Die verschollene Flotte: Black Jack - Jack Campbell - E-Book

Die verschollene Flotte: Black Jack E-Book

Jack Campbell

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Beschreibung

Captain Geary hat das Kommando über eine Flotte, die in feindlichem Territorium gestrandet ist. Sein Auftrag: möglichst alle Schiffe unbeschadet nach Hause bringen. Die Realität: unzählige Feinde auf dem Weg.
Gearys einzige Chance scheint es, den übermächtigen Gegner zu überraschen. Er ordert seine Flotte ins Sancere-System - tief im Feindesland. Diese Entscheidung bringt ihm viel Unverständnis entgegen, und Geary muss sich einer großangelegten Meuterei in den eigenen Reihen stellen ...

Die verschollene Flotte - spannungsgeladene Space Opera des Bestseller-Autors Jack Campbell um einen Offizier, der zu den eindrucksvollsten Figuren der modernen Science-Fiction zählt. Für alle Fans von Honor Harrington und Battlestar Galactica!

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Danksagung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

 

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Über dieses Buch

Captain Geary hat das Kommando über eine Flotte, die in feindlichem Territorium gestrandet ist. Sein Auftrag: möglichst alle Schiffe unbeschadet nach Hause bringen. Die Realität: unzählige Feinde auf dem Weg.

Gearys einzige Chance scheint es, den übermächtigen Gegner zu überraschen. Er ordert seine Flotte ins Sancere-System – tief im Feindesland. Diese Entscheidung bringt ihm viel Unverständnis entgegen, und Geary muss sich einer großangelegten Meuterei in den eigenen Reihen stellen …

JACK CAMPBELL

DIE VERSCHOLLENE FLOTTE

BLACK JACK

Aus dem amerikanischen Englisch vonRalph Sander

Für Stanley Schmidt, einen großartigen Redakteur und Autor und einen sehr anständigen Menschen. Danke, dass du so vielen Autoren – auch mir – geholfen hast, ihr Handwerk besser zu beherrschen.

Trotz dieser Widmung bin ich davon überzeugt, dass Stan mir auch weiterhin wie üblich alles zurückschickt, was nicht seinen Ansprüchen genügt.

Danksagung

Ich danke meiner Redakteurin Anne Sowards für ihren unbezahlbaren Rückhalt und ihren Einsatz, außerdem meinem Agenten Joshua Bilmes für seine wertvollen Vorschläge und seinen Beistand. Ein Danke geht auch an Catherine Asaro, Robert Chase, J. G. (Huck) Huckenpöhler, Simcha Kuritzky, Michael LaViolette, Aly Parsons, Bud Sparhawk und Constance A. Warner für ihre Ideen, Anmerkungen und Empfehlungen. Und an Charles Petit geht ein Dankeschön für seine Vorschläge zu Weltraumschlachten.

Eins

Plötzlich tauchten Schiffe vor der Schwärze des Alls auf. Ganze Geschwader von Zerstörern und leichten Kreuzern nahmen aus dem Nichts kommend Gestalt an, gefolgt von schweren Kreuzern und Schlachtschiffen, allesamt gewaltige Plattformen für die todbringendsten Waffen, die je von Menschenhand geschaffen wurden. In der Ferne markierte ein greller Lichtpunkt den Stern, dem die Menschheit den Namen Sutrah gegeben hatte und der so weit entfernt war, dass die Menschen auf der Welt im Orbit um diesen Stern erst in gut fünf Stunden sehen würden, wie die Allianz-Flotte in ihr System geflogen kam.

Die Flotte, die hier in den Normalraum gesprungen war, machte einen ungeheuer schlagkräftigen Eindruck, wie sie so in Formation auf Sutrah zusteuerte. Man sollte kaum glauben, dass es irgendetwas gab, was diese Schiffe fürchten könnten. Doch in Wahrheit rannte die Allianz-Flotte sprichwörtlich um ihr Leben. Und das tief im feindlichen Territorium der Syndikatwelten gelegene System Sutrah war nur ein Zwischenstopp auf einem Weg, der die Flotte in Sicherheit bringen sollte.

»Wir haben leichte Kriegsschiffe der Syndiks geortet, zehn Lichtminuten voraus, zehn Grad nach Steuerbord.«

Captain John »Black Jack« Geary saß im Kommandosessel auf der Brücke des Allianz-Kreuzers Dauntless und spürte, wie sich seine angespannten Muskeln allmählich lockerten, da offensichtlich wurde, dass er einmal mehr richtiggelegen hatte. Man konnte auch sagen, die Befehlshaber der Syndikatflotte hatten falsch getippt, aber das lief auf dasselbe hinaus. Letztlich bedeutete es nämlich, dass das Gebiet rund um den Sprungpunkt nicht vermint worden war, und die bislang in einiger Entfernung festgestellten feindlichen Kriegsschiffe stellten keine Bedrohung für Gearys Flotte dar.

Nein, die größte Gefahr für sein Schiff lauerte vielmehr in den eigenen Reihen.

Gearys Blick wich nicht von dem dreidimensionalen Display, das vor seinen Platz projiziert wurde, da er sehen wollte, ob die geordnete Allianz-Formation wohl in Chaos zerfiel, wenn zum wiederholten Mal alle Commander ihre Disziplin über Bord warfen, um die Syndik-Schiffe zu verfolgen und zu vernichten.

»Captain Desjani«, wies er die Befehlshaberin der Dauntless an. »Senden Sie bitte eine Aufforderung an diese Kriegsschiffe, sich unverzüglich zu ergeben.«

»Ja, Sir.« Tanya Desjani hatte mittlerweile gelernt, ihre Reaktionen auf Gearys altmodische und (nach modernen Maßstäben) nachsichtige Einstellungen zu verbergen, die unter anderem zur Folge hatten, dass einer feindlichen Streitkraft zuerst einmal die Möglichkeit einer Kapitulation eingeräumt wurde, obwohl man sie mühelos hätte vernichten können.

Geary hatte nach und nach herausgefunden, warum sie und die anderen in der Flotte so dachten. Die Syndikatwelten waren für ihre grausamen Herrscher berüchtigt, und für die Allianz selbstverständliche Dinge, wie die persönliche Freiheit und Gerechtigkeit, waren diesen Leuten fremd. Die grundlosen Überraschungsangriffe durch die Syndiks, durch die dieser Krieg erst ausgelöst worden war, hatten einen anhaltenden bitteren Nachgeschmack hinterlassen, und im Verlauf des seit Kriegsbeginn verstrichenen Jahrhunderts war den Syndiks keine Taktik zu schäbig gewesen, wenn sie dadurch einen Sieg erringen konnten. Für Geary war die Erkenntnis ein Schock gewesen, dass die Allianz sich nicht zu schade war, sich auf das gleiche Niveau zu begeben, um begangenes Unrecht zu rächen. Und auch wenn er inzwischen verstand, wie es dazu gekommen war, würde er dieses Verhalten niemals tolerieren. Er bestand darauf, dass sie sich an die alten Spielregeln hielten, wie er sie noch gelernt hatte. Spielregeln, die dafür sorgten, dass die Kämpfenden sich nicht so schändlich verhielten wie ihre Feinde.

Mindestens zum zehnten Mal, seit er sich hingesetzt hatte, überprüfte er die Systemanzeige, obwohl er sie bereits auswendig kannte. Der Sprungpunkt, durch den seine Flotte in den Normalraum zurückgekehrt war, lag nicht ganz fünf Lichtstunden von Sutrah entfernt. Zwei Welten in diesem System waren bewohnt, aber die der Flotte am nächsten gelegene war immer noch neun Lichtminuten von der Sonne entfernt, sodass man dort die Ankunft der Allianz-Flotte in frühestens viereinhalb Stunden feststellen würde. Die zweite Welt war mit nur siebeneinhalb Lichtminuten Abstand zur Sonne sogar noch weiter von Gearys Schiffen entfernt. Auf dem Transitflug durch das Sutrah-System zum nächsten Sprungpunkt am anderen Ende würde sich die Flotte keinem der beiden Planeten nähern müssen.

Rund um die Darstellung der Allianz-Schiffe auf dem Systemdisplay kennzeichnete eine sich ausweitende Blase den Bereich, in dem man die Ereignisse annähernd in Echtzeit mitverfolgen konnte. Im Moment konnte die Flotte die nächste bewohnte Welt so sehen, wie sie sich vor viereinhalb Stunden gezeigt hatte. Das war eine passable Zeitspanne, aber sie bedeutete auch viel Spielraum für unerwartete Ereignisse und unerfreuliche Überraschungen, von denen man erst erfuhr, wenn das Licht einen endlich erreichte. Sutrah selbst konnte theoretisch vor vier Stunden explodiert sein, das Ereignis selbst würden sie dennoch erst in fast einer Stunde sehen.

»Blauverschiebung bei den Syndik-Schiffen«, meldete ein Wachhabender, der seine Enttäuschung nicht verbergen konnte.

»Sie ergreifen die Flucht«, fügte Desjani unnötigerweise an.

Geary nickte nachdenklich. Die Syndik-Streitmacht bei Corvus war ihnen hoffnungslos unterlegen gewesen, und trotzdem hatten sie angegriffen, wobei von vier Schiffen am Ende nur eines überlebte. Der dortige Syndik-Befehlshaber zitierte Flottenvorschriften, die einen selbstmörderischen Angriff von ihnen verlangten. Warum benehmen diese Syndiks hier sich anders? »Warum?«, fragte er laut.

