr an neuen Produkten und Materialien auf den Markt kommt.

Das Arbeits- und Gästezimmer wurde noch komplettiert durch eine Schlafcouch sowie zwei Unterschränke, in welchen ich diversen Kram verstaute, damit er nicht irgendwo herumlag und unnötig verstaubte. Sicherlich hätte ich das ein oder andere schon lange entsorgen können. Aber wie es so ist, wenn man etwas nicht sieht, denkt man nicht daran und kann es auch nicht entsorgen.

Das Gästezimmer wurde regelmäßig von einem meiner Kids benutzt, wenn diese zu Besuch waren.  Beide waren zwischenzeitlich alt genug und hatten ihre eigenen Wohnungen, sodass eine Schlafcouch für ein bis zwei Nächte ausreichend war und ich dadurch kein extra Zimmer vorhalten musste.

Ich huschte schnell ins Schlafzimmer und zog mir frische Klamotten an, bevor ich einen Blick in meine zum Esszimmer offene Küche warf, um zu sehen, ob hier noch etwas versorgt werden müsste. Aber neben einer gebrauchten Pfanne stand nichts herum, weshalb ich die Wohnung verließ, um in der Tiefgarage in mein Auto zu steigen, damit ich endlich nach Kempten auf die Dienststelle konnte. Jan würde sicherlich schon unruhig mit den Hufen scharren, und ich wusste, dass er irgendwann unnötig nachfragen würde, wo ich denn bliebe.

Kapitel 2

Knapp eine halbe Stunde später erreichte ich die Kriminalpolizeiinspektion in Kempten und war positiv überrascht, dass ich einen Parkplatz in der Nähe des Eingangs ergattern konnte.

Aber klar, es war Samstag morgen, und die KPI ja sowieso nicht voll besetzt. So oder so freute ich mich über dieses kleine positive Erlebnis an diesem Wochenende, einem Parkplatz vor dem Eingang.

Nachdem ich meinen Wagen geparkt und abgeschlossen hatte, betrat ich das Gebäude und wurde im Erdgeschoss von dem Kollegen an der Wache freudig begrüßt. Ich hob zum Gruße die Hand, ging ich weiter in den ersten Stock, in welchem die Büros von der Kriminalpolizei waren. Kaum hatte ich das Treppenhaus im ersten Stock verlassen, spürte ich das hektische Treiben in den Büros und auf dem Flur. Wie ein Schwarm aufgeregter Bienen eilten viele Kolleginnen und Kollegen scheinbar planlos umher. Im Grunde war dieser Zustand typisch für eine neu eingerichtete Sonderkommision. Zwar wurde jedes Mal im Nachgang alles aufgearbeitet und entsprechende Unterlagen für die nächste Sonderkommission vorbereitet, um ein wenig Struktur in das Chaos zu bringen, aber ehrlich gesagt war dies vergebliche Liebesmühe. Ich hatte bislang noch keine Sonderkommission oder Ermittlungsgruppe erlebt, bei welcher es am Anfang nicht chaotisch lief.

Also im Grunde alles wie immer, dachte ich mir, und wollte am liebsten auf dem Absatz kehrt machen, aber daraus wurde nichts. Mein Chef, Polizeioberrat Meier, hatte mich entdeckt und winkte mich sofort hektisch in sein Büro. Klasse, noch nicht mal richtig angekommen und, schon eine Audienz beim Alten. Das war wohl die ausgleichende Gerechtigkeit dafür, dass ich heute direkt vor dem Gebäude parken durfte. Danke für Nichts.

Ich folgte also meinem Chef in sein Büro. Kaum war ich drin, ging auch schon die Tür zu, und er rannte hektisch an mir vorbei, um in seinem alten, gammeligen Bürostuhl Platz zu nehmen. Ich tat es ihm gleich und setzte mich auf einen Stuhl auf der anderen Seite seines ungeheuer riesigen Schreibtisches.

