Die verschollene Flotte: Ein halber Sieg - Jack Campbell - E-Book

Die verschollene Flotte: Ein halber Sieg E-Book

Jack Campbell

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Beschreibung

Admiral John "Black Jack" Geary hat das Kommando über die Erste Flotte der Allianz. Sein Auftrag: die gefährlichen Raumgebiete jenseits der Syndikatswelten zu erforschen. Im Grunde eine wichtige Mission, doch schon bald wird Geary klar, dass seine Vorgesetzten ein anderes Ziel verfolgen: ihn ein für alle Mal loszuwerden ...
Auf der Flucht vor einem Angriff der Aliens springt Gearys Flotte in ein anderes Sternensystem - nur um dort bereits von weiteren Feinden erwartet zu werden. Diese greifen nicht nur sofort an, sondern versperren der Ersten Flotte auch jeden Fluchtweg ...

Die verschollene Flotte - spannungsgeladene Space Opera des Bestseller-Autors Jack Campbell um einen Offizier, der zu den eindrucksvollsten Figuren der modernen Science-Fiction zählt. Für alle Fans von Honor Harrington und Battlestar Galactica!

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Die Erste Flotte der Allianz

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Anmerkungen des Autors

Danksagung

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

 

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Über dieses Buch

Admiral John »Black Jack« Geary hat das Kommando über die Erste Flotte der Allianz. Sein Auftrag: die gefährlichen Raumgebiete jenseits der Syndikatswelten zu erforschen. Im Grunde eine wichtige Mission, doch schon bald wird Geary klar, dass seine Vorgesetzten ein anderes Ziel verfolgen: ihn ein für alle Mal loszuwerden …

Auf der Flucht vor einem Angriff der Aliens springt Gearys Flotte in ein anderes Sternensystem – nur um dort bereits von weiteren Feinden erwartet zu werden. Diese greifen nicht nur sofort an, sondern versperren der Ersten Flotte auch jeden Fluchtweg …

JACK CAMPBELL

DIE VERSCHOLLENE FLOTTE

EIN HALBERSIEG

Aus dem amerikanischen Englisch vonRalph Sander

 

Für Lieutenant Colonel Robert W. Lamont, USMC (i. R.), der sehen wollte, wie Marines ein Fort stürmen, Commander Christopher J. Lagemann, USN (i. R.), der einen verdammt guten Admiral abgegeben hätte, und Captain Michael A. Durnan, USN (i. R.), der (mit wechselndem Erfolg) all die Jahre versucht hat, uns vor Ärger zu bewahren.

Und wie immer für S.

Die Erste Flotte der Allianz

Admiral John Geary, Flottenbefehlshaber

Zweite Schlachtschiffdivision

Gallant

Indomitable

Glorious

Magnificent

Dritte Schlachtschiffdivision

Dreadnaught

Orion

Majestic

Conqueror

Vierte Schlachtschiffdivision

Warspite

Vengeance

Revenge

Guardian

Fünfte Schlachtschiffdivision

Fearless

Resolution

Redoubtable

Siebte Schlachtschiffdivision

Colossus

Encroach

Amazon

Spartan

Achte Schlachtschiffdivision

Relentless

Reprisal

Superb

Splendid

Erste Schlachtkreuzerdivision

Inspire

Formidable

Brilliant

Implacable

Zweite Schlachtkreuzerdivision

Leviathan

Dragon

Steadfast

Valiant

Vierte Schlachtkreuzerdivision

Dauntless (Flaggschiff)

Daring

Victorious

Intemperate

Fünfte Schlachtkreuzerdivision

Adroit

Sechste Schlachtkreuzerdivision

Illustrious

Incredible

Invincible

Fünfte Sturmtransporterdivision

Tsunami

Typhoon

Mistral

Haboob

Erste Schnelle Hilfsschiffdivision

Titan

Tanuki

Kupua

Domovoi

Zweite Schnelle Hilfsschiffdivision

Witch

Jinn

Alchemist

Cyclops

Einunddreißig Schwere Kreuzer in sechs Divisionen

Erste Schwere Kreuzerdivision

Dritte Schwere Kreuzerdivision

Vierte Schwere Kreuzerdivision

Fünfte Schwere Kreuzerdivision

Achte Schwere Kreuzerdivision

Zehnte Schwere Kreuzerdivision

Fünfundfünfzig Leichte Kreuzer in zehn Geschwadern

Erstes Leichte Kreuzergeschwader

Zweites Leichte Kreuzergeschwader

Drittes Leichte Kreuzergeschwader

Fünftes Leichte Kreuzergeschwader

Sechstes Leichte Kreuzergeschwader

Achtes Leichte Kreuzergeschwader

Neuntes Leichte Kreuzergeschwader

Zehntes Leichte Kreuzergeschwader

Elftes Leichte Kreuzergeschwader

Vierzehntes Leichte Kreuzergeschwader

Hundertsechzig Zerstörer in achtzehn Geschwadern

Erstes Zerstörergeschwader

Zweites Zerstörergeschwader

Drittes Zerstörergeschwader

Viertes Zerstörergeschwader

Sechstes Zerstörergeschwader

Siebtes Zerstörergeschwader

Neuntes Zerstörergeschwader

Zehntes Zerstörergeschwader

Zwölftes Zerstörergeschwader

Vierzehntes Zerstörergeschwader

Sechzehntes Zerstörergeschwader

Siebzehntes Zerstörergeschwader

Zwanzigstes Zerstörergeschwader

Einundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Dreiundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Siebenundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Achtundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Zweiunddreißigstes Zerstörergeschwader

Marines-Streitmacht der Ersten Flotte

Major General Carabali, Befehlshaberin

3000 Marines in mehreren Abteilungen verteilt auf Sturmtransporter, Schlachtkreuzer und Schlachtschiffe

Eins

»Wenn man feststellt, dass man die Hölle durchmacht, dann soll man einfach weitermachen.«

Admiral John Geary wandte seinen Blick nicht vom Display ab, auf dem eine ins Chaos gestürzte Flotte zu sehen war, die sich nach dem Angriff der in diesem Sternensystem heimischen Kreaturen neu zu formieren versuchte. »Den haben Sie sich gerade eben ausgedacht, nicht wahr?«

»Nein«, antwortete Captain Tanya Desjani. »Der stammt von einem alten Philosophen. Mein Vater zitiert ihn gern.«

Geary nickte, hörte ihr aber nur mit halbem Ohr zu. Ihm war auch so klar, was Desjani damit sagen wollte, sofern man die Hölle so definierte, dass eine Flotte fernab des von Menschen kontrollierten Weltalls auf einer Mission unterwegs war, um die Schlagkraft und die Größe einer unlängst entdeckten intelligenten fremden Spezies zu bestimmen. Eine Flotte, die sich ihren Weg bis in diese Region freigekämpft hatte, nur um mit einer weiteren fremden Spezies konfrontiert zu werden, die noch feindseliger zu sein schien als die vorangegangene. Aber vielleicht definierte sich die Hölle auch so, dass man den Rückzug in eine beschädigte Rettungskapsel antrat, um sich aus einem Kreuzer zu retten, der nur noch Sekunden von der Selbstzerstörung entfernt war. Und dass man in einen Kälteschlaf fiel und ein Jahrhundert lang verschollen war, um dann unverhofft vor dem unmittelbar bevorstehenden Tod gefunden und wiederbelebt zu werden … und dann zu erfahren, dass man durch die lange Abwesenheit und das mutmaßliche zwischenzeitliche Ableben in den Status einer Legende erhoben worden war. Für Sekunden kehrte Gearys Verstand in jene Zeit zurück, als er hatte erfahren müssen, dass jeder, den er gekannt hatte, längst tot war, und dass der Krieg, zu dessen Beginn er in Kälteschlaf gesunken war, nach einem Jahrhundert immer noch tobte – und dass die Menschen, die ihn ins Leben zurückgeholt hatten, von dem großen Black Jack Geary erwarteten, dass er sie davor bewahrte, diesen Krieg zu verlieren.

Zwar hatte er all diese Menschen retten können, doch für ihn existierte kein Zusammenhang zwischen der Legende von Black Jack und dem Mann, der er tatsächlich war. Es war ihm gelungen, den Krieg gegen die Syndikatwelten zu gewinnen, und jetzt musste er es irgendwie schaffen, seine Flotte aus dieser Falle zu befreien, in die sie weit weg von jeglicher menschlicher Hilfe geraten war.

Aber nichts von dem, was er erreicht hatte, war allein sein Verdienst. Ohne den Rückhalt durch die Flotte und durch Offiziere wie Tanya Desjani hätte er überhaupt nichts erreichen können.

»Ihre Bedenken sind zur Kenntnis genommen, Captain«, sagte Geary und verbannte jeden Gedanken an die Vergangenheit, um sich erneut ganz auf die Gegenwart zu konzentrieren. »Wir werden nicht länger hier bleiben als unbedingt nötig.« Die Flotte war ohnehin in Bewegung. Sie hatte in Richtung Systemrand beschleunigt, während die Aliens versucht hatten, sie zu überholen. Nachdem die unmittelbaren Bedrohungen unschädlich gemacht worden waren, hatten viele Schiffe ihre Richtung und Geschwindigkeit geändert, dennoch entfernten sich die Flotte und die Wracks der Angreifer weiterhin rasend schnell von der gewaltigen Festung, die den Sprungpunkt bewachte, durch den die Allianz-Flotte ins System gelangt war. Die Festung, die um den weit entfernten Stern kreiste und fest mit dem Sprungpunkt verbunden war, wies eine so immense Größe auf, dass man sie als einen künstlichen kleineren Planeten hätte einordnen können.