Captain Desjani sah überrascht zu Geary. »Weil sie feige sind.«

Er brachte es fertig, sie nicht wutentbrannt zurechtzuweisen. So wie viele andere Matrosen und Offiziere der Allianz war sie so lange mit Propaganda über den Feind gefüttert worden, dass sie schließlich jedes Wort glaubte, selbst wenn es keinen Sinn ergab. »Captain, drei Syndik-Schiffe bei Corvus haben bis zu ihrer Vernichtung gekämpft. Warum fliehen dann diese hier?«

Desjani grübelte, schließlich erklärte sie: »Syndiks befolgen rigoros ihre Befehle.«

Das schien eine zutreffende Einschätzung zu sein, die zu allem passte, was Geary einmal gewusst und was er inzwischen zu sehen bekommen hatte. »Dann hat man ihnen den Befehl erteilt, vor uns davonzufliegen.«

»Um unsere Ankunft im Sutrah-System zu melden«, folgerte Desjani. »Aber zu welchem Zweck? Wenn sie an den anderen Sprungpunkten leichte Einheiten postiert haben, und wir sehen, dass das vor einigen Stunden der Fall war, welchen Nutzen soll es dann bringen, wenn jemand genau hier wartet? Ihr Bericht geht so oder so mit Lichtgeschwindigkeit raus, und da sie nicht an uns vorbeikommen, um den nächsten Sprungpunkt zu erreichen, können sie auch nicht schnell aus dem System springen.«

Geary war in die Darstellung auf dem Display vertieft. »Völlig richtig. Warum also?« Wieder betrachtete er die Formation seiner Flotte und stellte mit einem erleichterten Aufatmen fest, dass noch immer niemand ausgeschert war. »Augenblick mal.« Innerhalb eines Sternensystems wurden Richtungsangaben stets mit Bezug auf die Umgebung eines Schiffs gemacht, damit andere Schiffe wussten, was gemeint war. Alles oberhalb der Systemebene wurde als »oben«, bezeichnet, alles darunter als »unten«. Zur Sonne weisend lag alles »rechts« oder »steuerbord« (oder sogar »sternenbord«, wie manche durchzusetzen versuchten), die entgegengesetzte Richtung war »links« oder »backbord«. Nach diesem allgemeingültigen Bezugssystem befanden sich die leichten Kriegsschiffe der Syndiks momentan unterhalb der Flotte und bewegten sich nun nach links oben. Warum sollten sie in eine Richtung fliehen, die sie nur näher an seine Flotte heranbrachte? Es sei denn, diese Aktion diente einem ganz anderen Zweck.

Geary zeichnete eine Kurve zwischen seinem Schiff und der Syndik-Gruppe ein, die durch ein Gebiet führte, das die Syndiks nicht durchflogen hatten. »Ich brauche ein gutes Bild von dieser Region da, und zwar schnell!«

Desjani sah ihn erschrocken an, gab den Befehl aber weiter. Er wartete noch auf die Reaktion, da bemerkte er, wie sich drei Zerstörer und ein schwerer Kreuzer aus der Formation lösten und mit voller Beschleunigung einen Satz nach vorn machten, um die fliehenden Syndiks aufzuhalten. Nein! Ihr Idioten! Sofort tippte Geary eine Taste an seiner Konsole. »Alle Einheiten! Kurs um drei null Grad nach oben ändern. Ich wiederhole: drei null Grad nach oben! Sofort ausführen! Auf unserer geplanten Flugbahn befinden sich Minen.«

Er brauchte einen Moment, um die vier Schiffe zu identifizieren, die aus der Formation ausgeschert waren. »Anelace, Baselard, Mace, Cuirass! Verlassen Sie auf der Stelle Ihren derzeitigen Kurs! Drei null Grad nach oben! Sie fliegen geradewegs in ein Minenfeld!«

Dann blieb Geary nichts anderes übrig, als auf das Display zu starren und zu warten. Die Flotte war über einen Bereich von mehreren Lichtminuten verteilt, und das vorderste Schiff der Gruppe würde den Befehl erst in zwei Minuten empfangen. Die drei Zerstörer und der Kreuzer Cuirass waren sowieso schon gut eine Lichtminute entfernt, und bei voller Beschleunigung konnte man in dieser Zeit eine weite Strecke zurücklegen.

Eine Wachhabende auf der Brücke der Dauntless erstattete laut Meldung. »Anomalien auf der geplanten Route festgestellt. Mit mehr als achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um getarnte Minen. Empfehle Ausweichkurs.«

Desjani gab ein Handzeichen, um die Meldung zu bestätigen, dann schaute sie ihn voller Bewunderung an. Geary wurde bewusst, dass auch die anderen Offiziere und Matrosen auf der Brücke ihm Blicke zuwarfen, die einer Heldenverehrung gleichkamen. Obwohl er damit schon seit Monaten leben musste, hasste er dieses Verhalten noch immer so sehr wie am ersten Tag. »Woher wussten Sie das, Captain Geary?«, fragte Desjani.

»Es war zu offensichtlich«, erläuterte er und rutschte unbehaglich auf seinem Platz hin und her, da die anderen Brückenoffiziere ihn weiter musterten. »Die Kriegsschiffe waren weit genug vom Sprungpunkt entfernt, um nicht mit eintreffenden Feinden aneinanderzugeraten, aber sie waren immer noch nah genug, damit sie andere Syndik-Schiffe warnen konnten. Dazu kommt der Kurs, den sie geflogen sind. Der schien darauf abzuzielen, dass wir bei ihrer Verfolgung ein bestimmtes Gebiet durchqueren.« Er ließ unausgesprochen, was sie beide wussten: Wäre diese Flotte noch der gleiche undisziplinierte Haufen gewesen, mit dem er nach Corvus geflogen war, dann würden nicht nur vier, sondern fast alle Schiffe nichtsahnend auf das Minenfeld zusteuern.

Die breit gefächerte Formation aus Allianz-Schiffen begann, sich in der Mitte durchzubiegen, da die nächstgelegenen Schiffe bereits reagierten, ehe auch die weiter entfernten den Befehl zur Kursänderung erhielten. Das Bild erinnerte Geary an einen Mantarochen, dessen Körper schon im Aufsteigen begriffen war, während sich die Flossen noch ein Stück tiefer befanden.

Er wartete ab und sah auf die drei Zerstörer und den Kreuzer, die ihren Kurs unverändert beibehielten, als sei die Verfolgung der Flüchtenden das Einzige, was zählte. Er überprüfte die Zeit. Fünf Minuten waren verstrichen. Da der Befehl bei Lichtgeschwindigkeit eine Minute benötigte, um die Schiffe zu erreichen, und eine Reaktion nach einer weiteren Minute erkennbar werden konnte, waren drei zusätzliche Minuten in einer Notsituation wie dieser einfach zu viel Zeit, wenn rein gar nichts geschah. »Anelace, Baselard, Mace, Cuirass! Ändern Sie sofort Ihren Kurs nach oben, maximale Kurskorrektur. Vor Ihnen liegt ein Minenfeld. Bestätigen Sie den Befehl und machen Sie sofort kehrt!«

Wieder eine Minute. »Wie weit sind sie von diesen Anomalien entfernt?«, fragte er und versuchte, einen ruhigen Tonfall zu wahren.

»Auf dem momentanen Kurs …«, Desjani tippte hastig auf ihre Kontrollen, um die Zeit zu berechnen. »… werden sie in dreißig Sekunden dort sein.« Sie sprach ruhig und diszipliniert. In ihrer noch recht kurzen Karriere hatte sie den Tod zahlreicher Allianz-Schiffe miterlebt und etliche Matrosen der Allianz sterben sehen. Geary war diese Tatsache erst nach und nach bewusst geworden, und jetzt wurde ihm klar, dass Desjani auf ihre Erfahrungen zurückgriff und sich für das wappnete, was wohl nicht mehr zu vermeiden war.

Dreißig Sekunden. Zu wenig, um noch einen weiteren Befehl zu senden. Geary wusste, dass einige Befehlshaber innerhalb seiner Flotte eigentlich nicht dazu geeignet waren, ein Schiff zu führen, während viele andere immer noch an dem Gedanken festhielten, nichts sei glorreicher, als ohne zu zögern und gedankenlos auf den Feind loszustürmen. Es würde noch lange dauern, bis er ihnen beigebracht hatte, dass ein guter Krieger nicht nur Mut bewies, sondern auch seinen Verstand einsetzte – falls es ihm überhaupt gelingen sollte. Aber das erklärte nicht, welcher Wahnsinn von diesen vier Captains Besitz ergriffen hatte, seine ausdrücklichen Befehle zu ignorieren und auf das Minenfeld zuzuhalten. Sie mussten so sehr auf die feindlichen Schiffe fixiert sein, dass ihnen alles andere egal war, Hauptsache, sie gelangten in Feuerreichweite zu den Syndiks.

Vielleicht würden die Schiffe lange genug im Minenfeld überleben, um eine andere Warnung auszusprechen. Während er versuchte, sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen, rief er sie erneut: »Anelace, Baselard, Mace, Cuirass! Hier spricht der Befehlshaber der Flotte. Sie begeben sich in ein Minenfeld. Ändern Sie sofort Ihren Kurs. Maximale Kurskorrektur!«

Er wusste, sie flogen jetzt in das Minenfeld hinein. Das Licht der vier Schiffe war eine halbe Minute alt, und während er sie noch unversehrt weiterfliegen sah, waren sie vermutlich schon mit den ersten Minen kollidiert. Ihm blieb nichts weiter zu tun, als das Display zu betrachten und auf das Unvermeidbare zu warten. Er wusste, dass den Besatzungen dieser Schiffe nur noch ein Wunder helfen konnte, und genau dafür betete er insgeheim.

