Die verschollene Flotte: Fluchtpunkt Ixion - Jack Campbell - E-Book

Die verschollene Flotte: Fluchtpunkt Ixion E-Book

Jack Campbell

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Beschreibung

Seit über hundert Jahren führt die Allianz schon Krieg gegen die Syndikatswelten - mit wenig Aussicht auf den Sieg. Alle Hoffnung ruht auf Captain John "Black Jack" Geary, dem verschollenen Kriegshelden, der aus dem Kälteschlaf zurückkehrte, um das Kommando der Flotte zu übernehmen.
Nach einer Reihe brutaler Gefechte ist die Flotte der Allianz schwer beschädigt. Ihre Energie- und Munitionsvorräte sind knapper denn je. Geary sieht sich gezwungen, eine riskante Mission anzutreten: Er will ins Baldur-Sternensystem reisen, um in den feindlichen Minen Rohstoffe zu plündern. Doch der Nachschub an Ressourcen ist nicht sein größtes Problem. Denn wie sich herausstellt, sind die Syndiks nicht sein schlimmster Feind ...

Die verschollene Flotte - spannungsgeladene Space Opera des Bestseller-Autors Jack Campbell um einen Offizier, der zu den eindrucksvollsten Figuren der modernen Science-Fiction zählt. Für alle Fans von Honor Harrington und Battlestar Galactica!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Danksagung

Die Allianz-Flotte

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

 

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Über dieses Buch

Seit über hundert Jahren führt die Allianz schon Krieg gegen die Syndikatswelten – mit wenig Aussicht auf den Sieg. Alle Hoffnung ruht auf Captain John »Black Jack« Geary, dem verschollenen Kriegshelden, der aus dem Kälteschlaf zurückkehrte, um das Kommando der Flotte zu übernehmen.

Nach einer Reihe brutaler Gefechte ist die Flotte der Allianz schwer beschädigt. Ihre Energie- und Munitionsvorräte sind knapper denn je. Geary sieht sich gezwungen, eine riskante Mission anzutreten: Er will ins Baldur-Sternensystem reisen, um in den feindlichen Minen Rohstoffe zu plündern. Doch der Nachschub an Ressourcen ist nicht sein größtes Problem. Denn wie sich herausstellt, sind die Syndiks nicht sein schlimmster Feind …

JACK CAMPBELL

DIE VERSCHOLLENE FLOTTE

FLUCHTPUNKTIXION

Aus dem amerikanischen Englisch vonRalph Sander

 

Für David Sherman, der die Treue gehalten hat.Semper Fi

Und wie immer für S.

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meinem Agenten Joshua Bilmes für seine Unterstützung und meiner Redakteurin Anne Sowards für ihren Einsatz. Ein Dankeschön geht auch an Catherine Asaro, Robert Chase, J. G. »Huck« Huckenpohler, Simcha Kuritzky, Michael LaViolette, Aly Parsons, Bud Sparhawk und Constance A. Warner für ihre Vorschläge, Kommentare und Empfehlungen. Und ich danke Charles Petit für seine Vorschläge zu den Raumschlachten.

Die Allianz-Flotte

Captain John Geary

Verantwortlicher Befehlshaber

Neustrukturiert nach den Verlusten, die die Flotte vor der Übernahme des Kommandos durch Captain Geary im Syndik-Heimatsystem erlitten hat.

Fettgedruckte Schiffsnamen kennzeichnen im Gefecht verlorene Schiffe, in Klammern wird das Sternensystem genannt, in dem das Schiff verloren wurde.

Zweite Schlachtschiffdivision

Gallant

Indomitable

Glorious

Magnificent

Dritte Schlachtschiffdivision

Paladin

Orion

Majestic

Conqueror

Vierte Schlachtschiffdivision

Warrior

Triumph (Vidha)

Vengeance

Revenge

Fünfte Schlachtschiffdivision

Fearless

Resolution

Redoubtable

Warspite

Siebte Schlachtschiffdivision

Indefatigable

Audacious

Defiant

Achte Schlachtschiffdivision

Relentless

Reprisal

Superb

Splendid

Zehnte Schlachtschiffdivision

Colossus

Amazon

Spartan

Guardian

Erste Scout-Schlachtschiffdivision

Arrogant (Kaliban)

Exemplar

Braveheart

Erste Schlachtkreuzerdivision

Courageous

Formidable

Intrepid

Renown

Zweite Schlachtkreuzerdivision

Leviathan

Dragon

Steadfast

Valiant

Vierte Schlachtkreuzerdivision

Dauntless (Flaggschiff)

Daring

Terrible

Victorious

Fünfte Schlachtkreuzerdivision

Invincible(Ilion)

Repulse (Syndik-Heimatsystem)

Furious

Implacable

Sechste Schlachtkreuzerdivision

Polaris (Vidha)

Vanguard (Vidha)

Illustrious

Incredible

Siebte Schlachtkreuzerdivision

Opportune

Brilliant

Inspire

Dritte Schnelle Hilfsschiffdivision

Titan

Witch

Jinn

Goblin

Siebenunddreißig überlebende Schwere Kreuzer in sieben Divisionen

Erste Schwere Kreuzerdivision

Dritte Schwere Kreuzerdivision

Vierte Schwere Kreuzerdivision

Fünfte Schwere Kreuzerdivision

Siebte Schwere Kreuzerdivision

Achte Schwere Kreuzerdivision

Zehnte Schwere Kreuzerdivision

abzüglich

Invidious (Kaliban)

Cuirass (Sutrah)

Crest, War-Coat, Ramund Citadel (Vidha)

Zweiundsechzig überlebende Leichte Kreuzer in zehn Geschwadern

Erstes Leichte Kreuzergeschwader

Zweites Leichte Kreuzergeschwader

Drittes Leichte Kreuzergeschwader

Fünftes Leichte Kreuzergeschwader

Sechstes Leichte Kreuzergeschwader

Achtes Leichte Kreuzergeschwader

Neuntes Leichte Kreuzergeschwader

Zehntes Leichte Kreuzergeschwader

Elftes Leichte Kreuzergeschwader Vierzehntes

Leichte Kreuzergeschwader

abzüglich

Swift (Kaliban)

Pommel, Sling, Bolound Staff(Vidha)

Hundertdreiundachtzig überlebende Zerstörer in zwanzig

Geschwadern

Erstes Zerstörergeschwader

Zweites Zerstörergeschwader

Drittes Zerstörergeschwader

Viertes Zerstörergeschwader

Sechstes Zerstörergeschwader

Siebtes Zerstörergeschwader

Neuntes Zerstörergeschwader

Zehntes Zerstörergeschwader

Zwölftes Zerstörergeschwader

Vierzehntes Zerstörergeschwader

Sechzehntes Zerstörergeschwader

Siebzehntes Zerstörergeschwader

Zwanzigstes Zerstörergeschwader

Einundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Dreiundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Fünfundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Siebenundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Achtundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Dreißigstes Zerstörergeschwader

Zweiunddreißigstes Zerstörergeschwader

abzüglich

Daggerund Venom (Kaliban)

Anelace, Baselandund Mace(Vidha)

Celt, Akku, Sickle, Leaf, Bolt, Sabot, Flint, Needle, Dart, Sting, Limpet und Cudgel(Vidha)

Falcata(Ilion)

Marines-Streitmacht der zweiten Flotte

Colonel Carabali

Verantwortliche Befehlshaberin

1560 Marines in mehrere Abteilungen verteilt auf die

Schlachtkreuzer und Schlachtschiffe

Eins

Für den Captain des Handelsschiffs der Syndikatwelten, das sich dem aus dem Baldur-System führenden Sprungpunkt näherte, mochte es ein guter Tag gewesen sein – bis zu dem Moment, da mehrere Zerstörergeschwader der Allianz-Flotte aus eben jenem Sprungpunkt kommend auftauchten. Möglicherweise waren ihm ein paar Minuten geblieben, um zu überlegen, ob er wohl um die Zerstörer herumfliegen sollte, um aus dem System und damit in Sicherheit zu springen, doch dann waren weitere Zerstörer gefolgt, hinter denen wiederum ganze Geschwader aus leichten Kreuzern materialisierten. Ganz sicher waren er und seine Crew zu der einzigen Rettungskapsel gerannt, als dann auch noch Divisionen aus schweren Kreuzern, Schlachtkreuzern und Schlachtschiffen den Sprungpunkt verließen.

Die Behörden der Syndikatwelten auf der einen bewohnbaren Welt im Orbit um Baldur sollten die Zerstörung des Handelsschiffs in sechs Stunden zu sehen und dann auch die Hilferufe der Besatzung zu hören bekommen. Fast zur gleichen Zeit würde das Licht vom Sprungpunkt ihre Welt erreichen, und dann konnten sie auch die Allianz-Flotte sehen, die in ihrem abgeschiedenen Sternensystem aufgetaucht war.

Spätestens dann würde es für sie auch kein guter Tag mehr sein.