Ein Zerstörergeschwader flog mit so geringem Abstand unter der Dauntless hindurch, dass die Kollisionswarnung des Schlachtkreuzers ausgelöst wurde. Desjani machte eine mürrische Miene. »Sagen Sie diesen Blechdosen, sie sollen sich von uns fernhalten«, wies sie ihren Komm-Wachhabenden an, dann wandte sie sich an Geary: »Admiral, ich bitte um Erlaubnis, Sie dabei zu unterstützen, die Ordnung innerhalb der Flotte wiederherzustellen.«

Da er nur zu gut wusste, dass seine Flotte im Augenblick eher an einen Schwarm wütender Insekten erinnerte als an eine militärische Streitmacht, warf er Desjani einen verdrießlichen Blick zu. »Die Steuersysteme haben bereits Lösungen ausgearbeitet. Es dauert nur eine Weile, das alles umzusetzen und zur gleichen Zeit Kollisionen mit den Trümmern zu vermeiden.«

Glücklicherweise stammte der größte Teil dieser Trümmer von den zerstörten Schiffen der Aliens, allerdings war vom Zerstörer Zaghnal so gut wie nichts übrig, obwohl er nur einen Treffer abbekommen hatte. Aber die Sprengköpfe der gegnerischen Schiffe waren so massiv, dass sie den Zerstörer in kleine Stücke gerissen hatten. Auch die Invincible hatte mindestens einen direkten Treffer erlitten, der dem nur leicht gepanzerten Schlachtkreuzer schwere Schäden zugefügt hatte. Zum Glück waren das schon die schlimmsten Neuigkeiten. Die Orion war zweimal von detonierenden Sprengköpfen getroffen worden, während sie zwei Schiffe der Aliens außer Gefecht setzte, die Kurs auf die Titan und die Tanuki genommen hatten. Trotz der erlittenen Schäden meldete die Orion weiterhin Gefechtsbereitschaft. Etliche Schiffe waren in geringerem Umfang beschädigt worden, da selbst das Vakuum des Weltalls keinen Schutz bieten konnte, wenn es in unmittelbarer Nähe zu derart heftigen Explosionen kam. »Wir sind ja noch einigermaßen ungeschoren davongekommen«, wunderte sich Geary. »Haben Sie gesehen, was die Orion in der letzten Phase der Kämpfe gemacht hat?«

»Darauf konnte ich nicht achten«, räumte Desjani ein. »Ich hatte genug damit zu tun, mir anzusehen, wie die Dreadnaught um ein Haar mein Schiff gerammt hätte.«

»Wenn es die Zeit zulässt, werde ich noch mal mit meiner Großnichte reden.« Jane Geary war vernünftig und zuverlässig gewesen, sie hatte nie zu angeberischen oder riskanten Manövern geneigt. Hatte. Aber diese Zeiten waren vorbei. Jetzt dagegen jagte sie mit ihrem Schlachtschiff hin und her, als wäre die Dreadnaught nichts weiter als ein weiterer Schlachtkreuzer.

Während er sich insgeheim wünschte, dass die neuen Probleme nicht schneller entstanden, als er die bestehenden Schwierigkeiten lösen konnte, rief Geary Commander Shen von der Orion.

Shen war ein Mann, dessen Gesichtsausdruck nur wenig variierte, weshalb es Geary nicht verwunderte, seine finstere Miene zu sehen. »Wie geht es Ihrem Schiff, Captain?«, fragte Geary. Über das Flottennetz konnte er die Schadensmeldungen jeder einzelnen Einheit abrufen, sobald die Schäden erfasst waren, und normalerweise wählte er auch diese schnelle, einfache Methode. Aber manchmal benötigte er Informationen von den Leuten vor Ort, Informationen, die von persönlichen Eindrücken und von Details geprägt waren, wie man sie in den automatisierten Meldungen nicht fand.

»Die Orion kann nach wie vor kämpfen«, antwortete Shen in einem Tonfall, als erwarte er, dass Geary ihm diese Tatsache absprach. »Einundsiebzig Opfer, davon dreißig tot, der Rest verwundet, davon fünf schwer. Zwei von ihnen müssen womöglich auf einen der Sturmtransporter verlegt werden, um sie besser behandeln zu können. Um alle anderen kann sich die Krankenstation der Orion kümmern. Einheit Eins des Hauptantriebs ist ausgefallen, kann aber repariert werden. Die schwersten Schäden finden sich an backbord im vorderen oberen Viertel. Bruch der Panzerung, die Schäden der betroffenen Abteilungen reichen von Totalverlust bis hin zu Bagatellen. Wir riegeln den Bereich ab, bis umfangreiche Reparaturen vorgenommen werden können. Waffen und Sensoren in dem Bereich arbeiten nicht, was die Gefechtstauglichkeit der Orion langfristig um zwanzig Prozent reduziert. Etliche Systeme überall im Schiff müssen repariert werden, da sich die Schockwelle durch die Hülle ins Innere übertragen hat, aber das haben wir alles im Griff.«

Eine solch optimistische Einschätzung aus dem Mund des Befehlshabers der Orion war für Geary eine völlig neue Erfahrung. »Ich konnte mitansehen, wie Ihr Schiff die Tanuki und die Titan gerettet hat. Die beiden hätten wahrscheinlich keinen Treffer überlebt, der bei einem Schlachtschiff so schwere Schäden verursacht. Sie und Ihre Crew haben sich mustergültig und äußerst ehrbar verhalten. Ihre Vorfahren werden stolz auf Sie sein.«

»Dafür sind Schlachtschiffe nun mal da«, gab Shen schroff zurück. »Wir retten die Schlachtkreuzer, die sich in Schwierigkeiten gebracht haben, aus denen sie sich aus eigener Kraft nicht retten können. Richten Sie Captain Desjani bitte aus, dass ich das gesagt habe.«

»Wollen Sie ihr das nicht selbst sagen?«

»Nein, Sir.«

»Sie ist hier neben mir.«

»Dann hat sie es ja bereits mitbekommen, Sir.« Shen machte eine kurze Pause. »Ein verdammtes Chaos da draußen. Allerdings hatte ich damit gerechnet, dass wir deutlich mehr Schiffe verlieren würden. Interessante Taktik. Wäre das alles, Admiral?«

»Nein. Halten Sie mich über den Zustand Ihrer Verletzten auf dem Laufenden. Wenn Sie medizinische Unterstützung benötigen, kann ich die Tsunami zu Ihnen schicken. Und sorgen Sie dafür, dass diese Antriebseinheit so schnell wie möglich repariert wird. Wenn wir wieder mit den Bewohnern dieses Sternensystems aneinandergeraten, dann benötigt die Orion die komplette Antriebsleistung. Captain Smythe wird die Kupua zu Ihnen schicken, um Ihnen bei der Reparatur dieser Einheit zu helfen.«

»Vielen Dank, Admiral«, erwiderte Shen.

»Ich habe zu danken, Captain.« Geary beendete das Gespräch, dann wandte er sich an Desjani. »Es scheint Sie nicht zu stören, dass der Captain eines Schlachtschiffs abfällige Bemerkungen macht.«

»Bei dieser Schlacht hat er sich das Recht auf eine solche Bemerkung verdient«, entgegnete Desjani. »Außerdem hat er mir einmal den Hintern gerettet, als wir noch beide auf der Pavis dienten. Und er hat Ihnen gesagt, wie sehr Sie ihn beeindruckt haben. Daher fand ich, dass ich dieses Mal über seine amateurhaften Ansichten hinwegsehe.«

»Er hat mir gesagt, wie sehr ich ihn beeindruckt habe?«, wiederholte Geary.

»Ohne jeden Zweifel. Auf seine ganz eigene Art.«

Geary schüttelte den Kopf und betrachtete die auf seinem Display aufgelisteten Schäden der Invincible. »Das Glück hat bei dem Ganzen eine mindestens genauso wichtige Rolle gespielt wie ich.«

»Falsch«, konterte Desjani. »Sir, sehen Sie sich die Bewertung der Auseinandersetzung aus der Sicht der Gefechtssysteme doch nur an. Als sich unsere Formation auflöste, benötigte der Feind zwischen zehn und zwanzig Sekunden, um eine Kursänderung vorzunehmen und ein neues Ziel zu erfassen. Mit Glück hatte das nichts zu tun. Diese Auflösung unserer Formation hat den Gegner verwirrt, so wie Sie es auch beabsichtigt hatten. Das Zögern von deren Seite verschaffte uns genug Luft, um Ausweichmanöver zu fliegen und die feindlichen Schiffe zu zerstören, die den ersten Ansturm überstanden hatten. Unsere Schiffe entgingen Treffern, weil sie die Gelegenheit nutzten, ausgenommen die bedauernswerte Zaghnal. Sie muss einfach Pech gehabt haben.«

»Und die Invincible …« Er ließ die Gefechtssysteme die letzten Sekunden wiedergeben, unmittelbar bevor die Invincible getroffen wurde. Der Befehl zur Auflösung der Formation wurde erteilt, verbunden mit der Anweisung, eigenständig zu manövrieren, um den Gegner zu verwirren. Rings um den Schlachtkreuzer setzte sich alles in Bewegung und flog wild durcheinander, um kein brauchbares Ziel zu bieten, nur die Invincible verharrte auf ihrer bisherigen Flugbahn und veränderte nicht einmal ihre Geschwindigkeit. Fünf Sekunden verstrichen, dann zehn Sekunden. Bei vierzehn Sekunden wurden endlich die Steuerdüsen gezündet, doch die genügten nicht, um den Vektor des Kriegsschiffs so weit zu ändern, als dass es dem gegnerischen Schiff hätte entgehen können, das sich ihm näherte und dann detonierte.

»Er ist zur Salzsäule erstarrt. Captain Vente hat sich nicht gerührt, anstatt sofort in Aktion zu treten.«

»Und das überrascht Sie?«, murmelte Desjani.

»Sollte er noch leben, war das sein letztes Kommando in dieser Flotte«, erwiderte Geary. Ihm entging sein eigener aufgebrachter Tonfall nicht. Warum habe ich ihm nicht schon früher das Kommando entzogen? Warum ist mir kein Argument dafür eingefallen? Wer weiß, wer an Bord der Invincible gestorben ist, nur weil Vente ein unfähiger Befehlshaber war! Und ich hatte allen Grund, an seiner Befähigung zu zweifeln, und trotzdem habe ich nicht zeitig gehandelt. Mich trifft genauso viel Schuld wie Vente, verdammt noch mal!