Das Wunder ereignete sich nicht. Exakt eine Minute und sieben Sekunden nach Desjanis Warnung sah Geary auf seinem Display etliche Explosionen aufleuchten, als die drei Zerstörer in die dicht beieinander platzierten Minen rasten und von den Detonationen zerfetzt wurden. Besatzungsmitglieder und Trümmerstücke wurde durchs All geschleudert, doch die Minen waren intelligent genug, um auf diese Berührungen nicht zu reagieren.

Wenige Sekunden später sah Geary, dass die Cuirass endlich zu einem Wendemanöver angesetzt hatte, doch das kam viel zu spät, da die Vorwärtsbewegung den Kreuzer unerbittlich in die Minen trieb. Ein Sprengkörper verursachte ein großes Loch mittschiffs, ein zweiter riss einen beträchtlichen Teil des Hecks weg, dann verloren die optischen Sensoren der Dauntless vorübergehend den Kreuzer aus den Augen, da seine Trümmer und die der Zerstörer die Sicht auf das Wrack nahmen.

Geary benetzte seine plötzlich trocken gewordenen Lippen und dachte an die Matrosen, die einen völlig sinnlosen Tod gestorben waren. Er ignorierte seine Gefühle und konzentrierte sich ganz auf seine nächste Aufgabe, während er das Display studierte. »Zweites Zerstörergeschwader, Sie werden sich vorsichtig in die Nähe der Unglücksstelle begeben und nach Überlebenden suchen. Ohne meinen ausdrücklichen Befehl werden Sie nicht in das Minenfeld hineinfliegen.« Vermutlich gab es nicht einen einzigen Überlebenden. Die vier Schiffe waren so schnell zerstört worden, dass es kaum jemand bis in eine Rettungskapsel geschafft haben konnte. Trotzdem war dies eine notwendige Maßnahme, um sicherzustellen, dass niemand in die Hände der Syndiks fiel und in einem ihrer berüchtigten Arbeitslager endete.

Eine Minute verstrich unendlich langsam. »Hier Zweites Zerstörergeschwader, haben verstanden. Machen uns auf die Suche nach Überlebenden.« Die Stimme des Geschwaderführers klang bedrückt.

Wieder warf Geary einen Blick auf seine Formation, die nun komplett auf neuem Kurs war und über die Ebene des Sutrah-Systems aufstieg, um das Minenfeld, das auf dem Display nun mit deutlichen Warnzeichen versehen war, in einem Bogen zu umfliegen. »Alle Einheiten, Kurs ändern um zwei null Grad nach unten bei Zeit eins fünf.«

Alle sahen ihn an und schienen eine Ansprache zu erwarten, wie heldenhaft diese vier Crews ihr Leben verloren hatten. Geary stand auf, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengekniffen, und verließ kopfschüttelnd die Brücke, da er seiner Stimme nicht vertrauen konnte. Über Tote sollte man nicht schlecht reden, und er wollte nicht auf der Brücke über die Dummheit der eitlen Commander dieser Schiffe reden, die ihre Crews ermordet hatten.

Obwohl sich genau das zugetragen hatte …

Victoria Rione, Co-Präsidentin der Callas-Republik und Mitglied im Senat der Allianz, wartete an der Tür zu seiner Kabine auf ihn. Geary nickte ihr knapp zu, dann trat er ein, ohne sie ausdrücklich hereinzubitten. Sie folgte ihm dennoch und blieb stehen, während er wütend die Sternenlandschaft betrachtete, die eine Wand schmückte. Sie hatte keinerlei Befehlsgewalt über die Flotte, aber als Senatorin stellte sie eine so hochrangige Regierungsvertreterin der Allianz dar, dass er sie nicht rauswerfen konnte. Außerdem hörten die zur Flotte gehörenden Schiffe der Callas-Republik und der Rift-Föderation auf Riones Befehl, falls sie zu dem Entschluss käme, nicht länger mit Gearys Vorgehen einverstanden zu sein. Er musste sich dieser Zivilistin und Politikerin gegenüber diplomatisch verhalten, auch wenn er am liebsten wahllos irgendjemanden angeschrien hätte.

Schließlich begnügte er sich mit einem finsteren Blick. »Was wollen Sie, Madam Co-Präsidentin?«

»Von Ihnen erfahren, welche Wut Sie momentan auffrisst«, erwiderte sie ruhig.

Einen Moment lang sackte er in sich zusammen, dann schlug er mit der Faust nach der Sternenlandschaft, die kurz flimmerte und sich gleich wieder beruhigte. »Wieso? Wieso kann irgendjemand so dämlich sein?«

»Ich habe diese Flotte bei Corvus erlebt, Captain Geary. Die Taktik der Syndiks hätte dort die Hälfte aller Schiffe ausgelöscht. Aber das war zu einem Zeitpunkt, als Sie diesen Leuten noch keine Nachhilfestunden in Sachen Disziplin erteilt hatten.«

»Soll ich mich jetzt besser fühlen?«, fragte er bitter.

»Ja, das sollten Sie.«

Mit einer Hand rieb er sich übers Gesicht. »Ja«, stimmte er ihr müde zu. »Das sollte ich tatsächlich. Aber schon ein einziges Schiff … und wir haben sogar vier verloren.«

Rione sah ihn eindringlich an. »Immerhin können die vier noch als abschreckendes Beispiel dafür dienen, wie wichtig es ist, Befehle zu befolgen.«

Sein Blick war nicht weniger eindringlich, während er grübelte, ob sie ihre Worte wohl ernst meinte. »Das ist für meinen Geschmack etwas zu kaltblütig, Madam Co-Präsidentin.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Sie müssen das realistisch betrachten, Captain Geary. Bedauerlicherweise gibt es immer wieder Leute, die einfach nicht lernen wollen, bis sie sehen, wie ihre eigene Dummheit ihnen einen Schlag ins Gesicht verpasst.« Sie wurde leiser und schloss die Augen. »So wie es gerade eben passiert ist.«

Also schmerzte sie der Verlust sehr wohl, stellte Geary erleichtert fest. Als die einzige Zivilistin der Flotte, als Einzige, die nicht seinem Kommando unterstand, vermittelte sie ihm das Gefühl, sich ihr anvertrauen zu können. Allmählich gelangte er auch zu der Einsicht, dass sie ihm sympathisch war, was für ihn nach einem Jahrhundert in völliger Isolation ein seltsames Gefühl darstellte. Immerhin umgaben ihn seit seinem Aufwachen aus dem Kälteschlaf Menschen, deren Kultur sich im Großen ebenso wie im Kleinen zum Teil radikal verändert hatte.

Rione sah ihm wieder in die Augen. »Sie fragen nach dem Grund, Captain Geary? Ich kann nicht von mir behaupten, eine Expertin auf militärischem Gebiet zu sein, aber die Commander dieser vier Schiffe hatten gesehen, dass Ihre Vorgehensweise funktionierte. Sie hatten erlebt, wie Ihre Taktiken aus alten Zeiten zum Erfolg führten. Sie waren Zeuge geworden, wie eine große Syndik-Streitmacht komplett zerschlagen wurde. Wie konnten sie da allen Ernstes glauben, es sei ein kluger Zug, auf den Feind loszustürmen?«

Geary schüttelte den Kopf, ohne sie anzublicken. »Weil die Menschheit das Pech hat, dass es in der Militärgeschichte genügend Befehlshaber gibt, die ihre erfolglosen Taktiken wieder und wieder zur Anwendung bringen und immer auf die gleiche Weise kämpfen, obwohl ihre eigenen Streitkräfte vor ihren Augen stetig dezimiert werden. Ich will gar nicht erst so tun, als könnte ich das erklären, aber leider gibt es diese Leute: Befehlshaber, die weder kurz- noch langfristig aus ihren Fehlern lernen, sondern ihre Untergebenen weiter in den Tod schicken, als müsste ihre Taktik Erfolg haben, wenn sie sie nur lange genug verfolgen.«

»Aber es sind doch nicht alle Befehlshaber so.«

»Nein, natürlich nicht. Allerdings kommt es mir so vor, als würden sie sich vor allem in den höchsten Dienstgraden tummeln, wo sie das meiste Unheil anrichten können.« Schließlich sah er sie wieder an. »Viele dieser Commander sind gute, tapfere Matrosen. Doch sie haben ihre ganze Karriere damit verbracht, auf die eine Art zu kämpfen, die man ihnen befohlen hat. Es dauert eine Weile, bis man diese Leute davon überzeugt hat, dass Veränderung nichts Schlechtes sein muss. Veränderungen beim Militär lassen sich nicht so leicht durchsetzen, selbst wenn es um die Rückkehr zu bewährten Taktiken aus der Vergangenheit geht. Es ist und bleibt eine Veränderung, mit der einem etwas Vertrautes weggenommen wird.«

Seufzend schüttelte Rione den Kopf. »Ich habe viele alte Traditionen gesehen, die vom Militär hochgehalten werden, und manchmal frage ich mich, ob sich davon nicht zu viele Menschen angezogen fühlen, denen das Festhalten an alten Zöpfen wichtiger ist als neue Errungenschaften.«

»Mag sein«, räumte Geary schulterzuckend ein. »Aber aus diesen Traditionen kann man auch Kraft schöpfen. Sie sagten mir einmal, diese Flotte sei spröde und könne allzu leicht zerschlagen werden. Wenn es mir gelingt, ihr neue Kraft zu geben und sie zu festigen, dann wird das zu einem großen Teil auch daran liegen, dass ich auf alte Traditionen zurückgreifen kann.«

Sie akzeptierte seine Worte, ohne dabei erkennen zu lassen, ob sie ihm auch glaubte. »Ich habe Informationen für Sie, die vielleicht teilweise behilflich sein können, das Verhalten dieser vier Commander zu erklären. Seit wir den Sprungraum verlassen haben und das Komm-Netz wieder aktiv wurde, meldeten mir einige meiner Quellen, dass Gerüchte in der Flotte die Runde machen. Gerüchte, wonach Sie Ihren Kampfgeist verloren haben sollen und lieber Syndik-Kriegsschiffe entkommen lassen, um irgendwann später gegen sie zu kämpfen, wenn Sie damit ein Gefecht jetzt und hier vermeiden können.«

Ungläubig musste Geary laut lachen. »Wie kann nach Kaliban noch irgendwer so etwas glauben? Wir haben diese Syndik-Flotte aufgerieben. Es ist niemand davongekommen.«

»Die Leute glauben, was sie glauben wollen«, stellte Rione fest.