Polizeioberrat Oskar Meier war erst seit etwa zwei Jahren mein Vorgesetzter. Man munkelte immer im Flurfunk, dass es sich dabei um eine Zwangsversetzung gehandelt haben sollte. Angeblich hatte der Alte ein Techtelmechtel mit einer Angestellten auf seiner alten Dienststelle, was am Ende zumindest für ihn nicht ganz so glimpflich ausging. Ob daran ein Fünkchen Wahrheit dran war, wusste ich natürlich nicht. Die alte Dienststelle hüllte sich in Schweigen und auch Kollegen, die ich dort kannte, haben nur das Gerücht bestätigt.

Egal was war, er war jetzt jedenfalls hier und mein direkter Vorgesetzter. Sein Auftreten im Dienst ließ jedenfalls keine Zweifel an seiner Autorität. Das Einzige, was man ihm ein wenig ankreiden konnte, war die Tatsache, dass er mit dem amtierenden Bürgermeister befreundet war. Durch diese Freundschaft genoss der Alte eine gewisse politische Rückendeckung, die ihm in seiner turbulenten Karriere sicherlich das ein oder andere Mal von Nutzen war. Natürlich hatte auch der Bürgermeister etwas davon, schließlich wäscht ja bekanntlich eine Hand die andere. Bislang konnte ich mich aber nicht beschweren, da mein Chef mich in meinen Fällen noch nie beeinflusst und auch der Bürgermeister mich in Ruhe gelassen hatte. Daher war mir ihre Freundschaft im Grunde egal. Letztendlich mussten die beiden selbst wissen, wie weit sie sich für den anderen aus dem Fenster lehnen konnten, bis sie rausfielen.

Polizeioberrat Meier hatte noch etwas mehr als ein Jahr im Dienst vor sich, bevor die Pensionierung anstand. Üblicherweise gingen die Führungskräfte bei uns in einem anderen Dienstgrad in Pension. Aufgrund von ein paar schwerwiegenden Fehlentscheidungen in der Vergangenheit war er aber bei der ein oder anderen Beförderung nicht berücksichtigt worden und hatte sogar auch ein Disziplinarverfahren hinter sich. Vermutlich hatte er sich aber jetzt mit seinem Schicksal abgefunden und saß die Zeit einfach bei der Kriminalpolizei in Kempten ab. Ändern konnte er es ja nicht.

Seine große Leidenschaft galt leider immer noch seinen Zigarren, wovon er einen nahezu unerschöpflichen Vorrat in seiner Schublade im Schreibtisch aufbewahrte. Ich konnte mir nicht helfen, aber Übergewicht und Zigarren rauchen empfand ich als keine gute Idee für eine lange Pensionärs-Zeit. Aber Polizeioberrat Meier war schließlich alt genug und auf mich würde er in diesen Dingen ohnehin nicht hören.

Nachdem er wieder eine seiner stinkenden Zigarren angezündet hatte, dachte ich mir, versuche ich es auf die lustige Art und Weise, um das Wochenende nicht gleich völlig zu ruinieren.

„Guten Morgen Herr Meier, na konnten Sie auch nicht ausschlafen? Was haben wir denn heute für ein Problem?“ waren daher meine ersten Sätze.

„Ja, der Herr Möller hat wohl mal wieder einen Clown verschluckt. Ihnen wird das Lachen schon noch vergehen. Heute morgen mal wieder im falschen Bett aufgewacht und daher die gute Laune?“ konterte Polizeioberrat Meier sofort.

Na, dass mit dem falschen Bett sagt, ja gerade der richtige, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Ansonsten wäre der Tag gleich im Arsch.

Mit dem Alten sollte man sich nicht unbedingt anlegen, auch wenn seine aktive Zeit im Dienst absehbar war. Er hatte dennoch einflussreiche Freunde innerhalb der Polizei und konnte einem das Leben auf die letzten Tage schon noch schwer machen. Und darauf hatte ich ehrlich gesagt keine Lust.

Nach einem weiteren, kräftigen Zug aus seiner Zigarre fuhr er fort.

„Momentan ist nicht viel bekannt. Bei dem Opfer soll es sich um eine 30-jährige Frau handeln. War wohl beim Pilze sammeln. Zumindest lag neben ihr ein Korb mit ein paar Pilzen darin und in der Hand hielt sie noch ein Pilzmesser.

