Die Verlorenen von Creepy Castle - Kerstin Carlstedt - E-Book

Die Verlorenen von Creepy Castle E-Book

Kerstin Carlstedt

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Beschreibung

Ein Abenteuerroman mit Deutschlands sympathischsten Fortnite-Spieler StanPlay.Stan muss widerwillig übers Wochenende auf seine drei Neffen aufpassen. Zum Glück sind sie genauso Fortnite-verrückt wie er, und dem Fortnite-Marathon steht nichts mehr im Wege – dachte er zumindest. Denn ganz plötzlich wird ein neues Fortnite-Update angekündigt: »Creepy Castle«. Komisch, dass Stan noch nie etwas davon gehört hat. Irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht. Entgegen der Warnungen von Stan laden die Kids das Update trotzdem herunter und werden prompt vom Spiel verschluckt. Stan hat 48 Stunden Zeit, seine Neffen aus den Fängen von Fortnite zu befreien, sonst sind sie für immer im Spiel gefangen.Kein offizielles Fortnite-Produkt. Nicht von Epic Games genehmigt oder mit Epic Games verbunden.

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Seitenzahl: 141

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Kerstin Carlstedt | StanPlay

Die Verlorenen von Creepy Castle

Mit Illustrationen von Timo Grubing

FISCHER E-Books

Inhalt

EinsZweiDreiVierFünfSechsSiebenAchtNeunZehnElfZwölfDreizehnVierzehnFünfzehnLetztes Kapitel

Eins

Habe ich euch schon mal von meinen Neffen erzählt? Ich glaube nicht! Ich bin sehr stolz auf Lenny, Levi und Harry. Mit meinen Neffen hätte Donald Duck seine Pechsträhne wahrscheinlich überwinden können. Nichts gegen Tick, Trick und Track. Die finde ich auch überragend, aber mit meinen Neffen können sie nicht mithalten.

Der Älteste, Lenny, der Sohn meines großen Bruders Greg, ist vierzehn und ein Fortnite-Gott. Wenn ich jemanden nennen sollte, der in der Liga der Fortnite-Giganten mitspielen könnte, würde ich sofort an Lenny denken. Lenny ist ein Swaggernaut, immer gut drauf und lässig. Optisch erinnert er mich tatsächlich ein bisschen an Bugha, den Champ, der das Fortnite-WM-Solo gewonnen hat. Auch Lenny ist groß und schlank mit dunklen Wuschelhaaren und einem freundlichen, klugen Gesicht. Er trägt immer eine Baseballkappe, um seine Haare zu bändigen. Sonst würde er aussehen wie ein aufgeplatztes Sofakissen.

Die anderen beiden, Levi und Harry, sind Zwillinge, allerdings zweieiig. Sie sehen sich ähnlich, jedoch nicht ähnlicher als andere Brüder. Levi ist groß für sein Alter und ziemlich dünn. Harry ist eher klein und noch dünner als dünn, quasi dünn-dünn. Sie sind zwölf Jahre alt. Harry allerdings könnte auch für zehn durchgehen. Sie haben die gleichen dunklen Wuschelhaare wie Lenny, bloß kürzer. Ihre Gesichter sind noch kindlich. Harry trägt eine schwarze Brille, die der meinen nicht unähnlich ist. Nun ja, was man eben heute so im Gesicht hat. Sie tragen die unvermeidlichen Hoodies, Jeans, Chucks – sogar im Winter, na klar. Viel denken wir Gamer nicht über Klamotten nach. Charakterlich sind die Zwillinge so unterschiedlich, wie Brüder nur sein können. Levi ist selbstbewusst und aufbrausend, Harry hingegen ist sensibel und nachdenklich. Zusammen ergänzen sie sich gut. Nicht nur bei Fortnite, auch im richtigen Leben. Wobei ich denke, wenn sie das über sich lesen würden, wären sie anderer Meinung. Dann würden sie sagen: »Ich hasse Levi/Harry.« Manchmal stimmt das auch, aber die meiste Zeit verstehen sie sich echt gut.

