Die verschollene Flotte: Aufstand der KI - Jack Campbell - E-Book

Die verschollene Flotte: Aufstand der KI E-Book

Jack Campbell

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Beschreibung

Admiral John "Black Jack” Geary befindet sich auf der Jagd nach den dunklen Schiffen, die bereits zwei Sternensysteme angegriffen haben und keinen Unterschied machen zwischen Raumschiffen der Allianz und der Syndikatswelten. Er muss sie unbedingt ausschalten. Ansonsten droht der Krieg mit den Syndiks aufs Neue zu entflammen. Denn bei dem mysteriösen Feind handelt es sich tatsächlich um Schiffe der Allianz - gesteuert von einer außer Kontrolle geratenen künstlichen Intelligenz ...

»Die beste Science Fiction, die ich seit Langem gelesen habe.« WIRED

Die verschollene Flotte - spannungsgeladene Space Opera des Bestseller-Autors Jack Campbell um einen Offizier, der zu den eindrucksvollsten Figuren der modernen Science-Fiction zählt. Für alle Fans von Honor Harrington und Battlestar Galactica!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.



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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Die Allianz-Flotte

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Danksagung

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

 

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Über dieses Buch

Admiral John »Black Jack« Geary befindet sich auf der Jagd nach den dunklen Schiffen, die bereits zwei Sternensysteme angegriffen haben und keinen Unterschied machen zwischen Raumschiffen der Allianz und der Syndikatswelten. Er muss sie unbedingt ausschalten. Ansonsten droht der Krieg mit den Syndiks aufs Neue zu entflammen. Denn bei dem mysteriösen Feind handelt es sich tatsächlich um Schiffe der Allianz – gesteuert von einer außer Kontrolle geratenen künstlichen Intelligenz …

JACK CAMPBELL

DIE VERSCHOLLENE FLOTTE

AUFSTANDDER KI

Aus dem amerikanischen Englisch vonRalph Sander

 

Für Glenn L. Sparks, einen alten Freund,der ein sehr gutes Leben gelebt hat und durchden diese Welt etwas besser geworden ist.Man hat nie genug Zeit.Und wie immer für S.

Die Allianz-Flotte

Captain John GearyVerantwortlicher Befehlshaber

Fett gedruckte Schiffsnamen kennzeichnen im Gefecht verlorene Schiffe, in Klammern wird das Sternensystem genannt, in dem das Schiff verloren wurde.

Zweite Schlachtschiffdivision

Gallant

Indomitable

Glorious

Magnificent

Dritte Schlachtschiffdivision

Dreadnaught

Orion(Sobek)

Dependable

Conqueror

Vierte Schlachtschiffdivision

Warspite

Vengeance

Revenge

Guardian

Fünfte Schlachtschiffdivision

Fearless

Resolution

Redoubtable

Siebte Schlachtschiffdivision

Colossus

Encroach

Amazon

Spartan

Achte Schlachtschiffdivision

Relentless

Reprisal (in die Callas-Republik zurückgekehrt)

Superb

Splendid

Erste Schlachtkreuzerdivision

Inspire

Formidable

Brilliant (Honor)

Implacable

Zweite Schlachtkreuzerdivision

Leviathan

Dragon

Steadfast

Valiant

Vierte Schlachtkreuzerdivision

Dauntless (Flaggschiff)

Daring

Victorious

Intemperate

Fünfte Schlachtkreuzerdivision

Adroit (Atalia)

Sechste Schlachtkreuzerdivision

Illustrious

Incredible

Invincible (Pandora)

Fünfte Sturmtransporterdivision

Tsunami

Typhoon

Mistral

Haboob

Erste Schnelle Hilfsschiffdivision

Titan

Tanuki

Kupua

Domovoi

Zweite Schnelle Hilfsschiffdivision

Witch

Jinn

Alchemist

Cyclops

Einunddreißig Schwere Kreuzer in sechs Divisionen

Erste Schwere Kreuzerdivision

Dritte Schwere Kreuzerdivision

Vierte Schwere Kreuzerdivision

Fünfte Schwere Kreuzerdivision

Achte Schwere Kreuzerdivision

Zehnte Schwere Kreuzerdivision

abzüglich

Emerald und Hoplon (Honor)

Fünfundfünfzig überlebende Leichte Kreuzer in zehn Geschwadern

Erstes Leichte Kreuzergeschwader

Zweites Leichte Kreuzergeschwader

Drittes Leichte Kreuzergeschwader

Fünftes Leichte Kreuzergeschwader

Sechstes Leichte Kreuzergeschwader

Achtes Leichte Kreuzergeschwader

Neuntes Leichte Kreuzergeschwader

Zehntes Leichte Kreuzergeschwader

Elftes Leichte Kreuzergeschwader

Vierzehntes Leichte Kreuzergeschwader

abzüglich

Balestra (Honor)

Lancer (Atalia)

Hundertsechzig überlebende Zerstörer in achtzehn Geschwadern

Erstes Zerstörergeschwader

Zweites Zerstörergeschwader

Drittes Zerstörergeschwader

Viertes Zerstörergeschwader

Sechstes Zerstörergeschwader

Siebtes Zerstörergeschwader

Neuntes Zerstörergeschwader

Zehntes Zerstörergeschwader

Zwölftes Zerstörergeschwader

Vierzehntes Zerstörergeschwader

Sechzehntes Zerstörergeschwader

Siebzehntes Zerstörergeschwader

Zwanzigstes Zerstörergeschwader

Einundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Dreiundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Siebenundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Achtundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Zweiunddreißigstes Zerstörergeschwader

abzüglich

Zaghnal (Pandora)

Plumbatae, Bolo, Bangalore und Morningstar(Honor)

Musket (Midway)

Kururi und Sabar (Atalia)

Marines-Streitmacht der Ersten Flotte

Major General Carabali

Verantwortliche Befehlshaberin

3000 Marines in mehreren Abteilungen verteilt auf die Schlachtkreuzer und Schlachtschiffe

Eins

»Noch fünf Minuten bis zum Verlassen des Sprungraums«, meldete Captain Tanya Desjani, die auf der Brücke des Allianz-Schlachtkreuzers Dauntless ihren Platz gleich neben Admiral John »Black Jack« Geary hatte. »Alle Systeme in maximaler Gefechtsbereitschaft.«

Die von Geary befehligten Kriegsschiffe hatten das Blut und das Feuer im Atalia-Sternensystem hinter sich gelassen, um die dunklen Schiffe zu verfolgen, die für die dortigen Zerstörungen verantwortlich waren. Geary und die anderen nannten sie »dunkle Schiffe«, weil ihre Hülle einen dunkleren Farbton aufwies als die der meisten anderen Kriegsschiffe. Der Grund dafür mochten spezielle Tarnmaterialien sein. Dabei waren es nicht die Besatzungen dieser dunklen Schiffe, die die grausamen Aktionen gegen die Bevölkerung in den Sternensystemen Atalia und Indras verübt hatten, sondern die Schiffe selbst, denn an Bord befanden sich keine menschlichen Besatzungsmitglieder. Somit gab es niemanden, der die automatischen Systeme hätte abschalten können.

Systeme, die entweder fatale Fehlfunktionen erlitten hatten oder die womöglich durch irgendeine Schadsoftware vorsätzlich sabotiert worden waren. Nachdem der einhundert Jahre währende Krieg mit den Syndikatwelten endlich von der Allianz gewonnen worden war, hatte die Allianz-Regierung den Männern und Frauen nicht länger vertrauen wollen, die den Preis für diesen Triumph hatten bezahlen müssen. Stattdessen setzte man nun lieber auf Robotersysteme, die jetzt bereits zwei Sternensysteme in Flammen hatten aufgehen lassen.

Gearys Eingreiftruppe Tänzer hatte Varandal mit zwölf Schlachtkreuzern, acht Schweren Kreuzern, dreizehn Leichten Kreuzern und fünf Zerstörern verlassen. Der Schlachtkreuzer Adroit war bei den Kämpfen bei Atalia zerstört worden, ebenso der Leichte Kreuzer Lancer und die Zerstörer Kururi und Sabar. Vier Schlachtkreuzer – Leviathan, Dragon, Steadfast und Valiant – sowie einige Schwere Kreuzer und Zerstörer waren im Atalia-Sternensystem geblieben, um den beschädigten Schiffen zu helfen und Wrackteile der zerstörten dunklen Schiffe zu bergen.

Die Verfolgergruppe bestand damit zwar nur noch aus sieben Schlachtkreuzern, doch das würde genügen, um sich den überlebenden Roboterschiffen zu stellen. Sollte es ihnen denn gelingen, sie einzuholen.

»Sind die automatischen Software-Updates für die Systeme der Dauntless deaktiviert?«, fragte Geary.

»Jawohl, Sir.« Bei anderen Gelegenheiten war Tanya längst nicht so formal, aber jetzt war sie auf den Punkt präzise und gefährlich; eine menschliche Waffe, deren Sinne von den letzten Jahrzehnten des brutalen Kriegs gegen die Syndiks geschärft worden waren. »Meine Leute überwachen aktiv alle Systeme, und wenn irgendetwas versucht, die Update-Sperre zu überwinden, lautet ihr Befehl, das betroffene System abzuschalten und einen Kaltstart mit den Backups vom Vortag vorzunehmen.«

»Gut«, erwiderte Geary. »Es ist schon verdammt übel, dass wir unserer eigenen Software nicht vertrauen können.«

Desjani schüttelte den Kopf. »Restlos konnten wir unserer Software noch nie vertrauen. Es bestand immer schon die Möglichkeit von fehlerhaften Programmierungen, außerdem mussten wir ständig mit einer Schadsoftware feindlicher Hacker rechnen, die unsere Systeme außer Gefecht setzen wollten. Ein Mensch, der von der Maschine getrennt arbeitet, ist die einzige Art von Firewall, die sich als wirklich zuverlässig erwiesen hat. Darum halten auch immer Menschen die Augen offen, um sofort reagieren zu können, wenn das kleine künstliche Gehirn der Software mal nicht so richtig will.«

»›Immer‹ – bis man diese dunklen Schiffe gebaut hat«, knurrte Geary verärgert.