»Rapier und Bulawa melden die Vernichtung des Syndik-Handelsschiffs. Eine Rettungskapsel hat das Handelsschiff verlassen. Die Singhauta meldet die Zerstörung der automatischen Verkehrsleitboje, die den Sprungpunkt überwacht.« Die Stimme des Wachhabenden schallte ruhig und deutlich über die Brücke des Schlachtkreuzers Dauntless. »Es wurden keine Minenfelder festgestellt und keine verdächtigen Anomalien gesichtet.«

Captain John »Black Jack« Geary nickte bestätigend, seine Aufmerksamkeit war auf das schwebende Display vor seinem Kommandosessel gerichtet. Auf dem Display hätte er sich jede Einzelheit der Informationen heraussuchen können, die ihm der Wachhabende soeben gemeldet hatte, doch aus Erfahrung wusste er, dass der menschliche Verstand immer noch der beste Filter war, um wichtige von unwichtigen Daten zu unterscheiden. Wenn das von einem anderen Menschen erledigt wurde, konnte sich Geary auf das Gesamtbild konzentrieren. »Welches unserer Schiffe hat die beste Position, um die Rettungskapsel zu bergen?«

»Einen Moment, Sir. Die Battleaxe, Sir.«

Geary tippte ohne lange suchen zu müssen auf die entsprechende Komm-Kontrolle, und nahm mit Erleichterung zur Kenntnis, dass er sich allmählich an die fremdartig anmutenden Instrumente der Zukunft gewöhnte. »Battleaxe, hier spricht Captain Geary. Nehmen Sie bitte die Syndik-Rettungskapsel an Bord. Ich möchte die Handelscrew befragen.«

Zwangsläufig dauerte es gut eine Minute, bis die Antwort eintraf. Der Zerstörer Battleaxe war rund zwanzig Lichtsekunden von der Dauntless entfernt, also vergingen zwanzig Sekunden, bis die Anfrage dort eintraf, und weitere zwanzig Sekunden, bis die Antwort empfangen werden konnte. »Jawohl, Sir. An wen sollen wir die Crew überstellen?«

»An die Dauntless«, ließ Geary ihn wissen.

Er wartete noch auf die Bestätigung durch die Battleaxe, da meldete sich hinter ihm eine kühle Stimme zu Wort. »Was hoffen Sie von der Besatzung eines Handelsschiffs zu erfahren, Captain Geary? Die Syndik-Führung wird diesen Leuten keine Geheiminformationen anvertraut haben.«

Geary warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Victoria (keine Rechtschreibvorschläge) – Co-Präsidentin der Callas-Republik und Senatorin der Allianz – ihm einen neugierigen Blick zuwarf. »Dieses Schiff wollte das System verlassen, was bedeuten dürfte, dass es sich nicht um ein Schiff handelt, das ausschließlich innerhalb des Systems unterwegs ist. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass das Schiff erst innerhalb der letzten Wochen in dieses System gekommen ist und daher über Neuigkeiten aus anderen Syndik-Systemen verfügen dürfte. Ich will wissen, was man ihnen über diese Flotte gesagt hat und was sie über den Krieg im Allgemeinen wissen. Außerdem möchte ich herausfinden, ob ihnen auf ihren Reisen irgendwelche Gerüchte zu Ohren gekommen sind.«

»Denken Sie, diese Informationen werden für uns von Nutzen sein?«, bohrte Rione nach.

»Ich habe keine Ahnung, aber solange ich diese Informationen nicht kenne, kann ich das nicht beurteilen, nicht wahr?«

Sie nickte nur, ließ aber nicht erkennen, was ihr durch den Kopf ging. Allerdings war das für Geary nichts Ungewohntes. Er und Rione waren ein paar Wochen lang ein Liebespaar gewesen, doch kurz vor Verlassen des Ilion-Systems war sie mit einem Mal auf Abstand zu ihm gegangen. Der Grund dafür war ihm bislang ein Rätsel. »Dann sollten die Gefangenen vielleicht besser an die Vengeance ausgeliefert werden«, schlug sie schließlich vor. »Wie ich gehört habe, soll dieses Schiff über die besten Verhöreinrichtungen der Flotte verfügen.«

Captain Tanya Desjani, die neben Geary saß, drehte abrupt den Kopf herum und konterte frostig: »Die Dauntless besitzt hervorragende Verhöreinrichtungen und kann Captain Geary mit allem dienen, was er benötigt.« Desjani wollte gar nicht erst den Gedanken zulassen, irgendein Schiff der Flotte könnte ihrem Schiff überlegen sein.

Einen Moment lang musterte Rione regungslos die Befehlshaberin der Dauntless, dann deutete sie ein flüchtiges Nicken an. »Ich wollte nicht unterstellen, die Dauntless könnte dieser Aufgabe nicht gewachsen sein.«

»Danke«, erwiderte Desjani genauso unterkühlt wie zuvor.

Geary versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Seit Ilion standen Desjani und Rione andauernd dicht davor, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, doch der Grund dafür war ihm ebenfalls ein Rätsel. Es war schon schlimm genug, dass er sich wegen der Syndik-Flotte den Kopf zerbrechen musste, da hätte er gern darauf verzichtet zu grübeln, wieso es auf einmal böses Blut zwischen den beiden besten Beraterinnen gab, die er in der Flotte hatte. Er konzentrierte sich wieder auf das Display, auf dem die Flottensensoren alle Hände voll damit zu tun hatten, sämtliche aktuellen Informationen zu verarbeiten. Auf einmal fluchte er.

»Was ist los, Sir?«, fragte Desjani und ließ ihren Blick bereits über das eigene Display wandern. »O verdammt!«

»Ganz meine Meinung«, stimmte Geary ihr zu. Er wusste, Rione hörte ihnen zu und fragte sich, was wohl los war. »Da ist ein zweites Handelsschiff der Syndiks unterwegs, das fast den Sprungpunkt auf der anderen Seite des Systems erreicht hat. Es wird noch genug Zeit haben, um unsere Ankunft zu sehen, bevor es den Sprung unternimmt, und diese Information wird es den Syndik-Behörden im nächsten System überbringen.«

»Schon gut, dass wir uns hier nicht länger aufhalten wollen«, meinte Desjani. »In Baldur gibt es nichts, was wir benötigen. Es ist nur ein zweitrangiges Sternensystem.«

Geary nickte, während seine Gedanken ein Jahrhundert zurückwanderten. In die Zeit vor dem Krieg, in die Zeit, bevor er sich einen verzweifelten Kampf mit den Syndiks lieferte, als die ihren ersten Überraschungsangriff starteten. In die Zeit, bevor er es nur mit Mühe in eine beschädigte Rettungskapsel schaffte, in der er hundert Jahre im Kälteschlaf verbrachte, ehe er mit einem Mal zum Befehlshaber einer ganzen Flotte geworden war, deren Überleben auf seinen Schultern lastete. In eine Zeit, als er nur John Geary war, ein ganz normaler Flottenoffizier, nicht der mythische Held Black Jack Geary, von dem die Menschen dieser Zeit glaubten, er könne alles schaffen, was er sich vornahm. »Vor dem Krieg sind die Leute nach Baldur gereist«, sagte er in einem fast gedankenverlorenen Tonfall. »Touristen. Sogar aus der Allianz.«

Desjani betrachtete ihn ungläubig. »Touristen?« Nach einem Jahrhundert erbitterter Kriegführung musste der Gedanke für sie völlig absurd sein, eine Vergnügungsreise in ein Territorium zu unternehmen, das sie ihr Leben lang nur als Feindgebiet gekannt hatte.

»Ja.« Gearys Blick wanderte zu der Darstellung der einzigen bewohnten Welt. »Da unten gibt es ein paar spektakuläre Landschaften zu sehen. Auch wenn die Menschheit bereits so viele Welten besiedelt hatte, fand sich da unten etwas absolut Einzigartiges. Etwas, das man gesehen haben musste, um seine Bedeutung zu verstehen. Jedenfalls erzählte man sich das früher.«

»Etwas Einzigartiges?« Desjani musterte ihn zweifelnd.

»Ja«, wiederholte Geary. »Ich habe einmal ein Interview mit jemandem gesehen, der dort gewesen war. Er sprach davon, dass es etwas Ehrfurcht einflößendes war, als würden die eigenen Vorfahren neben einem stehen, wenn man sich dort umschaute. Aber vielleicht ist ja irgendetwas vorgefallen, immerhin hat Baldur kein Hypernet-Portal erhalten.« Sein Blick wanderte zu Desjani, die nach wie vor verblüfft dreinschaute, aber so wie immer jedes Wort aus seinem Mund akzeptierte, war sie doch davon überzeugt, dass die lebenden Sterne ihn geschickt hatten, damit er die Allianz rettete.

Sie deutete auf ihr Display. »Dann möchten Sie vermeiden, dass der Planet bombardiert wird?«

Geary hätte sich fast verschluckt. Nachdem ein Jahrhundert lang Feindseligkeiten mit den Syndiks ausgetauscht worden waren, konnten sich sogar Offiziere der Allianz auffallend kaltblütig verhalten. »Ja«, brachte er heraus. »Wenn sich das irgendwie einrichten lässt.«

»Aber sicher«, erklärte Desjani. »Die militärischen Einrichtungen befinden sich vorrangig im Orbit. Wenn wir sie unschädlich machen müssen, erfordert das kein Bombardement der Planetenoberfläche.«

»Wie praktisch«, konterte er ironisch. Er lehnte sich zurück und versuchte, seine Nerven zu beruhigen, die sich seit der Ankunft im Baldur-System in höchster Alarmbereitschaft befanden.

»Syndik-Kampfschiffe im Orbit um den dritten Planeten«, meldete der Gefechtssystem-Wachhabende der Dauntless wie auf ein Stichwort hin. »Ein viertes Schiff befindet sich in dem Raumdock, das um den vierten Planeten kreist.«

Geary hoffte, dass er bei dieser Meldung nicht zu auffällig zusammengezuckt war, und zoomte den Ausschnitt seines Displays heran, in dem die feindlichen Schiffe zu finden waren. Alles, was bis gerade eben nicht entdeckt worden war, musste ziemlich klein sein. Und das traf auch zu. »Drei veraltete Korvetten und ein noch älterer leichter Kreuzer.« Der Kreuzer war sogar noch älter als er selbst, ging ihm durch den Kopf. Und trotzdem kämpfen wir beide in einem Krieg, der weit länger dauert als die Zeit, die uns eigentlich zugestanden worden war. Aber wenigstens bin ich in körperlich besserer Verfassung als dieser uralte Kreuzer.