»Sie meinen so, wie Black Jack Geary ein mythischer Held ist?«, frage er mürrisch. »Erst wollen sie mich anbeten, mich, den Krieger aus der Vergangenheit, der diese Flotte retten wird, indem er einen hundert Jahre alten Krieg gewinnt. Und dann wieder verbreiten sie Gerüchte über mich, ich sei unfähig oder ängstlich.« Schließlich setzte er sich hin und bedeutete Rione, ihm gegenüber Platz zu nehmen. »Und was verraten Ihnen Ihre Spione in der Flotte noch so alles, Madam Co-Präsidentin?«

»Spione?«, wiederholte sie überrascht, als sie sich hinsetzte. »Das klingt so abfällig.«

»Abfällig ist es nur, wenn die Spione für den Feind arbeiten.« Er stützte das Kinn auf eine Faust und musterte Rione. »Sind Sie mein Feind?«

»Sie wissen, ich misstraue Ihnen«, erwiderte sie. »Anfangs fürchtete ich die Heldenverehrung, die Sie für die Allianz zu einer genauso großen Bedrohung wie die Syndiks hätte machen können. Jetzt liegt es daran, dass Sie sich als sehr fähiger Mann erwiesen haben, was eine noch gefährlichere Kombination ergibt.«

»Aber solange ich im Interesse der Allianz handele, stehen wir auf der gleichen Seite, oder?«, fragte Geary mit einem Anflug von Sarkasmus. »Mir macht Sorgen, was mir der Hinterhalt mit dem Minenfeld über unseren Feind verrät, Madam Co-Präsidentin.«

Sie stutzte. »Was könnte Ihnen das über unseren Feind verraten, was wir nicht längst wissen?«

»Es verrät, dass die Syndiks ihren Kopf gebrauchen. Sie sind schlau, was sie auch schon bewiesen haben, als sie diese Flotte dazu veranlassten, das Hypernet zu benutzen, um in eine Falle zu laufen, die dem Krieg ein Ende hätte setzen können.«

»Was ihnen auch gelungen wäre, wenn nicht überraschend der über hundert Jahre alte Held der Allianz Captain Black Jack Geary eingegriffen hätte«, fügte Rione halb im Scherz hinzu. »Jener Held, der am Rande des Todes stehend in einer vergessenen Rettungskapsel gefunden wurde, ganz so, wie ein König aus der Antike einem Wunder gleich zum Leben erweckt wird, um sein Volk zu retten, wenn die Not am größten ist.«

Er verzog das Gesicht. »Für Sie mag das witzig sein, weil Sie nicht mit Leuten zurechtkommen müssen, die Sie für diese Person halten.«

»Ich sagte Ihnen schon, dass Sie diese Person sind, und nein, ich finde das nicht witzig.«

Geary wünschte, er würde sie besser verstehen. Seit seiner Rettung hatte er nur mit dem Militär zu tun, und einige der dortigen kulturellen Veränderungen nach einhundert Jahren Krieg waren für ihn schon böse Überraschungen gewesen. Aber seine einzige Verbindung zur zivilen Kultur stellte diese Frau dar, und die verschwieg ihm einiges. Wie viel sich zu Hause verändert hatte, konnte er aus ihr nicht herausholen, dabei hätte er es so gern gewusst.

Aber Rione wird mir nicht helfen, die zivile Kultur der Allianz besser zu verstehen, weil sie glaubt, ich könnte dieses Wissen benutzen, um eine größere Bedrohung für die Regierung zu werden. Vielleicht wird sie mir ja eines Tages so weit vertrauen, dass sie mir diese Dinge verrät. Er lehnte sich vor und bediente die Kontrollen auf der Tischplatte, mit denen er auch nach Monaten in dieser Kabine noch nicht vollständig vertraut war. Ein Bild von Sutrah nahm Gestalt an, gleich neben einer größeren Darstellung der Sterne in der Nähe dieser Sonne. »Wir werden den Rest des Weges sehr sorgfältig zurücklegen. Ich nehme an, die Syndiks haben an den anderen Sprungpunkten auch Minenfelder eingerichtet, aber wir können sie aufspüren und ihnen aus dem Weg gehen.«

Rione zeigte auf die Symbole auf dem Display. »Diese beiden Militärbasen der Syndiks … Stellen die eine Bedrohung dar?«

»Sieht nicht so aus. Allem Anschein nach sind sie veraltet, also genau das, was man von einem System erwarten kann, das nicht an das Syndik-Hypernet angeschlossen ist.« Eine Weile betrachtete er die Symbole der Basen und dachte darüber nach, wie sehr sich durch das Hypernet alles verändert hatte, was er kannte. Das Hypernet, das schneller war als die bisherigen Sprünge mit Überlichtgeschwindigkeit, hatte das interstellare Reisen revolutioniert und unzählige Sternensysteme wie abgebrochene Zweige eines Baums verkümmern lassen, wenn sie nicht Besonderes vorweisen konnten, das die Kosten für die Installation eines Portals rechtfertigte.

Geary tippte auf die Aktualisierungstaste, damit die jüngsten Informationen zum Sutrah-System angezeigt wurden. Die einzige Veränderung fand sich bei den leichten Syndik-Kriegsschiffen, die seine vier Schiffe in das Minenfeld gelockt hatten. Die waren noch immer auf der Flucht und zogen sich mit einer Geschwindigkeit von 0,2 Licht zurück. Sie hatten ihre Schiffe so extrem beschleunigt, dass die Trägheitskompensatoren am Rande ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sein mussten und die Crew zweifellos in ihre Sitze gepresst wurde. Eine Verfolgung war sinnlos, denn sie konnten einfach weiter davonfliegen, während die Allianz-Flotte sich früher oder später zu einem der Sprungpunkte begeben musste, um Sutrah verlassen zu können. Dennoch löste der Anblick der Schiffe bei Geary Verärgerung aus, da er wusste, dass Vergeltung nicht zur Debatte stand.

Doch die List der Syndiks störte ihn noch aus ganz anderen Gründen, die Rione nicht zu verstehen schien. Das Überleben dieser Flotte hing davon ab, dass Geary die richtigen und das Syndik-Kommando die falschen Entscheidungen traf. Wenn die Syndiks ihre Selbstüberschätzung abgelegt hatten und sorgfältig zu planen begannen, dann war Geary möglicherweise nicht mehr in der Lage, dem Feind einen Schritt voraus zu sein, und die Allianz-Flotte lief Gefahr, von den Syndiks einen schweren, einen tödlichen Schlag versetzt zu bekommen.

Aber auch die kleinen Schläge konnten sich zu etwas Gravierendem addieren. Auf die Hunderte von Schiffen dieser Flotte umgelegt, war der Verlust der vier Ausreißer noch zu verschmerzen. Doch auch auf diese Weise konnte eine Flotte aufgerieben werden, wenn sie bei jedem Stern ein paar Schiffe verloren. Schließlich lagen noch zahlreiche Sterne vor ihnen, bis sie die Heimat erreichen würden.

Er sah sich das Display an und wünschte, Sutrah wäre näher am Territorium der Allianz. Oder das System verfüge über ein unbewachtes Hypernet-Portal. Aber wenn er schon dabei war, konnte er sich genauso gut wünschen, er wäre vor hundert Jahren auf seinem Schiff gestorben. Dann hätte er nicht das Kommando über diese Flotte, und all die Schiffe und Menschenleben würden nicht von ihm abhängen. Reiß dich zusammen, Geary. Du hattest allen Grund, deprimiert zu sein, als sie dich auftauten. Aber das liegt jetzt hinter dir.

Der Kommunikator machte summend auf sich aufmerksam. »Captain Geary, wir sind auf etwas Interessantes gestoßen.« Desjani unterdrückte irgendeine Gefühlsregung, die er nicht so recht einordnen konnte.

»Etwas Interessantes?«, wiederholte er. Wäre es eine Bedrohung gewesen, dann hätte sie das sicherlich gesagt.

»Auf der fünften Welt findet sich etwas, das wie ein Arbeitslager aussieht.«

Geary sah zu Rione, um festzustellen, wie sie auf diese Meldung reagierte, aber sie schien das auch nicht für etwas besonders Interessantes zu halten. Auf vielen Syndikatwelten gab es Arbeitslager, weil die Syndiks viel Zeit und Mühe darauf verwandten, sich mit echten oder angeblichen Feinden in den eigenen Reihen zu beschäftigen. »Ist an dem Lager irgendetwas ungewöhnlich?«

Diesmal konnte er deutlich hören, wie angestrengt Desjanis Stimme klang. »Wir empfangen Komm-Verkehr aus dem Lager, der darauf hindeutet, dass dort Kriegsgefangene der Allianz einsitzen.«

Geary starrte auf die fünfte Welt im Sutrah-System. Neun Lichtminuten von der Sonne und immer noch etwas über vier Lichtstunden von der Flotte entfernt. Er hatte nicht damit gerechnet, sich einer der bewohnten Welten in diesem System widmen zu müssen. Er war nicht davon ausgegangen, dass es einen Aufenthalt geben würde.