»Sie können nichts dafür«, sagte Desjani plötzlich.

Er sah sie verblüfft an. »Woher wissen Sie …?«

»Ich kenne Sie schließlich. Hören Sie, das Hauptquartier hatte ihm das Kommando über die Invincible übertragen. Sie hatten Ihre Bedenken, aber Sie können einem befehlshabenden Offizier nicht einfach aufgrund von Bedenken das Kommando entziehen. Sonst hätten Sie Shen schon vor langer Zeit von der Orion nehmen müssen. Sie benötigen einen triftigen Grund für eine solche Maßnahme. So ist das schon seit langer Zeit, und es hat sich bewährt.« Desjani musterte ihn. »Haben Sie mich verstanden?«

»Nein. Ich kann sehr wohl etwas dafür. Wir hätten die Invincible verlieren können, weil ich nicht gehandelt habe, obwohl es nötig gewesen wäre.« Als hätte er ein Stichwort gegeben, leuchtete in diesem Moment ein Warnlicht auf seinem Display auf. »Nachricht von der Tanuki, Admiral«, meldete der Komm-Wachhabende.

»Durchstellen«, befahl Geary, und im nächsten Augenblick tauchte das Gesicht von Captain Smythe vor Geary in der Luft auf. Der Befehlshaber des Hilfsschiffs Tanuki und Senior-Ingenieur der Flotte strahlte zur Abwechslung einmal nicht. »Ich habe mir persönlich die Schadensliste der Invincible angesehen, Admiral. Sie werden sicher nicht gern hören, dass Ihnen keine große Wahl bleibt.«

»Ist es so schlimm?«, fragte Geary.

Da das Weltall so ungeheuer groß war, hielten sich Schiffe oftmals mehrere Lichtminuten oder sogar Lichtstunden voneinander entfernt auf, was bei Unterhaltungen zu frustrierenden Verzögerungen führte, da eine Nachricht zunächst mit Lichtgeschwindigkeit eine Strecke von etlichen Millionen oder Milliarden Kilometern zurücklegen musste. Diesmal jedoch war die Flotte dicht genug beisammen, sodass nur ein paar Sekunden verstrichen, bis Smythe auf die Frage mit einem Schulterzucken reagierte und dann sagte: »Das kommt ganz darauf an, über welche Partien der Invincible wir uns unterhalten. Etliche Waffensysteme befinden sich noch in einem erstaunlich guten Zustand, aber was wirklich zählt, ist der Schaden an der Schiffsstruktur und am Antrieb. Da sieht es übel aus. Die Invincible kann sich nicht aus eigener Kraft von der Stelle bewegen, und wenn wir versuchen sie abzuschleppen, wird sie wahrscheinlich in mehrere große Stücke zerbrechen. Wenn ich ein paar Monate Zeit und ein Flottendock zur Verfügung gestellt bekomme, kann ich sie bestimmt wieder flugtauglich machen.« Es war Smythe anzumerken, dass er das beschädigte Schiff zu gern gerettet hätte.

»Wir haben weder Zeit noch ein Flottendock«, sagte Geary, während sein Blick zu jenem Bereich des Displays wanderte, das eine große Anzahl feindlicher Schiffe anzeigte. Einige von ihnen waren von bemerkenswerter Größe, doch zum Glück hielt sich keines in unmittelbarer Nähe auf. Nachdem die Flotte in aller Eile die Orbitalfestung vor dem Sprungpunkt hinter sich gelassen hatte, lag diese Bedrohung inzwischen sieben Lichtminuten hinter ihnen und rückte mit jeder Sekunde weiter weg. Einige feindliche Kriegsschiffe waren rund drei Lichtstunden von der Flotte entfernt, doch die eigentliche Armada war in einer Distanz von fast vier Lichtstunden und damit in der Nähe der Primärwelt dieses Systems festgestellt worden. Diese Armada würde in frühestens drei Stunden zu sehen bekommen, dass die Allianz-Flotte ins System gesprungen war. Selbst wenn sie sofort beschleunigen sollte, würde es Tage dauern, ehe deren Schiffe in Reichweite gelangten, es sei denn, Geary beschloss ein Wendemanöver und ließ seine Flotte Kurs auf den Gegner nehmen. Doch die Invincible war manövrierunfähig, was sie zu einer unbeweglichen Zielscheibe für die Aliens machte, selbst wenn die eine Woche oder länger gebraucht hätten, um sie zu erreichen. Beim Anblick der riesigen Einheiten – Superschlachtschiffe, die dreimal so groß waren wie die größten von Menschen erbauten Schlachtschiffe – verspürte Geary kein Verlangen danach, der Armada näher als unbedingt nötig zu kommen.

»Und welche Wahl habe ich?«

»Entweder Sie sprengen die Invincible, oder Sie überlassen sie den … na, den Aliens halt, die hier leben.« Man konnte Smythe anmerken, wie zuwider ihm beide Möglichkeiten waren.

Geary wusste, dass ihm seine eigene Unzufriedenheit anzusehen sein musste, aber er versuchte, das nicht in seinen Tonfall einfließen zu lassen. Niemand fand Gefallen daran, schlechte Neuigkeiten zu überbringen, aber er hatte vor langer Zeit erkennen müssen, wie mühelos ein Kommandant jeden davon abhalten konnte, ihn mit eigentlich wichtigen Informationen zu versorgen, wenn er nur ein paar Mal seine Wut über eine schlechte Nachricht an denen ausließ, die sie ihm überbrachten. »Wir können das Schiff nicht hier zurücklassen. Erst recht nicht, wenn die Bewohner dieses Sternensystems so aggressiv auf unser Auftauchen reagieren. Ich werde unverzüglich die Evakuierung anordnen. Schicken Sie Ihre Leute los, damit sie alles für die Sprengung vorbereiten. Sie sollen sicherstellen, dass nicht ein einziges brauchbares Teil übrig bleibt.«

Smythe nickte. »Die Antriebseinheit der Invicible ist noch intakt. Wir können die Überhitzung so steuern, dass die Explosion das Schiff in Staub verwandelt. Allerdings würde ich die Gelegenheit nutzen wollen und zuvor so viel Brauchbares wie möglich vom Schiff schaffen. Da sind noch viele Ausrüstungsgegenstände, die wir anderweitig einsetzen können, anstatt sie erst herstellen zu müssen.«

Für einen Ingenieur wie Smythe war es nur logisch und vernünftig, alles Wiederverwertbare von der Invincible zu holen und es als Ersatzteillager für den Rest der Flotte zu benutzen. Dennoch … »Tanya?«

»Sir?«

»Was würden Sie sagen, wenn Ersatzteile von der Invicible auf der Dauntless eingebaut würden?«

Sie schüttelte sofort den Kopf. »Ich möchte keine Teile von einem Unglücksschiff auf meinem Schiff haben, Admiral.«

Genau diese Antwort hatte er erwartet. Über Tausende von Jahren hatten sich gewisse Einstellungen bei Seeleuten nicht geändert, warum also sollte das ausgerechnet in den hundert Jahren geschehen sein, die er im Kälteschlaf verbracht hatte? Dennoch versuchte er, für die Haltung des Ingenieurs zu werben. »Aber während des Kriegs gegen die Syndiks muss es doch an der Tagesordnung gewesen sein, gerettete Ausrüstung wiederzuverwenden.«

»Ausgeschlachtete Ausrüstung«, korrigierte Desjani ihn. »Nein. Es ergab sich nur selten eine Gelegenheit dazu, und das war auch gut so. Als ich an Bord der Tulwar diente, wurden während einer Notreparatur zwischen zwei Gefechten gegen unseren Protest einige Teile aus dem Wrack der Buckler eingebaut. All diese Ausrüstungsgegenstände fielen in eben dem Moment aus, als wir in die nächste Schlacht zogen.«

»Nachlässiges Arbeiten beim Einbau könnte doch …«

»Die Geräte waren alle getestet worden, und sie waren in Ordnung. Aber sie stammten von einem toten Schiff. Wir verloren dadurch die Tulwar. Niemand in dieser Flotte möchte auch nur eine Schraube von der Invincible auf seinem Schiff haben. Schon gar nicht von einer Invincible.«

Am liebsten hätte Geary trotzdem die Bergung der wiederverwendbaren Teile angeordnet, doch er wusste, Tanyas Einstellung spiegelte nur wider, wie man in der gesamten Flotte dachte. Und das galt umso mehr, wenn es dabei auch noch um diese Invincible ging. Da er den Aberglauben nicht hatte wahrhaben wollen, dass Schiffe dieses Namens im Gefecht früher zerstört wurden als andere Schiffe, hatte Geary einen Blick auf die Statistik geworfen. Zu seinem Erstaunen stützten die Statistiken in gewisser Weise den Aberglauben. Die Lebenserwartung eines Kriegsschiffs war durch den brutalen Krieg gegen die Syndiks auf ein paar Jahre zusammengeschrumpft, aber selbst in Anbetracht dieses Hintergrunds brachten es Schiffe mit Namen Invincible auf eine deutlich kürzere Existenz als der Rest. Vielleicht fanden die lebenden Sterne ja, dass der Name Invincible für ein Allianz-Kriegsschiff einfach zu großspurig war.