»Entfernung fünfeinhalb Lichtstunden«, bestätigte Desjani. »Sie bewegen sich in einem Orbit zwischen dem dritten und vierten Planeten. In ungefähr fünf Stunden werden sie uns bemerken.« Sie begann zu lächeln. »Offenbar haben sie nicht mit uns gerechnet.«

Geary erwiderte erleichtert das Lächeln. Jedes Mal, wenn die Flotte den Sprungraum verließ, war er voller Sorge, sie könnten in einen Hinterhalt der Syndiks geraten. Vermeiden ließ sich das nur, indem er die Syndik-Führung im Unklaren darüber ließ, wohin die Flotte als Nächstes springen würde. Dass nicht einmal ein paar Schiffe am Sprungpunkt in Position gegangen waren, um sie unter Beschuss zu nehmen, zeigte ihm, dass die Syndiks keine Ahnung hatten, wohin die Allianz-Flotte reisen würde. Zumindest war es ihnen nicht schnell genug klar geworden, um ein Kurierschiff in dieses Sternensystem zu schicken, das vor ihrer Ankunft warnen sollte. »Die Chancen stehen gut, dass sie die Flucht ergreifen. Falls sie das nicht machen, will ich eine Analyse dessen, was sie möglicherweise zu beschützen versuchen.«

»Jawohl, Sir«, bestätigte Desjani und gab einem ihrer Wachhabenden ein Zeichen. »Sonst noch etwas, Sir?«

»Was?« Ihm wurde bewusst, dass er verkrampft das Display anstarrte, und er zwang sich dazu, wieder ruhig durchzuatmen. »Nein.«

Desjani hatte aber längst durchschaut, was ihm Sorge bereitete. »Die Flotte scheint die Formation zu halten.«

»Ja.« So scheint es. Wenn eines der Schiffe ganz am Rand der Formation auf die Idee kam, auf die Syndik-Kriegsschiffe zuzufliegen, dann würde das auf der Dauntless erst mit einer Verzögerung von fast einer halben Minute festzustellen sein. Doch bislang sah es tatsächlich so aus, als verharre jedes Schiff an der ihm zugewiesenen Position. »Vielleicht leuchtet ja mittlerweile jedem Offizier ein, was ich ihnen über die Gefechtsdisziplin beizubringen versuche.« Das war ein aufmunternder Gedanke.

Rione ließ ihn sogleich in die Realität zurückkehren, als hätte sie ihm einen Eimer mit eiskaltem Wasser über den Kopf gekippt. »Oder sie bleiben in Formation, weil die Syndik-Schiffe fünfeinhalb Lichtstunden entfernt sind. Selbst bei voller Beschleunigung würde jeder Versuch, sich ihnen zu nähern, eine ganze Weile dauern.«

Desjani warf Rione einen weiteren kühlen Blick zu, während sie vom Navigationssystem die Berechnung durchführen ließ. »Wenn die Syndiks auf ihrem Kurs bleiben und nicht die Flucht ergreifen, würde ein Abfangkurs bei maximaler Beschleunigung und Verzögerung rund fünfundzwanzig Stunden in Anspruch nehmen«, bestätigte sie unwillig. »Aber ich kann Ihnen versichern, Madam Co-Präsidentin, wäre Captain Geary nicht der Befehlshaber dieser Flotte, hätten sich trotzdem längst Schiffe auf den Weg gemacht, um dem Feind entgegenzufliegen.«

Rione lächelte flüchtig und nickte. »Ich habe keinen Grund, Ihre Einschätzung anzuzweifeln, Captain Desjani.«

»Vielen Dank, Madam Co-Präsidentin.«

»Ich habe zu danken, Captain.«

Geary seinerseits war dankbar dafür, dass seine Offiziere keine zeremoniellen Schwerter trugen. Nach Desjanis Blick zu urteilen, hätte Rione dafür ebenfalls dankbar sein müssen. »Also gut«, sagte er laut genug, um die Aufmerksamkeit beider Frauen auf sich zu lenken. »Allem Anschein ist in diesem Sternensystem niemand auf unsere Ankunft vorbereitet. Somit sollte sich für uns die Möglichkeit ergeben, die Syndiks von vornherein einzuschüchtern, damit sie gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen.« Desjani nickte sofort zustimmend, Rione tat es ihr einige Sekunden später nach. »Captain Desjani, senden Sie bitte an alle Syndik-Einrichtungen in diesem System, dass jeder Versuch, diese Flotte zu behindern oder anzugreifen, mit übermächtiger Gewaltanwendung beantwortet wird.«

»Jawohl, Sir. Soll ich mit Ihrem Namen schließen?«

»Ja, machen Sie das.« Es war nie sein Bestreben gewesen, mit seinem Namen anderen Leuten Angst einzujagen, aber wie es schien, glaubten auch zahlreiche Syndiks an den legendären Allianz-Helden Black Jack.

Wieder meldete sich Victoria Rione zu Wort: »Ihre Mitteilungen sind für gewöhnlich länger.«

Geary zuckte mit den Schultern. »Ich will mal etwas anderes versuchen. Die haben keine Ahnung, was wir wollen, also werden sie grübeln und besorgt sein. Vielleicht besorgt genug, um nur still dazusitzen und uns in Ruhe zu lassen.« Auch wenn ich in Wahrheit gar nichts anderes will, als den nächsten Sprungpunkt zu erreichen. Er betrachtete sein Display, auf dem der Kurs zum Sprungpunkt nach Wendaya als lang gestreckter Bogen gekennzeichnet war, der die gesamte Ebene des Baldur-Sternensystems überspannte. Die Flotte musste sich keiner Syndik-Einrichtung nähern, und die Syndiks besaßen nichts in diesem System, mit dem sie die Flotte hätten verfolgen können.

Das Ganze sah so perfekt aus, dass Geary unwillkürlich begann, alles zu überprüfen, da er nicht bereit war, darauf zu vertrauen, dass tatsächlich von keiner Seite Gefahr lauern sollte.

Aber da war nichts, das irgendwie verdächtig aussah. Schließlich entspannte er sich wieder, dachte über die aktuelle Formation seiner Flotte nach, dann rief er die Statusanzeigen der einzelnen Schiffe auf. Im Sprungraum konnten nur wenige Informationen ausgetauscht werden, doch seit die Flotte das System erreicht hatte, gingen auf der Dauntless automatische Berichte von allen Schiffen der Flotte ein. Wenn es für ihn von Bedeutung gewesen wäre, hätte er in Erfahrung bringen können, wie viele Matrosen auf einem bestimmten Schiff gerade erkältet waren. Er hatte Befehlshaber gekannt, für die waren solche Dinge so interessant, dass sie darüber ganz vergaßen, sich um die Führung der Flotte zu kümmern; so als wäre das eine Sache, die sich von selbst erledigte, während sie sich immer tiefer in trivialste Kleinigkeiten verstrickten.

Was er jedoch feststellte, war alles andere als trivial. Unwillkürlich schnappte er erschrocken nach Luft, als er sich die Statusmeldungen ansah. Die anderen auf der Brücke drehten sich unweigerlich zu ihm um. »Logistik«, sagte er kurz und knapp zu Desjani.

Sie nickte. »Die Brennstoffzellen der Dauntless unterschreiten auch bald den empfohlenen Wert.«

»Das wusste ich, aber mir war nicht klar, wie viele andere Schiffe der Flotte ebenfalls diesen Wert erreicht oder sogar unterschritten haben.« Geary schüttelte den Kopf, als er den nächsten Bericht las. »Und bei der Munition sieht es auch nicht viel besser aus. Bei Sancere und Ilion haben wir viele Minen verbraucht, und der Bestand an Phantom-Raketen ist auf den meisten Schiffen sehr niedrig.« Er lehnte sich zurück und atmete tief durch, um sich zu entspannen. »Den lebenden Sternen sei Dank, dass wir die Hilfsschiffe haben. Wenn sie nicht für uns neue Brennstoffzellen und Waffen produzieren könnten, wäre diese Flotte schon vor ein paar Systemen gestrandet.«

Dadurch wurde sein Plan automatisch noch klarer umrissen, das Baldur-System zu durchfliegen. Die Flotte blieb dicht zusammen, damit der Treibstoffverbrauch auf ein Minimum beschränkt wurde, man mied den Einsatz von Waffen, und die Hilfsschiffe hatten Zeit genug, um die Bestände der Schiffe wieder aufzufüllen.

Gearys momentane Zufriedenheit schwand in dem Augenblick, als er den Status der vier Schnellen Hilfsschiffe überprüfte, die keineswegs schnell waren, auch wenn deren Namensgeber wohl diesen Eindruck gehabt haben mussten. Tatsächlich waren sie extrem langsam und damit schwierig zu beschützen, doch diese fliegenden Fabriken waren unverzichtbar, wenn die Flotte nach Hause gelangen wollte. Zumindest solange sie die Flotte mit Nachschub versorgen konnten. »Warum sind die Bestände auf den Hilfsschiffen im kritischen Bereich?«, überlegte Geary laut. »Wir haben alle Rohstoffe geplündert, die Sancere zu bieten hatte. Die Lager der Hilfsschiffe müssten bis zum Rand gefüllt sein.«

Desjani stutzte und rief die Zahlen selbst auf. »Laut diesen Berichten müssen die Hilfsschiffe in Kürze ihre Produktion einstellen, da es an den entscheidenden Rohstoffen fehlt. Das ergibt keinen Sinn. Die Schiffe haben bei Sancere Berge von irgendwelchem Material an Bord genommen.«

Die Situation war tatsächlich zu schön gewesen, um wahr zu sein. Nach einem gemurmelten Fluch setzte sich Geary mit dem Flaggschiff der Hilfsschiffdivision in Verbindung. Die Witch war volle fünfzehn Lichtsekunden entfernt, was eine ärgerliche Verzögerung bei der Kommunikation bedeutete, da die Fragen mit Lichtgeschwindigkeit zum anderen Schiff krochen und die Antworten für den Rückweg noch einmal so lange benötigten. Nur in den ungeheuren Weiten des Alls bekam man das Gefühl, dass das Licht sich nur ausgesprochen langsam von der Stelle bewegte.

