Die verschollene Flotte: Jenseits der Grenze - Jack Campbell - E-Book

Die verschollene Flotte: Jenseits der Grenze E-Book

Jack Campbell

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Beschreibung

Admiral John "Black Jack" Geary ist ein Volksheld, seit er den Krieg gegen die Syndiks beendet hat - sehr zum Missfallen einiger Politiker, die lebende Helden recht unbequem finden. Der Krieg ist zwar vorbei, doch Geary und seine Flotte erhalten den Auftrag, die Aktivitäten der Aliens jenseits des Syndikraums zu untersuchen. Geary weiß, dass die Regierung seine Loyalität zur Allianz infrage stellt. Hat man ihn und seine Leute daher absichtlich auf ein Himmelfahrtskommando geschickt?

»Grandioses Popcorn-Kino. Nur als Buch.« SF SITE

Die verschollene Flotte - spannungsgeladene Space Opera des Bestseller-Autors Jack Campbell um einen Offizier, der zu den eindrucksvollsten Figuren der modernen Science-Fiction zählt. Für alle Fans von Honor Harrington und Battlestar Galactica!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.



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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Danksagung

Die Allianz-Flotte

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Über den Autor

Alle Titel des Autors bei beTHRILLED

Impressum

 

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Über dieses Buch

Admiral John »Black Jack« Geary ist ein Volksheld, seit er den Krieg gegen die Syndiks beendet hat - sehr zum Missfallen einiger Politiker, die lebende Helden recht unbequem finden. Der Krieg ist zwar vorbei, doch Geary und seine Flotte erhalten den Auftrag, die Aktivitäten der Aliens jenseits des Syndikraums zu untersuchen. Geary weiß, dass die Regierung seine Loyalität zur Allianz infrage stellt. Hat man ihn und seine Leute daher absichtlich auf ein Himmelfahrtskommando geschickt?

JACK CAMPBELL

DIE VERSCHOLLENE FLOTTE

JENSEITSDER GRENZE

Aus dem amerikanischen Englisch vonRalph Sander

 

Für meinen Onkel Oliver Holmes »Rick« Ulrickson, der im Mai 2010 die letzte Reise zu seinem Heimathafen angetreten hat. Er war der Jüngste in der Familie meiner Mutter und hatte sechs große Schwestern, trotzdem überlebte er irgendwie seine Kindheit, um in der Navy zu dienen, in der Raumfahrt zu arbeiten (unter anderem am Ortungssystem der NASA in der Johnson Space Center Mission Control) und um sich als Mentor für die Studenten an der Texas Christian University zu engagieren. Er war auch ein Amateurhistoriker, er las viel, er sang gern, und in den Sechzigern und Siebzigern war er in der Bürgerrechtsbewegung aktiv. Worauf er aber vor allem stolz war, das war seine Familie. Du fehlst uns, Onkel Oliver.

Und wie immer für S.

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meinem Agenten Joshua Bilmes für seine zahlreichen Ideen und seinen Beistand; meiner Redakteurin Anne Sowards für ihren Einsatz. Ein Dankeschön geht auch an Catherine Asaro, Robert Chase, J. G. »Huck« Huckenpohler, Simcha Kuritzky, Michael LaViolette, Aly Parsons, Bud Sparhawk und Constance A. Warner für ihre Vorschläge, Kommentare und Empfehlungen. Und ich danke Charles Petit für seine Vorschläge zu den Raumschlachten.

Die Allianz-Flotte

Captain John Gearyverantwortlicher Befehlshaber

Zweite Schlachtschiffdivision

Gallant

Indomitable

Glorious

Magnificent

Dritte Schlachtschiffdivision

Dreadnaught

Orion

Majestic

Conqueror

Vierte Schlachtschiffdivision

Warspite

Vengeance

Revenge

Guardian

Fünfte Schlachtschiffdivision

Fearless

Resolution

Redoubtable

Siebte Schlachtschiffdivision

Colossus

Encroach

Amazon

Spartan

Achte Schlachtschiffdivision

Relentless

Reprisal

Superb

Splendid

Erste Schlachtkreuzerdivision

Inspire

Formidable

Brilliant

Implacable

Zweite Schlachtkreuzerdivision

Leviathan

Dragon

Steadfast

Valiant

Vierte Schlachtkreuzerdivision

Dauntless (Flaggschiff)