»Ja.« Sie beugte sich zu ihm vor und redete leiser weiter. »Wenn diese dunklen Schiffe nach ihrer Ankunft bei Varandal genauso losgelegt haben wie bei Atalia, könnte es sich als unmöglich erweisen, sie davon abzuhalten, richtig viel Schaden anzurichten. Als sie nach Varandal gesprungen sind, betrug ihr Vorsprung fast zwei Stunden. Wenn sie nach dem Verlassen des Sprungraums beschleunigt haben, ist ihr Vorsprung noch größer geworden. Und keine der Verteidigungsanlagen bei Varandal wird die dunklen Schiffe ankommen sehen, also werden sie auch nicht auf Gegenwehr stoßen.«

»Ich weiß«, sagte Geary, der sich Mühe gab, nicht zu frustriert zu klingen. »Und alles nur dank der offiziellen Software, die so ausgelegt ist, dass wir die dunklen Schiffe nicht sehen können. Sind die Reparaturprogramme bereit, mit denen die von den Updates verursachten Schäden behoben werden? Können wir sie aussenden, sobald wir Varandal erreicht haben?«

»Ja, Sir. Die Schiffe der Ersten Flotte, die sich bei Varandal aufhalten, werden die Programme auf Ihren Befehl hin installieren … weil Sie der Flottenbefehlshaber sind. Die Allianz-Streitkräfte, die Ihnen nicht direkt unterstellt sind, werden das vielleicht nicht tun«, hielt sie ihm vor Augen. »Sie könnten argumentieren, dass es sich um nicht autorisierte Modifikationen von offizieller Software handelt. Wenn sie das tun, werden sie erst die Zustimmung ihrer eigenen Vorgesetzten einholen, bevor sie irgendetwas installieren.«

»Wenn sie in der Zwischenzeit von Kriegsschiffen angegriffen werden, die von ihren Sensoren nicht erfasst werden, könnte das jedoch Motivation genug sein, um sich über Vorschriften zum Umgang mit nicht autorisierten Software-Modifikationen hinwegzusetzen.«

»Eine Minute bis zum Verlassen des Sprungraums«, meldete Lieutenant Castries von ihrer Wachstation im hinteren Teil der Brücke.

Geary richtete den Blick auf sein Display. Ein Symbol an einer Seite des Bildschirms bestätigte, dass die Waffensysteme der Dauntless ebenso wie die der anderen Kriegsschiffe der Verfolgergruppe so eingestellt waren, dass sie sofort nach Verlassen des Sprungraums das Feuer auf jedes in Reichweite befindliche dunkle Schiff eröffnen konnten. Er ging allerdings nicht davon aus, dass sich in ihrer Nähe ein Schiff aufhalten würde. Die K.I.-Routinen, die die taktischen Entscheidungen für die dunklen Schiffe trafen, waren allem Anschein nach an Gearys eigene Methoden angelehnt. Als Befehlshaber der dunklen Schiffe hätte er nicht versucht, eine Streitmacht in einen Hinterhalt zu locken, die hinsichtlich ihrer Feuerkraft so deutlich überlegen war wie – allen erlittenen Verlusten zum Trotz – die Eingreiftruppe Tänzer.

Der Übergang vom grauen Nichts des Sprungraums zurück in das reale Universum traf Geary wie immer mit voller Wucht, sodass er im ersten Moment das Wiederauftauchen der Sterne in der endlosen Schwärze des Alls kaum wahrnahm. Sein Verstand war von diesem Wechsel wie benommen, aber noch während er gegen die Nachwirkungen des Sprunges ankämpfte, fiel Geary auf, dass die Dauntless keine Waffen abfeuerte.

Als er sich darauf konzentrierte, wurde das Display wieder scharf, doch Desjani hatte ihren Geist eine Sekunde vor ihm wieder völlig unter Kontrolle. »Sie haben Kurs auf das Hypernet-Portal genommen.«

»Wollen sie es angreifen, oder versuchen sie, auf dem Weg zu entkommen?«, überlegte er. »Immerhin dringen sie nicht tiefer ins Sternensystem ein, um Schiffe und Einrichtungen anzugreifen.«

Im Weltraum gab kein Oben und kein Unten, kein West und kein Ost, um Richtungen zu bestimmen, also hatten sich die Menschen etwas ausdenken müssen. Jedes Sternensystem besaß eine Ebene, auf der die Planeten um den Stern kreisten. Eine Seite dieser Ebene wurde für »Oben«, erklärt, die andere Seite war damit das »Unten«. Alles, was sich zum Stern hin bewegte, war Steuerbord, während alle vom Stern wegführenden Richtungen mit Backbord bezeichnet wurden. Es war eine ganz simple Festlegung, aber sie funktionierte, damit sich Schiffe orientieren konnten, ganz gleich, in welchem Winkel sie sich zueinander befanden.

Die dunklen Schiffe, die aus Atalia entkommen waren – zwei Schlachtkreuzer, ein Schwerer Kreuzer und fünf Leichte Kreuzer –, befanden sich auf der Backbordseite von Gearys Schiffen und bewegten sich leicht nach unten, während sie mit konstant 0,2 Licht auf das Hypernet-Portal zuhielten, das sechs Lichtstunden von dem Sprungpunkt entfernt war, aus dem Gearys Schiffe soeben ins System gekommen waren. »Sie sind uns drei Stunden Reisezeit voraus. Wir haben keine Chance, sie vor Erreichen des Portals noch abzufangen«, sagte Desjani. »Wir können nur hoffen, dass sie uns entkommen wollen und nicht vorhaben, das Portal zu attackieren, weil ihr verdrehter Verstand glaubt, sie hätten ein feindliches Ziel vor sich.«

»Statussignale des Portals geben an, dass der Schutzmechanismus für einen gefahrlosen Kollaps aktiv ist«, meldete Lieutenant Yuon, der Waffensystem-Wachhabende auf der Brücke der Dauntless.

»Danke, Lieutenant. Falls die dunklen Schiffe doch angreifen, müssen wir uns wenigstens keine Sorgen machen, dass der Kollaps eine Explosion von der Gewalt einer Nova auslöst. Sie werden das Portal in siebenundzwanzig Stunden erreichen.« Sie nahm rasch einige Berechnungen vor. »Am Portal halten sich zwei Zerstörer auf. Vielleicht … ach, verdammt. Die einzigen anderen Einheiten bei Varandal, die sich in einer Position befinden, um die dunklen Schiffe abzufangen, bestehen nur aus weiteren Zerstörern und Leichten Kreuzern.«

»Die haben gegen die dunklen Schiffe keine Chance, nicht einmal, wenn sie sie sehen könnten«, stellte Geary fest. »Wir werden die dunklen Schiffe zwar nicht einholen, aber wir können ihnen auf den Fersen bleiben.« Er betätigte eine Komm-Kontrolle. »An alle Einheiten der Eingreiftruppe Tänzer: Beschleunigen Sie sofort auf 0,25 Licht. Drehen Sie um zwei fünf Grad nach Backbord und null drei Grad nach unten.«

»Werden wir sie durch das Hypernet-Portal verfolgen?«, wollte Desjani wissen.

»Notfalls ja«, erwiderte Geary. »Wir müssen ihre Basis finden, ganz egal, wo die auch sein mag.« Er überprüfte die Bestände an Brennstoffzellen auf seinen Schiffen. »Wenn wir das machen müssen, werde ich unsere Zerstörer aber hier zurücklassen. Deren Brennstoffvorrat ist schon zu niedrig.« Er schnaubte vor Wut. »Na gut, dann lassen wir hier erst mal alle wissen, worauf wir gestoßen sind«, fügte er missgelaunt an. Auf seinem Display sah er die diversen Verteidigungsanlagen bei Varandal und die zahlreichen Kriegsschiffe, die nach dem Ende des Kriegs gegen die Syndiks lediglich Einsatzbereitschaft zeigten. Geary stutzte. »Wieso melden die alle Einsatzbereitschaft und nicht bloß, dass sie in Bereitschaft sind? Es herrscht doch Frieden.«

»Außer Ihnen kann sich niemand daran erinnern, was bloße Bereitschaft bedeutet, weil keiner von ihnen Frieden kennt«, machte Desjani ihm klar. »Und wenn der Angriff der dunklen Schiffe auf Indras die Syndiks zu Vergeltungsschlägen veranlasst, hat sich die Sache mit dem Frieden unter Umständen so schnell erledigt, dass keinem von uns Zeit bleibt, um sich Gedanken darüber zu machen, was das wirklich sein könnte, dieser Frieden.«

»Ich hoffe, Sie irren sich. Aber wenn die Syndiks angreifen, werden wir die wenigstens sehen.« Obwohl er selbst miterlebt hatte, wie eine geheime Software-Modifikation es den Allianz-Sensoren unmöglich gemacht hatte, die dunklen Schiffe zu sehen, fiel es ihm schwer zu begreifen, dass niemand sonst in diesem Sternensystem auch nur eine Ahnung davon hatte, dass diese Schiffe genau jetzt auf dem Weg zum Hypernet-Portal waren. Natürlich waren viele Verteidigungsanlagen im System so weit entfernt, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die Ankunft von Gearys Flotte hatten sehen können. Das Licht bewegte sich mit gerade einmal rund achtzehn Millionen Kilometer in der Minute fort, und bei Entfernungen innerhalb eines Sternensystems, die Hunderte von Millionen oder sogar Milliarden Kilometer betrugen, brauchte selbst das Licht einige Zeit, um sein Ziel zu erreichen.

Aber andere Einrichtungen und Schiffe befanden sich nicht so weit weg, und sie hätten durchaus schon auf die Eingreiftruppe Tänzer reagieren können. Dass sie die dunklen Schiffe nicht wahrzunehmen vermochten, war hingegen klar, denn ihre eigene Software machte sie blind für die Anwesenheit dieser feindseligen Streitmacht.