An dem Messer selbst konnte wohl kein Blut vorgefunden werden. So hat es zumindest der Leiter der Kriminaltechnik Bruno Kabeljau mitgeteilt, der mit seinen Leuten vor Ort ist. Sie wurde mit dem Gesicht auf dem Boden vorgefunden. Am Hinterkopf eine große, offene Wunde. Direkt neben ihr ein Ast mit Blutantragungen. So wie es sich aktuell darstellt, wurde sie wohl von hinten erschlagen.

Anzeichen für sexuelle Handlungen konnten auf den ersten Blick nicht festgestellt werden, aber die Obduktion wird näheres aufzeigen.“

„Ah, ist Gräten-Bruno selbst vor Ort? Sehr schön, dann kann ja nix schief gehen“ erwiderte ich den Monolog voller Freude meinem Chef gegenüber.

Gräten-Bruno hieß eigentlich Bruno Kabeljau und war der Leiter der Kriminaltechnik. Bruno war ein sehr interessanter Typ. Ein Mann in den besten Jahren, etwa Mitte 40. Mit seiner Statur, groß und kräftig wie ein Matrose vom Fischkutter, stach er in einer Menschenmenge heraus. Dazu passend trug Bruno einen markanten Rauschbart, der ihm das Aussehen eines typischen Seebären verlieh.

Ursprünglich stammte Bruno von der Nordsee, hatte aber die flache Landschaft satt und es zog ihn in die Berge. Sozusagen ein Seebär in den Bergen. Eigentlich schon witzig, wenn man den Gedanken weiterspinnt.

Brunos sexuelle Orientierung war eher auf Männer ausgerichtet, weshalb er Frauen grundsätzlich mied wie der Teufel das Weihwasser. Ob es hierzu eine Vorgeschichte gab, war nicht bekannt. In diesem Zusammenhang schwieg Bruno beharrlich und ließ sich da auch nicht aus der Ruhe bringen. Bruno ruhte sehr in sich selbst und es brauchte schon viel Geduld und Ausdauer, um ihn auf die Palme zu bringen. Aber das sollte man sich gut überlegen, ob man dieser Herausforderung auch gewachsen war.

Als Leiter der Kriminaltechnik war Bruno äußerst pflichtbewusst und akribisch. Diese Eigenschaften hatten ihm den Spitznamen "Gräten-Bruno" eingebracht, da er am Tatort oft Spuren fand, die gerade mal so groß waren wie Fischgräten. Und genau diese Präzision und Hingabe machten ihn zu einem sehr geschätzten Kollegen.

Auch wenn Bruno einen ernsten Blick hatte, konnte er als Nordlicht ganz schön einen wegbechern. Es gab bei uns im Büro sicherlich nicht viele, die da mit ihm mithalten konnten.

Ich mochte Bruno sehr, und wir hatten ein gutes kollegiales Verhältnis. Wir machten ab und an auch mal ein paar Scherze, die bei anderen Kollegen nicht immer so gut ankamen. Aber das war uns auch sowas von egal. Solange wir Spaß hatten, war zumindest für uns alles in Ordnung.

Polizeioberrat Meier drehte sich in seinen alten Ledersessel hinter seinen Schreibtisch hin und her, was mich immer brutal nervt. Ich kann es nicht ausstehen, wenn der Gesprächspartner in einem Gespräch andauernd herumzappelt.

„Möller, Sie fahren am besten raus an den Tatort und schauen sich da mal um. Die Kriminaltechnik ist zwar vor Ort, aber Sie wissen ja selbst, dass das keine Ermittler sind. Und bevor die den ganzen Wald ins Labor schicken, möchte ich, dass sie sich einen Überblick verschaffen. Zudem ist wohl noch der Zeuge Thomas Wild vor Ort, welcher die Leiche gefunden hat.

Nehmen Sie den Stricker mit. Dem habe ich schon gesagt, dass er einen Dienstwagen organisieren und mit Ihnen rausfahren soll. Sobald Sie wieder da sind, berichten Sie mir sofort, klar?“

Direkt und ohne Umschweife, so wie man es von dem Alten kennt. Nicht lange rumreden, Aufgaben verteilen, Zack und los.