Wie es aussah, waren seine Pläne soeben über den Haufen geworfen worden.

Ich hasse diese Zusammenkünfte, dachte Geary wohl schon zum hundertsten Mal, was recht beachtlich war, hatte er bislang doch nur an fünf solchen Treffen teilgenommen. Im Konferenzraum war der Tisch nur wenige Meter lang, aber dank des Komm-Netzes, das die Schiffe der Flotte miteinander verband, und dank der neuesten virtuellen Konferenztechnologie erstreckte sich der Tisch etliche Meter weit. Jeder Sessel war vom Befehlshaber eines der Schiffe besetzt, wobei die hochrangigsten Offiziere ganz vorne auf den ersten Plätzen saßen. Doch Geary musste nur irgendeinen Teilnehmer ansehen, auch wenn der ganz hinten saß, dann rückte der prompt nach vorn, während rechts von ihm alle Angaben eingeblendet wurde, die für eine Identifizierung erforderlich waren.

Hinzu kam, dass diese Konferenzen einem merkwürdigen Rhythmus folgten. Zwar rückte die Flotte während der Besprechungen enger zusammen, aber da die Kommunikation auf Lichtgeschwindigkeit beschränkt war, hingen die am weitesten zurückliegenden Schiffe immer noch zwanzig bis dreißig Sekunden hinterher. Dabei handelte es sich um die kleinsten Schiffe unter Führung jener Commander, die die geringste Erfahrung besaßen und von denen nicht mehr erwartet wurde, als dass sie teilnahmen, lernten und den Mund hielten. Deshalb hatte die von ihnen ausgehende zeitliche Verzögerung die geringste Auswirkung. Doch auch bei den näheren Schiffen konnte zwischen Frage und Antwort eine Pause von mehreren Sekunden klaffen, was die Teilnehmer dazu zwang zu reden, eine Pause einzulegen, weiterzureden und erneut zu pausieren, damit die anderen Zeit und Gelegenheit bekamen, Fragen und Kommentare beizusteuern.

Captain Numos von der Orion betrachtete Geary herablassend, zweifellos machte ihm immer noch sein schwacher Auftritt bei Kaliban zu schaffen, für den er natürlich nicht sich selbst, sondern Geary die Schuld gab. In Numos’ Nähe saß Captain Faresa von der Majestic, die so giftig wie immer dreinblickte. Einen willkommenen Kontrast zu den beiden bildete Captain Duellos von der Courageous, der sich offenbar ganz entspannt, aber mit hellwachem Blick in seinem Sessel zurücklehnte. Captain Tulev von der Leviathan saß steif und starr da und musterte mit abfälliger Miene Numos und Faresa. Ein Stück weiter fand sich die hitzköpfige Commander Cresida von der Furious, die mit breitem Grinsen zu verstehen gab, dass sie sich schon auf den nächsten tatkräftigen Einsatz freute. Nicht weit von ihr entfernt befand sich Colonel Carabali, der die Marines unterstellt waren, ebenfalls eine fähige und zuverlässige Frau.

Captain Desjani, die gleich neben Geary saß, war die Einzige, die außer ihm tatsächlich im Raum anwesend war. Co-Präsidentin Rione hatte darum gebeten, der Besprechung fernzubleiben, aber Geary wusste, dass die Offiziere von den Schiffen der Rift-Föderation und der Callas-Republik ihr ohnehin einen umfassenden Bericht über alles liefern würden, was besprochen wurde. Seine Vermutung war, dass sie auf diesem Weg herausfinden wollte, was er sagte, wenn sie nicht anwesend war.

Geary nickte den versammelten Offizieren knapp zu. »Zunächst einmal möchte ich den Besatzungen der Zerstörer Anelace, Baselard und Mace sowie des Kreuzers Cuirass die letzte Ehre erweisen, die sich nun im Kreis ihrer Vorfahren befinden. Sie alle starben in Erfüllung ihrer Pflicht gegenüber ihrer Heimat und ihren Familien.« Er kam sich ein wenig wie ein Heuchler vor, weil er keine mahnenden Worte anfügte, dass es eben das Verhalten dieser Commander gewesen war, das überhaupt erst die Zerstörung dieser Schiffe bewirkt hatte, doch das schien nicht der richtige Moment dafür zu sein.

»Ist es sicher, dass es keine Überlebenden gibt?«, fragte jemand.

Geary deutete auf den Commander des Zweiten Zerstörergeschwaders, der sich räusperte und dann mit betrübter Miene antwortete: »Wir haben eine gründliche Suche durchgeführt. Die wenigen Rettungskapseln, die wir orten konnten, waren schwer beschädigt und inaktiv.«

Mit rauer Stimme meldete sich Numos zu Wort. »Wir hätten diese Syndik-Jäger verfolgen sollen, um sie dafür bezahlen zu lassen, dass sie diese Schiffe zerstört und deren Besatzungen ermordet haben.«

»Und wie hätten Sie sie stellen wollen?«, hielt Duellos in einem Tonfall dagegen, der keinen Hehl aus seiner Verachtung gegenüber dem Mann machte.

»Natürlich mit einer Verfolgungsjagd bei maximaler Beschleunigung.«

»Selbst der jüngste Offizier in dieser Flotte ist mit den physikalischen Gesetzen gut genug vertraut, um zu wissen, dass man diese Schiffe fast bis zum nächsten Stern verfolgen müsste, um sie einzuholen, und dabei würde nahezu unser ganzer Treibstoff draufgehen.«

Vorwurfsvoll meldete sich Captain Faresa zu Wort: »Ein Offizier der Allianz sollte nicht schon aufgeben, bevor er es überhaupt versucht hat. ›Strebe nach dem Unmöglichen, und du wirst es erreichen.‹«

Die Art, wie das Zitat vorgetragen wurde, hatte etwas erschreckend Vertrautes an sich. Geary sah zu Captain Desjani, die ihm zunickte und ihre stolze Miene nicht verbergen konnte. Ein weiteres »Zitat« von Black Jack Geary, zweifellos völlig aus dem Zusammenhang gerissen, sofern er das überhaupt jemals gesagt hatte, und dazu missbraucht, Handlungen zu rechtfertigen, die der wahre Black Jack niemals gutgeheißen hätte und die er jetzt erst recht nicht gutheißen konnte. »Ich muss nachschlagen, wann ich das gesagt habe und wie das von mir gemeint war«, gab er dann mit ruhiger Stimme zurück. »Aber ich bin einer Meinung mit Captain Duellos. Eine Verfolgung wäre sinnlos gewesen. Ich muss die Verantwortung für diese Flotte über meinen Wunsch nach Rache stellen, und ich erwarte von jedem Offizier, dass er diese Einstellung teilt.«

»Die Flotte hat sich daran gewöhnt, vom Flaggschiff zu erwarten, dass es sie in die Schlacht führt!«, betonte Faresa, als sei mit diesen Worten irgendetwas bewiesen.

Geary verkniff sich eine bissige Erwiderung. Nur weil sich die Flotte daran gewöhnt hat, Dummheit zu erwarten, muss ich mich deshalb noch lange nicht dumm verhalten.

Aber Desjani antwortete bereits, da sie sich nicht nur von dem Vorwurf an Geary, sondern auch von der indirekten Beleidigung ihres Schiffs in ihrem Stolz getroffen fühlte. »Die Dauntless befand sich im Mittelpunkt der Formation bei Kaliban, also genau dort, wohin der Angriff der Syndiks zielte«, machte sie deutlich.

»Genau«, stimmte Geary ihr zu. Wenn ich allerdings ganz ehrlich sein soll, dann stellte diese Position für die Dauntless den sichersten Platz bei dieser Auseinandersetzung dar. Das sprach er jedoch nicht aus, da er wusste, dass er die Sicherheit des Flaggschiffs gewährleisten musste, bis sie in Allianz-Territorium gelangten, ganz gleich, was die Flottentraditionen verlangten. An Bord der Dauntless befand sich nach wie vor der Hypernet-Schlüssel der Syndiks, was außer ihm selbst und Captain Desjani aber kaum jemand wusste. Selbst wenn er jedes andere Schiff dieser Flotte verlor – der Schlüssel musste der Allianz überbracht werden, weil er ihr einen entscheidenden Vorteil über die Syndiks verschaffen würde. Natürlich beabsichtigte Geary nicht, jedes andere Schiff zu verlieren, wenn es noch irgendeinen anderen Weg gab, um die Dauntless nach Hause zu bringen.