Er wandte sich wieder Smythe zu und schüttelte den Kopf. »Nein. Räumen Sie das Ersatzteillager der Invincible leer, aber die vorhandene Ausrüstung bleibt, wo sie ist. Ich kann es mir nicht leisten, der Moral in der Flotte einen Tiefschlag zu versetzen, indem ich auf irgendeinem Schiff etwas einbauen lasse, was zuvor auf der Invincible benutzt wurde.«

Smythes Gesicht nahm den Ausdruck eines Ingenieurs an, der gezwungen war, sich mit einfältigen, irrational denkenden Menschen zu beschäftigen. »Es sind nur Ausrüstungsgegenstände, Admiral. Da lebt nichts, und da spukt es auch nicht.«

»Captain Smythe, es würde die Kopfschmerzen nicht rechtfertigen, die ich mir damit selbst bescheren würde.« Die Moral innerhalb der Flotte stand auch so schon auf wackligen Beinen. Sie alle sollten jetzt eigentlich zu Hause sein und sich in dem Ruhm sonnen, nach einhundert Jahren Krieg den Sieg über die Syndikatwelten errungen zu haben. Aber Geary hatte den Befehl erhalten, mit dieser Flotte sofort in ein Gebiet vorzudringen, das weder von Menschen erforscht worden war noch von ihnen kontrolliert wurde. Ihr Auftrag lautete, mehr darüber herauszufinden, welche Bedrohung von einer nichtmenschlichen intelligenten Spezies namens Enigmas ausging. Er hatte diesen Befehl befolgt, und auch die seinem Kommando unterstellten Schiffe hatten ihn befolgt, doch Offiziere und Besatzungsmitglieder waren kriegsmüde und unzufrieden. Irgendeine Kleinigkeit konnte genügen, um die Moral auf ein gefährliches Niveau sinken zu lassen, und für die Matrosen dieser Flotte stellte der Einsatz von Ausrüstungsgegenständen von toten Schiffen alles andere als eine Kleinigkeit dar.

»Die Tsunami ist bereits auf dem Weg zur Invincible, um die Verwundeten an Bord zu nehmen«, ließ er Smythe wissen. »Ich werde der Tsunami sagen, sie soll auch den Rest der Crew mitnehmen, allerdings weiß ich nicht, ob der Platz reicht. Da die Tanuki ebenfalls in der Nähe ist, soll sie sich um die Crewmitglieder kümmern, die keinen Platz mehr gefunden haben, bis sich eine Gelegenheit ergibt, die Matrosen anderweitig in der Flotte zu verteilen.«

»Aye, aye, Sir.« Smythe hielt kurz inne. »Diese Matrosen kommen doch auch von der Invincible, und die setzen Sie woanders ein.«

»Vielen Dank, Captain Smythe.«

»Soll ich Captain Vente als einen Sonderfall an Bord zurücklassen? Ich glaube, ihn wollen Sie nicht gern woanders einsetzen, und Captain Badaya von der Illustrious scheint ihn nicht haben zu wollen.«

»Führen Sie mich lieber nicht in Versuchung.« Schon vor seinem letzten Patzer hatte Vente es sich dank seiner Arroganz mit fast jedem Offizier der Flotte verscherzt. Außerdem hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, über Badayas Befehle herzuziehen, der das Kommando über die Sechste Schlachtkreuzerdivision hatte, jene Division, der die Invincible angehörte.

»Wäre das dann alles, Captain Smythe?«

»Nicht ganz«, antwortete der lächelnd. »Wir können die Invincible so präparieren, dass sie erst explodiert, wenn die Aliens an Bord gehen wollen.«

Das hörte sich sogar noch verlockender an. Geary warf einen Blick auf die Liste der getöteten und verletzten Besatzungsmitglieder. Diese Aliens hatten sie angegriffen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Absicht zu ergründen, die die Menschen hergeführt hatte. Außerdem war bislang auf keine an sie gerichtete Nachricht eine Antwort zurückgekommen …

Aber der Wunsch nach Vergeltung war nicht die richtige Grundlage für eine Entscheidung von solcher Tragweite. »Nein, Captain Smythe. Wir wissen nicht, ob es uns vielleicht doch noch gelingt, eine Verständigung mit diesen Kreaturen zu erzielen. Eine solche Sprengfalle würde jede Chance auf friedliche Beziehungen zunichtemachen, auch wenn ich zugeben muss, dass ich diese Chance im Augenblick als äußerst gering einschätze.«

»Es wäre eine effektive Lektion, um ihnen zu zeigen, wie wir mit denjenigen umgehen, die uns angreifen. Es könnte helfen, sie davon zu überzeugen, dass sie uns besser nicht unterschätzen sollten, Admiral«, gab Smythe zu bedenken.

Es war ein gutes Argument, das Geary zum Nachdenken brachte.

Auf einmal sagte Desjani: »Wir wissen nicht, wozu diese Wesen fähig sind. Vielleicht besitzen sie eine Technologie, mit der sie unsere Sprengfalle unschädlich machen können. Wenn es dazu kommt, gelangen sie in den Besitz der Invincible und erfahren alles über unsere technologischen Fähigkeiten.«

Smythe zog die Brauen zusammen, schließlich nickte er. »Das ist ein sehr gutes Argument.«

»Dann bereiten Sie das Schiff so vor, dass es zerstört wird, sobald wir alle außer Reichweite sind«, ordnete Geary an.

»Wird erledigt, Admiral. Ach, die Kupua hat mir soeben gemeldet, dass sie ihre Bewertung der Hauptantriebseinheit der Orion abgeschlossen hat. Sie schätzt, dass die Reparatur in zehn Stunden abgeschlossen sein wird. Bis dahin kann die Orion mithalten, solange Sie mit der Flotte keine wilden Flugmanöver veranstalten.« Unmittelbar bevor Smythe die Verbindung beendete, seufzte er theatralisch: »All die Ausrüstung an Bord der Invincible …«

Geary sah zu Desjani. »Ich dachte, es hätte Ihnen gefallen, wenn er aus der Invincible eine Sprengfalle gemacht hätte.«

Sie reagierte mit einem flüchtigen Lächeln. »Ich muss doch dafür sorgen, dass Sie eben nicht wissen, was ich will oder nicht will. Außerdem habe ich nur pragmatisch gedacht.«

Kaum hatte sie das ausgesprochen, ging eine weitere Nachricht ein, diesmal vom Flottenarzt. »Admiral, unbemannte Sonden untersuchen momentan, was von den angreifenden Aliens übrig ist. Es ist nicht viel, überwiegend kleine Fetzen. Aber die sollten genügen, um wenigstens ein paar Dinge über sie herauszufinden.«

Das hörte sich unappetitlich an. »Können Sie sagen, ob es sich um Menschen oder Enigmas handelt?«

Den Arzt schien die Frage zu überraschen. »Weder noch. Wir versuchen immer noch zu bestimmen, was sie sind. Ich kann Ihnen aber mit Gewissheit sagen, was sie nicht sind.«

Also eine zweite intelligente Rasse, die so wie die erste auf den Kontakt mit Menschen mit sofortigem Angriff reagierte. »Die Schiffe, von denen wir verfolgt wurden, waren alle bemannt? Absolut alle? Keine automatisch gelenkten Schiffe?«

»Ja, die Schiffe waren bemannt. Zumindest das, was von uns untersucht wurde. Von den meisten Schiffen ist ja kaum etwas übrig geblieben. Wir hätten vollständigere Proben gut gebrauchen können, Admiral«, schickte der Arzt in einem fast schon vorwurfsvollen Tonfall hinterher.

»Ich werde es mir merken für das nächste Mal, wenn wir von einer großen Zahl von Schiffen einer uns unbekannten Spezies unter Beschuss genommen werden.«

»Vielen Dank.« Der Arzt schien keinen Sarkasmus zu verstehen. »Ich weiß, die Umstände waren etwas schwierig und damit natürlich alles andere als ideal, um gut erhaltene Proben nehmen zu können. Gehörten diese Schiffe zu einem Selbstmordkommando?«

»Ja, richtig.« Die Taktik erinnerte in beunruhigender Weise an das Vorgehen der Enigmas. Hatte jede fremde Spezies genauso wenig Achtung vor dem eigenen Leben wie vor dem des Gegners? »Wie lange dauert es, bis Sie uns ein Bild von ihnen liefern können?«

Der Arzt machte eine hilflose Geste. »Wir setzen ein Puzzle zusammen, ohne zu wissen, welches Bild es ergeben soll, Admiral. Ich kann nichts dazu sagen, wie lange das dauern wird.«

»Okay, danke. Melden Sie sich sofort bei mir, wenn Sie etwas Brauchbares erreicht haben.« Möglicherweise würde er diese Anweisung noch bedauern, konnten Ärzte doch ohne jede Gefühlsregung Dinge untersuchen, bei deren Anblick sich bei einem gewöhnlichen Menschen der Magen umdrehte. Als Junioroffizier hatte er die Erfahrung machen müssen, dass man sich zum Essen niemals an einen Tisch setzen sollte, an dem Ärzte sich über ihre Arbeit unterhielten.

Das Gespräch erinnerte ihn jedoch an etwas anderes. Er lief Gefahr, wichtige Dinge zu übersehen, da so viel gleichzeitig ablief. Sofort betätigte er seine Komm-Kontrolle. »Captain Tulev.«

Tulev meldete sich von seinem Schlachtkreuzer Leviathan. Sein breites Gesicht strahlte keinerlei Begeisterung aus, allein Gelassenheit und Kompetenz. »Ja, Admiral?«

»Wir können hier nichts zurücklassen. Schicken Sie Ihre Schlachtkreuzer und alle weiteren erforderlichen Schiffe los, um sämtliche Trümmer von beschädigten oder zerstörten Allianz-Schiffen zu bergen. Machen Sie das so lange, bis Sie davon überzeugt sind, dass von unseren Schiffen nichts mehr zu finden ist, auch wenn sich der Rest der Flotte bereits von Ihrer Position entfernt.« Die Schlachtkreuzer, Kreuzer und Zerstörer konnten die Flotte viel leichter wieder einholen, als es den Schlachtschiffen oder den Schnellen Hilfsschiffen möglich gewesen wäre. »Achten Sie vor allem darauf, dass keine im All treibenden Leichen zurückgelassen werden.«

»Ja, Admiral, ich werde sicherstellen, dass nichts und niemand zurückbleibt. Alle menschlichen Überreste werden wir einsammeln.«

Geary lehnte sich nach hinten, dankbar dafür, dass er Tulev vertrauen konnte, alles zu erledigen, was er ihm aufgetragen hatte. Seine Gedanken kehrten zurück zu den Aliens, und er drehte sich auf seinem Platz um, sodass er den hinteren Teil der Brücke sehen konnte. Beide Gesandte der Allianz-Regierung saßen nach wie vor dort hinten, der pensionierte General Charban sah mit leerem Blick und ausdrucksloser Miene nach vorn, die ehemalige Senatorin Rione hielt sich neben ihm auf. Ihr Gesichtsausdruck verriet wie üblich nichts darüber, was in ihr vorging. »Irgendwelche Reaktionen auf unsere Versuche, mit ihnen Kontakt aufzunehmen?«, fragte Geary die beiden.