Schließlich nahm das Bild von Captain Tyrosian Gestalt an, ihr Gesicht war das einer Frau, die schlechte Neuigkeiten überbrachte. Aber ihre einzige Erwiderung lautet: »Ja, Sir?«

Wenigstens hatte die Zeitverzögerung Geary Gelegenheit gegeben, sich eine diplomatische Frage zurechtzulegen. »Captain Tyrosian, ich sehe mir gerade die Statusberichte Ihrer Schiffe an und muss feststellen, dass bei allen der Bestand der wichtigen Rohstoffe unter die kritische Marke gesunken ist.«

Wieder musste er warten, dann nickte Tyrosian betrübt. »Ja, Sir, das ist korrekt.«

Geary verkniff sich, den Mund zu verziehen, als klar wurde, dass ihre Antwort keine neuen Erkenntnisse brachte. »Wie kann das sein? Ich dachte, die Hilfsschiffe hätten bei Sancere die Rohstoffvorräte aufgestockt. Wie ist es möglich, dass so schnell so viel verbraucht worden ist?«

Die Sekunden schlichen dahin, viel zu langsam, um die Verzögerung zu ignorieren, und viel zu schnell, als dass er die Zeit für etwas anderes hätte nutzen können. Tyrosian wirkte noch betrübter, als sie abermals nickte. »Die Berichte treffen zu, Captain Geary. Ich versuche, der Ursache des Problems auf den Grund zu gehen. Meine Vermutung ist, dass es an den Bestellungen liegt, die von den automatischen Logistiksystemen übermittelt werden.«

Erneut eine Pause. Geary musste sich zurückhalten, um nicht frustriert mit der Faust auf die Armlehne zu schlagen. »Wie konnte den Logistiksystemen eine so gravierende Fehleinschätzung unterlaufen? Haben Ihre Schiffe nicht die Empfehlungen der Systeme befolgt?«

Die Wartezeit bis zur Antwort verbrachte er damit, sich auszumalen, was er alles mit Captain Tyrosian machen würde, nachdem sie sich einen solchen Schnitzer geleistet hatte. Seine Wut wurde auch nicht durch die alte Weisheit gelindert, dass Ingenieure keine Meister der Kommunikation waren, die von Tyrosian bestätigt wurde, da sie bei ihren Antworten entscheidende Informationen ausließ, als gehe sie davon aus, dass er über alles Bescheid wusste, was sie tat.

Als Tyrosians Antwort einging, da hörte sie sich so an, wie Ingenieure es seit eh und je taten, wenn sie ihre fachliche Meinung zum Besten gaben. »Wir haben die Systemempfehlungen befolgt, Captain Geary. Die Systeme haben uns die falschen Empfehlungen gegeben.«

Trotz seiner wachsenden Verärgerung zögerte Geary, da ihn die Erwiderung stutzig machte. »Erklären Sie mir das. Warum sollten die Systeme falsche Empfehlungen geben? Soll das bedeuten, die Systeme wurden von jemandem manipuliert, damit sie nicht die richtigen Informationen liefern?« Wenn das der Fall war, dann hatten sie es mit gravierenden Problemen zu tun. Wenn diese automatisierten Systeme plötzlich unzuverlässig geworden waren oder wenn jemand sie manipuliert hatte, konnte das die Flotte genauso handlungsunfähig machen, als wären ihr der Treibstoff oder die Waffen ausgegangen.

Aber als die Antwort von Tyrosian endlich einging, da schüttelte sie den Kopf. »Nein, Sir, es gab und gibt keinen Fehler in den Logistiksystemen. Sie arbeiten exakt so, wie sie es sollen. Das Problem sind die Annahmen, von denen das System ausgegangen ist, um den Bedarf der Flotte zu errechnen.« Sie schluckte, da sie sich sichtlich unbehaglich fühlte, fuhr dann jedoch fort: »Die Logistiksysteme ermitteln den zukünftigen Bedarf anhand des voraussichtlichen Verbrauchs und auf der Basis der zu erwartenden Verluste. Diese Berechnungen wiederum werden aus historischen Mustern abgeleitet.« Sie verzog den Mund. »Der Verbrauch an Munition und die Verluste unter Ihrem Kommando stehen in Widerspruch zu diesen historischen Mustern. Als Folge davon haben die Logistiksysteme angenommen, dass wir viel weniger Schiffe haben müssten und dass weniger Munition und weniger Brennstoffzellen nötig wären.«

Geary benötigte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was sie gesagt hatte. »Heißt das, ich hätte bei jedem Gefecht mehr Schiffe verlieren müssen? Und ich hätte nicht so viel Munition einsetzen und so viele Manöver anordnen sollen?«

Die Zeit schleppte sich dahin, dann nickte Tyrosian abermals. »Im Prinzip ja. Wir haben öfter gekämpft und dabei weniger Schiffe verloren, als die Logistiksysteme angenommen hatten. Die Gefechte waren komplexer und machten mehr Brennstoffzellen erforderlich. Mehr Langstreckenwaffen als üblich kamen zum Einsatz. Niemandem von uns war klar, dass das Auswirkungen auf die Bedarfsberechnung haben könnte. Als Folge davon sind die Logistiksysteme von der Annahme ausgegangen, dass mehr Gefechtsschäden repariert werden müssen und weniger Nachschub für die überlebenden Schiffe erforderlich wird. Wir haben genug Material, um die Löcher in der Warrior, der Orion und der Majestic zu flicken, aber einige wichtige Rohstoffe sind knapp geworden, von denen kleine Mengen für Brennstoffzellen und Phantome benötigt werden.«

Großartig. Einfach großartig. So sehr er sich auch an die perverse Art des Universums gewöhnt hatte, musste er dennoch mit Erstaunen feststellen, dass er mit Schwierigkeiten konfrontiert wurde, weil er sich im Gefecht zu gut geschlagen hatte. Geary sah zu Desjani. »Wir haben Probleme, weil die Flotte im Gefecht nicht genügend Schiffe verloren hat!«

Zu seiner Verwunderung benötigte sie nur einen Moment, um zu verstehen. »Dann müssen wir das System an Sie anpassen, Sir. Darauf hätte ich eigentlich auch sofort kommen sollen.«

Geary lächelte sie düster an. Es war wieder typisch für Desjani, dass sie sofort ein gewisses Maß an Verantwortung auf sich nahm, ohne Rücksicht darauf, ob sie damit irgendetwas zu tun hatte oder nicht. Ganz im Gegensatz beispielsweise zu Captain Tyrosian, die nicht zu wissen schien, was sie tun sollte, und nur auf Gearys Befehle wartete, anstatt selbst Vorschläge zu unterbreiten. »Tanya«, sagte er und benutzte Desjanis Vornamen, um zu betonen, wie sehr er ihr vertraute. »Was würden Sie empfehlen?«

»Alle Hilfsschiffe verfügen über zu wenig Rohstoffe?« Sie überprüfte noch einmal die Statusmeldungen und verdrehte die Augen. Wie sie über Ingenieure dachte, die Schiffe befehligen, war nicht zu übersehen, und vermutlich würde so gut wie jeder auf Gearys Schiff diese Meinung teilen. »Die Vorräte der Jinn sind etwas größer als die der Witch«, überlegte sie laut. »Auf der Goblin sieht es etwas schlechter aus, und die Titan ist ungefähr auf dem gleichen Stand wie die Witch.« Geary versuchte, nicht darüber nachzudenken, welche Materialien sie bei Sancere an Bord genommen hatten und wie leicht es gewesen wäre, sich auch bei all diesen entscheidenden Rohstoffen zu bedienen. »Wir benötigen mehr«, folgerte Desjani.

»Das sehe ich auch so«, gab Geary zurück und musste sich zusammenreißen, damit er ihr wegen dieser offensichtlichen und damit nutzlosen Feststellung nicht ins Gesicht sprang. »Wo bekommen wir das her?«

Sie deutete auf das Display, auf dem das System dargestellt wurde. »Natürlich haben die Syndiks in diesem Sternensystem Minen. Dort werden wir finden, was wir benötigen.«

Geary grinste erleichtert. Mit meinen Gedanken war ich immer noch in Sancere. Den Vorfahren sei gedankt, dass Desjani mit ihren Gedanken hier in Baldur ist. »Madam Co-Präsidentin«, begann er.

Sie verzog das Gesicht und kam seiner Frage zuvor. »Wir haben schon Sabotageakte durch die Syndiks erlebt, Captain Geary. Wenn wir sie um die benötigten Rohstoffe bitten, ja, wenn wir sie nur wissen lassen, dass wir sie benötigen, könnte das ein schwerer Fehler sein. Ich wüsste nicht, wie die Diplomatie in diesem Fall von Nutzen sein sollte.«

Gegen ihren Willen musste Desjani zustimmend nicken. »Das ist fast mit Sicherheit korrekt, Sir.«

Geary dachte darüber nach, dann wandte er sich Tyrosian zu. Die Ingenieurin war sichtlich nervös und schien auf eine Standpauke gefasst zu sein, vielleicht sogar auf Schlimmeres. Ihr Anblick genügte, um Gearys Wut verrauchen zu lassen. Vielleicht war Tyrosian nicht die hellste oder die fähigste Offizierin der Flotte, aber sie kannte sich mit ihrer Arbeit aus und überzeugte durch solide Leistungen. Das Problem hatte sie nicht kommen sehen, aber automatisierte Systeme förderten fast immer Unselbstständigkeit bei ihren Benutzern. Jeder wusste das.

Also zwang sich Geary zu einem vertrauensvollen Blick, als hätte er niemals an Tyrosians Fähigkeit gezweifelt, sich diesem Problem zu widmen. »Okay, fassen wir also zusammen. Auf allen vier Hilfsschiffen mangelt es an wichtigen Rohstoffen. Wenn wir diese Bestände nicht umgehend aufstocken, werden unentbehrliche Komponenten für unsere Schiffe nicht mehr hergestellt werden können. Stehen diese Rohstoffe in diesem System zur Verfügung?« Da er noch rechtzeitig an die nervenaufreibende Zeitverzögerung bis zum Eintreffen der Antwort dachte, fügte er rasch eine weitere Frage an: »Sind die Rohstoffe an bestimmten Stellen der von uns entdeckten Minen zu finden?«

Gut dreißig Sekunden später sah er, wie Tyrosians Miene sich aufhellte. »Jawohl, Sir. Die Bergbauaktivitäten auf den Asteroiden und in der Nähe der Gasriesen wurden von den Flottensensoren bereits festgestellt und analysiert. Die wahrscheinlichste Stelle, wo wir finden, was wir brauchen, dürfte … ähm … hier auf dem vierten Mond nahe dem zweiten Gasriesen sein.« Ein zweites Fenster öffnete sich vor ihm in der Luft und zeigte die von Tyrosian erwähnte Stelle.