»Was Sie vorhaben, wird ein gewaltiges Donnerwetter auslösen«, merkte Desjani an.

»Ich weiß«, erwiderte er. »Wollen Sie mir empfehlen, dass ich es bleiben lasse?«

»Ganz im Gegenteil.« Sie grinste ihn breit an. »Ich freue mich schon darauf.«

Geary konnte sich als Reaktion darauf ein angespanntes, humorloses Lächeln nicht verkneifen, dann sammelte er sich, berührte die Sendetaste und begann die Nachricht zu verbreiten, die er nach der Abreise aus Atalia während der endlosen Tage im Sprungraum geprobt hatte. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: In diesem Sternensystem halten sich feindselige Streitkräfte auf, die Sie nicht wahrnehmen können, weil Ihre Software das verhindert. Es handelt sich dabei nicht – ich wiederhole: nicht – um Enigma-Kriegsschiffe. Wir vermuten, dass diese Schiffe vollautomatisch operieren und dass es Probleme mit den Kontrollen gegeben hat, von denen sie gesteuert werden.« Er hielt einen Moment lang inne, um seine Worte wirken zu lassen. »Wir haben uns bei Atalia mit diesen Streitkräften ein Gefecht geliefert, nachdem sie dort ohne Anlass und ohne Vorwarnung sowohl Schiffe der Allianz als auch zivile Schiffe angegriffen hatten. Diese Angriffe führten zu erheblichen Zerstörungen und zu etlichen Toten, wobei die feindseligen Kriegsschiffe auch Allianzraumschiffe vernichtet und Personal der Allianz getötet haben. Meine Eingreiftruppe verfolgt momentan diese Schiffe, die Kurs auf das Hypernet-Portal von Varandal genommen haben. Mit Blick auf ihr Verhalten bei Indras und Atalia muss davon ausgegangen werden, dass sie auch weiterhin jegliche Allianz-Einheiten sowie zivile Schiffe angreifen und zerstören werden, das sich ihnen nähert. Angehängt erhalten Sie Reparatur-Software, die Sie auf Ihren Schiffen installieren werden. Deaktivieren Sie die Update-Automatik, und lassen Sie nicht zu, dass weitere Software eingespielt wird, bis Sie von mir persönlich die Erlaubnis dazu erhalten. Ihre Gefechts- und Steuersysteme, die Sensoren, die Datenbank und andere Systeme enthalten versteckte Subroutinen, die die Anwesenheit der feindseligen Kriegsschiffe verbirgt. Sobald Sie die Reparatur-Software installiert haben, senden wir Ihnen Informationen, wie sich diese Kriegsschiffe identifizieren lassen. Würden wir Ihnen diese Informationen jetzt zusenden, dann würden Ihre eigenen Komm-Systeme automatisch sofort alles löschen, was die feindseligen Kriegsschiffe betrifft. Diese Reparatur-Software wurde von mir in meiner Funktion als Befehlshaber der Ersten Flotte persönlich autorisiert. Geary, Ende.«

Er übersandte einen weiteren Befehl, der an die beiden Zerstörer gerichtet war, die beim Hypernet-Portal Wachdienst schoben. »Mortar, Serpentine, hier spricht Admiral Geary. Feindselige Kriegsschiffe mit überlegener Feuerkraft nähern sich Ihrem Orbit. Sie können diese Kriegsschiffe nicht sehen, solange Sie nicht die Reparatur-Software auf all Ihren Systemen installiert haben. Beschleunigen Sie sofort auf 0,2 Licht und gehen Sie auf einen Vektor zur Station Ambaru. Installieren Sie die Software, während Sie dorthin unterwegs sind. Geary, Ende.«

Zu Desjani sagte er schließlich: »Damit sollten die beiden Zerstörer längst weit weg sein, wenn die dunklen Schiffe das Portal erreichen.«

»Sofern sie Ihren Befehl befolgen«, wandte sie ein. »Und sofern sie nicht gleich wieder zum Portal zurückkehren, sobald sie die Software installiert haben. Wenn sie das überhaupt machen. Die beiden Zerstörer gehören nicht zur Ersten Flotte, sondern zu den Streitkräften, die für die Selbstverteidigung von Varandal zuständig sind.«

»Ich weiß.«

»Sie haben ihnen gesagt, dass sich feindselige Streitkräfte nähern«, fuhr Desjani beharrlich fort. »Die werden nicht die Flucht ergreifen.«

»Ich habe ihnen auch nicht gesagt, dass sie die Flucht ergreifen sollen«, betonte Geary. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sich auf eine andere Orbitalposition begeben, solange sie ihre Software reparieren.«

»Kommt aufs Gleiche raus, Admiral. Sie sollten besser Admiral Timbale davon überzeugen, diese Befehle auszugeben, damit auch die Chance besteht, dass sie ausgeführt werden. Die Station Ambaru ist momentan dreieinhalb Lichtstunden von uns entfernt, die Zerstörer sind rund fünf Lichtstunden weit von Ambaru weg. Wenn wir Timbale warnen, und er erteilt innerhalb weniger Stunden den beiden Zerstörern den Befehl, ihre Position zu verlassen, dann bleibt noch genug Zeit, damit sie sich in Sicherheit bringen.«

»Ich rufe gerade Admiral Timbale«, gab er zurück. Er gab einen weiteren Befehl, dann wandte er sich mit leiser, aber eindringlicher Stimme an den Admiral: »Admiral Timbale, hier spricht Admiral Geary. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass sich feindselige Streitkräfte im Gebiet der Allianz aufhalten. Verborgene Subroutinen in unserer eigenen Software verhindern, dass wir diese Streitkräfte entdecken. Eine Streitmacht aus feindseligen Schlachtkreuzern, Schweren Kreuzern und Zerstörern hat im Indras-System verheerende Zerstörungen angerichtet, für die die Behörden der Syndikatwelten die Schuld bei der Allianz suchen werden. So bald wie möglich müssen Kurierschiffe entsandt werden, um das Flottenhauptquartier und die angrenzenden Sternensysteme zu alarmieren, dass der Angriff auf Indras Vergeltungsschläge der Syndikatwelten gegen Sternensysteme der Allianz nach sich ziehen könnte. Die gleichen feindseligen Kriegsschiffe haben auch erhebliche Schäden bei Atalia angerichtet, die dort ebenfalls Menschenleben gekostet haben. Außerdem wurde ein gezielter und grundloser Angriff auf das Allianz-Wachschiff bei Atalia verübt, bei dem es ohne Vorwarnung zerstört wurde. Und schließlich wurden auch meine Schiffe angegriffen. Dabei wurden ein Schlachtkreuzer, zwei Zerstörer und ein Leichter Kreuzer zerstört. Ich habe Grund zu der Annahme, dass diese feindseligen Kriegsschiffe vollautomatisch operieren und sich keine Menschen an Bord befinden. Sie sind sehr schwer bewaffnet und äußerst wendig, und momentan durchqueren sie Varandal, um Ihr Hypernet-Portal zu erreichen. Ich verfolge sie und werde sie nach Möglichkeit in einen Kampf verwickeln. Ich habe den beiden Zerstörern am Hypernet-Portal befohlen, ihre Position zu ändern, aber ich weiß nicht, ob sie auf meine Befehle reagieren werden. Angefügt erhalten Sie die Reparatur-Software, die es Ihnen ermöglicht, die feindseligen Kriegsschiffe zu sehen und Informationen über sie in Ihrer Datenbank zu speichern. Geary, Ende.«

Er lehnte sich zurück und konnte fühlen, wie die Dauntless beschleunigte, um die Verfolgung der dunklen Schiffe fortzusetzen. Die anderen Schiffe der Eingreiftruppe folgten ihren Bewegungen.

Mehr gab es jetzt nicht zu tun. Das Weltall war einfach zu riesig, als dass man noch irgendetwas anderes hätte unternehmen können. Jetzt blieb ihm nur noch abzuwarten und erst dann zu reagieren, wenn Antworten auf seine übermittelten Nachrichten eingingen. Es würde noch Stunden dauern, ehe diese Nachrichten die Schiffe und Orte erreichten, für die sie bestimmt waren, und genauso würden Stunden vergehen, bis die Antworten die gewaltigen Entfernungen zurückgelegt haben würden.

»Wenigstens gibt es keine Überraschungen zu vermelden, was unsere Flotte angeht«, sagte Desjani, während sie konzentriert ihr Display betrachtete. »Es sind keine Schiffe verschwunden, seit wir das letzte Mal hier waren.«

Er verzog das Gesicht, als er die angezeigten Daten studierte. »Aber sie senden uns immer noch falsche Statusmeldungen. Ich muss herausfinden, in welcher Verfassung sich diese Schiffe wirklich befinden. Und ich muss wissen, welche Fortschritte die Jungs und Mädels von Captain Smythe bei der Reparatur der ausgefallenen Systeme und der Gefechtsschäden gemacht haben.«

»Wir haben bei Atalia noch zusätzlich Schiffe kaputt gemacht«, merkte Desjani an. »Oder besser gesagt: Das haben die dunklen Schiffe angerichtet.«

Geary nickte, ohne den Blick von seinem Display abzuwenden. »Smythe war in Sorge, wie gut sich die Adroit schlagen würde, wo doch so viele Systeme auf dem Schiff so billig konstruiert worden waren. Er hatte recht. Warum macht man sich die Mühe, ein Kriegsschiff zu bauen, und dann spart man beim Bau an allen Ecken und Enden?«

»Die Allianz war nach einem Jahrhundert Krieg so gut wie pleite«, antwortete Desjani. »Wissen Sie noch?«

»Das ist die Allianz immer noch«, knurrte er. »Und trotzdem hat man genug Geld zur Verfügung, um diese verfluchten dunklen Schiffe zu bauen, die vielleicht schon den Anlass geliefert haben, um den nächsten Krieg zu beginnen.«