»Nein«, antwortete Rione. »Diese Wesen könnten Verbündete der Enigmas sein, Admiral. Das würde erklären, wieso sie uns attackierten, kaum dass wir hier aufgetaucht waren. Die Enigmas könnten ihre Überlicht-Kommunikation benutzt haben, um sie zu warnen, dass wir unterwegs zu ihnen sind.«

Charban runzelte die Stirn. »Das ist möglich. Aber …« Er starrte weiter so vor sich hin, als könnte er durch die Hülle der Dauntless hindurchsehen. »… ihre Festungen befinden sich alle an den Sprungpunkten, und besonders dicht am Sprungpunkt ist die gelegen, der wir als Erstes begegnet sind. Nichts davon wurde über Nacht gebaut und in Position gebracht. Falls es sich bei diesen Wesen um Verbündete der Enigmas handelt, lassen die Befestigungen den Schluss zu, dass sie ihnen nicht über den Weg trauen.«

»Würden Sie den Enigmas nicht mit Misstrauen begegnen?«, fragte Desjani.

»Oh, aber auf jeden Fall«, bekräftigte Charban.

Rione nickte zustimmend. »Die Enigmas, die uns verfolgt haben, könnten inzwischen eingetroffen sein. Aber sie sind nicht zeitig genug angekommen, um sich am Angriff auf uns zu beteiligen. Meine Annahme war verkehrt.«

»Hätten Sie noch weitere Vorschläge?«, fragte Geary, während er sich fragte, ob Rione wohl endlich diese sonderbare Passivität ablegen würde, die sie schon seit Beginn dieser Mission zur Schau stellte.

»Ja. Verlassen Sie dieses Sternensystem, so bald Sie können.«

»Diesen Hinweis habe ich bereits gehört«, versicherte Geary ihr. »Und es ist meine Absicht, diesen Ratschlag zu beherzigen. Sie beide versuchen weiter, mit irgendjemandem Kontakt aufzunehmen, der hier etwas zu sagen hat. Sagen Sie ihnen, wir wollen nur wieder abreisen, auch wenn wir uns freuen würden, friedliche Beziehungen zu ihnen einzugehen. Wir ziehen uns wortlos zurück, wenn man uns lässt, aber wenn sie sich uns in den Weg stellen wollen, werden wir zu allen erforderlichen Mitteln greifen.«

Auf Gearys Display nahm das Gewirr aus Schiffen allmählich wieder eine erkennbare Formation an; mit Ausnahme von Captain Smythe mit seiner Tanuki und der Tsunami, die sich beide in der Nähe der zerschossenen Invincible aufhielten. Und Captain Tulevs Schiffen, die damit beschäftigt waren, Trümmer und Leichen zu bergen.

Damit blieb immer noch eine wichtige Sache zu erledigen. Geary betätigte die Tasten für das schiffsinterne Komm. »Geheimdienst. Ist Lieutenant Iger da?«

»Hier, Admiral.« Iger wirkte besorgt, riss sich aber zusammen, als er sich an Geary wandte. »Wir analysieren, was wir nur können, Sir.«

»Können Sie mir schon irgendetwas über die Wesen sagen, die dieses System bevölkern?«

»Noch nicht, Admiral«, musste Iger zugeben. »Es werden sehr viele Videobilder übertragen, allerdings haben wir das Format noch nicht knacken können. Es ist nicht so verschlüsselt wie bei den Enigmas, aber sie arbeiten mit Techniken, die sich völlig von unseren unterscheiden. Wir arbeiten daran. Ich kann Ihnen nur schon sagen, dass diese Wesen sehr zahlreich im System vertreten sind.«

Neben dem Bild des Geheimdienstoffiziers tauchte ein weiteres Fenster auf, das die Primärwelt dieses Sternensystems zeigte. Auf Igers Befehl hin wurde ein Ausschnitt vergrößert, der sich als sonderbar rechteckig geformte Landschaft präsentierte. »Das sind Gebäude, Sir. Jedes einzelne Objekt ist ein Gebäude. Auf den Dächern finden sich Erde und Pflanzen, aber soweit sich das sagen lässt, besteht praktisch die gesamte Landmasse aus Häusern und Straßen. Anhand verschiedener Baustellen können wir vermuten, dass alle Gebäude mehrere Etagen tief in den Untergrund reichen und oberirdisch etliche Stockwerke hoch sind.«

Geary versuchte, sich dieses Ausmaß an Bevölkerungsdichte vorzustellen, doch es wollte ihm nicht gelingen. »Woher bekommen sie ihr Essen?«

»Aus den Gebäuden, Admiral. Einige von ihnen oder zumindest einige Stockwerke sind vertikale Bauernhöfe. Auf fast allen Dächern kann man sehen, dass Getreide auf ihnen wächst.«

»Wie viele von diesen Kreaturen leben da unten?«

Fast hätte Iger mit den Schultern gezuckt, aber in letzter Sekunde hielt er sich zurück. Das war keine Geste, die sich ein Junioroffizier gegenüber einem Admiral erlauben durfte. »Der Planet ist etwas kleiner als der Erdstandard, Sir, und die Landmasse ist etwas kleiner. Es hängt sehr stark davon ab, wie groß sie sind. Wenn sie in etwa die gleiche Größe haben wie Menschen …« Er sah zur Seite, da er etwas berechnete. »… dann könnten es etwa zwanzig Milliarden sein.«

»Zwanzig Milliarden? Auf einem Planeten dieser Größe?«

»Vorausgesetzt, sie sind so groß wie wir«, betonte Lieutenant Iger.

»Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas Neues herausfinden«, befahl er, dann lehnte er sich zurück und rieb sich die Stirn. »Was habe ich jetzt noch vergessen?«, fragte er Desjani.

»Die Festungen.«

»Die verdammten Festungen habe ich nicht vergessen. Die sind zwar unglaublich beeindruckend, aber sie sind Ziele, die sich in einem starren Orbit befinden. Wenn wir genügend Steine auf sie abwerfen, dann …« Geary hielt inne, als Desjani beharrlich den Kopf schüttelte. »Was denn?«

»Sie haben völlig recht«, sagte sie. »Sie sind Ziele. Warum also wurden sie gebaut? Und wieso sind sie noch hier? Warum hat nicht schon jemand anders sie in Stücke geschossen? Ich hasse die Enigmas, aber ich weiß, sie sind intelligent genug, um Ziele von der Größe eines kleinen Planeten mit Steinen zu bewerfen. Die Wesen, die hier leben, haben trotzdem immense Anstrengungen unternommen, diese Festungen zu errichten. Ist Ihnen aufgefallen, wie wenig Asteroiden es in diesem System gibt? Sie müssen den größten Teil ihrer Asteroiden benutzt haben, um die Festungen zu bauen. Falls sie nicht einfach nur völlig verrückt sind, werden sie das nicht getan haben, wenn diese Anlagen nichts weiter als Ziele für einen Gegner darstellen.«

Geary betrachtete das Display. »Sie glauben, die haben eine Abwehrvorrichtung gegen Steine?«

»Es wäre ratsam, von dieser Annahme auszugehen, Admiral.«

»Dann wollen wir es mal herausfinden. Wie schwer ist der größte Stein an Bord der Dauntless?«

Desjani grinste erfreut. »Wir haben da eine fünfhundert Kilogramm schwere kinetische Salve.«

»Können wir die auf uns am nächsten gelegene Festung abfeuern, ohne unsere Schiffe in Gefahr zu bringen?«

Sie nahm ein paar Berechnungen vor, dann nickte sie. »Erlaubnis die Salve abzufeuern?«

»Tun Sie’s«, befahl Geary ihr.

Die kinetische Salve war nichts weiter als ein großer Klotz aus massivem Metall, schwer genug, um sogar die Dauntless ruckeln zu lassen, als das Objekt mit hoher Geschwindigkeit auf eine Flugbahn geschickt wurde, die es zu der am nächsten gelegenen Festung führen würde. Es war jene Festung, die den Angriff auf Gearys Flotte begonnen hatte. »Fünfundsechzig Minuten bis zum Einschlag«, meldete eine immer noch lächelnde Desjani.

Wenigstens war sie jetzt wieder gut gelaunt.

Hätte er aus einem Fenster an der Seite der Dauntless sehen können – sofern es ein solches Fenster anstelle von Sensoren gegeben hätte, die überall auf dem Schiff den Blick durch virtuelle Fenster und auf virtuelle Displays erlaubten, und sofern sich die Brücke unmittelbar an der Außenhülle befunden hätte, nicht aber tief im Inneren des Schiffs vergraben –, dann hätten sich die durch dieses Fenster sichtbaren Sterne nicht bewegt. Hätte Geary ein Bild aufgerufen, das die Dauntless von einem anderen Schiff aus gesehen zeigte, dann wäre das eigentlich riesige Schiff ganz winzig erschienen, während es scheinbar reglos im All stand. Nichts hätte darauf hingewiesen, dass der Schlachtkreuzer mit einer Geschwindigkeit von 0,05 Licht unterwegs war, also rund fünfzehntausend Kilometer in der Sekunde zurücklegte. Auf einer Planetenoberfläche war das unvorstellbar schnell, doch angesichts der gewaltigen Entfernungen zwischen zwei Planeten erschien es ebenso unglaublich langsam. Wären die Menschen gezwungen gewesen, mit einer solchen Geschwindigkeit von einem Stern zum nächsten zu reisen, dann wären sie Jahre und Jahrzehnte unterwegs gewesen.