»Wie ratsam wäre es Ihrer Meinung nach, die Syndiks aufzufordern, uns diese Stoffe auszuhändigen?«

Tyrosians Beunruhigung war nicht zu übersehen. »Das wäre überhaupt nicht ratsam, Sir. Sie wüssten sofort, warum wir speziell diese Materialien benötigen. Das sind alles Spurenelemente, die man in kleinen Mengen findet und die auch nur in geringen Dosen verarbeitet werden. Die Syndiks könnten ihre Vorräte kontaminieren oder zerstören, da es sich nur um geringe Mengen handelt.«

Es wurde einfach immer besser! Geary schaute wieder auf sein Display. Er musste die Syndiks mit einem Überfall auf ihre Minen überraschen, was jetzt nicht mehr so einfach war, nachdem die nun in der Lage waren, jedes seiner Schiffe über einen Zeitraum von Tagen hinweg zu beobachten, bevor sie endlich ihr Ziel erreichten. »Muss ich sonst noch etwas wissen, Captain Tyrosian? Brauchen die Hilfsschiffe noch irgendetwas anderes? Irgendetwas, das sie daran hindern könnte, diese Flotte mit Brennstoffzellen und Munition zu versorgen?« Eigentlich wollte er nicht noch mehr schlechte Nachrichten hören, aber schlechte Nachrichten wurden nicht dadurch besser, dass man sie sich nicht anhörte. Für gewöhnlich wurden sie dann sogar nur noch schlechter.

Wieder schüttelte Tyrosian den Kopf. »Nein, Sir. Nicht, dass ich wüsste. Zur Sicherheit werde ich aber jede Abteilung auf jedem Hilfsschiff anweisen, den schlimmsten Fall durchzuspielen.«

»Gut.« Und was sollte er jetzt mit Tyrosian machen? Sie hatte einen kapitalen Bock geschossen und dann abgewartet, bis Geary es herausfand, anstatt es ihm von sich aus zu sagen. Durch ihren Fehler hatte sie die gesamte Flotte einem größeren Risiko ausgesetzt, und da diese Flotte sich tief in Syndik-Territorium befand und auf der Flucht war, bedeutete dieses Risiko eine echte Bedrohung.

Bislang hatte sie gute Arbeit geleistet. Zumindest brauchbare Arbeit. Und wer sollte ihren Posten übernehmen, wenn er sie versetzte? Der Captain der Titan schäumte vor Enthusiasmus über, aber er war jung und unerfahren. In einer Flotte, die so sehr auf Ehre und Erfahrung ausgerichtet war, würde er eine Menge Arger heraufbeschwören, wenn er ihn zum Commander über die Hilfsschiffdivision beförderte. Abgesehen davon gab es nicht mal eine Garantie, dass er einer solchen Verantwortung bereits gewachsen war. Der Captain der Goblin wiederum zeichnete sich einzig durch seine Mittelmäßigkeit aus, und der Befehlshaber der Jinn war erst kurz zuvor auf den Kommandostuhl nachgerückt, nachdem Geary den Vorgänger seines Postens enthoben hatte. Dieser Vorgänger war Captain Gundel, ein Mann, der so wenig daran interessiert gewesen war, sich um den Bedarf der Kriegsschiffe zu kümmern, dass er auch gleich offen den Feind hätte unterstützen können. Gundel saß mittlerweile in einem kleinen Büro an Bord der Titan, wo er sich der Aufgabe widmete, den exakten Bedarf der Flotte umfassend zu ermitteln. Diese Aufgabe diente einzig als Beschäftigungstherapie, damit er Geary nicht länger im Weg war. Die Bedarfsermittlung war derart komplex, dass die Flotte notfalls auch jahrelang unterwegs sein konnte, ohne dass Gundel zu einem Abschluss käme.

Die Erinnerung an Gundel machte es Geary leichter, sich zu entscheiden. Tyrosian war vielleicht nicht vollkommen, doch alle Alternativen wären um Längen schlechter. Verdammt noch mal. Soweit ich das beurteilen kann, hat sie wirklich ihr Bestes versucht. »Captain Tyrosian, es gefällt mir nicht, dass es zu dieser Situation kommen musste. Ich wünschte, Sie hätten mich frühzeitig informiert. Aber Sie haben die Ursache des Problems herausgefunden, und ich gehe davon aus, dass Sie entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten, damit sich das nicht wiederholt.« Zumindest ging er davon aus, dass sie solche Maßnahmen ergreifen würde, wenn sie ihn davon reden hörte. »Ich benötige von Ihnen eine Einschätzung, was wir brauchen, und ich möchte, dass sich ein Team aus Ingenieuren bereithält, um eine der Syndik-Minen aufzusuchen und sich einen Eindruck von den Beständen zu verschaffen. Sorgen Sie dafür, dass beides erledigt wird.«

Tyrosian zwinkerte, als sei sie überrascht. »Jawohl, Sir.« War ihr klar gewesen, dass sie dicht davorgestanden hatte, ihr Kommando zu verlieren? Vermutlich ja. Sie war nicht gerade seine beste Offizierin, aber sie war gut genug, um das Konzept der Verantwortlichkeit zu begreifen. Ganz im Gegensatz zu seinen schlechtesten Offizieren. Wären doch bloß die wahren Idioten unter seinen Captains bereit gewesen, von ihren Posten zurückzutreten, wenn sie sich gravierende Fehler geleistet hatten. Aber dazu kam es natürlich nicht, selbst wenn ihnen klar war, was sie verbrochen hatten. Das war einer der Hauptgründe, weshalb er sie für Idioten hielt.

Geary warf Tyrosian einen ermutigenden Blick zu. »Ich benötige außerdem einen Plan, wie die Schiffe der Flotte mit dem versorgt werden können, was die Hilfsschiffe auf dem Weg hierher produzieren konnten. Priorität haben die Schiffe mit dem geringsten Treibstoffvorrat und der wenigsten Munition.«

»Jawohl, Sir. Das ist kein Problem. Kann die Flottenformation angepasst werden?«

»Ja. Ich möchte, dass die Verteilung so schnell und effizient wie möglich durchgeführt wird.«

»Das wird erledigt werden«, versprach Tyrosian, zögerte kurz und fügte dann an: »Es tut mir leid, Sir.«

Auch Geary hielt inne. Diesmal war er sich sicher, eine ehrliche Miene zu machen, als er Tyrosian zunickte. »Danke, Captain. Das wusste ich bereits. Darum haben Sie auch nach wie vor das Kommando über die Witch sowie über die Hilfsschiffdivision. Und darum bin ich auch davon überzeugt, dass Sie beide Positionen bestens ausfüllen werden.«

Nachdem Tyrosians Bild verschwunden war, schloss er einen Moment lang die Augen und hoffte, richtig gehandelt zu haben. Er grübelte darüber, ob er seine Worte an sie ernst gemeint hatte oder ob das nur politisches Taktieren gewesen war. Wenn man dem Feind gegenüber eine falsche Miene aufsetzte, dann konnte das einen Sieg genauso herbeiführen, als würde man mehrere Divisionen Schlachtschiffe gegen ihn auffahren. Damit hatte Geary auch keine Schwierigkeiten. Aber manchmal musste er sich seinen eigenen Offizieren gegenüber genauso verhalten, und das hatte ihm noch nie behagt. Glaubte er tatsächlich an Tyrosian, oder war sie für ihn nur das kleinste von mehreren Übeln? Doch selbst wenn ich dieser Meinung bin, was würde es bringen, ihr das zu sagen?

Du hast Arbeit zu erledigen. Hör auf zu grübeln. Geary schlug die Augen auf und betrachtete wieder die Darstellung des Baldur-Systems. Er war sich nicht sicher, wie es ihnen gelingen sollte, den Syndiks die Rohstoffe zu entreißen, aber er wusste, wem er diese Aufgabe übertragen musste. Geary tippte auf die Kontrollen, um ein anderes Fenster zu öffnen. Einen Augenblick später tauchte das Gesicht der Befehlshaberin über seine Marines auf. »Colonel Carabali, wir haben einen Auftrag für Ihre Truppen.«

Da wären wir mal wieder. Geary wappnete sich gegen das Unvermeidliche, dann betrat er das Abteil, in dem er seine Besprechungen mit den Captains seiner Flotte abhielt. Es war kein großer Raum, und an dem Tisch konnten in Wahrheit nur gut ein Dutzend Personen bequem sitzen, doch die Konferenz-Software erzeugte einen virtuellen Raum und Tisch, die beide groß genug schienen, um jedem seiner Captains einen Platz zu bieten. Er war sich noch immer unschlüssig, ob diese Einrichtung Segen oder Fluch war.

Er nahm seinen Platz am Kopfende des Tischs ein und schaute in die Gesichter zu beiden Seiten. Scheinbar ganz vorne saßen die dienstältesten Offiziere, während diejenigen, die erst seit kurzer Zeit Captain waren, am hinteren Ende platziert waren. Nur eine Person hielt sich tatsächlich mit ihm in diesem Raum auf, nämlich Captain Desjani, die dem Treffen mit genauso wenig Begeisterung beiwohnte wie er. Allerdings hoffte Geary, dass er seine Lustlosigkeit besser verbergen konnte.