Sie warf ihm daraufhin den Blick zu, den er so hasste. Es war der Blick jener Menschen, die daran glaubten, dass Black Jack Dinge erreichen konnte, zu denen sie nicht fähig waren. »Sie können sie retten.«

Er wusste, was mit »sie« gemeint war: die Allianz. »Tanya, wie soll ich oder irgendein anderer Mensch die Allianz retten? Die Allianz ist viel größer als ein einzelner Mann oder eine einzelne Frau.«

»Aber nicht größer als Black Jack«, betonte Desjani. »Für die meisten Menschen ist er die Allianz. Er kehrte von den Toten zurück, als wir ihn am dringendsten brauchten …«

»Ich war nicht tot.«

»Nicht im biologischen Sinne. Aber ich rede hier von Legenden und vom Glauben an diese Legenden, Admiral. Black Jack ist auch derjenige, der uns vor Augen geführt hat, wie weit wir von dem Weg abgekommen waren, dem unsere Vorfahren gefolgt waren. Er ist derjenige, der die Syndiks besiegte. Wollen Sie irgendetwas davon abstreiten?«

Er warf ihr einen mürrischen Blick zu. »Seit wann bin ich in der Lage, irgendeine Diskussion mit Ihnen zu gewinnen?«

»Sie geben mir einen Befehl, ich führe ihn aus«, sagte sie. »Aber wenn Sie mich nach meiner Meinung fragen, dann sage ich Ihnen, was ich wirklich denke. Und ich glaube allen Ernstes, dass Black Jack die Allianz retten kann. Weil die meisten von uns an ihn glauben. In diesen hundert Jahren, als Sie sich im Kälteschlaf befanden und als alle Sie für tot hielten, während unsere Regierung Black Jack zum größten Helden aller Zeiten aufbaute, da haben sich die lebenden Sterne und die Vorfahren möglicherweise tatsächlich mit Ihnen unterhalten. Und vielleicht tun sie das ja immer noch.«

»Wollen wir es hoffen«, sagte er. »Aber wenn sie es tun, dann sagen sie mir, dass Black Jack allein diese Aufgabe nicht bewältigen kann. So wie der Sieg über die Syndiks die Leistung von vielen tapferen Männern und Frauen war, so kann auch die Allianz nicht von einem einzelnen Mann gerettet werden. Selbst dieser Black Jack, an den so viele Leute glauben, wird viel Hilfe benötigen.«

»Diese Hilfe bekommt er.«

»Ja, ich weiß.« Trotz seiner vielen Bedenken brachte er ein Lächeln zustande. »Black Jack mag derjenige sein, der andere Menschen hoffen lässt. Aber was mir Hoffnung macht, ist das Wissen, dass mir Leute wie Tanya Desjani den Rücken stärken.«

Nachrichten, die mit Lichtgeschwindigkeit durch die gewaltigen Weiten des Alls geschickt wurden, um weit entfernte Ziele zu erreichen, bewegten sich erheblich schneller fort als die von Menschenhand erschaffenen Raumschiffe. Und trotzdem erschien es einem entsetzlich langsam, wenn man sich ansah, wie lange es dauerte, bis eine Nachricht ihren Empfänger erreichte. Sechs Stunden vergingen, bis die ersten Reaktionen von den bei Varandal verbliebenen Kriegsschiffen aus Gearys Erster Flotte eingingen. Alle Schiffe reagierten erschrocken auf die Neuigkeit und teilten mit, dass sie die Reparatur-Software sofort installieren würden. Alle fragten sich, was geschehen war und was das zu bedeuten hatte.

Aufgrund der großen Entfernung zum Schlachtschiff Dreadnaught vergingen sogar beinahe sieben Stunden, bis Captain Jane Geary sich meldete. Sie hatte Admiral Geary nicht begleitet, sondern das Kommando über den Großteil der Ersten Flotte übernommen, der im Sternensystem verblieben war. »Ich bin froh, dass Sie zurück sind, allerdings habe ich nicht so recht verstanden, was eigentlich passiert ist«, sagte sie. »Wir installieren momentan diese Software, aber von einigen Einheiten erhalte ich Berichte, dass angeblich ein Befehl von Admiral Timbale bei ihnen eingegangen ist, der sie anweist, diese Software nicht einzuspielen.«

Jane Geary schüttelte den Kopf. »Eigenartig ist nur, dass ich bislang von Admiral Timbale kein Wort in dieser Richtung gehört habe, obwohl er bislang immer unmittelbar mit mir Kontakt aufgenommen hat, wenn es irgendeine Angelegenheit gab, die die Schiffe der Ersten Flotte betraf. Ich habe Admiral Timbale um Klarstellung gebeten, aber auch allen Einheiten der Ersten Flotte gesagt, dass sie Ihre Befehle ausführen sollen, Admiral. Sie sollten auch wissen, dass ich von irgendwelchen Regierungsinspektoren zu den Reparaturarbeiten der Flotte befragt worden bin. Ich habe ihnen gesagt, was ich weiß, nämlich dass alle Reparaturen notwendig waren und über die entsprechenden Kanäle finanziert worden sind. Für alles Weitere habe ich sie an Captain Smythe verwiesen. Geary, Ende.«

»Smythe wird heilfroh sein, dass Lieutenant Jamenson wieder da ist«, merkte Desjani an, während sich das Bild von Jane Geary auflöste.

»Bevor sie aufgebrochen ist, hat er sie noch etliche Berichte vorbereiten lassen«, erwiderte Geary. »Diese Frau ist wirklich erstaunlich. Sie kann die simpelste Angelegenheit so verkomplizieren, dass niemand mehr einen Durchblick hat, und trotzdem läuft das alles vorschriftsgemäß. Wenn ich was zu verbergen hätte, würde ich Jamenson in meinem Stab haben wollen. Aber es stimmt schon, was Jane sagt. Sämtliche Reparaturen sind notwendig, und es läuft alles genau nach Vorschrift. Vielleicht hat man beim Erstellen dieser Vorschriften nicht gewollt, dass sie so ausgelegt werden, wie wir sie auslegen. Aber kein Mensch hat gegen irgendwelche Regeln verstoßen.«

Tanya verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Wenn es ein Verbot gäbe, Chaos zu stiften, würde das Flottenhauptquartier sich vor Klagen nicht mehr retten können.«

Diesmal erwiderte er das Lächeln nicht, sondern sah auf das Display vor seinem Kommandosessel. Drei Stunden Reisezeit oder gut dreißig Lichtminuten hatte der Vorsprung der dunklen Schiffe vor Gearys Eingreiftruppe betragen, der sich jetzt sehr langsam verringerte, obwohl diese langwierige Verfolgungsjagd keine Chance darauf bot, den Feind tatsächlich noch einzuholen, ehe der aus dem System entkommen konnte. Würden die Schiffe kehrtmachen, um sich ihm entgegenzustellen, könnte er sie mit seiner Truppe erledigen. Aber vor etwas mehr als einer halben Stunde waren sie immer noch auf direktem Kurs zum Hypernet-Portal. »Tanya, ich benötige eine zweite Meinung in Sachen Instinkt.«

»Das ist einer der Gründe, wieso ich hier bin.« Mit einem Nicken deutete sie auf die Stelle ihres Displays, an der die dunklen Schiffe angezeigt wurden. »Sie fragen sich, ob wir ihnen tatsächlich durch das Portal folgen sollen, wenn sie auf dem Weg entkommen, richtig?«

»Ja.« Er machte sich gar nicht erst die Mühe, sie zu fragen, wie es ihr gelungen war, wieder einmal seine Gedanken zu lesen. Was ihm Sorgen machte, war so grundlegend, dass jeder als Erstes daran denken würde. »Wir wissen, dass die Regierung für ihre geheime Flotte zwanzig Schlachtkreuzer und zwanzig Schlachtschiffe hat bauen lassen. Wir haben bei Atalia nur vier von ihren Schlachtkreuzern zerstören können, obwohl wir ihnen im Verhältnis zwei zu eins überlegen waren. Wenn diese dunklen Schiffe zu ihrer Basis zurückkehren und wir ihnen dorthin folgen, könnten wir ihren restlichen Schlachtkreuzern und Schlachtschiffen genau in die Arme fliegen.«

»Der Gedanke ist mir auch gekommen«, bestätigte Desjani. »Genauso wie der Gedanke, dass der daraus resultierende Kampf sehr kurz und für uns sehr unangenehm werden könnte. Können wir es uns leisten, dieses Risiko einzugehen?«

Er sah sie verdutzt an. »Das fragen Sie mich?«

»Ja, das frage ich Sie. Jemand, den wir beide kennen, hat mich zu der Erkenntnis gebracht, dass es entweder sehr mutig oder sehr dumm sein kann, wenn man sich auf einen Kampf einlässt, ohne dabei zu berücksichtigen, wie überhaupt die Chancen auf einen Sieg stehen. Ich bin Ihrer Meinung, dass wir ihre Basis finden müssen. Die Basis könnte überall sein. Wir müssen davon ausgehen, dass sämtliche Sensorensoftware manipuliert wurde, damit niemand diese Schiffe sehen kann. Außerdem sind die Chancen sowieso nahe null, dass man irgendein Objekt im All mit bloßem Auge entdeckt. Also ist es egal, wo man diese Schiffe herumfliegen lässt. Die Basis könnte sogar nahe Unity errichtet worden sein, wo sich die Regierung ihrer Meinung nach in maximaler Sicherheit befindet.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Geary. »Zugegeben, im All würde sie niemand wahrnehmen können. Aber auf der Basis selbst würde man die dunklen Schiffe sehen, weil sie da andocken, um gewartet und repariert zu werden, um Vorräte, Waffenbestände und Brennstoffzellen aufzufüllen. Die Leute würden das sehen, und früher oder später würden sie mit anderen Leuten in dem betreffenden Sternensystem reden.«