Numos machte den Eindruck, als wolle er noch etwas anfügen, weshalb Geary prompt auf die Darstellung des Sutrah-Systems zeigte, die über dem Konferenztisch schwebte. »Es war nicht vorgesehen, in diesem System einen Zwischenstopp einzulegen, um uns mit den bewohnten Welten zu befassen. Aber wie Sie ja alle wissen, haben wir lernen müssen, dass Pläne sich manchmal ändern können. Wir haben Hinweise darauf entdeckt, dass auf dem fünften Planeten ein Arbeitslager existiert, in dem Gefangene der Allianz sitzen.«

»›Hinweise‹?«, fragte Captain Tulev. »Dann glauben Sie nicht, dass es wirklich so ist?«

Geary atmete tief durch. »Man hat uns in diesem System schon einmal reingelegt. Es wäre für die Syndiks ein Leichtes, Nachrichtenübertragungen zu fingieren, damit wir glauben, in diesem Lager würde Personal der Allianz festgehalten.« Es kostete ihn keine Mühe, die aufkeimende Rebellion der anderen Offiziere wahrzunehmen. »Ich beabsichtige allerdings sehr wohl, hinzufliegen und mich an Ort und Stelle davon zu überzeugen. Aber wir müssen wachsam sein, damit wir nicht in einen weiteren Hinterhalt geraten.«

»Ein Köder, um uns zum fünften Planeten zu locken?«, fragte Colonel Carabali und kniff skeptisch die Augen zusammen.

»Es wäre möglich. Beim Anflug auf den Planeten haben wir Zeit genug, Minenfelder aufzuspüren, auch wenn die noch so gut getarnt sind. Was könnte uns dort sonst noch erwarten, das uns Sorgen bereiten sollte?«

Carabali zuckte mit den Schultern. »Auf einem solchen Planeten kann man schwere Waffen in Stellung bringen, aber solche Geschosse müssen erst mal das Schwerkraftfeld überwinden und sich mit den atmosphärischen Bedingungen auseinandersetzen, bevor sie Ziele im Weltall anfliegen können. Und abgesehen davon – wenn sie uns mit so was beschießen wollen, dann müssen wir einfach nur auf Abstand bleiben und den Planeten mit großen Felsblöcken bewerfen.«

Ein nachdenklich dreinblickender Captain sah hoch. »Sie reden von schweren kinetischen Geschossen?«

»Ja«, bestätigte die Frau. »Genau das habe ich ja gesagt. Ich kann nicht behaupten, dass ich begeistert bin, meine Jungs und Mädels auf eine von Syndiks bevölkerte Welt zu schicken. Wir haben nicht einmal genug Bodentruppen, um ein angemessen großes Gelände zu sichern. Aber der ganze Planet hängt vom guten Benehmen der Syndiks ab, und für uns gibt es keine Alternative.«

»Wir müssen die Marines runterschicken?«, fragte Geary.

Captain Desjani nickte. »Nach ein paar Zwischenfällen recht früh in diesem Krieg kamen wir zu dem Schluss, dass die Syndiks einen Teil ihrer Gefangenen zurückhalten, vor allem diejenigen, die aus ihrer Sicht besonders wertvoll sind. Um sicherzugehen, dass wir niemanden zurückgelassen haben, müssen wir selbst auf die Aufzeichnungen der Lagerleitung zugreifen, um von der Anzahl der Personen bis hin zu den Lebensmittelrationen alles zu überprüfen, damit wir Gewissheit haben, dass ihre Angaben zu unseren Zahlen passen.«

»Einverstanden.« Das ergab natürlich einen Sinn, auch wenn es Geary nicht gefiel, dass sie sich dem fünften Planeten weit genug nähern und langsamer werden mussten, damit sie mit Shuttles die Gefangenen herausholen konnten. »Ich nehme an, den Syndik-Shuttles können wir nicht über den Weg trauen, also müssen wir uns auf unsere eigenen verlassen.« Diesmal nickten alle zustimmend. »Jeder von Ihnen, der Shuttles an Bord hat, soll sie einsatzbereit machen. Ich werde Co-Präsidentin Rione bitten, den Syndiks unser Ultimatum hinsichtlich der Gefangenen zu übermitteln.«

Numos warf ihm einen fassungslosen Blick zu. »Warum sollte sie einbezogen werden?«

»Weil sie unsere fähigste Unterhändlerin ist«, antwortete Geary ohne Umschweife. Er wusste nicht, warum Numos auf einmal so gegen Rione eingestellt war.

»Riones Lapsus bei Corvus hätte uns fast die Titan gekostet!«

Geary fühlte, wie Wut in ihm aufstieg. Der Syndik-Verrat bei Corvus, als sie Handelsschiffe losschickten, um die Flotte angeblich mit Vorräten zu versorgen, war weder Rione noch sonst jemandem anzukreiden. Numos musste das doch klar sein. »Diese Einschätzung kann ich nicht teilen.«

»Natürlich nicht. Da Co-Präsidentin Rione sehr viel Zeit allein mit Ihnen in Ihrer Kabine verbringt, glauben Sie ganz sicher, dass …«

Geary brachte ihn zum Schweigen, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug. Aus dem Augenwinkel bemerkte er die entrüsteten Mienen jener Befehlshaber, denen die Schiffe der Rift-Föderation und der Callas-Republik unterstanden. »Captain Numos, Sie vergreifen sich im Ton!«, zischte er ihm bedrohlich zu.

Captain Faresa kam ihm mit ihrer typischen von sich überzeugten Art zu Hilfe. »Captain Numos spricht nur aus, was jeder …«

»Captain Faresa!«, schnitt Geary ihr das Wort ab. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Tag erlebe, an dem Offiziere der Allianz sich wie Klatschweiber aufführen. Sie und Captain Numos müssen sich offenbar noch einmal gründlich mit den Vorschriften befassen, wie sich Offiziere persönlich und dienstlich zu verhalten haben.« Faresa wurde kreidebleich, Numos bekam einen noch röteren Kopf, aber beide sahen sie Geary mit dem gleichen hasserfüllten Blick an. »Co-Präsidentin Rione von der Callas-Republik ist Senatsmitglied der Allianz. Sie wird mit dem Respekt behandelt, den ihre Position mit sich bringt. Wenn Sie nicht in der Lage sind, diesen Respekt aufzubringen, dann ist es Ihre Pflicht, den Dienst in der Flotte zu quittieren. Ich werde keine Beleidigungen oder Unterstellungen dulden, die gegen einen Offizier oder gegen einen Vertreter der Allianz-Regierung in dieser Flotte gerichtet werden. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

Geary atmete tief durch und ließ seinen Blick über den Tisch schweifen, ohne zu wissen, wie seine Worte bei den versammelten Offizieren angekommen waren. Captain Tulev blickte finster drein, machte jedoch eine zustimmende Kopfbewegung. »Es gab zu viel Tratsch und zu viele Gerüchte. Es sind zu viele Beleidigungen ausgesprochen worden, die die Kommandoebene betreffen«, fügte er mit einem Blick in Numos Richtung an. »Gerüchte, die manche Schiffskommandanten dazu veranlasst haben, an der alten Tradition festzuhalten und den Feind ohne Rücksicht auf eigene Verluste zu verfolgen – und das mit den Konsequenzen, die wir heute erlebt haben.«

Alle dachten sie dabei zwangsläufig darüber nach, was diese vier Captains wohl angetrieben haben musste, die Syndik-Kriegsschiffe zu verfolgen. Captain Numos schluckte, sein Mund bewegte sich, dann sprach er endlich aus, was er erwidern wollte. »Ich hatte damit nichts zu tun. Wenn Sie mir unterstellen wollen …«

»Er unterstellt Ihnen überhaupt nichts!«, fiel Geary ihm aufbrausend ins Wort. »Er macht uns nur darauf aufmerksam, welche Konsequenzen es nach sich ziehen kann, wenn Befehlshaber dazu angespornt werden, sich über Befehle hinwegzusetzen. Mir sind die Gerüchte bekannt, von denen Captain Tulev spricht, und ich kann Ihnen versichern, wenn ich herausfinde, dass jemand die befehlshabenden Offiziere der Anelace, Baselard, Mace und Cuirass« – er sprach die Schiffsnamen bewusst langsam aus, damit jeder noch einmal an sie erinnert wurde – »dazu angestachelt hat, sich so zu verhalten, dann werde ich höchstpersönlich dafür sorgen, dass derjenige sich wünscht, er wäre mit diesen Besatzungen einen ehrenvollen Tod gestorben.« Während er sich dem Ende dieser Ausführungen näherte, ließ Geary seinen Blick auf Numos ruhen, der noch mehr errötete, bis er aussah, als sei er durch Strahlung verbrannt worden. Doch davon abgesehen saß Numos schweigend da, da er offenbar begriffen hatte, dass Geary nicht in der Laune war, sich noch weiter reizen zu lassen.

»Also«, fuhr Geary dann deutlich ruhiger fort. »Bei unserer gegenwärtigen Geschwindigkeit erreichen wir den fünften Planeten in etwa vierzig Stunden. Sorgen Sie dafür, dass alle Shuttles bis dahin einsatzbereit sind. Ich habe hier einen Plan für die Verteilung des Allianz-Personals auf unsere Schiffe, sobald wir die Leute da unten rausgeholt haben.« Es war lachhaft einfach gewesen, da er nur den intelligenten Assistenten in seinem System hatte aufrufen und fragen müssen, wie man fünftausend zusätzliche Menschen auf die Schiffe dieser Flotte aufteilte. Da es sich um eine simple, aber ermüdende Rechenaufgabe handelte, bei der Kapazitäten, Crewstärke und Lebenserhaltungssysteme miteinander verglichen werden mussten, hatte der Computer das innerhalb weniger Augenblicke erledigt. Für solche Arbeiten hatten Flottenkommandeure früher ihren Stab, aber die automatisierten Systeme wickelten heutzutage viele Verwaltungs- und Kommandotätigkeiten ab, mit denen sich ein Großteil des Personals einsparen ließ. Dabei spielte aber noch eine andere Tatsache eine Rolle: Der anscheinend unendliche Krieg hatte so viele Opfer gefordert, dass die Reihen der alten Stäbe geplündert werden mussten, damit es nicht zu einem Defizit an Offizieren kam.