Die Zwillinge gehören zu meiner Schwester Kati. Sie wachsen sehr behütet auf. Obwohl Englisch für meine Sis auch eine Fremdsprache ist, redet sie mit Levi und Harry nur Englisch. Sie will, dass die beiden zweisprachig aufwachsen. Beispielsweise nennt sie ihre Söhne »the apple of my eye«. Das heißt, dass sie die Kids wie ihre eigenen Augäpfel schützt. Augen sind wichtig, klar, ohne Augen wäre das Fortnite-Spielen schwierig. Das machen Levi und Harry am liebsten. Obwohl Kati das gar nicht so gerne sieht und sie sich immer Sachen ausdenkt, die die Kids vom Zocken abhalten sollen. Kommt euch das bekannt vor? Mal versteckt sie die Controller, mal die Kopfhörer. Oder sie schließt den Schrank mit den Spielkonsolen, sämtlichen Fernbedienungen und Controllern ab. Sie hat sogar schon spielfreie Tage eingeführt – und wieder verworfen, weil immer irgendetwas dazwischengekommen ist. (»Bitte nur heute, Mama, ausnahmsweise. Morgen kann XYZnämlich nicht. Da geht er zum Rugby.« – Irgendwas ist immer.)

Es gibt Phasen, in denen können sich Levi und Harry nicht allein in einem Zimmer aufhalten. Das endet immer in Streit und Klopperei. Da Kati aber die Spielgeräte in einen Raum verbannt hat, der so weit wie möglich von den Nachbarn entfernt liegt (wegen der Verzweiflungsschreie oder Begeisterungsrufe beim Spielen), ist das schwierig. Daher hat sie einen Stundenplan erstellt. Mal spielt der eine für eine Stunde, dann der andere. Hat auch nicht lange funktioniert, denn immer, wenn Harry Spielzeit hatte, war keiner seiner Freunde online. Und umgekehrt, wenn Levi laut Plan nicht spielen durfte, sind seine Atzen spielbereit. Ein wahres Dilemma – und sicher nicht anders als bei euch.

Bei mir zu Hause gibt es Fortnite satt. Ist ja klar. Das ist mein Beruf, was meine Neffen natürlich toll finden. Manchmal frage ich mich, ob sie sich wirklich freuen, mich zu sehen, wenn sie mich besuchen, oder ob sie einfach nur happy über meine Geräte sind. Und über meine vielen Skins. Wenn meine Schwester die Zwillinge bei mir abgibt, schiebt sie immer eine Ermahnung hinterher, dass die Jungs nicht so viel zocken sollen. Das verspreche ich ihr auch immer hoch und heilig –, und in dem Moment meine ich das auch so. Aber was erwartet sie von mir? Ich bin Profi!

 

Dieses Wochenende ist es wieder so weit. Die Neffen sind bei mir. Alle drei – und wir spielen Fortnite, natürlich. Was sonst? Erst mal werden die Geräte verteilt. Wer darf auf dem PC spielen, wer nimmt die Xbox, wer die PS4 und wer spielt auf dem Smartphone?

Manchmal gibt es Ärger, weil zwei das Gleiche wollen. Dann muss das Los entscheiden. Harry, der Kleine, nimmt oft sogar freiwillig das Smartphone. Wenn ich ihn nicht hätte, wäre ich verloren. Er gibt wirklich oft nach. Nicht aus Schwäche, nein, eher aus Stärke. Er ist mit seinen zwölf Jahren schon sehr erwachsen – manchmal zumindest. Harry hat ein Gespür für Stimmungen. Er tut und sagt immer das Richtige. Das ist total faszinierend. Mit seiner ruhigen Art hält er seinen hitzigen Bruder, den Levi, ganz gut in Schach. Aber manchmal reicht es sogar Harry, und er schlägt zurück, fällt mit seinen kleinen Fäusten über Levi her. Der weiß in dem Moment gar nicht, wie ihm geschieht. »Ich hab doch gar nichts gemacht!«, kreischt er. Kenn ich alles. Schon hundertmal erlebt.

Es macht Spaß, Harry dabei zu beobachten, wie er mit den Fingern auf dem Smartphone herumtippt und wischt. Fortnite auf höchstem Niveau und auf kleinstem Raum. So habe ich auch mal angefangen, aber inzwischen ist das nichts mehr für mich. Ich liebe meinen Gaming-PC. Doch den überlasse ich gern den Neffen, wenn sie das wollen. Eigentlich sind sie an ihre Konsolen gewöhnt. Lenny spielt eher Playstation, wie die meisten seiner Homies. Levi hat mehr Kollegen auf der Xbox. Seit ich von Fortnite lebe, habe ich natürlich für Back-up gesorgt. Im Notfall, wenn mein Computer schlappmacht, habe ich noch meinen alten PC. Schließlich kann ich meine Arbeit nicht unterbrechen, nur weil mal die Technik versagt. Das wäre unprofessionell.

Wir fachsimpeln ausführlich über das letzte Update bei Fortnite und auch über die Fortnite-WM in New York.

»Echt krass, dass sich Ninja nicht qualifiziert hat«, findet Harry.