„Jawohl“ schoss es daher aus mir heraus. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ob ich schnell aufspringen und die Hacken zusammenhauen soll. Den Gedanken konnte ich aber zum Glück im letzten Moment abwenden. Zu viel Spaß verstand der Alte dann doch nicht, und vor allem ging es um eine Todesermittlung. Da musste selbst ich mich zusammenreißen, auch wenn mir gerade nicht danach war.

Natürlich konnte ich meinen Vorgesetzten verstehen, dass er mich an den Tatort schicken würde. Aber ich wusste genau, dass es mein lieber „Gräten-Bruno“ überhaupt nicht brauchen kann, wenn man an seinem Tatort auftauchte und seine Arbeit in Frage stellte. Wobei ich seine Arbeit nicht in Frage stellen kann, da mir einfach die entsprechende Ausbildung fehlt. Aber für Bruno kam es einfach immer so rüber, als wollte der Alte ihn überwachen lassen. Und allein diese Tatsache störte ihn ungemein. Mir waren da die Hände gebunden und ich denke Bruno würde es verstehen, wenn ich am Tatort auftauchen würde.

Mir kam die Weisung des Alten jedoch sehr recht, so musste ich schon nicht die ganze Zeit im Büro rumsitzen und war dadurch weit weg von der ganzen Hektik. Und entspannt wurde es sicherlich, da Jan dabei war. So arbeitsgeil wie der war, machte er sich ständig Notizen, sodass ich mir das auch sparen konnte.

Ich war gerade auf dem Weg in unser Büro, als mir meine liebe Kollegin Verena entgegenkam. Ich schaute sie freundlich an, wollte sie gerade mit einem blöden Spruch begrüßen, als ich in ihren Augen sah, dass sie heute wohl schlechte Laune hatte. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, wann ein Spaß angebracht ist und wann man vor ihr lieber in Deckung geht. Und heute war sozusagen Alarmstufe Orange. Daher lieber nett lächeln und einfach weitergehen, was ich auch gemacht habe.

Im Büro angekommen stand dort Jan an seinem Schreibtisch und überprüfte gerade den Inhalt seines Einsatzkoffers. Was ein Streber, was soll man dazu sonst noch sagen?

„Moin Jan, hast du schon einen Dienstwagen? Der Alte will, dass wir zusammen zum Tatort fahren“.

Ich hatte die Frage noch gar nicht richtig ausgesprochen, da drehte sich Jan zu mir und grinste über beide Ohren. In der Hand hielt er einen Fahrzeugschlüssel. Was es dabei zu Grinsen gab, wusste ich im ersten Moment nicht. Es war doch nur ein Fahrzeugschlüssel. Aber Jan wäre nicht Jan, wenn er selbst aus so etwas Profanem wie einem Autoschlüssel ein Highlight machen würde.

„Klar, ich habe uns einen super Dienstwagen organisiert. 5er BMW mit xDrive. Geile Kiste mit permanentem Allradantrieb. Ich sag dir Torben, da kommen wir überall hin“, sprachs und freute sich wie ein kleines Kind, dass gerade eine neue Sammlung von Pokémon-Karten bekommen hatte.

Überall will ich doch aber gar nicht. Ich wäre jetzt einfach lieber bei Sarah. Und schon wieder muss ich an sie denken. Warum nur, was hat diese Frau mit mir gemacht, dass sie mir ständig im Kopf herumspukt?

Weiter kam ich mit meinen Gedanken aber nicht, da mich Jan jäh unterbrach.

„Cheffe, ich fahr mal den Wagen vor“ sprach Jan und rannte aus dem Büro mit seinem Koffer in der Hand.

Na, hoffentlich birgt die Fahrt zum Tatort nicht irgendwelche Überraschungen. Das hätte mir gerade noch gefehlt. Leider war Jan für sowas immer gut zu gebrauchen. Vielleicht sollte ich noch schnell mit Verena eine Wette eingehen, dass irgend-etwas schiefläuft. Aber zum einen hatte sie heute schlechte Laune und zum anderen würden wir beide die gleiche Wette abschließen, was ja aber schon wieder langweilig wäre. Also eher doch keine Wette.