Als Befehlshaber der Flotte stand Geary immer noch ein Stabschef zu, doch der war zusammen mit Gearys Vorgänger Admiral Bloch ums Leben gekommen, als sie während der Verhandlungen mit den Syndiks in eine Falle gerieten. Er hatte auch Anspruch auf einen Adjutanten, aber er würde den Teufel tun und einen Junioroffizier von dem Posten abziehen, auf dem er dringend gebraucht wurde, nur damit der als sein persönlicher Diener agierte.

»Sehen Sie sich den Plan an«, fuhr Geary fort. »Lesen Sie durch, wozu Ihr Schiff laut Plan in der Lage sein sollte, und lassen Sie mich wissen, wenn es Probleme gibt. Fressen Sie es nicht einfach in sich hinein, nur weil Sie hoffen, Sie werden schon mehr geregelt bekommen, als Ihr Schiff in Wahrheit leisten kann. Erste Schätzungen gehen von drei- bis fünftausend Gefangenen aus, womit wir klarkommen können. Wir kümmern uns später darum, die besonderen Fertigkeiten der Leute festzustellen und sie auf die Schiffe zu bringen, auf denen sie vor allem benötigt werden … Colonel Carabali.«

Die Frau nickte.

»Machen Sie Ihre Marines bereit. Ich will fünf Stunden vor der Ankunft bei diesem Planeten Ihren Plan sehen, wie Sie das alles angehen wollen.« Geary wandte sich an die Gruppe insgesamt. »Irgendwelche Fragen?«

»Was werden wir mit der Syndik-Militärbasis auf dem fünften Planeten machen?«, kam von irgendwoher die Reaktion.

»Darüber muss noch entschieden werden«, entgegnete Geary und bemerkte, wie sich Enttäuschung am Tisch breitmachte. Für viele dieser Commander war nur ein toter Syndik ein guter Syndik, und sie wollten jede Gelegenheit nutzen, um diese Feinde zu töten. »Ich darf Sie daran erinnern, dass die Einrichtungen in diesem System veraltet sind. Ihr Unterhalt kostet die Syndiks Geld, und solange sie nicht aufgegeben werden, werden Syndik-Truppen ausgebildet und zugeteilt. Wenn diese Basis eine echte Bedrohung für uns darstellt, werden wir sie ausradieren. Falls nicht, möchte ich den Syndiks keinen Gefallen tun, indem ich diese Einrichtung von der Liste der Dinge streiche, um die sie sich kümmern müssen.«

Er hielt kurz inne und überlegte, was er noch hatte sagen wollen. »Ob da unten tatsächlich unsere Leute gefangen gehalten werden, wissen wir mit Sicherheit erst, wenn die Marines in diesem Lager Kriegsgefangene entdecken, die zur Allianz gehören.« Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Syndiks eine ganze bewohnte Welt aufs Spiel setzen würden, nur um ein paar weitere Allianz-Schiffe zu zerstören. Allerdings hatte er seit seiner Rettung einiges zu sehen bekommen, was er zuvor niemals für möglich gehalten hätte. »Wir haben die Gelegenheit, Menschen etwas Gutes zu tun, die längst nicht mehr mit einer Befreiung rechnen. Dafür danke ich den lebenden Sternen und appelliere an Sie, sich so zu verhalten, dass unsere Vorfahren stolz auf uns sein können.«

Die Menge löste sich mit der üblichen erstaunlichen Geschwindigkeit auf, da die virtuellen Bilder der Schiffskommandanten wie Seifenblasen zerplatzten. Allen voran verschwanden Numos und Faresa sofort, nachdem Geary die Konferenz für beendet erklärt hatte. Captain Desjani warf einen bedeutungsvollen Blick auf den Platz, an dem sich die beiden eben noch befunden hatten. Dann schüttelte sie den Kopf und entschuldigte sich, um auf altmodische Weise den Raum zu verlassen, indem sie zur Tür ging.

Wie erhofft blieb das beruhigende Abbild von Captain Duellos zurück, nachdem alle anderen verschwunden waren. Auch er zeigte auf Numos’ und Faresas Plätze. »Ich hätte das zuvor nicht gesagt, aber die beiden stellen eine Gefahr für die Flotte dar.«

Geary lehnte sich erschöpft zurück und rieb sich über die Stirn. »Was meinen Sie mit ›zuvor‹?«, wollte er wissen.

»Den Moment, als vier Schiffe zu dieser verrückten Verfolgungsjagd ansetzten.« Duellos’ Bild schien auf Geary zuzugehen und nahm auf dem Stuhl gleich neben ihm Platz. »Tapfer! Glorreich! Hirnlos! Ich kann es nicht beweisen, aber ich weiß, Numos steckte dahinter.«

»Das denke ich auch«, stimmte Geary ihm zu und fügte verbittert an: »Aber der Mangel an Beweisen ist mein Problem. Wenn ich Kommandanten ihres Postens enthebe – was vor allem für jemanden von Numos’ Kaliber gilt –, ohne einen stichhaltigen Beweis für ein Fehlverhalten liefern zu können, dann könnte es passieren, dass noch mehr Schiffe tapfer und hirnlos in Minenfelder hineinrasen.«

Captain Duellos verzog den Mund. »Es war eine eindrucksvolle Lektion, die den anderen durch diese vier Schiffe erteilt wurde. Ganz gleich, welche Lügen Numos verbreitet hat, jeder wird sich daran erinnern, dass es richtig von Ihnen war, diese Schiffe zurückzupfeifen und die Syndik-Jäger nicht zu verfolgen.«

Geary konnte nicht anders und schnaubte verächtlich. »Man sollte meinen, dass mein Ansehen etwas mehr steigt, wenn ich etwas Richtiges tue. Aber was glauben Sie? Wird jeder meine Befehle verfolgen, wenn wir uns dem fünften Planeten nähern?«

»Nach meinem momentanen Dafürhalten schon.«

»Haben Sie eine Ahnung, woher dieser Unsinn über Co-Präsidentin Rione und mich stammt?«

Duellos wirkte ein wenig überrascht. »Ich hatte den Eindruck, Sie beide verstehen sich gut. Aber selbst wenn Sie sich noch viel besser verstehen, ist das nicht meine Sache. Co-Präsidentin Rione untersteht nicht Ihrem Befehl, und eine persönliche Beziehung mit ihr hat keinen Einfluss auf Ihre Befähigung als Kommandant.«

Geary starrte einen Moment lang vor sich hin, dann lachte er. »Persönliche Beziehung? Mit Co-Präsidentin Rione?«

Diesmal zuckte Duellos mit den Schultern. »Die Gerüchteküche behauptet, dass Sie beide viel Zeit miteinander verbringen.«

»Für Besprechungen! Ich bitte sie um ihren Rat.« Wieder musste er lachen. »Bei unseren Vorfahren, Victoria Rione kann mich ja nicht mal leiden! Daraus macht sie auch keinen Hehl. Ich mache ihr Angst, weil sie sich sorgt, dass ich mich in Black Jack Geary verwandele und mit dieser Flotte heimkehre, um die gewählten Führer der Allianz zu entmachten und mich zum Gott-Imperator oder etwas Ähnlichem aufzuschwingen.«

»Co-Präsidentin Rione ist eine listige und intelligente Frau«, stellte Duellos völlig ernst fest. »Sie hat Ihnen gesagt, dass sie Sie nicht mag?«

»Ja! Sie …« Wenn er es recht überlegte, dann hatte Rione wiederholt erklärt, sie vertraue ihm nicht. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zu ihm gesagt hatte, dass sie ihn nicht leiden konnte. »Ja, ich glaube schon.«

»Ob das nun stimmt oder nicht, ist völlig bedeutungslos. Ich sage es Ihnen noch einmal: Sie ist nicht Ihre Untergebene, sie hat mit dem Militär nichts zu tun, und eine persönliche Beziehung zu ihr ist kein Grund, sich Sorgen zu machen. Falls sich eine solche Beziehung entwickeln sollte.«

Geary konnte sich einen dritten Lacher nicht verkneifen, während er sich von Captain Duellos verabschiedete. Zweifellos hatte Rione durch ihre Spione in der Flotte längst von dieser angeblichen Beziehung erfahren. Warum aber hatte sie ihn bislang noch nicht darauf angesprochen, wenn sie doch schon auf die anderen Gerüchte zu sprechen gekommen war?

Konnte es sein, dass dieses Getuschel der eisernen Politikerin peinlich war? Aber falls ja, warum suchte sie ihn dann weiterhin auf?

Einen Moment lang stützte er sich am Schott ab und sah auf das Deck, während er an die ersten Tage nach der Rettung aus dem künstlichen Tiefschlaf zurückdachte, der ihn ein Jahrhundert lang am Leben erhalten hatte, eine Zeitspanne, in der jeder alt geworden und im Kampf gefallen oder an Altersschwäche gestorben war, den er je gekannt oder geliebt hatte. Der Schock, erfahren zu müssen, dass niemand von diesen Menschen mehr lebte, war so groß gewesen, dass er sich vornahm, keine neuen Beziehungen mehr einzugehen. Das Eis in seinem Inneren schien sich fast ganz aufgelöst zu haben, aber noch immer lag es fest um eine Stelle, die es nicht aufgeben, wo es keine Wärme zulassen wollte.

Schon einmal hatte er jeden verloren, und das konnte wieder geschehen, doch er wollte nicht, dass es bei einem nächsten Mal wieder so sehr schmerzte.