»Da siehst du nur, wie er ewig überbewertet war. Er ist gar kein so guter Spieler, wie immer alle dachten«, erwidert Lenny.

»Er spielt aber trotzdem ganz ordentlich –, und ein guter Entertainer ist er auch«, nehme ich Ninja in Schutz. Lange war er die Nummer eins. Alle wollten mit ihm spielen, wirklich alle.

»Ja, das stimmt«, bestätigt Levi. »Aber seit er von Twitch zu Mixer gewechselt ist, schaue ich ihn gar nicht mehr.« Das sind konkurrierende Streaming-Portale, übrigens. Mixer hat Twitch ihren Ninja ausgespannt. Die Community war not happy. From Hero to Zero.

Harry ist auch auf Ninjas Seite: »So ein Gamer-Leben ist kurz. Da musst du auch mal Sachen machen, bei denen deine Fans erst mal nicht mitgehen. Völlig normal. Aber wenn du ganz oben angekommen bist, wollen dich plötzlich sowieso alle nur noch fallen sehen. Das ist nicht fair.«

Lenny hat sich ein neues Idol gesucht. Rein zufällig (grins) trifft es den, dem er ein bisschen ähnlich sieht: »Ich freue mich total für Bugha und auch für die beiden anderen Champions von der Fortnite-WM. Wie heißen die? Vergessen! Sind jetzt alle Millionäre!«

»Aber die Hälfte davon frisst die Steuer«, gibt Harry zu Bedenken. Das hat er auf YouTube aufgeschnappt. Ein idiotisches Thema – die Steuer … Darüber machen sich sonst eigentlich nur Erwachsene Gedanken.

Anschließend diskutieren die Neffen ausführlich darüber, dass Tfue angeblich vertragsbrüchig geworden ist und nun von seinem früheren Team Faze verklagt wird. Und er klagt wegen irgendetwas zurück. Wer blickt da noch durch? Und dass er von Kalifornien nach New Jersey gezogen ist, weil dort der Ping niedriger ist, also die Datenübertragung im Internet schneller. Das sorgt für weniger Ruckler und Aussetzer.

»Nein, er ist nicht von Kalifornien aus dahingezogen«, erklärt Lenny spitzfindig. »Er war zwischendurch schon längst wieder in Florida, wo er eigentlich herkommt.«

Nebenbei gehe ich meine E-Mails durch. Ein Portal für berufliche Vernetzung schreibt mir, dass sie bei der Moorschlösschen Getränke AG und neun weiteren Unternehmen Jobs gefunden haben, die mich vielleicht interessieren könnten. Absurd! Aus Neugier google ich, was die Moorschlösschen Getränke AG anbietet. Hopfen-Smoothie mit einem Hauch von Moorgeschmack? Die Firma sucht natürlich den IT-Administrator, der ich mal war, und sicherlich nicht den Fortnite-Profi. Ich sollte einfach mein Profil bei dem Portal löschen. Das brauche ich hoffentlich nie mehr.

»Wollen wir mal loslegen?«, fragt mich Lenny, der keinen Bock mehr auf das Getratsche der Zwillinge hat.

»Eine Runde kann ich mit euch spielen, aber dann muss ich mich zurückziehen«, verkünde ich. Früher habe ich mal als IT-Administrator bei einem Fernsehsender in Bielefeld gearbeitet. Als die nun mitbekamen, dass ich Videos mache und mit Fortnite auf YouTube bin, hatten sie die Idee, mich auf eine ziemlich bekannte Fortnite-YouTuberin anzusetzen. Leberwurst in Aspik nennt sie sich. Ich soll ein Porträt über sie drehen. Erst hatte ich gar keine Lust, aber als ich dann erfuhr, dass ich – gemeinsam mit Leberwurst – in die Quizshow von Mirabello Schulz eingeladen bin, konnte ich nicht widerstehen. Nun soll ich erst mal ein Exposé einreichen und zeigen, was in dem Video passieren könnte. Das will der Redakteur vorab wissen. Meine Deadline ist Montag, und ich habe überhaupt noch nichts dafür gemacht. Wann denn auch?

Vielleicht ist euch das nicht so klar. Alle denken immer, dass du dir als YouTuber aussuchen kannst, wann du was machst und wie viel du arbeitest. Aber die Realität sieht ganz anders aus: Freiberuflich zu arbeiten heißt, IMMER zu arbeiten.