»Aber Sie haben doch gesagt, dass keine neuen Einrichtungen gebaut worden sind.«

»Jedenfalls hat Captain Smythe darüber nichts finden können«, sagte Geary. »Dem Geldfluss zu folgen, ist das einzig Sinnvolle, was wir in der Angelegenheit tun können. Und das hat ergeben, dass für die neue Flotte keine neuen Einrichtungen gebaut wurden. Sie müssen eine bestehende Basis benutzen, wo man sie nicht sehen kann. Aber wo könnte die sein?«

»Tja, wenn wir sie verfolgen, werden wir die Antwort darauf erfahren«, meinte Desjani. »Wie viele Schiffe sollen wir mitnehmen? Alles, was wir haben, obwohl wir annehmen müssen, dass die Chancen gegen uns stehen? Oder nur ein einzelnes Schiff mit dem Befehl, lediglich einen Blick auf die Basis zu werfen und sofort zu uns zurückzukehren? Admiral, meine Empfehlung lautet, dass wir warten, bis wir wissen, mit welchem Ziel sie ins Portal fliegen. Wenn das Ziel irgendein System ist, in dem sich ihre Basis befinden könnte, dann müssen wir sie nicht sofort dorthin verfolgen. Aber wenn es sich um ein großes System wie Unity handelt, müssen wir ihnen folgen. Es könnte sein, dass sie dort angreifen wollen, und daran müssen wir sie hindern.«

»Das wäre das Einzige, was wir tun könnten«, stimmte Geary ihr zu. »Sie haben recht. Wenn ihr Ziel ein kaum bevölkertes Sternensystem ist, zum Beispiel ein System an der Grenze, das zur Verteidigungslinie gegen die Syndiks gedient hat, dürfte sich dort auch ihre Basis befinden. Vielleicht ein Sternensystem wie Yokai, das in eine Sonderverteidigungszone umgewandelt wurde und das kein normaler Bürger aufsuchen darf. Dann gibt es dort auch niemanden, der Dinge sehen kann, die ihn nichts angehen. Es ist natürlich auch möglich, dass das Ziel uns keinen sicheren Schluss erlaubt, ob es sich um den Standort ihrer Basis handelt.«

»Schon gut, dass Black Jack das Kommando hat«, meinte Desjani. »Er wird wissen, was zu tun ist.«

»Sehr witzig.« Wieder starrte er mit finsterer Miene auf das Display, auf dem sich die Situation am Hypernet-Portal unverändert darstellte. »Die Serpentine und die Mortar hätten sich längst in Bewegung setzen müssen.«

Desjani schüttelte den Kopf. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass die sich nicht von der Stelle rühren werden. Ihr Befehl lautet, das Portal zu bewachen, und das tun sie auch. Sie werden nicht vor einem unsichtbaren Gegner davonlaufen. Und wenn ich bedenke, was Captain Jane Geary uns gesagt hat, dann wette ich, dass auch diese beiden Zerstörer angeblich von Admiral Timbale den Befehl erhalten haben, die Reparatur-Software nicht zu installieren.«

Er sah sie aufmerksam an. »Sie und Jane sagen beide, dass der Befehl ›angeblich‹ von Timbale kam. Wieso angeblich?«

Sie hielt kurz inne und zog die Augenbrauen zusammen. »Ich will nicht das Verhalten eines vorgesetzten Offiziers kritisieren, aber …«

»So etwas würde Ihnen schließlich nie in den Sinn kommen.«

»Und meine Bemerkung haben Sie mit ›sehr witzig‹ kommentiert?«, gab sie ironisch zurück. »Ich glaube nicht, dass Admiral Timbale eine derartige Nachricht an Ihre Schiffe geschickt hat. Nach allem, was Sie mir erzählt haben und was ich selbst erlebt habe, steht er ziemlich zuverlässig hinter Ihnen. Er hat Black Jack ein paar Mal Rückendeckung gegeben, obwohl es seiner Karriere nicht gut getan haben wird. Er hält sich auch von allen Dingen fern, mit denen er sich nicht unbedingt befassen muss, um Ihnen Handlungsspielraum zu lassen. Warum sollte dieser Mann einigen der Schiffe unter Ihrem Kommando Befehle erteilen, die den Ihren zuwiderlaufen?«

»Das würde er wirklich nicht machen.« Geary betrachtete die Kontrolle auf einer Armlehne seines Kommandosessels. »Aber die Biometrik, die in das Komm-System integriert ist, soll garantieren, dass eine Nachricht auch tatsächlich von der Person kommt, die als Absender angegeben wird.«

»Und die Schiffssensoren sollen garantieren, dass wir alles sehen, was es da draußen zu sehen gibt«, hielt Desjani dagegen. »Aber das haben sie nicht gemacht. Warum sollten diejenigen, die mit den dunklen Schiffen zu tun haben und ihre Lügen schützen wollen, nicht auch die Komm-Systeme manipulieren? Wir wissen ja sogar, dass die Komm-Systeme bereits auf andere Weise manipuliert worden sind.«

»Gutes Argument«, sagte Geary und schaute wieder auf sein Display, während er über seine Optionen nachdachte. Ein Großteil dieser Optionen würde zur Folge haben, dass er hinter sich einige Brücken einriss, wenn er sich für eine von diesen Möglichkeiten entschied. »Sie glauben, sie tun das Richtige. So wie die Leute, die diese dunklen Schiffe bauen wollten. Also ist jede Entscheidung, die sie treffen, ebenfalls richtig. Wenn man schon kriminelle Energie aufgewandt hat, um die Komm-Systeme auf den eigenen Schiffen zu sabotieren, warum sollte man dann nicht auch noch den nächsten Schritt machen und zu verhindern suchen, dass irgendjemand von dieser Sabotage erfährt?«

Sie nickte, Wut brannte in ihren Augen. »Was werden Sie tun?«

»Das, was ich für das Richtige halte«, antwortete er und griff nach seinen Komm-Kontrollen. »Mortar, Serpentine, hier spricht Admiral Geary. Ich nehme meinen Dienstgrad und eine anhaltende Gefahrensituation im Varandal-Sternensystem zum Anlass, Ihnen einen unmittelbaren Befehl zu erteilen. Beschleunigen Sie sofort auf 0,2 Licht und gehen Sie auf einen Vektor zur Station Ambaru. Ich wiederhole: Diesen Befehl erteile ich Ihnen persönlich, da Ihnen unmittelbare Gefahr droht. Bestätigen Sie den Befehl und führen Sie ihn unverzüglich aus. Geary, Ende.«

Es bestand das Risiko, dass er den von einem anderen Admiral erteilten Befehl öffentlich und direkt widerrufen hatte. Das war nicht nur schlechter Stil, es war auch die Art von Verhalten, die der Disziplin und der gesamten Befehlskette schadete. »Das könnte alles aus den Fugen geraten lassen«, murmelte er.

»Admiral«, sagte Desjani und beugte sich zu ihm, um Gewissheit zu haben, dass sie sich beide innerhalb der Sphäre befanden, die verhinderte, dass jemand auf der Brücke ihre private Unterhaltung belauschen konnte. So etwas machte sie nur, wenn sie es für unbedingt erforderlich hielt. Seit sie und Geary in einer Phase geheiratet hatten, in der sie beide Captains gewesen waren, hielten sie sich strikt an die Vorschriften, die von ihnen ein tadelloses dienstliches Verhalten verlangten, solange sie sich an Bord der Dauntless oder eines anderen Kriegsschiffs befanden. Vermieden wurde tunlichst alles, was auf eine persönliche Nähe zwischen Ihnen hingedeutet und was den Verdacht nahegelegt hätte, dass sie nicht bloß Admiral und Captain waren.

»Wir haben damit nicht angefangen«, machte sie ihm klar. »Sie haben Ihre Vorgesetzten ständig auf dem Laufenden gehalten, was Sie gerade tun. Sie haben Ihre Befehle befolgt, und ich weiß besser als jeder andere, dass Sie sich ständig gefragt haben, ob Sie das Richtige tun oder nicht. Die Leute, mit denen wir hier konfrontiert sind, haben alle Welt belogen und ihr wahres Tun geheim gehalten, damit niemand hinterfragen kann, ob das, was sie da machen, wirklich so klug ist. Diese Menschen haben uns belogen, die haben die Bürger der Allianz belogen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch vielen Leuten in der Regierung Lügen aufgetischt haben.«

Geary sah sie überrascht an. »Sie glauben, dass einige Senatoren gar nicht wissen, was hier vor sich geht?«

»Ja. Ich weiß, es ist seltsam, so etwas aus meinem Mund zu hören. Vor einem Jahr wäre ich noch fest davon überzeugt gewesen, dass die alle gegen die Flotte arbeiten.« Sie verzog den Mund. »Aber nach dem, was Sie mir erklärten, und als ich dann noch die Gelegenheit hatte, einige Senatoren kennenzulernen, bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass man auch in der Politik Strategien und Taktiken für bestimmte Situationen entwickeln muss. Es gilt, über die Gegenseite so viel herauszufinden, wie man nur kann, und man darf sich nicht von vorgefassten Meinungen, Vorurteilen und Stereotypen leiten lassen, wenn man über die beste Vorgehensweise entscheiden will. Sie haben mir gesagt, dass Navarro Ihrer Ansicht nach okay ist. Und ich habe von Senator Sakai genug gesehen, um mir ein eigenes Urteil bilden zu können.«

»Und über Senatorin Unruh«, ergänzte Geary, der sich daran erinnerte, wie beeindruckt er von ihr gewesen war. »Aber dann sind da auch Leute wie Senator Wilkes, der mir wie ein vollkommener Opportunist vorkam. Ich glaube, Senatorin Costa ist ehrlich in ihren Ansichten, aber sie ist auch bereit, jeden für das bezahlen zu lassen, was ihrer Meinung nach unbedingt getan werden muss. Ich muss zugeben, dass mir noch immer nicht ganz klar ist, warum Senatorin Suva so etwas mitgemacht haben könnte.«