Daring

Victorious

Intemperate

Fünfte Schlachtkreuzerdivision Adroit

Sechste Schlachtkreuzerdivision

Illustrious

Incredible

Invincible

Erste Sturmtransporterdivision

Tsunami

Typhoon

Mistral

Haboob

Erste Schnelle Hilfsschiffdivision

Titan

Tanuki

Kupua

Domovoi

Zweite Schnelle Hilfsschiffdivision

Witch

Jinn

Alchemist

Goblin

Einunddreißig Schwere Kreuzer in sechs Divisionen

Erste Schwere Kreuzerdivision

Dritte Schwere Kreuzerdivision

Vierte Schwere Kreuzerdivision

Fünfte Schwere Kreuzerdivision

Achte Schwere Kreuzerdivision

Zehnte Schwere Kreuzerdivision

Fünfundfünzig Leichte Kreuzer in zehn Geschwadern

Erstes Leichte Kreuzergeschwader

Zweites Leichte Kreuzergeschwader

Drittes Leichte Kreuzergeschwader

Fünftes Leichte Kreuzergeschwader

Sechstes Leichte Kreuzergeschwader

Achtes Leichte Kreuzergeschwader

Neuntes Leichte Kreuzergeschwader

Zehntes Leichte Kreuzergeschwader

Elftes Leichte Kreuzergeschwader

Vierzehntes Leichte Kreuzergeschwader

Hundertsechzig Zerstörer in achtzehn Geschwadern

Erstes Zerstörergeschwader

Zweites Zerstörergeschwader

Drittes Zerstörergeschwader

Viertes Zerstörergeschwader

Sechstes Zerstörergeschwader

Siebtes Zerstörergeschwader

Neuntes Zerstörergeschwader

Zehntes Zerstörergeschwader

Zwölftes Zerstörergeschwader

Vierzehntes Zerstörergeschwader

Sechzehntes Zerstörergeschwader

Siebzehntes Zerstörergeschwader

Zwanzigstes Zerstörergeschwader

Einundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Dreiundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Siebenundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Achtundzwanzigstes Zerstörergeschwader

Zweiunddreißigstes Zerstörergeschwader

Marines-Streitmacht der zweiten Flotte

Major General Carabali

Verantwortliche Befehlshaberin

3 000 Marines in mehrere Abteilungen verteilt auf die Schlachtkreuzer, Schlachtschiffe und Sturmtransporter

Eins

Unzählige Sterne funkelten wie strahlende Diamanten, die man achtlos in der endlosen Weite des Alls verstreut hatte, und wurden von der Hülle des zivilen Passagierschiffs reflektiert. So hell sie auch strahlten, war es doch ein kalter Schein, da ihr Licht zu weit entfernt war, um noch irgendwelche Wärme zu spenden. Dabei bildeten sie Konstellationen, denen die Menschen eine Bedeutung zu verleihen versuchten. Admiral John »Black Jack« Geary betrachtete eben diese Sterne und dachte über die Tatsache nach, dass diese Konstellationen sich zwar veränderten, wenn man sie von einem anderen Standort aus sah, dass sich aber an der ihnen zugeschriebenen Bedeutung aus irgendeinem Grund nichts änderte.

Er wünschte nur, er wüsste, was es alles zu bedeuten hatte. Vor langer, langer Zeit hatte er ein Gefecht verloren, und viel später hatte sich herausgestellt, dass dieser Niederlage eine gänzlich andere Bedeutung zugeschrieben worden war, die er sich niemals hätte träumen lassen. In jüngerer Zeit hatte er wesentlich größere Schlachten gewonnen, doch welche Bedeutung denen zukam und wie sich seine Zukunft von diesem Tag an gestalten sollte, das war genauso ungewiss wie die Botschaften, die von den Sternen an den Himmel geschrieben wurden.