Dann wäre er jetzt nicht hier; tiefer ins All vorgestoßen als je ein Mensch vor ihm, und mit einer fremden Spezies konfrontiert, die gar nicht davon begeistert zu sein schien, die Bekanntschaft der Menschheit zu machen.

Zumindest konnte die Allianz-Regierung ihm nicht vorwerfen, er hätte seine Befehle nicht befolgt. Es war ihm auf jeden Fall gelungen, das andere Ende des von den Enigmas kontrollierten Gebiets zu finden. Geary saß da und sah zu, wie die Flotte rund um die Dauntless ihre Formation wieder einnahm, wobei für sie alle das Flaggschiff der Bezugspunkt war. Es hatte etwas Beruhigendes, wie die Befehlshaber der jeweiligen Schiffe ihr Können unter Beweis stellten.

»Entschuldigen Sie, Admiral«, sagte Desjani plötzlich.

Er versuchte, nicht zusammenzuzucken, obwohl sie ihn aus einem Augenblick der Ruhe gerissen hatte. Dabei fragte er sich, was er wohl nun schon wieder vergessen haben mochte. »Was?«

»Es gibt da etwas, was diese Superschlachtschiffe der Aliens angeht. Ist Ihnen aufgefallen, dass ihr Antrieb nicht in einem proportionalen Verhältnis zu dem ihrer Masse steht?«

»Weniger als bei unseren Schiffen?«, fragte er.

»Ja.« Desjani zeigte auf ihr eigenes Display. »Unsere Systeme schätzen, dass sie sich im Verhältnis zu unseren Schlachtschiffen so bewegen wie unsere Schlachtschiffe im Verhältnis zu unseren Schlachtkreuzern. Das heißt, sie benötigen eine Weile, bis sie in Fahrt kommen, und sie wenden so elegant wie vollgefressene Schweine.«

Er sah auf den Punkt des Schirms, an dem die immensen Schiffe der Aliens dargestellt wurden. Sie folgten weiterhin viele Lichtstunden entfernt ihrer Flugbahn, ohne etwas von der Existenz der Allianz-Flotte zu ahnen. Sobald sie das Licht von deren Ankunft im System erreichte, würden sie jedoch zweifellos beschleunigen und auf einen Abfangkurs gehen. Dann betrachtete Geary jeden der Sprungpunkte, die einen Fluchtweg aus dem System darstellten, die aber alle von jeweils einer dieser immensen Festungen wie von einem bösartigen Gefängniswärter kontrolliert wurden. »Wir können ihnen davonfliegen, aber es gibt keine Richtung, in der wir uns in Sicherheit bringen können.«

»Ja, aber …« Desjani machte eine untypisch unschlüssige Geste. »Diese Kriegsschiffe sind aus einem ganz bestimmten Grund so konstruiert. Auf irgendeine Weise müssen sie zum Einsatz kommen. Wie würden Sie das machen?«

Geary schüttelte den Kopf, während er sich vorzustellen versuchte, wie wohl eine Begegnung mit einem dieser Superschlachtschiffe verlaufen würde. »So etwas schneidet sich durch die Flotte wie ein angewärmtes Messer durch ein Stück Butter. Wir könnten diese Dinger nicht aufhalten. Ist das der Sinn ihrer Existenz? Dass sie einfach alles plattwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt?« Ein weiterer Komm-Alarm ertönte.

»Entschuldigen Sie mich bitte, Captain Desjani.« Vor Geary tauchte das Bild des Flottenarztes auf.

Dr. Nasr strahlte ihn zufrieden an. »Wir konnten diese Kreaturen teilweise rekonstruieren, Admiral, und wir sind in hohem Maß davon überzeugt, dass es sich um ein akkurates Bild handelt.«

»Wie fügen Sie die Puzzleteile zusammen?«, fragte Geary und hoffte, dass ihm bei der Antwort nicht zu übel wurde.

»Es gibt verschiedene … oh, Sie meinen dieses Mal? Nun, wir hatten nicht genug Zeit, um mit den echten Überresten zu arbeiten, da die sich noch alle in Quarantäne befinden. Aber wir haben virtuelle Kopien angefertigt und mit ihnen experimentiert, bis wir sie zusammenfügen konnten.« Der Arzt ließ das alles klingen, als sei es ein faszinierender Zeitvertreib, Fetzen von Wesen untereinander zu kombinieren, die bis vor Kurzem noch gelebt hatten.

Neben dem Chirurgen öffnete sich ein größeres Fenster.

Einen Moment lang fehlten Geary die Worte. Dann betätigte er seine Kontrollen und leitete das Bild weiter. »Tanya, so sehen sie aus.«

Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, dann betrachtete sie eine Weile das Bild, ehe sie herausbrachte: »Sie machen Scherze, nicht wahr?«

»Nein.«

»Teddybären.« Sie zeigte auf das rundliche pelzige Wesen. »Wir wurden von Teddybären angegriffen?«

Die virtuelle Rekonstruktion der Kreatur war gut einen Meter groß und mit lockigem, kurzem Fell überzogen. Das Bild zeigte weder Adern noch innere Organe, dafür war es an manchen Stellen ein wenig unscharf, für die offenbar nicht genügend Informationen für eine präzise Darstellung vorlagen. Das pausbäckige Ding hatte glänzende Augen und eine Schnauze, die mehr an eine Kuh als an einen Bären erinnerte. Insgesamt machte sie einen … niedlichen Eindruck.

»Fleischfresser?«, fragte Geary den Arzt.

»Nein, Pflanzenfresser.«

»Pflanzenfresser?«

»Kühe«, sagte Desjani. »Niedliche kleine Kühe.«

Mordlüsterne, süße kleine Teddybär-Kühe, die riesige Kriegsmaschinen bauten.

Geary sah sich das Bild noch einmal an und stellte sich dabei ein bösartiges Funkeln in den Knopfaugen vor. »Schicken Sie das an unsere Experten für außerirdische Lebensformen«, sagte er zu dem Arzt. Bis zu dem Moment, da die Flotte in das Gebiet der Enigmas vorgedrungen war, hatten diese Experten noch nie eine echte andere intelligente Lebensform zu Gesicht bekommen, aber sie waren die Einzigen auf diesem Gebiet, die ihm zur Verfügung standen. »Und bitte auch an Lieutenant Iger vom Geheimdienst.«

Als der Zeitpunkt gekommen war, an dem er sehen konnte, wie das von der Dauntless abgefeuerte kinetische Projektil sich der Festung näherte, hatte sich die Flotte weitere drei Lichtminuten von diesem Ziel entfernt, sodass er Ereignisse zu sehen bekam, die sich gut zehn Minuten zuvor abgespielt hatten.

Der fünfhundert Kilogramm schwere Metallklotz wies die Form einer alten Rakete auf, damit sie für einen möglichen Einsatz in einer Atmosphäre stromlinienförmig genug war, um nicht von ihrem Kurs abgebracht zu werden. Mit einer Geschwindigkeit von mehreren tausend Stundenkilometern raste er auf die Festung zu, um dort beim Aufprall eine immense kinetische Energie freizusetzen.

Doch ein paar tausend Kilometer vor diesem Ziel änderte das Projektil auf einmal seine Flugbahn und schwenkte auf einen Kurs ein, der es in großer Entfernung an der Festung vorbeirasen ließ.

»Wie haben die das denn gemacht?«, wunderte sich Geary.

»Gute Frage«, gab Desjani zurück. »Wollen wir hoffen, dass die Sensoren genügend Daten gesammelt haben, um uns eine Antwort zu liefern.«

»Allerdings.«

»Und wir müssen das, was die Sensoren aufgezeichnet haben, mit verschiedenen Leuten besprechen, um unterschiedliche Meinungen zu hören.«

»Mit anderen Worten: Ich muss ein Treffen einberufen, richtig?«

»Leider ja.«

Die Hauptarmada der Aliens würde in gut zwei Stunden das Licht vom Eintreffen der menschlichen Flotte im System zu sehen bekommen, zweifellos zur gleichen Zeit, wenn sie von der Orbitalfestung auf die Anwesenheit von Eindringlingen in ihrem Sternensystem aufmerksam gemacht wurden. Kriegsschiffe der Aliens, die nicht so weit entfernt waren, hatten die menschliche Flotte bereits entdeckt, doch das Licht, das ihre Reaktionen zeigte, würde Gearys Schiff erst in einigen Stunden erreichen. Für ihn war klar, worin diese Reaktionen bestehen würden, doch für den Augenblick war die Gefahr weiterer Kämpfe mit diesen Aliens weit entfernt. Also war jetzt der ideale Zeitpunkt, um den Captains der anderen Schiffe seine Pläne zu erläutern und deren Reaktionen und Vorschläge zu sammeln. Geary schickte den Befehl an die Schiffskommandanten der Flotte, während er sich insgeheim wünschte, anstelle der Konferenz noch einmal gegen die Aliens kämpfen zu dürfen. Zudem befürchtete er, dass er von nun an nur noch die Wahl zwischen dem großen und dem kleineren Übel haben würde.

Zwei

Der Konferenzraum bot eigentlich nur gut einem Dutzend Leute Platz, aber durch eine spezielle Software wurde es möglich, den Raum zu »erweitern«, damit virtuelle Teilnehmer anwesend sein konnten. Gearys Blick wanderte über den endlos lang erscheinenden Tisch, an dem alle Offiziere aufgereiht saßen. Die Befehlshaber aller Schiffe der Flotte sahen ihn an, außerdem waren Lieutenant Iger und der Chefarzt der Flotte, Captain Nasr, anwesend, ebenso General Charban und die Gesandte Rione sowie ein paar derjenigen Zivilisten, die als Experten für intelligentes nichtmenschliches Leben mitgereist waren.

Einige andere konnten nur von Geary und Desjani gesehen und gehört werden. Diesen wenigen – ehemalige Kriegsgefangene, die nun an Bord der Mistral und der Typhoon untergebracht waren – war es gestattet, Zeuge der Besprechung zu werden. Hätten die anderen hochrangigen und von sich eingenommenen ehemaligen Gefangenen davon gewusst, dann hätten sie alle darauf bestanden, ebenfalls teilnehmen zu dürfen, und sie wären überdies noch auf die Idee gekommen, darauf zu pochen, dass sie sich im Rahmen der Konferenz zu Wort melden durften. Das durfte auf keinen Fall geschehen.