»Weil sie Angst hat«, sagte Desjani, wobei ihr Tonfall deutlich machte, was Tanya von Leuten hielt, die sich von ihrer Angst vorschreiben ließen, welche Entscheidungen sie treffen sollten. »Sie hat Angst vor Leuten von Ihrem und meinem Schlag, die nicht in ihre Vorstellungen vom Universum passen. Sie hat Angst vor einem Universum, das nicht so arbeitet, wie es ihrer Meinung nach der Fall sein sollte. Leute machen Dummheiten, wenn sie Angst haben. Aber ich kann sie besser leiden als Senatorin Costa, die so tut, als genössen wir ihre bedingungslose Unterstützung, während sie die Flotte eigentlich nur für ihre eigenen Spielchen zu benutzen versucht, weil es sie nicht kümmert, was das für die Männer und Frauen bedeutet, die ihr angeblich so viel bedeuten.«

Geary lehnte sich zurück und überlegte, das Display nahm er in diesem Moment nicht wahr. »Victoria Rione hat mir mehr als einmal erzählt, dass die Regierung wie ein tollpatschiger Riese ist, der eine große Hand und viele kleine Gehirne hat, die alle versuchen, die Hand das tun zu lassen, was sie wollen. Wenn genügend Gehirne sich einig sind, was sie wollen, dann kann die Hand etwas erledigen. Aber wenn die kleinen Gehirne sich nur gegenseitig bekriegen, hängt die Hand bloß schlaff runter.«

Tanya konnte es nie leiden, wenn er Rione erwähnte.

»Diese Frau hat von all dem selbst genug mitgemacht, deshalb weiß sie auch so gut Bescheid! Admiral, in diesem Fall hier kommt es mir so vor, als wäre es einigen wenigen Gehirnen gelungen, die Hand unter ihre Kontrolle zu bringen, während die übrigen Gehirne gar nicht wussten, was eigentlich geschieht. Suva dachte, die dunklen Schiffe sorgen für ihre Sicherheit, während Costa wahrscheinlich nur ein neues, gefährliches Spielzeug in die Finger bekommen wollte, das Befehle befolgt und keine Fragen stellt.«

Geary sah sie an. »Dieser Angriff auf Indras, der die Syndiks zu Vergeltungsschlägen veranlassen könnte … Wir haben darüber geredet, aber wir kamen nicht dahinter, warum jemand eine solche Dummheit anordnen sollte.«

Desjani atmete tief durch, dann sah sie ihm in die Augen. »Wenn ich mir diese Situation jetzt ansehe und wenn ich überlege, was sonst vielleicht noch alles mit unserem Komm-System angestellt worden sein könnte, dann würde ich sagen, dass wir irrtümlich angenommen haben, jedem müsste klar sein, wie dumm das war. Die Syndiks haben auf vielerlei Art gegen die Friedensvereinbarungen verstoßen, unter anderem auch durch eine verdeckte Operation, die in Indras ihren Ursprung hatte. Jemand kam auf den Gedanken, dass ein Vergeltungsschlag die angemessene Reaktion darauf ist.«

»Das war angemessen, als noch Krieg geherrscht hatte«, wandte Geary ein.

»Und? Die Menschen von heute kennen keinen Frieden. Sie kennen nichts als den Krieg. Viele Leute wissen gar nicht, wie sie mit Frieden umgehen sollen. Also reagieren sie so, als wäre noch Krieg. Ein Krieg, der für sie und für ihre Sache als Rechtfertigung herhält. Ein Krieg, der alles so belässt, wie es seit hundert Jahren ist.« Desjani schaute einen Moment lang zur Seite, dann fuhr sie fort: »Das gilt sogar für Angehörige dieser Flotte. Roberto Duellos steht vor einer schwierigen Entscheidung, mit der er sich niemals hätte befassen müssen, wenn der Krieg nicht beendet worden wäre. Er weiß nicht, was er tun soll, und das betrifft nicht nur ihn.«

Geary schüttelte den Kopf. »Nein, das ergibt keinen Sinn …«

»Für Sie ergibt es keinen Sinn«, unterbrach Tanya ihn energisch. »Für Sie ist Krieg immer noch die Ausnahme, ein vorübergehender, ungewöhnlicher Zustand. Für uns war der Krieg das, was schon immer da war. Sie als der legendäre Held haben unser geordnetes Leben in ein Dasein voller Ungewissheiten verwandelt.«

»Tanya, die Allianz stand kurz davor, unter der Last der Kriegskosten zusammenzubrechen«, sagte er. »Die Syndikatwelten waren in weiten Teilen bereits zusammengebrochen, und …«

Er unterbrach sich, da er sich an etwas erinnerte.

Desjani nickte nachdrücklich. »Und die Syndik-Führer haben versucht, die Allianz wieder zu Angriffen zu verleiten, weil ihre Existenz auch durch den Krieg gerechtfertigt wird. Die Syndik-Regierung will erreichen, dass jeder in den Syndikatwelten uns als Bedrohung ansieht und die eigene Regierung für ihre Beschützer hält. Derjenige, der für den Angriff auf Indras verantwortlich ist, könnte den Syndik-Führern genau das gegeben haben, worauf sie gewartet haben. Und vielleicht wollten die Leute auf der Allianz-Seite, die die Befehle gegeben haben, genau das Gleiche wie die Syndik-Führer, nämlich einen aktiven Feind, der ihnen als Daseinsberechtigung dient.«

Geary wich ihrem Blick aus und kämpfte gegen den Impuls an, ihre Worte als Unsinn abzutun. »Ja, Sie haben recht. Ich kann mich geistig und emotional nicht in die Menschen von heute hineinversetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, einen Krieg immer weiter führen zu wollen, nur weil jeder meint, dass das so sein soll. Aber ich habe gesehen, was der Frieden mit manchen Menschen anstellen kann. Ich sehe es bei Duellos, der sich entwurzelt fühlt, und dabei kann er noch von Glück reden, dass er nicht den Einsparungen zum Opfer gefallen ist, die die Allianz bei den Verteidigungsausgaben vornimmt. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, wie irgendjemand unbedingt Krieg führen will, nur weil ein zynischer Plan …«

»Nein«, unterbrach Desjani ihn und schüttelte frustriert den Kopf. »Sie begreifen es noch immer nicht. Es hat nichts mit Zynismus zu tun. Diese Leute haben sich über Jahre hinweg eingeredet, dass sie das Richtige machen. Wir beide haben doch die ehemaligen Syndiks bei Midway kennengelernt. Menschen, die ihr Leben lang den Syndik-Despoten und einem hässlichen diktatorischen System gedient haben. Nur ein paar von denen habe ich als wirklich bösartig empfunden, als die Sorte Mensch, die sich so verhält, weil sie nach Geld und Macht strebt, wobei es ihnen egal ist, wer leiden muss und wer stirbt. Die meisten kamen mir wie völlig durchschnittliche Menschen vor, die für sich selbst irgendeine Rechtfertigung gefunden hatten, warum sie den Syndiks dienen. Ich kenne nicht jeden einzelnen Grund, aber ich vermute, sie haben einfach nur das getan, was sie für das Beste hielten. Sie haben ja Captain Falco kennengelernt. Was glauben Sie, wie er sich selbst gesehen hat?«

»Ich weiß, wie er sich selbst gesehen hat«, erwiderte Geary. »Er hielt sich für den Retter der Allianz. Er hielt sich für jemanden, der wusste, was das Richtige ist, und der das dann auch getan hat. Und dabei irrte er sich in jeder Hinsicht. Aber er war von sich überzeugt. Meinen Sie, wir haben es mit einer solchen Denkweise zu tun?«

»Als wir bei Atalia waren, haben Sie es bereits selbst gesagt«, gab Desjani zurück. »Diese Leute sahen in den dunklen Schiffen die perfekte Lösung für all ihre Probleme. Und jetzt ist diese perfekte Lösung zu ihnen zurückgekommen und rächt sich an ihnen.«

Er sah wieder auf sein Display. Es würde noch Stunden vergehen, ehe sie wussten, ob die beiden Zerstörer seinen Befehl ausgeführt hatten oder ob sie an Ort und Stelle verharren würden, weil sie entschlossen waren, ihre vermeintliche Pflicht zu erfüllen.

Normalerweise war das Warten das Schlimmste. Diesmal war das Schlimmste das Wissen, was passieren würde.

Zwei

»Admiral Geary, was ist denn da los?« Admiral Timbale hörte sich an, als könne er sich nicht zwischen Ratlosigkeit und Wut entscheiden. Sein Gesichtsausdruck spiegelte diese Unschlüssigkeit wider. »Ich habe von Ihnen eine bruchstückhafte Nachricht erhalten, die dann aus dem Komm-System verschwunden ist. Meine Komm-Techniker hatten den Befehl, sie wiederzufinden, und dabei ist ihnen aufgefallen, dass mehrere Nachrichten unter meinem Namen verschickt wurden, in denen ein Befehl von Ihnen widerrufen wurde, von dem ich gar nichts weiß. Ich habe keine Erklärung dafür, wieso Sie mit so hoher Geschwindigkeit auf das Hypernet-Portal zufliegen oder wieso meine Kommunikation zu den meisten Schiffen in diesem System gestört ist. Es ist fast so, als wäre hier ein Korps aus Syndik-Meegees am Werk gewesen. Ich bitte darum, einen Ihrer Zerstörer herzuschicken, damit mir Ihre letzten Nachrichten persönlich übergeben werden können. Nur so kann ich mir sicher sein, dass ich diese Nachrichten erhalte und erfahre, was genau Sie mir mitgeteilt haben. Timbale, Ende.«

»Er weiß noch nicht mal etwas von der Bedrohung«, sagte Geary erschrocken. »Er meint, es könnten die Syndiks sein.« Der Begriff »Meegee« war uralt, er leitete sich aus einer frühen Abkürzung für Techniken bei der elektronischen Kriegführung ab, zu denen Eindringen, Stören und Behindern gehörten. Die zum Einsatz kommende Ausrüstung hatte sich seit Einführung des Begriffs ganz erheblich weiterentwickelt, aber der Grundgedanke dahinter war unverändert der, die gegnerische Kommunikation zu sabotieren und ihre Sensorerfassungen zu verwirren.