Meine Neffen verstehen das. Unsere gemeinsame Zeit ist kostbar. Sie schnappen sich die Geräte, switchen Monitore an, setzen Kopfhörer auf und biegen Mikrophone zurecht. Ihre Daumen ruckeln heftig an den Controller-Buttons. Skins huschen in schneller Abfolge über die Bildschirme. Der Tomatenkopf war immer mein Lieblingsskin, aber nun steht mir der Sinn nach etwas anderem. Ich bin jetzt einfach mal der Toxische Sprayer, dieser Graffiti-Typ mit Maske und Sprayflaschen am Gürtel.

Ja, ich weiß, der graue Hoodie ist eher unspektakulär. Dieser Sprayer war nur kurz im Shop und dann schnell wieder weg. Daher gehörte er lange Zeit zu den seltenen Skins. Aber zu Beginn dieser Saison haben sie ihn wieder angeboten. Das war natürlich eine Schlappe für alle, die ihn von Anfang an hatten. Plötzlich waren sie als Toxische Sprayer ja nichts Besonderes mehr und damit sehr unglücklich. »Ihr habt meinem Sohn das Herz gebrochen«, klagten verzweifelte Helikopter-Mütter auf dem Instagram-Account von Fortnite. Es entfaltete sich eine lustige Diskussion mit anderen Followern: »Wie seid ihr denn drauf? Sag deinem Sohn, es ist nur ein Spiel!«, ätzten sie zurück. Einige rieben noch Salz in die Wunde: »Haha, ich hab eben gespielt, und bei Fortnite laufen jetzt alle als Toxische Sprayer herum!« Damit muss man umgehen können. In den sozialen Medien sind die Leute nicht immer nicenstein.

Die Individualisierung des Looks ist inzwischen so weit vorangeschritten, dass sich Spieler auch über Rucksäcke und Erntewerkzeuge von der Masse abheben können. Als Rücken-Accessoire wähle ich das Straßenpaket mit der Brechstange und der Farbrolle. Ein zum Graffiti-Skin passendes Werkzeug gibt es leider noch nicht. Daher entscheide ich mich für die Einschlafhilfe, diesen bunten Dreizack, der angeblich süße Träume beschert.

Harry spielt in letzter Zeit am liebsten im Grimbles-Skin. Das ist dieser Gartenzwerg mit der überdimensionierten roten Flickenmütze. Er hat ein knuffiges Gesicht, einen weißen Rauschebart, buschige Augenbrauen und spitze Ohren wie Spock von Star Trek. Grimbles ist erstmals an Weihnachten im Shop aufgetaucht. Daher sieht er so schön weihnachtlich aus. Obwohl Gartenzwerge doch eher zum Sommer gehören … Aber ich will nicht kleinlich sein. Noch ein Funfact: Als Grimbles gelauncht wurde, dachten einige, Daniel M. Keemstar, ein ziemlich großer Fortnite-YouTuber mit mehr als fünf Millionen Abonnenten, hätte nun einen eigenen Skin bekommen. Das war natürlich ein Witz. Aber eine gewisse Ähnlichkeit besteht tatsächlich. Ich glaube, alle großen Gamer wünschen sich einen eigenen Skin, der so aussieht wie sie. Ninja hat zwei Jahre lang immer wieder danach gefragt, bis Epic tatsächlich einen Ninja-Skin designte. Als Nächstes ist Loserfruit dran, die Australierin.

Doch zurück zu Harry. Jeder merkt gleich, wie selbstironisch er ist. Er weiß natürlich, dass er eher zu klein für sein Alter ist –, und trotzdem wählt er den Zwergen-Skin. Er steht zu seiner vermeintlichen Unterlegenheit, stößt andere sogar noch mit der Nase drauf! Das muss man erst mal bringen. Harry ist echt mein Lieblingsneffe.

Levi nimmt wieder den Fishstick-Skin. Der ist natürlich ein Fisch. Er hat wobblige Arme statt Flossen und einen ziemlich blöden Gesichtsausdruck, weit auseinanderstehende Glubschaugen und Schlauchbootlippen.

Lenny liebt es fresh. Er hat sich für Funk Ops entschieden, dem Typen mit Afrofrisur, Stirnband und flashiger Dreieck-Sonnenbrille. Mit seinem angedeuteten Oberlippenbart, den sorgfältig getrimmten Bartstoppeln am Mund und der goldenen Weste könnte er morgens um sechs aus der Disco gekommen sein. Disco sagt man nicht mehr, sondern Club. Oder umgekehrt? Das ändert sich immer mal wieder. Wie viele YouTuber schere ich mich nicht um solche Sachen. Ich gehe abends nicht so viel weg, verreise auch nie lange. Wenn sie könnten, wie sie wollten, wären meine Neffen auch so drauf. Zur Schule müssen sie natürlich gehen. Sonst gibt es Beef mit den Eltern. Aber in ihrer Freizeit wollen sie online mit Freunden abhängen. Was früher die Treffen auf dem Skaterplatz waren, findet nun in den eigenen vier Wänden statt. Dabei quatschen sie manchmal mehr, als sie spielen. Das Zocken wird dann sogar zur Nebensache.