Seit Geary das Kommando über die Flotte übernommen hatte, waren in diesem Raum für sein Empfinden schon zu viele Konferenzen abgehalten worden, die einen dramatischen Verlauf genommen hatten. Im Verlauf seiner hundert Jahre im Kälteschlaf waren die Flottenkonferenzen in politische Debatten verwandelt worden, bei denen die Flottenkommandanten um die Gunst ihrer Untergebenen buhlten, anstatt ihnen Befehle zu erteilen, die sie auszuführen hatten.

Als man Geary aus dem Kälteschlaf geholt hatte, stellte sich heraus, dass er bei Weitem der dienstälteste Captain der gesamten Allianz-Flotte war, hatte man ihn doch vor gut einem Jahrhundert in diesen Rang befördert. Ihm selbst war das zunächst egal gewesen, doch nach dem Tod von Admiral Bloch, der ihm vorübergehend das Kommando über die Flotte übertragen hatte, war Geary nicht nur per Befehl, sondern auch vom Dienstalter her derjenige, dem das Recht zustand, Blochs Nachfolge anzutreten. Eine ausreichende Anzahl der damaligen Commander der Flotte war dieser Argumentation gefolgt und hatte zugestimmt, dass Geary tatsächlich das Kommando über die Flotte übernehmen sollte. Dieser gesamte Prozess, bei dem er als Befehlshaber nicht nur die Meinung seiner Untergebenen anhören, sondern dafür sorgen sollte, dass seine Entscheidung eine Mehrheit fand, war ihm als skandalös verkehrt vorgekommen, doch da hatte er auch nicht gewusst, wie grundlegend ein Jahrhundert Krieg und Blutvergießen die Struktur der Flotte und den Charakter der Offiziere beschädigt hatten.

Er hatte sofort begonnen, zu den Verhältnissen zurückzukehren, wie er sie noch gekannt hatte, und auch wenn es ein langwieriger und allzu oft schmerzhafter Prozess gewesen war, ging es inzwischen doch deutlich gesitteter und professioneller zu. »Als Erstes«, begann er, »möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich sehr schätze, mit welchem Geschick sich diese Flotte in unserer letzten Schlacht geschlagen hat. Gut gemacht.«

Es wäre für ihn deutlich schwieriger gewesen, diese Worte auszusprechen, wäre Captain Vente von der Invincible anwesend gewesen. Doch dessen Schiff war inzwischen nur noch ein sich rasch ausdehnender Ball aus Staub, da man die Antriebseinheit kontrolliert gesprengt hatte. Da Vente selbst nicht länger Befehlshaber über ein Schiff war, besaß er auch kein Recht, an dieser Besprechung teilzunehmen.

In diesem Augenblick saß Vente in einem Behelfsquartier an Bord der Tanuki und wusste nicht einmal, dass eine Konferenz einberufen worden war.

»Bedauerlicherweise sind auch einige Verluste zu beklagen«, fuhr Geary fort. »Mögen die Vorfahren die Toten mit allen Ehren empfangen, die ihnen zustehen.«

Captain Badaya saß mit finsterer Miene da und starrte auf die Tischplatte. »Wir werden die Invincible rächen. Und vielleicht hört die Allianz ja jetzt endlich auf, neue Schlachtkreuzer auf diesen unheilvollen Namen zu taufen.«

»Das ist wohl nicht zu befürchten«, meldete sich Captain Vitali von der Daring. »Mit dem Ende des Krieges hat man aufgehört, neue Schiffe zu bauen. Es befinden sich keine Schlachtkreuzer im Bau, denen man diesen Namen noch geben könnte.«

Geary schaute zu Captain Smythe, der weder eine Miene verzog noch irgendeine Geste machte, der aber dennoch zu vermitteln verstand, dass sie beide das Gleiche dachten. Wenn das stimmte, was Smythe und seine Leute herausgefunden hatten, dann wurden sehr wohl neue Kriegsschiffe gebaut. Diese Tatsache wurde lediglich vor Geary und jedem anderen Mitglied dieser Flotte geheimgehalten. Warum dem so war, das stellte für Geary nur eine von vielen Fragen dar, die er zu klären hatte. Im Augenblick war es aber besser, wenn er die Unterhaltung auf andere Themen lenkte. »Ich möchte vor allem das Agieren der Orion in dieser jüngsten Konfrontation hervorheben.«

Commander Shen reagierte nur mit einem mürrischen Nicken auf Gearys lobende Worte, während die anderen Offiziere diesem Lob mit Gesten und Äußerungen zustimmten. Zumindest galt das für die meisten Offiziere, während ein paar eine neutrale Miene wahrten, womöglich, weil sie immer noch eine gewisse Verbundenheit mit dem in Ungnade gefallenen Captain Numos verspürten. Und Captain Jane Geary schien Mühe zu haben, ihr Missfallen darüber für sich zu behalten, dass Shen so hervorgehoben wurde.

»Meine Crew verdient dieses Lob«, erklärte Shen mit notorisch verdrießlichem Gesichtsausdruck. Er war kein Diplomat, und ihm schien der Gedanke fremd zu sein, sich bei seinen Vorgesetzten anzubiedern. Aber die Orion hatte nun mal gut gekämpft, und für Geary war es in seiner Erfahrung mit dieser Flotte das erste Mal, dass er das von diesem Schiff sagen konnte. Vielleicht hatte Desjani ja recht, und Shen war trotz seiner schroffen Art genau der richtige Commander, um die Orion endlich auf den richtigen Weg zu bringen.

»Der zweite Punkt«, fuhr Geary fort, »betrifft unser Wissen darüber, wie die Aliens den Stein abgelenkt haben, den wir auf ihre Orbitalfestung abfeuerten. Oder anders ausgedrückt: Wir haben keine Ahnung, wie ihnen das gelingen konnte. Ihnen allen wurde der Zugriff auf sämtliche Sensordaten erlaubt, jetzt würde ich gern Ihre Meinung dazu hören.«

Captain Neeson von der Implacable ergriff als Erster das Wort: »Mein erster Gedanke war Magnetkraft, also ein sehr starkes, sehr konzentriertes Magnetfeld, das projiziert wird, um alles abzulenken, was auf die Festung abgefeuert wird, vorausgesetzt, das Objekt besteht aus dem richtigen Metall. Aber ein so starkes Magnetfeld hätten unsere Sensoren bemerken müssen.«

Captain Hiyen von der Reprisal nickte nachdrücklich. »Und doch entspricht das Beobachtete dem, was wir auch zu sehen bekommen hätten, wäre ein Magnetfeld im Spiel gewesen. Das heißt, es muss etwas gewesen sein, das sich genauso wie ein Magnetfeld verhält. Vielleicht etwas, das bei nichtmagnetischen Substanzen genau die gleiche Wirkung erzielt.«

»Und was sollte das sein?«, fragte Captain Duellos von der Inspire.

»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Hiyen. »Ich kann nur mit Gewissheit sagen, dass immens viel Energie notwendig wäre, um etwas Derartiges zu erzeugen.«

»Das sehe ich auch so. Mehr Energie zumindest als jedes unserer Schiffe erzeugen könnte«, pflichtete Neeson ihm bei.

Captain Tulev nickte und sagte mit düsterer Stimme: »Dann wissen wir jetzt, wieso diese Festung so riesig ist. Sie muss Platz bieten für die Generatoren, die für den Abwehrmechanismus sorgen.«

Seit dem Tod von Captain Cresida waren Neeson und Hiyen zwei der besten noch lebenden Wissenschaftstheoretiker unter den Offizieren dieser Flotte. Nachdem er nun ihre Meinung kannte, wandte er sich an Captain Smythe. »Was meinen die Ingenieure dazu?«

Smythe spreizte die Hände, um seine Ahnungslosigkeit kundzutun. »Unter meinen Ingenieuren herrscht die übereinstimmende Ansicht, dass die Aliens zu so etwas nur in der Lage sein können, wenn sie sehr starke und eng begrenzte Magnetfelder projizieren. Genau das haben sie aber nicht gemacht, und somit wissen wir absolut nichts darüber, wie sie das bewerkstelligt haben.«

General Carabali, welche die dieser Flotte zugeteilten Marines befehligte, schlug plötzlich mit der Faust auf den Tisch. »Ganz gleich, wie sie das hinkriegen mögen, ihre Primärwelt wird über die gleiche Art der Verteidigung verfügen.«

Alle sahen sie an, schließlich nickte Desjani. »Das muss tatsächlich so sein. Ein Glück, dass wir keine kinetischen Projektile für einen Vergeltungsschlag vergeudet haben.«

General Charban sah immer noch Carabali an. »Ein solches Verteidigungssystem wäre für uns von unschätzbarem Wert. Wenn man unsere Planeten unverwundbar machen könnte gegen eine Bombardierung aus dem All …«

Er musste den Gedanken nicht erst noch zu Ende führen. Im Verlauf von einhundert Jahren Krieg gegen die Syndikatwelten waren durch solche Bombardements unzählige Menschen getötet und ganze Welten verwüstet worden.