Dass Captain Numos und Captain Faresa, die normalerweise einen Platz in seiner Nähe innehatten, nicht anwesend waren, stellte für ihn keinen großen Trost dar. Die Befehlshaber der Orion beziehungsweise der Majestic standen beide unter Arrest, aber selbst ihre Abwesenheit sorgte für Missstimmung unter den Anwesenden. Geary musste sich nur am Tisch umsehen, und schon schaute er in Augen, die ihn entweder voller Skepsis betrachteten oder gar nicht erst ihre wahren Gefühlsregungen zu erkennen gaben. Glücklicherweise gab es jedoch auch etliche Offiziere, die einen fast ehrfürchtigen (wenn auch beunruhigenden) Glauben an Black Jack Geary zur Schau stellten, sowie solche, die weniger an die Legende von Black Jack, als vielmehr an den Mann glaubten, der momentan den Befehl über ihre Flotte hatte. Unwillkürlich fragte er sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis ihm ein so grober Fehler unterlief, dass ihr Glaube an ihn durch seine eigene menschliche Fehlbarkeit zerstört wurde.

»Willkommen in Baldur«, begann Geary. Während er diese Worte sprach, erinnerte er sich daran, dass dies vor über hundert Jahren der Titel einer sehr beliebten Dokumentation gewesen war. Keiner der Anwesenden ließ eine Reaktion erkennen, also war er wohl der Einzige in der Flotte, der um diese Parallele wusste. Aber daran war natürlich auch nichts ungewöhnlich. »Eigentlich hatte ich geplant, dass wir über die Ebene dieses Systems hinweg zum nächsten Sprungpunkt fliegen, aber wie üblich gibt es eine Planänderung.«

Interessierte Blicke schlugen ihm entgegen, während er ein Display aktivierte. In dessen Mitte schwebte der gelbe Stern Baldur, ringsum waren mehrere markante Planeten angeordnet, und über das System verteilt fanden sich Symbole, die Aktivitäten oder Einrichtungen der Syndiks kennzeichneten. »Wir müssen der Bergbauanlage auf dem vierten Mond des zweiten Gasriesen einen Besuch abstatten.« Das Symbol leuchtete heller auf. »Die Hilfsschiffe müssen ihren Vorrat an bestimmten Materialien aufstocken, die wir uns dort beschaffen werden. Oder besser gesagt: die unsere Marines für uns beschaffen werden.« Geary deutete mit einem Nicken auf Colonel Carabali.

Carabali war so wie Geary zu ihrem Kommando gekommen, als ihr Vorgesetzter aus einem Hinterhalt der Syndiks während einer Unterhandlung ermordet wurde. Als eine Marine ließ sie sich nicht davon einschüchtern, dass sie seitdem diejenige war, die unmittelbar mit den Flottenoffizieren zu tun hatte. Jetzt sprach sie im nüchternen, klaren Tonfall eines Führungsoffiziers: »Es gibt Grund zu der Annahme, die Syndiks könnten die Vorräte vernichten oder kontaminieren.«

»Warum das?«, wurde sie jäh unterbrochen.

Geary richtete seinen Blick auf die Sprecherin. Commander Yin, die verantwortliche Befehlshaberin der Orion und zweifellos ein Schützling von Captain Numos. Yin wirkte etwas nervös, aber aufbrausend, vermutlich der unbewusste Versuch, Numos’ Verhalten zu imitieren. »Wenn Sie Colonel Carabali alle Fakten präsentieren lassen, werden Sie die Antwort auf Ihre Frage schon noch bekommen«, gab Geary zurück und bemerkte, dass sein Tonfall schroffer war als eigentlich beabsichtigt.

Carabali sah sich um, dann fuhr sie fort: »Die fraglichen Materialien sind Spurenelemente. Die Flotte war in der Lage, die Existenz dieser Vorräte in dieser Einrichtung zu bestätigen, und zwar zum einen durch die Analyse der übermittelten Nachrichten im System, zum anderen durch das, was wir aus der Ferne von der Anlage sehen können. Da die relativ winzigen Vorratsmengen eine Zerstörung oder Kontaminierung leicht machen, hat mich Captain Geary gebeten, einen Plan zu entwickeln, damit wir jeden überraschen, der sich in der Einrichtung aufhält oder sie möglicherweise sogar verteidigen soll.«

Carabali machte eine Pause, woraufhin Captain Tulev vom Schlachtkreuzer Leviathan ihr einen fragenden, aber nicht feindseligen Blick zuwarf. »Wie sollen wir es anstellen, sie zu überraschen?«

Geary lieferte darauf die Antwort. »Wir müssen die Syndiks in die Irre führen und sie glauben lassen, dass wir etwas ganz anderes beabsichtigen. Sie werden uns kommen sehen, aber wir müssen es so aussehen lassen, als würden wir den Schlenker nur machen, um die Anlage zu zerstören, nicht jedoch, um irgendetwas von dort mitzunehmen.« Er tippte auf verschiedene Tasten, woraufhin sich mehrere geschwungene Linien durch das Baldur-System zogen, die von einem Punkt zum nächsten sprangen und Planeten genauso betrafen wie Asteroiden. »Wir beginnen am Rand des Systems und arbeiten uns langsam nach innen vor. Wir fliegen dicht an Syndik-Einrichtungen vorbei und zerstören sie durch Beschuss mit Höllenspeeren.«

Diesmal meldete sich ein skeptischer Captain Casia vom Schlachtschiff Conqueror zu Wort. »Das ergibt doch keinen Sinn. Nicht mal die Syndiks werden uns abnehmen, dass wir uns Zeit lassen, stationäre Ziele im Vorbeiflug zu zerstören, wenn wir sie von hier aus mit kinetischen Salven auslöschen können.«

Geary überprüfte, ob er mit seiner Vermutung richtig lag, und tatsächlich gehörte die Conqueror zur Dritten Schlachtschiffdivision, so wie auch die Orion und die Majestic. Captain Casia war bei früheren Besprechungen nicht in Erscheinung getreten, womöglich weil er bis dahin im Schatten von Numos oder Faresa gestanden hatte. Geary konnte sich aber an nichts erinnern, das ihn hätte veranlassen müssen, ihn in die gleiche Schublade wie jene beiden Unruhestifter zu stecken, also antwortete er ohne jede Feindseligkeit: »Man kann durchaus annehmen, dass unser Bestand an kinetischen Projektilen geschrumpft ist, was in Wahrheit sogar der Fall ist, da wir so viele von ihnen bei Sancere abgefeuert haben. Außerdem existiert in diesem System keine ernsthafte Gefahr für uns. Aus diesem Grund ist es durchaus sinnvoll, wenn wir unseren Bestand an kinetischen Waffen schonen und stattdessen Höllenspeere zum Einsatz bringen. So werden die Syndiks glauben, wir hätten sogar noch viel weniger kinetische Waffen zur Verfügung als es tatsächlich der Fall ist. Das könnte uns später noch von Nutzen sein.«

Casia biss sich auf die Lippe, während sein Stirnrunzeln fast nicht wahrnehmbar war. Das Bild von Captain Duellos vom Schlachtkreuzer Courageous ließ Geary aufmerksam werden, und er sah, wie er Casia einen abfälligen Blick zuwarf und ihn wortlos zurechtwies. Nach ein paar Sekunden, die möglicherweise nur auf die Entfernung zwischen der Dauntless und der Courageous zurückzuführen waren, schüttelte Casia den Kopf. »Wir haben nur noch wenige kinetische Waffen? Was haben denn die Hilfsschiffe die ganze Zeit gemacht?«

»Brennstoffzellen hergestellt, Captain Casia«, sagte Duellos in einem Tonfall, der das Gesicht des anderen rot anlaufen ließ. »Ich nehme doch an, dass es Ihnen lieber ist, wenn Sie Ihr Schiff manövrieren können, anstatt mit einem vollen kinetischen Waffenarsenal hilflos durchs All zu treiben, oder?«

Geary konnte mühelos erkennen, welchen Status Casia in der Flotte besaß, da die Reaktionen der anderen Offiziere eine deutliche Sprache sprachen. Viele grinsten über Duellos Zurechtweisung, andere dagegen schienen sich mehr über Duellos als über Casia zu ärgern. Das war eigenartig, denn Geary konnte sich nicht daran erinnern, dass der Mann ihm zuvor schon einmal Arger gemacht hatte. Warum waren sich die Unzufriedenen plötzlich einig, sich auf ihn zu stürzen?

Er schlug mit der Faust auf den Tisch, um weiteren Kommentaren vorzubeugen. »Vielen Dank, Captain Duellos. Haben Sie noch weitere Fragen, Captain Casia?«

»Ja. Ja, die habe ich.« Casia stand auf, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Wie ich höre, benötigen wir diese Materialien, weil die Hilfsschiffe bei Sancere ihre Vorräte nicht ordentlich aufgestockt haben. Die gesamte Flotte ist damit in Gefahr geraten, aber die Verantwortlichen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen.«

Er machte eine Pause, während Geary zu Captain Tyrosian sah und bemerkte, wie die sich versteifte. »Ist das eine Feststellung oder eine Frage?«, wollte Geary wissen.

»Es ist … beides.«

»Dann kann ich Ihnen versichern«, erklärte er ruhig, »dass ich die Angelegenheit mit Captain Tyrosian besprochen habe und sie weiterhin mein Vertrauen als Befehlshaberin über die Hilfsschiffdivision genießt.«

»Was haben Sie zu ihr gesagt?«, gab Casia fordernd zurück.

Geary konnte nicht anders, als die Stirn zu runzeln. Ihm wurde bewusst, was sich hier entwickelte: jene Art von Diskussion, die seinerzeit in der Flotte undenkbar gewesen wäre. Hier wurde nicht bloß über die richtige Vorgehensweise gestritten, sondern ganz gezielt der Commander der Flotte herausgefordert und dabei versucht, den Rückhalt zu beeinflussen, auf den er zählen konnte. Jeden Augenblick würde Casia vermutlich eine Abstimmung fordern, damit Geary Tyrosian von ihren Aufgaben entband.