Ich begab mich also langsam auf den Weg zum Ausgang des Gebäudes in der Hoffnung, dass Jan noch nicht mit laufendem Motor davor wartete. Doch kaum schloss sich die Eingangstüre hinter mir, schoss Jan mit dem BMW auch schon um die Ecke und bremste scharf an den Treppen, welche zum Eingang hochführten. Na, hoffentlich schaut vom Streifendienst keiner gerade zum Fenster raus. Der muss sich doch denken, dass die von der Kripo nicht mehr alle Latten im Zaun haben.

Wohl oder übel öffnete ich die Beifahrertür und setzte mich in den Dienstwagen. Breitgrinsend saß Jan am Steuer und kam sich vermutlich vor, als wäre er ein berühmter Rennfahrer. Doch mir ist leider kein Rennfahrer bekannt, der so einen Müll zusammenfährt wie Jan.

Ich hatte noch nicht einmal richtig den Gurt angelegt, da fing Jan mit einer verstellten Stimme an zu reden.

„Sehr geehrte Fahrgäste, bitte legen Sie ihre Sicherheitsgurte an und sorgen Sie dafür, dass ihre Rückenlehnen eine aufrechte Position haben.“

„Total witzig Jan. Ich weiß zwar nicht, was du geraucht oder genommen hast, aber ich verzichte“ gab ich trocken und völlig humorlos zurück.

Doch Jan interessierte es nicht. Er legte bei dem Automatikgetriebe die Fahrstufe ein und wir rauschten davon.

Kaum hatten wir Kempten hinter uns gelassen, gab Jan an, er würde sich schon sehr freuen, dass wir einen spannenden Fall haben. Ansonsten wüsste er ja gar nicht, was er am Wochenende hätte machen sollen.

Der Typ hat doch echt einen Knall. Wie kann man sich so kindisch über die Arbeit freuen und das dazu an einem Wochenende? Also ich hätte definitiv besser zu tun, als jetzt mit Jan durch die Gegend zu fahren und einen Tatort aufzusuchen.

„Mein lieber Jan, du solltest dir wirklich mal wieder eine Frau suchen, du scheinst mir chronisch untervögelt zu sein, wenn ich das mal so direkt sagen darf. Vielleicht kommst du auch mal auf andere Gedanken, als ständig immer nur an die Arbeit zu denken.“

In gewisser Weise machte ich mir Sorgen um Jan, auch wenn wir privat sehr wenig gemeinsam hatten. Der Kontakt außerhalb der Dienstzeit war überschaubar, was aber eher an Jans Arbeitseinstellung lag als an ihm selbst. Wir waren immer wieder mal zusammen was trinken und auch Verena war dabei. Aber gefühlt nach 5 Minuten kam Jan mit irgendeinem Arbeitsthema um die Ecke, was sowohl mich als auch Verena sehr ärgerte und uns den Abend vermieste. Wir hatten dies Jan des Öfteren auch direkt gesagt, aber er konnte einfach nicht anders. Sein Leben bestand nur aus Arbeit, andere Themen hatte beziehungsweise kannte er gar nicht. Selbst wenn wir mal im Kino waren und Verena und ich uns danach über den Film unterhielten, schaffte es Jan immer wieder, aus dem Film heraus einen Bezug zur Arbeit zu finden. Eigentlich schon traurig, wenn man es genau nimmt. Er ist einsam und verlassen und weiß nichts mit sich anzufangen. Was macht Jan eigentlich, wenn er nicht mehr arbeiten muss? Ich glaube, es wäre für ihn die Hölle.

„Ach, weißt du, Torben“, erwiderte mein Chauffeur „immerhin weiß ich zumindest, wo ich am nächsten Tag aufwache, wenn ich ins Bett gehe, was man von dir ja nicht behaupten kann.“

Sichtlich erfreut über seine Retourkutsche, legte er direkt nach.

„Mich wundert ja, dass du in Bad Hindelang überhaupt noch eine Frau ins Bett kriegst. Eigentlich müsstest du doch den ganzen Ort schon durchhaben. Und so viele Neuzugänge gibt es in dem Kaff ja auch nicht“ gab er von sich und grinste in sich hinein.