Zwei

Der fünfte Planet sah wie für ein Arbeitslager der Syndiks geschaffen aus. Er war zu weit von der Sonne entfernt, um jemals einen richtigen Sommer zu erleben, und über die Oberfläche erstreckte sich eine unauffällige Tundra, hier und da unterbrochen von einer zerklüfteten Gebirgskette, die wie Inseln aus einem Meer flacher, zäher Vegetation herausragte. Gletscher erstreckten sich weitläufig um die Polkappen und schienen einen Großteil des Wassers dieser Welt zu speichern, da die nicht von Eis bedeckten Flächen nur von kleinen Seen durchsetzt waren. Beim Anblick dieser kümmerlichen Welt war Geary auf Anhieb klar, warum das System nicht für würdig befunden worden war, einen Zugang zum Hypernet zu erhalten. Der vierte Planet konnte nicht absolut paradiesisch sein, da er sich etwas zu nahe an der Sonne befand und dort vermutlich unangenehm hohe Temperaturen herrschten, weshalb die Syndiks das Thema Sutrah als bedeutungslos abgehakt hatten, als sie ihr Hypernet schufen.

Als man noch auf den Sprungantrieb angewiesen war, der ein Schiff von einem Stern zum nächsten brachte, mussten alle die Systeme durchqueren, die sich zwischen Start und Ziel befanden. Jedem System war ein gewisser Anteil am Schiffsaufkommen sicher gewesen, da sie alle auf dem Weg zu irgendeinem Ziel lagen. Doch das Hypernet ermöglichte es den Schiffen, ohne Zwischenstopp den gewünschten Stern anzufliegen, auch wenn er noch so weit entfernt sein mochte. Ohne diesen Schiffsverkehr waren die Systeme, die keine besonderen Vorzüge aufwiesen, plötzlich im Nichts gestrandet und verkümmerten allmählich, da jeder, der dazu in der Lage war, in Systeme umsiedelte, die an das Hypernet angeschlossen waren. Die menschlichen Ansiedlungen auf dem fünften Planeten von Sutrah waren sogar einem noch schnelleren Schwund ausgesetzt als üblich. Die Sensoren wiesen zwei Drittel der Unterkünfte auf dieser Welt als verlassen aus, und es gab keine Hinweise darauf, dass sich dort noch irgendwelche Aktivitäten abspielten.

Geary konzentrierte sich auf die Darstellung des Arbeitslagers auf diesem Planeten. In der Nähe befanden sich Minen, die einen wirtschaftlichen Wert besitzen mochten, die aber ebenso gut nur dem Zweck dienen konnten, die Gefangenen zu beschäftigen. Mauern gab es rings um das Lager nicht, doch das war auch nicht nötig, da es weit und breit nur Tundra gab. Eine Flucht kam einem Selbstmord gleich, es sei denn, man versuchte zum Landeplatz zu gelangen, der jedoch mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben war.

Ihm wurde bewusst, dass Captain Desjani geduldig darauf wartete, von ihm bemerkt zu werden. »Entschuldigen Sie, Captain. Was halten Sie von meinem Plan?« Da Geary nur ungern mit der Flotte in einen Orbit um den Planeten einschwenken wollte, hatte er überlegt, sich der Welt zu nähern, die Geschwindigkeit zu verringern, damit die Shuttles abgesetzt werden konnten, um dann in einem weiten Bogen um die kleinen Monde des fünften Planeten zu fliegen und auf dem Rückweg die Shuttles mit den befreiten Gefangenen an Bord zu nehmen.

»Es ginge schneller, wenn wir einige Schiffe im Orbit lassen würden«, schlug Desjani vor.

»Ich weiß.« Er betrachtete nachdenklich das Display. »Hinweise auf Minenfelder gibt es keine, schwere Waffen scheinen sich auch nicht auf dem Planeten zu befinden, und selbst diese Militärbasis der Syndiks scheint nur noch mit halber Besetzung zu arbeiten. Trotzdem stört mich da irgendwas.«

Desjani nickte verstehend. »Nach dem Versuch der Syndiks, diese Handelsschiffe als Selbstmordkommandos gegen uns zu richten, kann ich verstehen, dass Sie skeptisch sind.«

»Die Syndiks hatten Zeit genug, um das Minenfeld einzurichten. Das heißt, sie hätten auch das Arbeitslager tarnen oder zumindest die Gefangenen wegbringen können. Aber auf eine solche Maßnahme deutet nichts hin. Wieso nur? Weil die Einrichtung noch ein viel besserer Köder ist als diese leichten Kriegsschiffe in der Nähe des Sprungpunkts? Weil es etwas gibt, das wir nicht ignorieren können?«

»Allerdings haben wir keinen Hinweis auf irgendeinen erdenklichen Hinterhalt.«

»Stimmt«, pflichtete Geary ihr bei und fragte sich, ob er vielleicht nur übervorsichtig war. »Co-Präsidentin Rione sagte, die zivilen Führer dieser Welt seien nahezu in Panik gewesen, als sie mit ihnen sprach. Aber kein Offizier des Militärs habe für ein Gespräch zur Verfügung gestanden.«

Das ließ Desjani aufhorchen. »Interessant. Aber was könnten sie planen? Wenn sie irgendetwas vor uns verstecken, hätten wir es längst entdecken sollen.«

Gereizt tippte Geary auf einige Tasten. »Angenommen, wir schwenken in einen Orbit ein. Diese Flotte ist so groß, dass wir einen entsprechenden Abstand zum Planeten halten müssen.«

»Diese Monde werden uns dabei im Weg sein, allerdings sind sie nicht viel größer als Asteroide. Jede unserer Formationen kann ihnen mühelos ausweichen, da sie sich dicht beieinander befinden und einer festen Flugbahn folgen.«

»Ja, und sogar mit meinem Plan müssten wir an den Monden vorbeifliegen.« Er betrachtete mürrisch das Display. Nichts, was er seit seiner Rettung über diesen Krieg in Erfahrung gebracht hatte, half ihm jetzt weiter, also versuchte er, sich stattdessen daran zu erinnern, welche Lektionen er seinerzeit von erfahrenen, mittlerweile längst verstorbenen Offizieren gelernt hatte. Von jenen Männern, die in den ersten Jahrzehnten dieses Krieges ebenso gestorben waren wie diejenigen, an die sie ihr Wissen und ihre Tricks und Kniffe weitergegeben hatten. Aus irgendeinem Grund weckte der Anblick der kleinen Monde bei ihm die Erinnerung an einen dieser Tricks: ein einzelnes Schiff, das hinter einer viel größeren Welt lauert, um plötzlich hervorzuschießen und ein vorbeifliegendes Ziel anzugreifen. Aber das funktionierte hier nicht, denn die Monde des fünften Planeten waren viel zu klein, sodass sich dahinter allenfalls ein paar leichte Einheiten hätten verstecken können. Selbst wenn die einen Selbstmordversuch wagen sollten, würden sie gegen die geballte Macht der Allianz-Flotte nichts ausrichten können, die in einer dichten Formation unterwegs war, damit die Shuttles nur eine möglichst kurze Strecke zurücklegen mussten.

Aber was hätte der Commander dieses anderen Schiffs gesagt? »Wäre ich eine Schlange, hätte ich Sie beißen können. Ich war genau über Ihnen, und Sie haben es nicht mal geahnt.«

Geary grinste finster. »Ich glaube, ich weiß, was die Syndik-Militärs beabsichtigen und warum die Zivilisten auf der fünften Welt solche Angst haben. Wir werden an meinem Plan ein paar Änderungen vornehmen.«

Die fünfte Welt, die im typischen Bürokratenstil der Syndikatwelten den poetischen Namen Sutrah V trug, war bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit der Flotte nur noch dreißig Minuten entfernt. Nach seinem ursprünglichen Plan hätten die Schiffe an diesem Punkt einen Schwenk nach Backbord gemacht, um über den Planeten hinwegzufliegen und schließlich den Orbit der Monde von Sutrah zu kreuzen.

Wieder betrachtete er die fünf Monde, die im Abstand von nur ein paar zehntausend Kilometern untereinander als Gruppe die Welt umkreisten. Vor langer Zeit hatte womöglich ein einziger Trabant bestanden, der irgendwann den Anziehungskräften des fünften Planeten nicht mehr hatte standhalten können oder aber durch eine Kollision mit einem anderen Objekt in fünf Fragmente zerschlagen worden war.

Geary tippte auf seine Kommunikationskontrollen. »Captain Tulev, sind Ihre Schiffe bereit?«

»Bereit, Sir«, meldete Tulev ohne erkennbare Begeisterung.

»Sie dürfen das Feuer eröffnen«, befahl Geary ihm.

»Verstanden. Geschosse werden jetzt abgefeuert.«

Auf Gearys Display lösten sich große Objekte aus dem Pulk, den Tulevs Schiffe bildeten, Raketenantriebe beschleunigten sie auf etwas mehr als jene 0,1 Licht, mit denen die Flotte unterwegs war.

Co-Präsidentin Rione auf ihrem Beobachterplatz auf der Brücke der Dauntless sah zu Geary hinüber. »Wir feuern? Auf wen?«

»Auf diese Monde«, erklärte er und bemerkte, dass Captain Desjani ihre Belustigung über Riones Erstaunen zu überspielen versuchte.

»Die Monde der fünften Welt?« Ihr Tonfall verriet eine Mischung aus Skepsis und Neugier. »Haben Sie eine besondere Abneigung gegen Monde, Captain Geary?«