Solange er das Kommando hatte, würde es dazu nicht kommen. »Captain Casia«, sprach er so frostig, wie es nur ging. »Es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, das in die Öffentlichkeit zu tragen, was ich mit meinen Offizieren unter vier Augen bespreche. Was ich zu Captain Tyrosian gesagt habe, geht nur sie und mich etwas an – so wie ich auch über alles schweigen werde, was ich mit Ihnen zu besprechen habe.«

»Wir haben ein Recht zu erfahren, dass Sie geeignete Maßnahmen ergriffen haben, um …«, begann Casia.

»Wollen Sie meine Autorität als Befehlshaber dieser Flotte infrage stellen, Captain Casia?«, fuhr er den Mann mit dröhnender Stimme an.

Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann schien Captain Tulev mit sich selbst zu reden, allerdings laut genug, um von allen gehört zu werden. »Die Syndiks haben bei Kaliban, Sancere und Ilion lernen müssen, dass Captain Geary ein sehr fähiger Commander ist.«

Commander Yins Stimme zitterte leicht, als sie sich wieder in die Besprechung einmischte. »Die Traditionen der Flotte verlangen nach einer offenen Debatte und nach Einstimmigkeit bei den Ansichten der Captains. Was ist verkehrt daran, diese Tradition fortzusetzen? Warum will Captain Geary nicht jene Traditionen wahren, die diese Flotte in die Lage versetzt haben, den Kampf fortzusetzen?«

Captain Desjani hatte bislang geschwiegen, doch diese deutliche Attacke auf Geary ließ sie wütend herausplatzen: »Captain Geary glaubt sehr wohl an unsere Traditionen! Er hat uns an jene Traditionen erinnert, die wir längst vergessen hatten!«

»Captain Geary hat diese Traditionen vor einhundert Jahren eingeführt!«, meldete sich eine weitere Stimme zu Wort. Zu Gearys Überraschung war es Commander Gaes von der Lorica. »Er kämpft! Und wichtiger noch: Er weiß, wie man kämpft! Er hat diese Flotte nicht in eine einzige Syndik-Falle geraten lassen!«

Der deutliche Verweis auf das Desaster bei Vidha ließ die Diskussion einen Moment lang ins Stocken geraten. Sowohl Casia als auch Yin warfen Commander Gaes vorwurfsvolle Blicke zu, doch sie schien sich daraus nichts zu machen. Nachdem Gaes sich entschieden hatte, dem rebellischen Captain Falco zu folgen, als der sich mit mehreren Schiffen von der Flotte abspaltete, hatte sie mitansehen müssen, wie diese kleine Streitmacht bei Vidha fast vollständig aufgerieben wurde. Offenbar brachte sie seitdem keine Toleranz mehr für jemanden auf, der sich auf eine Weise gegen Gearys Befehlsgewalt aussprach, die nur ins Verderben führen konnte.

Schließlich schüttelte Casia den Kopf. »Wir befinden uns in einer schwierigen Situation. Die Flotte kann es sich nicht leisten, denjenigen ausgeliefert zu sein, die sich zu Günstlingen des Flottenbefehlshabers aufgeschwungen haben, ganz gleich, ob sie die nötige Kompetenz besitzen oder nicht.«

»Das reicht!« Geary bemerkte, dass sich alle zu ihm umgedreht hatten, und ihm wurde klar, dass er derjenige sein musste, von dem diese energischen Worte stammten. Es kostete ihn Mühe, seinen Tonfall anzupassen, um wieder wie ein Commander und nicht wie ein erzürnter Gott zu klingen. Und nicht wie Black Jack.

»Captain Casia, diese Flotte hat zu viele schlechte Erfahrungen mit Offizieren machen müssen, die nicht in der Lage waren, ihren Aufgaben nachzukommen. Ich werde so etwas von niemandem dulden, der sich in der Position eines Commanders befindet. Ist das klar?« Casias Gesicht lief rot an, aber er schwieg. »Möchten Sie jetzt noch irgendeinem der hier anwesenden Offiziere vorwerfen, dass er unfähig ist, sein Schiff zu befehligen?« Geary wusste, dass er den Mann drangsalierte, damit der vor allen anderen klein beigab. Eigentlich sollte er seine Autorität nicht so missbrauchen, schließlich musste er seine Offiziere anführen und sie nicht vor sich her treiben. Aber im Augenblick hatte er einfach die Nase voll von Offizieren, die nur ihren Kopf durchsetzen wollten und damit das Überleben der Flotte gefährdeten. »Möchten Sie das?«, hakte er nach.

Casias Stimme klang rau, als er mit »Nein« antwortete.

»Ich bin der Commander dieser Flotte und Ihr vorgesetzter Offizier, Captain Casia.«

»Nein … Sir.«

»Danke.« Suspendier ihn doch einfach. Jetzt sofort. Und sperr ihn zusammen mit Numos, Faresa, Captain Kerestes und dem verrückten Captain Falco ein. Und wirf Commander Yin gleich noch hinterher. Warum muss ich all diese Idioten dulden? Dieser Flotte wäre mehr damit gedient, wenn sie sich nicht ständig in alles einmischen könnten. Wenn sie nur aufhörten, jede meiner Entscheidungen …

Geary atmete langsam und tief durch. Verdammt, mein Temperament geht mit mir durch. Wo würde es enden, wenn ich erst einmal damit anfinge? Wie viele Offiziere müsste ich suspendieren, bis ich Gewissheit habe, dass nur noch diejenigen ein Kommando innehaben, die mir gegenüber loyal eingestellt sind? Und wenn ich den Punkt erreicht hätte, würde der Rest es nicht mehr wagen, den Mund aufzumachen, um mich zu warnen, wenn ich mich irre. Das wäre das Ende dieser Flotte, denn meine Vorfahren wissen, wie oft ich Fehler begehe und wie oft ich mich irre. »Colonel Carabali, fahren Sie bitte fort.«

Die Marine nickte, als sei gar nichts vorgefallen, und setzte ihre Ausführungen fort. Es war nichts Verspieltes, nichts Komplexes. Die Flotte sollte auf dem Weg ins System an einigen Syndik-Einrichtungen vorbeifliegen und sie mit Höllenspeeren aus den Partikelkanonen in Schutt und Asche legen. Erst wenn sich die Flotte dem vierten Mond des zweiten Gasriesen näherte, sollte sie abbremsen, und Shuttles würden starten, um die Marines an ihren Einsatzort zu bringen. Bei einem zeitlich gut abgestimmten Manöver wären die Shuttles weniger als eine halbe Stunde unterwegs sein und würden dann die Marines absetzen können. »Selbst wenn die Syndiks durchschauen, warum die Allianz-Flotte ausgerechnet diese Einrichtung besetzen will, bleibt ihnen hoffentlich nicht genug Zeit, um eine wirkungsvolle Verteidigung auf die Beine zu stellen oder um die Vorräte zu zerstören, die wir benötigen«, schloss sie ihre Ausführungen.

»Die Schlachtschiffdivision der Scouts wird sich für den Fall in der Nähe aufhalten, dass die Marines sie benötigen«, ergänzte Geary. »Die Exemplar und die Braveheart haben bewiesen, dass sie diese Aufgaben beherrschen.« Bei ihnen handelte es sich zwar auch um die letzten beiden noch verbliebenen Schiffe ihrer Art, doch das sprach niemand an.

Er deutete auf den bogenförmigen Kurs, dem die Flotte folgen würde. Jeder Abschnitt auf dem Weg durch das Baldur-System hatte eine der Syndik-Einrichtungen zum Ziel. »Das wird zwar mehr Zeit in Anspruch nehmen, als wenn wir auf direktem Weg unsere Ziele anfliegen, aber auf diese Weise bremsen wir gleichzeitig auf 0,5 Licht ab, was es der Flotte einfacher macht, Vorräte an Bord zu nehmen. Innerhalb der nächsten Stunde erhalten Sie alle Ihre Flug- und Einsatzpläne.«

»Wir könnten mehr Schaden anrichten, wenn die Flotte in verschiedene Unterformationen aufgeteilt wäre«, gab Captain Cresida vom Schlachtkreuzer Furious zu bedenken. Während der Diskussion hatte sie es irgendwie geschafft, den Mund zu halten, doch jetzt musste sie sich einfach melden, da die Möglichkeit eines größeren Gefechts bestand, als Geary es vorschwebte.

Geary nickte, um ihr zu verstehen zu geben, dass er ihr Argument nachvollziehen konnte. Neben Tulev und Duellos war Cresida eine der besten Befehlshaberinnen, die er hatte. »Das ist richtig. Allerdings möchte ich die Beanspruchung der Brennstoffzellen auf ein absolutes Minimum beschränken, bis wir diese Vorräte an Spurenelementen in unseren Besitz gebracht haben. Außerdem möchte ich sie nicht auf Geschwader und Divisionen aufteilen, sondern gewährleisten, dass die Bestände eines jeden Schiffs im gleichen Maß aufgestockt werden.«

»Und was ist mit den Schiffen der Syndiks?«, fragte Commander Neeson vom Schlachtkreuzer Implacable, der nicht so ganz seine Enttäuschung darüber verbergen konnte, dass er diesmal nicht zur schnellen Eingreiftruppe gehören sollte.