Zwei

»Wo soll’s denn diesmal hingehen?«, frage ich die Jungs. Das Spiel beginnt, und der Schlachtenbus schwebt über der Fortnite-Karte.

»Ich würde sehr gern mal mit dieser Stretchlimo fahren, mit Lottie«, schlägt Harry vor.

Ich muss lachen. Harry spielt auf eine Verfolgungsfahrt in einer selbstfahrenden Stretchlimousine an. Davon hat er irgendwo gelesen. Seit dem letzten Update gibt es Lottie tatsächlich bei Fortnite. Sie steht in der Nähe von Retail Row. Aber ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, dort zu landen. Da treiben sich immer noch untote Cowboys von den Fortnitemares herum. Die Fortnitemares waren ein Halloween-Event. Der Name »Fortnitemares« ist eine Verquickung aus Fortnite und Nightmare, wie Albtraum. Cleveres Wortspiel, oder?

»Das ist doch perfekt für ein Autorennen. Wir mit Lottie und die Zombies hinter uns her.« Harry ist begeistert. »Lass uns das bitte, bitte, bitte machen!«

Ich gebe zu bedenken, dass nun viele dorthin unterwegs sein werden, weil das Feature ganz neu ist. Aber gut. »Anweisung an alle: Wir treffen uns in Retail Row.« Ich kenne die Vorliebe der Neffen für Videospiele mit Autorennen: Forza Street, Asphalt 9: Legends, GT Racing 2, Trackmania Nations Forever, Mario Kart 8 Deluxe und Project Cars 2. Alles schon ausprobiert.

Seit kurzem gibt es drei Rennstrecken bei Fortnite: eine in den Wäldern bei Retail Row, eine unterhalb von Sweaty Sands und eine in der Nähe von Misty Meadows, der skandinavischen Stadt.

 

Ich bin einer der Letzten, die aus dem Bus springen. Als ich in der Luft baumle, blicke ich auf die weißrosa Schuhsohlen meines Toxischen Sprayers. Der Boden kommt schnell näher. Ich spanne meinen Schirm auf und lande vor dem Hauptgebäude von Retail Row. Dort steht sie tatsächlich: Lottie, die schnellste und wendigste aller Stretchlimos. Sprechen und Befehle entgegennehmen kann sie auch.

Die Beifahrertür steht offen. »Welcome back, Stan, I missed you«, begrüßt mich eine Computerstimme. Wie kann sie mich vermissen? Wir kennen uns doch noch gar nicht. Und seit wann können Autos überhaupt etwas fühlen? Sie sind seelenlose Wesen, die die Luft verpesten. Mit Ausnahme der E-Autos, natürlich, aber von denen gibt es keine bei Fortnite, oder? Ich seufze. Wieder so eine Erfindung von Epic Games: Algorithmen finden heraus, was die Spieler am liebsten hören wollen. Als ob ich das nicht durchschauen würde.

Vorsichtig beuge ich mich hinunter und riskiere einen Blick in die Fahrerkabine. Eigentlich hatte ich sie leer erwartet, aber zu meiner Überraschung sitzt einer im John-Wick-Skin hinterm Steuer. Die länglichen Haare fallen ihm ins Gesicht. Sein schwarzer Anzug mit schwarzem Schlips sieht etwas zerknittert aus. Angeschnallt ist er nicht. Natürlich nicht, denn er ist John Wick, der Star der gleichnamigen Actionfilme, und somit UNSTERBLICH. Schauspieler Keanu Reeves hat ihn bereits dreimal dargestellt. Daher spricht John Wick mit Keanus Synchronstimme und einem amerikanischen Akzent: »Hi, mein Name ist John Wick, und ich bin dein Uber-Fahrer.«

Was geht hier ab? »Äh, ich habe aber gar keinen Uber-Fahrer bestellt«, antworte ich. Ich schaue durch die heruntergelassene Trennscheibe zur Rückbank. Hinten ist alles dunkel und still. Wo sind die Neffen? Aus der Entfernung höre ich Schüsse. Ach, was soll’s! Bevor ich jetzt von irgendeinem Noob beseitigt werde, klettere ich einfach zu John auf den Beifahrersitz. Lottie ist gepanzert. Das sollte sicher sein.

Ich schließe die Autotür.