»Wie soll er auch die Bedrohung erfassen, wenn die Software alles löscht, was ihm einen Hinweis darauf geben könnte?«, fragte Desjani.

»Könnte das alles wirklich das Werk von Syndik-Meegees sein? Oder haben wir das vielleicht unseren eigenen Meegees zu verdanken?

Sie musste lachen. »Die Grenzen sind schon vor so langer Zeit verwischt, dass niemand etwas dazu sagen kann. Unsere Leute basteln aus einem Code eine Waffe, die Syndiks entdecken den Code, verändern ihn und schicken das Resultat an uns zurück. Dann überarbeiten wir ihre Überarbeitung und feuern das Ergebnis wieder auf sie ab. Wer weiß, wo die ursprüngliche Idee hergekommen ist? In unseren Systemen stecken mehr Viren als in einem menschlichen Körper, und die Viren in unseren Computersystemen entwickeln sich noch viel schneller weiter.«

»Schon klar«, meinte Geary. »Aber Timbales Idee ist gut. Ich schicke die Hammer los, damit sie ihm meine Nachrichten persönlich überbringt.«

Ihr Blick wanderte über ihr Display. »Sie wird nicht rechtzeitig bei ihm eintreffen.«

Die Reisezeit der dunklen Schiffe bis zum Hypernet-Portal betrug nur noch zehn Stunden, sollten sie ihre Geschwindigkeit von 0,2 Licht beibehalten. Zwei Lichtstunden Abstand. Rund zwei Milliarden Kilometer waren eine sehr, sehr große Entfernung. Aber in diesem Fall nicht groß genug. Von der momentanen Position von Gearys Schiffen aus gesehen würde der Zerstörer Hammer fast sieben Stunden benötigen, bis er die Station Ambaru erreichte, jenen riesigen Orbitalkomplex, auf dem Admiral Timbale sein Büro hatte. Eine Nachricht von Ambaru an die beiden Zerstörer, die das Hypernet-Portal bewachten, würde vier Stunden brauchen, um dort einzutreffen. Selbst wenn Timbale augenblicklich reagierte, würde sein Befehl immer noch um eine Stunde zu spät eintreffen.

Mit finsterer Miene saß Geary auf der Brücke der Dauntless und sah mit an, wie sich das Unvermeidbare entwickelte, indem die dunklen Schiffe den nichts ahnenden Zerstörern am Hypernet-Portal immer näher kamen. Das einzig Gute war die große Zahl seiner eigenen Schiffe – Schlachtschiffe, Schwere Kreuzer, Zerstörer, Leichte Kreuzer –, die Rückmeldung gaben, um zu bestätigen, dass sie die Reparaturprogramme runtergeladen und installiert hatten, üblicherweise begleitet von verdutzten Fragen, was es mit diesen dunklen Schiffen auf sich hatte und wieso sie nach Varandal gekommen waren.

Die dunklen Schiffe waren noch nur fünf Stunden vom Hypernet-Portal entfernt, als Geary stutzig wurde, da ihm ein Gedanke durch den Kopf ging. »Tanya.«

Sie hielt sich natürlich immer noch auf der Brücke auf, wobei ihr nicht anzusehen war, wie viele Stunden sie dort bereits zugebracht hatte. »Ja, Admiral?«

»Angenommen, ich würde diese dunklen Schiffe befehligen …«

»Soweit wir das beurteilen können, basieren die KI-Routinen, mit denen sie gelenkt werden, auf Ihren Flugmanövern«, erwiderte sie.

»Ganz genau.« Er zeigte auf sein Display. »Ich weiß, ich werde verfolgt. Ich weiß, wenn ich durch das Hypernet-Portal entkomme, verrate ich meinen Verfolgern die Position meiner Basis. Damit versetze ich meinen Gegner in die Lage, diese Basis anzugreifen und meine Existenzgrundlage zu zerstören. Was werde ich also machen?«

Desjani sah nun auch nachdenklich drein. »Sie? Sie würden ganz sicher nicht das Portal benutzen. Sie nicht.«

»Eben.« Geary setzte sich aufrechter hin und musterte sein Display. »Mir wird also klar, dass ich nicht von hier wegkomme, ohne den Rest meiner Flotte zu verraten. Dann muss ich hierbleiben. Und weil das meinen Untergang bedeutet, werde ich hier so viel Zerstörung anrichten, wie es nur eben geht, bevor ich auch noch mein letztes Schiff verliere.«

Sie starrte ihn an, dann konzentrierte sie sich wieder auf das Display und begann in aller Eile verschiedene Szenarien durchzuspielen. »Mögen die Vorfahren uns beistehen. Die werden sich Ambaru vornehmen, nicht wahr?«

»Ja. Wenn wir sie weiter vor uns herjagen, werden sie im letzten Moment vor dem Hypernet-Portal abdrehen und Kurs auf Ambaru nehmen. Und wir werden das Manöver erst gut drei Stunden später zu sehen bekommen. Meine Schlachtkreuzer werden sich nicht in einer Position befinden, um sie vor der Station abzufangen, und dann werden sie den Kommando- und Kontrollknotenpunkt in diesem Sternensystem ungestört in Stücke schießen.«

»Warum werfen die nicht einfach ein paar Steine in die Richtung?«, fragte Desjani, die den Spitznamen der Flotte für die kinetischen Projektile benutzte, die eigentlich nichts weiter als Metallbrocken mit glatter Oberfläche waren. »Niemand könnte … Die haben doch alles aufgebraucht, oder?«

»Ja«, antwortete Geary. »Ich glaube schon, dass sie sämtliche Steine eingesetzt haben, um jedes nur denkbare Ziel bei Indras und Atalia zu treffen. Also lotsen sie uns aus dem Weg, indem sie sich von uns verfolgen lassen. Dann nehmen sie Kurs auf Ambaru und zerstören alles aus kurzer Distanz, indem sie zu den Höllenspeeren greifen. Die werden ganz genau wissen, was sie auf der Station anvisieren müssen.«

Ihre Miene versteinerte vor Wut. »Weil sie die Baupläne für jedes Schiff und jede Station kennen. Weil die Allianz-Regierung solche Angst vor Bedrohungen von innen hatte, dass sie die eigenen Militäranlagen als potenzielle Ziele einstufte.«

»Das ist das, was ich glaube«, stimmte Geary ihr zu, ohne den Blick von seinem Display abzuwenden. »Aber wenn ich richtig liege, bleibt uns noch gerade genug Zeit, ihre Pläne zu durchkreuzen. Es wird aber nicht einfach werden. Ich kann Schlachtschiffe so positionieren, dass sie den einen oder anderen Orbit blockieren, allerdings ist nicht gesagt, dass das ausreicht, um Schiffe aufzuhalten, die dermaßen manövrierfähig sind.«

»Konzentrieren Sie sich darauf, das zu vereiteln, was Sie unternehmen würden«, hielt sie ihm vor Augen.

Das erforderte von ihm, in gewisser Weise rückwärts zu denken. Zuerst einmal musste er mit dem Simulator herausfinden, wie die Schlachtschiffe in die beste Position zu bringen waren, damit jedes von ihnen noch rechtzeitig in einen Orbit einschwenken konnte, auf dem es die Angreifer blockieren würde. Dann musste er den Blickwinkel ändern und überlegen, wie er am besten um diese Schiffe herumkommen konnte, um nach Ambaru zu gelangen. Es war schwierig und genauso unbefriedigend, als würde man gegen sich selbst Schach spielen. »Tanya, irgendwas stimmt hier nicht.«

»Was denn?« Sie beugte sich zu ihm rüber und schaute auf sein Display.

»Diese dunklen Schiffe sind so programmiert, dass sie das tun, was ich nach Meinung der Programmierer tun müsste, aber nicht das, was ich tatsächlich tun würde«, erklärte Geary.

»Nicht ausschließlich. Vieles in der Programmierung beruht auf den Schlachten, die Sie auch tatsächlich so geführt haben. Aber ich verstehe, was Sie meinen«, räumte sie ein. »Sie müssen wie der legendäre Held Black Jack denken, jedenfalls wie der Black Jack, den die Programmierer vor Augen hatten. Denn so werden die dunklen Schiffe denken. Was unternimmt also der große Held in genau dieser Situation?«

Er warf einen weiteren Blick auf die dunklen Schiffe: zwei Schlachtkreuzer, ein Schwerer Kreuzer und fünf Zerstörer. Dann nahm er sich seinen Plan zur Verteidigung von Ambaru vor. Zur Ersten Flotte gehörten noch einundzwanzig Schlachtschiffe, von denen derzeit etliche umfangreichen Reparaturen unterzogen wurden. Der Großteil von ihnen befand sich nicht in einem Orbit, der es ihnen erlauben würde, die dunklen Schiffe noch rechtzeitig zu blockieren. Damit blieben ihm sieben Schlachtschiffe, die er den dunklen Schiffen in den Weg stellen konnte, sollten sie tatsächlich Kurs auf Ambaru nehmen – Warspite, Vengeance, Resolution, Redoubtable, Colossus, Amazon und Spartan. Es standen auch noch mehrere Divisionen mit Leichten Kreuzern und Zerstörern zur Verfügung, aber nur die Schlachtschiffe würden die Verteidigung mit einem gepanzerten Schild versehen können.

»Admiral Geary … ich meine ich«, sagte er bedächtig zu Desjani. »Also ich würde eine weite Kurve fliegen und dabei nach oben oder unten ausweichen, damit ich die Blockade umgehen und nach Ambaru gelangen kann, lange bevor die schwerfälligen Schlachtschiffe auch nur irgendeine Hoffnung hegen können, sich auf eine neue Position zu begeben.«

»Was würde Black Jack tun?«, wollte Desjani wissen.