Captain Desjani zeigte auf das Display. »Die haben sich aufgeteilt. Zwei Korvetten steuern den Sprungpunkt an, den wir möglicherweise auch benutzen werden, die dritte Korvette und der Leichte Kreuzer fliegen auf den anderen Sprungpunkt zu.«

Captain Duellos nickte. »Ein Schiff wird vermutlich zum Sprung ansetzen, um unsere Anwesenheit im Baldur-System zu melden, und das andere bleibt zurück, um dann zu melden, welchen Sprungpunkt wir denn nun tatsächlich genommen haben.«

Den Anwesenden war die Enttäuschung deutlich anzusehen, aber es war schlichtweg nicht möglich, sich mit diesen Syndik-Kriegsschiffen ein Gefecht zu liefern. Auch wenn die Korvetten langsamer waren als jedes Schiff der Allianz-Flotte, hatten sie doch einen viel zu großen Vorsprung. »Wir werden den Syndik-Einrichtungen in diesem System erhebliche Schäden zufügen«, machte Geary ihnen klar. »Und einmal mehr werden es die Syndiks sein, die uns die Rohstoffe geben, die wir zum Weiterflug benötigen.«

Es fiel ihm nicht schwer, das Fehlen jeglicher Begeisterung zu bemerken. Selbst seine engsten Verbündeten ließen keine Vorfreude erkennen. Aber worauf sollte man sich hier auch freuen? Baldur war nur ein Zwischenstopp auf einem langen Heimweg. Nach Baldur würden sie sich durch Wendeya kämpfen, dann durch das nächste Sternensystem, dann durch ein weiteres …

Mit dem Sprung zurück ins Territorium der Syndikatwelten hatten sie die Syndiks überrascht, aber wie lange konnten sie ihren Gegner noch davon abhalten, ihr nächstes Ziel richtig zu erraten und dort eine überwältigende Streitmacht aufzustellen?

Zwei

Batterien von Höllenspeeren feuerten ihre geladenen Partikelgeschosse auf die Militärbasis und die kleine Werft der Syndiks ab, die jahrhundertelang um diesen äußeren Gasriesen im Baldur-System gekreist waren. Die meisten Einrichtungen wirkten so, als hätte man sie schon vor Jahrzehnten eingemottet, und nur eine Hand voll Syndiks war zurückgeblieben, um die wenigen Systeme funktionstüchtig zu halten. In diesem Moment waren eben diese Syndiks in Rettungskapseln auf der Flucht vor der Allianz-Flotte, während hinter ihnen die aktiven sowie die stillgelegten Teile der Basis und der Werft aus nächster Nähe durch den Beschuss mit Höllenspeeren in Stücke gerissen wurden.

Geary hatte beschlossen, alle Teile seiner Flotte in den Genuss kommen zu lassen, auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel Syndik-Einrichtungen zu zerstören. In diesem Fall lag die Ehre bei der Achten Schlachtschiffdivision. Die Schiffe Relentless, Reprisal, Superb und Splendid flogen über die Basis hinweg, ihre geballte Feuerkraft zerstörte Ausrüstung, Vorräte und Ersatzteile sowie die Werften, die ihren überalterten Korvetten vielleicht noch manches Mal zu Diensten gewesen waren.

Das nächste Ziel sollte die Bergbau-Anlage sein, die sie unversehrt einnehmen wollten. Angesichts des unablässigen Strebens der Menschen, Dinge zu errichten und zu erhalten, empfand Geary es als ausgesprochen ironisch, dass es in den Kriegen der Menschheit schon immer leichter gewesen war, etwas zu zerstören, anstatt es komplett unversehrt einzunehmen.

»Haben Sie Ihren Spaß?«

Geary schaute über das Display hinweg, das zeigte, wie die Syndik-Einrichtung in Trümmer geschossen wurde, und sah, dass Victoria Rione unangekündigt sein Quartier betreten hatte. Sie war dazu in der Lage, da er die Sicherheitseinstellung des Raums so angepasst hatte, dass ihr der Zugang zu seinem Quartier erlaubt war. Es war ein Überbleibsel aus jenen Tagen, als sie sein Bett geteilt hatte. Ihm war der Gedanke gekommen, die Einstellungen angesichts ihrer distanzierten Haltung wieder zu ändern, doch bislang hatte er diesen Schritt gemieden.

Jetzt reagierte er auf ihre Frage mit einem Schulterzucken. »Es ist eine Notwendigkeit.«

Sie warf ihm einen rätselhaften Blick zu und setzte sich ihm gegenüber hin, womit sie weiter auf Abstand zu ihm blieb, wie sie es seit Ilion machte. »Eine ›Notwendigkeit‹ ist immer die Folge einer Entscheidung, John Geary. Es gibt keine klare, unverrückbare Linie, die das, was getan werden muss, von dem trennt, wofür wir uns entscheiden.«

Irgendwie kam es ihm so vor, als beziehe sich Rione damit auf etwas anderes, etwas Unausgesprochenes. Wenn er nur dahinterkäme, was es war. »Dessen bin ich mir bewusst.«

»Ich glaube, das ist bei Ihnen üblicherweise der Fall«, gestand Rione ihm zu, was für ihre Verhältnisse einen ungewöhnlichen Schritt darstellte. Einen Moment lang musterte sie ihn, schließlich fuhr sie fort: »Üblicherweise. Die Commander der Schiffe, die zur Callas-Republik und zur Rift-Föderation gehören, haben mit mir über Ihre jüngste Flottenbesprechung gesprochen.«

Geary musste eine aufflackernde Verärgerung herunterschlucken. »Sie müssen mich nicht immer wieder daran erinnern, dass diese Schiffe Ihren Empfehlungen folgen werden, weil Sie die Co-Präsidentin der Callas-Republik sind.«

»Nein«, erwiderte sie energisch. »Ich kann mir vorstellen, dass es Black Jack nicht gefällt, wenn seine Autorität herausgefordert wird. Wie ich hörte, ist genau das der Fall gewesen, und Sie haben entsprechend hart reagiert.«

»Ich muss die Kontrolle über diese Flotte wahren, Madam Co-Präsidentin! Ich hätte noch viel härter reagieren können, und das wissen Sie.«

Anstatt mit der gleichen Verärgerung zu reagieren, verzog Rione den Mund und lehnte sich nach hinten. »Ja, das hätten Sie. Wichtig ist dabei aber nicht, dass ich das weiß, sondern dass Sie das wissen. Sie denken darüber nach, was Sie tun könnten, womit Sie als Black Jack durchkommen können. So ist es doch, nicht wahr?«

Geary zögerte. Er wollte das nicht zugeben, aber Rione war vermutlich die Einzige, der er die Wahrheit anvertrauen konnte. »Ja, diese Möglichkeit ist mir durch den Kopf gegangen.«

»Das war bislang nicht so, oder?«

»Nein.«

»Wie lange können Sie ihn noch zurückhalten, John Geary? Black Jack kann tun und lassen, was er will, weil er ein legendärer Held ist. Weil er als Befehlshaber über diese Flotte gewaltige Siege errungen hat.«

Geary warf ihr einen verärgerten Blick zu. »Wenn ich keine Siege erringe, dann stirbt diese Flotte.«

Sie nickte. »Und wenn Sie es tun, wird Ihr Ruf umso legendärer. Und Sie werden mächtiger. Jeder neue Sieg birgt eine Gefahr in sich, weil es für Black Jack so viel einfacher wäre. Er müsste nicht erst andere von dem überzeugen, was er möchte. Er kann es ihnen befehlen, und er kann diejenigen bestrafen, die ihm widersprechen. Regeln und Ehre müssten ihn nicht kümmern, er könnte seine eigenen Regeln aufstellen.«

Er ließ sich nach hinten sinken und schloss die Augen. »Was schlagen Sie vor, Madam Co-Präsidentin?«

»Ich weiß es nicht. Ich wünschte, ich wüsste es. Ich habe Angst um Sie. Niemand von uns hat sich so sehr unter Kontrolle, wie wir es uns gern einreden.«

Abrupt schlug er die Augen auf, als er dieses Eingeständnis von Schwäche vernahm. Rione schaute zur Seite, ihre Miene hatte etwas Verzagtes an sich. Dann aber sammelte sie sich und riss sich zusammen, was ihn an ein Kriegsschiff erinnerte, das seine Schilde verstärkte. Sie sah ihn mit kühlem Gesichtsausdruck an. »Was werden Sie tun, wenn es in diesen Minen nicht die Materialien gibt, die unsere Flotte benötigt?«

Er gestikulierte überzogen. »Dann begeben wir uns zur nächsten Mine. Wir brauchen dieses Zeugs. Es gefällt mir nicht, dass wir deswegen länger in diesem System bleiben müssen, aber wir können nicht zum nächsten Sprung ansetzen, ohne zuvor die Bestände der Hilfsschiffe aufzustocken. Selbst wenn alle bis heute produzierten Brennstoffzellen verteilt sind, werden alle Schiffe dennoch im Durchschnitt nur über gut siebzig Prozent Reserve verfügen, und das ist zu wenig für eine Flotte, die noch einen so langen Heimweg vor sich hat.«

»Ist das alles, was Ihnen zu schaffen macht?«

»Sie meinen, außer Ihnen?«, fragte er ohne Umschweife.

Sie hielt seinem Blick stand. »Ja.«

Aus jedem Syndik-Gefangenen würde er mehr herausholen als aus Victoria Rione, wenn die über ein Thema kein Wort verlieren wollte. Aus einem unerfindlichen Grund verzog sich sein Mund wie von selbst zu einem ironischen Lächeln. »Nein, es gibt noch etwas anderes.« Sein Blick kehrte zurück zu dem anderen Display, mit dem er sich beschäftigt hatte, bevor sie sein Quartier betrat.

»Und was?« Victoria Rione stand auf, kam herum und stellte sich neben ihn, dann beugte sie sich ein wenig nach vorn, um auf das gleiche Display sehen zu können. Ihr Kopf befand sich dicht neben seinem, ihr angenehmer Duft weckte Erinnerungen an die Stunden, die er in ihren Armen zugebracht hatte. Es war nicht die Art von Ablenkung, die ihm besonders behagte, nachdem sie sich wochenlang ohne irgendeine Erklärung von ihm ferngehalten hatte. Den Grund dafür war sie ihm bis jetzt schuldig geblieben. Natürlich hatten sie sich gegenseitig nichts versprochen, also hatte sie auch kein Versprechen gebrochen, dennoch kam es ihm genau so vor.

Er legte die Stirn in Falten und war auf Rione so wütend wie auf sich selbst. »Der Zustand meiner Schiffe bereitet mir Sorgen.«