»Wie kommen wir daran?«, fragte Rione, deren Stimme nach Charbans Aussage auf schroffe Art dem einsetzenden Schweigen ein Ende bereitete. »Ich gebe zu, so etwas wäre für uns von unschätzbarem Wert, aber wie bringen wir es in unseren Besitz? Die reden schließlich überhaupt nicht mit uns. Bislang ist auf keine unserer Nachrichten geantwortet worden.«

»Ein Überfall?«, schlug Captain Badaya vor, gab sich aber sofort selbst die Antwort darauf. »Auch wenn wir uns keine Sorgen machen müssten, sie könnten wieder ein paar Hundert von diesen Selbstmordfliegern auf uns hetzen, bleiben ein paar Fragen offen. Wie sollen wir ihre Verteidigung lahmlegen, wenn sie unsere Bomben ablenken können? Wie sollen wir mit Shuttles landen, wenn die möglicherweise von diesem Abwehrsystem genauso vom Kurs abgelenkt werden?«

Carabali schüttelte den Kopf. »Egal, wie viele Shuttles wir zur Oberfläche einer dieser Festungen schicken, sie würden alle von den Verteidigungsanlagen ausgelöscht werden, die wir dort entdeckt haben. Solange die Flotte nicht zumindest einen Teil der Anlagen ausschaltet, können meine Marines nicht ins Innere dieser Festungen gelangen. Jedenfalls nicht lebend.«

»Und was ist mit Tarnausrüstung?«, hakte Badaya nach.

»Davon habe ich nicht genug zur Verfügung, um eine halbwegs schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Und selbst wenn die Soldaten unversehrt landen sollten, hätte das die gleiche Wirkung, als würde man ein paar Sandkörner gegen einen Berg werfen.« Carabali hielt inne und setzte eine noch finsterere Miene auf. »Außerdem wissen wir nicht, ob unsere Tarntechnologie die Sensoren dieser Aliens überhaupt täuschen könnte. Vielleicht funktioniert’s, vielleicht aber auch nicht.«

Badaya verzog das Gesicht. »Das finden wir nur heraus, wenn wir einen Versuch wagen.«

General Carabali stand kurz davor, vor Wut zu explodieren, aber Geary verhinderte das, indem er sagte: »Ich bin mir sicher, Captain Badaya wollte damit nicht vorschlagen, dass wir es tatsächlich so machen sollten. Er hat nur festgestellt, dass es keinen anderen Weg gibt, um Gewissheit darüber zu erlangen, wozu die Aliens fähig sind. Ein tatsächlicher Angriff angesichts solcher Unwägbarkeiten wäre das letzte Mittel, zu dem wir greifen könnten, und davon sind wir noch weit entfernt.«

Diese Worte besänftigten Carabali ein wenig, während Badaya für einen Moment erschrocken wirkte, dass seine Äußerung eine solche Reaktion nach sich gezogen hatte. »Ja, genau das wollte ich damit sagen.«

»Eines wissen wir«, hob Tulev hervor. »Die Enigmas sind seit Jahren die unmittelbaren Nachbarn dieser Aliens. Aber sie verfügen nicht über eine solche Technologie. Unsere Bombardierungen von Enigma-Zielen verliefen alle nach Plan. Obwohl sie so viele Tricks und Täuschungen auf Lager haben, obwohl sie Würmer und Trojaner verbreiten, besitzen sie keine derartige Abwehrvorrichtung.«

»Vielleicht sollten wir den Aliens hier sagen, dass wir Feinde der Enigmas sind und«, begann Badaya.

»Das haben wir bereits versucht«, unterbrach ihn Rione. »Keine Reaktion.«

Badaya schien verärgert, dass Rione ihm ins Wort gefallen war, dann sah er wieder zu Geary. »Admiral, was wissen wir über die Spezies in diesem System?«

»Wir wissen, dass sie blutrünstige Dreckskerle sind«, erwiderte Captain Vitali. »So wie die Enigmas.«

Geary betätigte eine Taste, das Bild des rekonstruierten Aliens nahm über dem Tisch Gestalt an und schien unmittelbar vor jedem Anwesenden in der Luft zu stehen.

Einen Moment lang herrschte Stille, dann begann jemand zu lachen, ein anderer fluchte.

»Teddybären?«, fragte schließlich Commander Neeson.

»Teddybär-Kühe«, korrigierte ihn Desjani.

Dr. Nasr zog die Stirn in Falten. »Medizinisch gesehen ist das nicht korrekt. Ihre DNA ist mit Bären und Kühen nicht verwandt. Anhand der gefundenen Fetzen konnten wir dieses Bild rekonstruieren, und wir sind sicher, dass wir es mit Pflanzenfressern zu tun haben. Sie sind intelligent, und ihre Hände eignen sich für feinmotorische Aufgaben.«

»Augenblick mal!«, sagte Badaya. »Pflanzenfresser? Wir werden von …« Er drehte sich zu Desjani um. »… von Kühen angegriffen?«

»Vielleicht sind sie Sklaven irgendeiner Jägerspezies, die sie zu diesem Selbstmordkommando gezwungen hat«, warf der Commander eines Kreuzers ein.

Lieutenant Iger schüttelte daraufhin den Kopf. »Es ist uns gelungen, das Videosystem zu entschlüsseln, und wir haben bislang etliche Bilder dieser Kreaturen zu sehen bekommen. Es deutet nichts darauf hin, dass sie von einer anderen Spezies dominiert werden oder dass es eine Spezies gibt, die ihnen ebenbürtig ist. Unsere Beobachtung der Primärwelt liefert auch keinen Hinweis darauf, dass es eine herrschende Jägerklasse geben könnte. Alles ist einheitlich, jedes Gebäude, jeder Quadratmeter – es sieht alles gleich aus. Es gibt keine Abwechslung. Eine herrschende Jägerklasse hätte Freiräume rings um besondere Bauwerke angelegt.«

Duellos sah zu Iger. »Keine Abwechslung? Eine monolithische Kultur?«

»So sieht es aus, Sir.«

»Wie sieht Ihre Schätzung hinsichtlich der Bevölkerungszahlen aus, nachdem wir jetzt etwas mehr über diese Kreaturen wissen?«, erkundigte sich Geary.

»Mindestens dreißig Milliarden, Admiral. Das ist die unterste Zahl, die wir schätzen können.« Iger hörte, wie ringsum erstaunt nach Luft geschnappt wurde, und sah sich mit einem trotzigen Gesichtsausdruck um. »Sie leben dicht gedrängt, Schulter an Schulter. Überall.«

»Herdentiere«, meldete sich Professorin Shwartz zu Wort, eine der zivilen Experten. Alle Augen richteten sich sofort auf sie. »Herdentiere«, wiederholte sie. »Pflanzenfresser. Auf den Videos, die Lieutenant Iger aufzeichnen konnte, sehen wir sie überall in Gruppen, selbst wenn sie sich in einem Raum aufhalten, der Platz genug bietet, um auf Abstand zueinander zu gehen. Sie drängen sich aus freien Stücken aneinander. In einer kompakten Gruppe fühlen sie sich wohl, und es ist ihnen unbehaglich, von der Gruppe getrennt zu sein.«

Badaya schüttelte den Kopf. »Das mag ja alles sein, aber … Kühe, die uns angreifen?«

»Sind Sie der Meinung, dass von Pflanzenfressern keine Gefahr ausgehen kann?«, konterte Shwartz. »Sie können sogar sehr gefährlich sein. Eines der todbringendsten Tiere auf der Alten Erde war das Hippopotamus. Oder der … Elefant. Oder das Rhinozeros. Sie alle waren Pflanzenfresser, aber wenn sie das Gefühl hatten, dass einer von ihnen oder die ganze Herde bedroht wurde, griffen sie an. Schnell, entschlossen und tödlich. Waffen mit ausreichender Feuerkraft konnten sie aufhalten, sonst nichts.«

»Das klingt ganz nach dem Gefecht, das wir eben hinter uns gebracht haben«, musste Duellos zugeben.

»Und es passt zu der Tatsache, dass wir keine Kommunikation herstellen können«, fügte Shwartz hinzu. »Sie wollen nicht mit uns reden. Weil sie nicht verhandeln wollen, da ihrer Ansicht nach jeder Feind nichts anderes will, als sie zu töten. Jäger. Mit Jägern verhandelt man nicht, sondern man tötet sie – oder man wird von ihnen getötet.«

»Aber sie werden doch untereinander verhandeln«, überlegte Neeson. »Oder nicht? Herdentiere. Sie tun das, was ihr Anführer befiehlt, nicht wahr?«

»Mindestens dreißig Milliarden«, murmelte Charban, dessen Stimme von der Software aufgefangen und klar und deutlich übertragen wurde. »Was passiert, wenn die Herdentiere alle Jäger getötet haben? Dann wird die Herde immer größer und größer.«

»Wieso verhungert eine so große Herde nicht?«, wollte Badaya wissen.

»Die Menschen auf der Alten Erde sind auch nicht verhungert, als die Bevölkerung von Tausenden auf Millionen und schließlich auf Milliarden anwuchs. Wir sind intelligent, wir haben Wege gefunden, wie sich mehr Essen herstellen lässt. Viel mehr Essen. Und das hier sind intelligente Pflanzenfresser.«

»Wir stellen eine Bedrohung für sie dar«, sagte Professorin Shwartz. »Als wir versucht haben, mit ihnen zu kommunizieren, da haben wir ihnen Bilder von uns gezeigt. Anhand dieser Bilder konnten sie unsere Zähne sehen und daraus folgern, dass wir im günstigsten Fall Allesfresser, möglicherweise aber nur Fleischfresser sind. Sie sind nicht zu Herrschern über ihre Welt aufgestiegen, weil sie schwach oder passiv waren. Sie müssen die Fähigkeit besitzen, aggressiv zu werden, wenn sie sich bedroht fühlen. Das heißt, sie werden alles tun, um uns zu vernichten, damit wir keine Gelegenheit bekommen, sie zu töten und zu verspeisen.«

»Und es interessiert sie nicht, wenn wir ihnen sagen, dass wir sie gar nicht verspeisen wollen?«, fragte Duellos.

»Natürlich nicht. Wären Sie ein Schaf, würden Sie dann den Beteuerungen des Wolfs glauben wollen?«

»Ich glaube, diese Gelegenheit würde ich wohl nur einmal bekommen«, meinte Duellos daraufhin.

»Die sind wie die Enigmas«, sagte Badaya voller Verachtung. »Sie wollen uns töten und nehmen dabei keine Rücksicht auf das Leben ihrer eigenen … Leute. Sie sind bereit, ohne auch nur zu zögern Selbstmordkommandos auf den Weg zu schicken.«