»Stellen Sie sich vor, Sie wüssten, was ich bei früheren Gefechten gemacht habe, aber Sie würden mich immer noch für den Black Jack aus den alten Geschichten halten.«

Sie überlegte kurz, dann sah sie ihn an. »Dieser Mann, dieser Black Jack, den wir alle von Kindesbeinen auf kannten, der wäre mit wehenden Fahnen in seinen Untergang geflogen. Wieder mal. Sieben Schlachtschiffe bilden den Kern dieses Abwehrschirms. Und Black Jack hat fünf Zerstörer, denen bald die Brennstoffzellen ausgehen.«

»Ja, fünf Zerstörer ohne Crew.«

»Die Programmierung der dunklen Schiffe muss aber Rücksicht auf Verluste nehmen«, machte Desjani ihm klar. »Sonst hätten diese Schiffe schon bei Atalia bis zum bitteren Ende gekämpft, anstatt das Sternensystem zu verlassen. Sie werden versuchen, ihre Schlachtkreuzer zu retten, selbst wenn sie bereit sein sollten, ihre Zerstörer zu opfern.«

Mit einem Finger wanderte er über sein Display und folgte dabei einer möglichen Flugbahn. »Das könnte ihnen gelingen. Sie würden Ambaru unter Beschuss nehmen, dann ändern sie ihren Vektor und nehmen Kurs auf diesen Sprungpunkt. Also gut. Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich deren Meinung nach tun werde. Dann wollen wir mal.«

Aus dieser gottgleichen Perspektive auf das Display vor seinem Platz erschienen die notwendigen Manöver ganz simpel. Dieses Schiff musste hierher, jenes dorthin und so weiter. In der Praxis war die Veränderung eines Orbits ziemlich komplex. Glücklicherweise waren das Komplexe daran die notwendigen Rechenoperationen, und Computer waren sehr gut darin, Rechenoperationen zu erledigen. Geary musste nur ein Schiff auswählen, den Steuersystemen der Dauntless sagen, wohin das Schiff sollte, und dann wurden die erforderlichen Befehle und Vektoren so schnell angezeigt, dass es schien, als sei überhaupt kein Zeitaufwand erforderlich gewesen.

Er schickte die Befehle an die betroffenen Schlachtschiffe, außerdem an die Befehlshaber der Divisionen aus Leichten Kreuzern und Zerstörern, die als Verstärkung für die Schlachtschiffe dienen sollten. Das Weltall war so gigantisch groß, dass die vielen Schiffe, die er mit seinen Befehlen neu positionierte, nur einen äußerst winzigen Schirm bildeten. Aber es ging auch nicht darum, eine Mauer zu errichten, sondern die mobilen Einheiten so anzuordnen, dass sie jedes Schiff abfangen konnten, das an ihnen vorbeizukommen versuchte.

»Was werden wir machen?«, fragte Desjani.

»Wir halten unseren Kurs, bis wir sehen, dass die dunklen Schiffe Kurs auf Ambaru nehmen«, sagte er.

»Wenn wir das machen, werden wir sie nicht mehr abfangen können, bevor sie die Station erreichen!«

»Ich weiß. Aber selbst wenn wir jetzt den Kurs ändern würden, könnten wir sie nicht mehr rechtzeitig einholen. Mit jeder Minute, die sie auf Kurs zum Hypernet-Portal bleiben, entfernen sie sich umso weiter von einem direkten Anflug auf Ambara. Das ermöglicht es uns, einen früheren Abfangpunkt anzustreben. Wir warten, bis es zur wahrscheinlichen Kursänderung der dunklen Schiffe keine drei Stunden mehr sind. Auf diese Weise können sie von unserer Vektoränderung nichts mitbekommen, bevor sie ihr eigenes Manöver ausführen. Wenn sie wüssten, was wir hier tun, würden sie wahrscheinlich früher ihren Kurs ändern und stärker beschleunigen, und damit würde es für uns unmöglich, sie noch abzufangen. Selbst wenn alles so abläuft, wie ich mir das vorstelle, wird es sehr eng werden. Und im schlimmsten Fall habe ich sechzehn Schwere Kreuzer, die ich losschicken kann, um die dunklen Schiffe zu stoppen, wenn sie an dem Schild aus Schlachtschiffen vorbeikommen sollten.«

»Sechzehn Schwere Kreuzer?« Desjani schüttelte den Kopf. »Gegen zwei von diesen Schlachtkreuzern?« Sie hielt nachdenklich inne. »Könnte funktionieren. Wenn sie die Schlachtkreuzer zumindest von ihrem Kurs abbringen und ihnen damit den Anflug für den Beschuss der Station verderben …«

»… dann besteht unsere Versicherung darin, dass wir noch Zeit haben, diese dunklen Schiffe zu erwischen«, führte Geary den Satz zu Ende.

Als noch zweieinhalb Stunden verblieben, bis die dunklen Schiffe das Hypernet-Portal erreichen würden, gab Geary weitere Befehle aus. Er war fest davon überzeugt, dass die dunklen Schiffe sein Manöver nicht zu sehen bekommen würden, ehe sie nicht ihre eigenen Vektoren längst geändert hatten. »An alle Schiffe der Eingreiftruppe Tänzer: Drehen Sie sofort null sechs vier Grad nach Steuerbord und null fünf Grad nach unten.« Die Dauntless reagierte sofort auf den Befehl. Ihre Steuerdüsen drehten den Bug in Richtung Stern und dabei auch ein wenig nach unten. Die anderen Schlachtkreuzer, Schweren Kreuzer, Leichten Kreuzer und Zerstörer führten exakt das gleiche Flugmanöver aus.

Eingreiftruppe Tänzer. So benannt, weil sie in aller Eile Raumschiffe mit Vertretern einer fremden Spezies nach Hause eskortiert hatten, die von den Menschen den Spitznamen Tänzer erhalten hatten. »Was würden wohl die Tänzer von dem Ganzen halten?«

»Die haben doch gesagt, dass sie bald wieder zurück sein würden«, entgegnete Desjani. »Was glauben Sie, wie viel die Tänzer über die dunklen Schiffe wussten? Und wie konnten sie Dinge entdecken, von denen wir keine Ahnung hatten?«

»Ich glaube, die Tänzer haben so ihre Quellen«, überlegte Geary. »Ich würde ebenfalls nur zu gerne wissen, wie sie das machen. Aber auch wenn sie für unsere Verhältnisse noch so hässlich anzusehen sind, kann ich nicht umhin, daran zu glauben, dass die Tänzer Verbündete der Menschheit sind.«

»Ich hoffe, Sie haben recht. Die Menschheit hat schon Feinde genug, bei den lebenden Sternen. Und die meisten von denen kommen aus heimischer Produktion.«

Geary hoffte, sein Display würde endlich einmal neue Informationen anzeigen, doch die Mortar und die Serpentine entfernten sich keinen Millimeter vom Hypernet-Portal. Er konnte sich nur zu gut in die Besatzungen dieser beiden Schiffe hineinversetzen, vermochte sich vorzustellen, wie sie den seltsamen Kurs von Gearys Schiffen mitverfolgten und dabei den unvollständigen oder widersprüchlichen Befehlen lauschten, die bei ihnen eingingen. Sie hatten die Schilde auf maximale Leistung hochgefahren, die Waffen waren aktiviert, und zweifellos scannten sie ihre Umgebung, um nach Bedrohungen aller Art zu suchen. Dabei ahnten sie nicht, dass die Software in ihren Komm-, Sensor- und Waffensystemen durch verborgene Unterprogramme angewiesen wurde, alles zu verbergen oder zu löschen, was mit den dunklen Schiffen zu tun hatte. Aber selbst wenn sie die dunklen Schiffe hatte näherkommen sehen, wäre nicht sicher gewesen, ob sich die beiden Kriegsschiffe der Allianz zurückgezogen hätten. Wie Geary nach seinem Erwachen aus dem Kälteschlaf hatte feststellen müssen, war in hundert Jahren Krieg zwischen den Syndikatwelten und der Allianz das Wissen verloren gegangen, wie man einen militärischen Sieg errang. An dessen Stelle war die kompromisslose Einstellung getreten, den Erfolg zu erzwingen, selbst wenn man bei dem Versuch sein Leben verlor. Die beiden Zerstörer ließen bis zum Kontakt keinerlei Ausweichmanöver erkennen, und sie eröffneten auch nicht das Feuer, als die dunklen Schiffe in Reichweite kamen.

Die dunklen Schiffe rasten an der Mortar und der Serpentine vorbei und nahmen die Allianz-Zerstörer mit allem unter Beschuss, was sie zu bieten hatten. Für die Zerstörer kam die Attacke scheinbar aus dem Nichts, allerdings blieb auch niemandem an Bord noch genug Zeit, um mit Entsetzen zu reagieren. Die Schilde brachen unter den Treffern der Höllenlanzen zusammen, danach stellte die dünne Panzerung dieser Schiffe kein Hindernis mehr dar. Die Mortar verging in einer Staubwolke, als die Hauptantriebseinheit explodierte und das Schiff pulverisierte. Die Serpentine wurde in mehrere Teile zerrissen, die hilflos davontrieben. Die wenigen Überlebenden brachten sich mit einer kläglich geringen Anzahl Rettungskapseln in Sicherheit.

Das alles war vor fast drei Stunden geschehen, doch das Licht, das den Tod der beiden Zerstörer zeigte, erreichte erst jetzt die Dauntless. Nur wenige Menschen konnten solche Bilder ansehen und sich dabei vor Augen halten, dass sie nicht etwas mitverfolgten, was gerade eben erst geschah.

»Zumindest werden uns jetzt alle glauben«, sagte Desjani leise und wütend. »Das hat jeder gesehen.«