Das Passagierschiff hatte das Hypernet-Portal bei jenem Stern verlassen, der von den Menschen Varandal genannt wurde. Im Verlauf der zig Jahrzehnte seit seiner Montage hatte das Schiff unzählige Sterne passiert, und auch wenn diese Sterne, zumindest mit dem bloßen Auge betrachtet, heute noch genauso brannten wie damals, spürte das Schiff diese Jahre nur zu deutlich. Männer und Frauen arbeiteten immer wieder daran, die Systeme funktionstüchtig zu halten und darauf zu achten, dass in der Hülle keine Schwachstellen entstanden. Aber während die Lebensdauer eines Sterns in Milliarden Jahren gemessen wurde, betrug die Lebensdauer menschlicher Kreationen oft weniger als hundert Jahre.

Dieses Schiff war alt, und obwohl es sich noch immer fast genauso flink bewegte wie kurz nach dem Stapellauf, nahm man in den Materialien, aus denen es konstruiert worden war, dennoch die angesammelte Belastung der vielen Jahre wahr. Man hätte es eigentlich schon vor langer Zeit außer Dienst stellen und durch einen jüngeren Nachfolger ersetzen sollen. Doch eine Zivilisation, die in einen nicht enden wollenden Krieg verstrickt war, konnte sich einen solchen Luxus nicht leisten. Stattdessen wurden solche Ressourcen in den Bau von Kriegsschiffen umgeleitet, damit die an die Stelle anderer Kriegsschiffe rücken konnten, die im Verlauf unzähliger Schlachten zerstört worden waren.

Auf dieser Reise jedoch hatte die Crew mit Blick auf die Tatsache, dass seit einem Monat Frieden herrschte, Gerüchte über neue Schiffe aufgegriffen und weitergegeben. Etwas Genaues wusste allerdings niemand. Bislang hatte der Frieden keine nennenswerten Verbesserungen mit sich gebracht – auch kein Geld und keine Menschenleben, die ersetzen konnten, was man während des langen Krieges mit den Syndikatwelten verloren hatte. Niemand konnte genau sagen, was »Frieden« eigentlich war, denn kein Mensch lebte mehr, der den Frieden in der Zeit vor dem Angriff der Syndiks auf die Allianz vor hundert Jahren kannte.

Obwohl, das stimmte eigentlich nicht. Ein Mann, der heute noch lebte, hatte diese Phase des Friedens selbst mitgemacht. Ein Mann, der wie durch ein Wunder ein Jahrhundert im Kälteschlaf überdauert und dann die Flotte zum Sieg geführt hatte. Ein Sieg, der diesen Frieden mit sich brachte, der sich auf eine eigenartige Weise gar nicht so sehr von dem einst endlosen Krieg unterschied, der nun endlich beendet war. Und jetzt schaute dieser Mann zu den Sternen und fragte sich, welche neuen Wendungen sein Leben ihm als Nächstes bringen würde.

Allianz-Regierung warnt vor Gefahr durch eine fremde Rasse für gesamte Menschheit.

Geary ließ seinen Blick zurück zu den Schlagzeilen wandern, die unter dem Sternendisplay vorbeizogen. »Als wir Varandal vor ein paar Wochen verließen, wurde die Existenz von intelligenten Aliens noch als Geheimnis behandelt.«

Captain Tanya Desjani, die ganz in seiner Nähe auf dem Bett saß, schaute kurz auf die Schlagzeile, ehe sie sich wieder eingehend mit einem Verpflegungsriegel beschäftigte. »Wir haben gegen diese Aliens gekämpft. Die gesamte Flotte weiß inzwischen, dass sie existieren.« Sie deutete auf ein anderes Display an einem Schott, wobei der neue Ring an ihrem Finger kurz aufblitzte, als das Licht von dem in das Metall eingelassenen Sternensaphir gebrochen wurde.

Das Display, das eine Art virtuelles Fenster war, zeigte einen anderen Ausblick auf das Gebiet rings um das Passagierschiff. Hier wurden die Sterne und die von Varandals Strahlung beschienenen Planeten gedimmt dargestellt, dafür zeigten Symbole Objekte an, die auf die große Entfernung mit dem bloßen Auge nicht auszumachen waren. Hunderte von leuchtenden Markierungen gaben die Positionen der Kriegsschiffe der Allianz-Flotte an. Sie hingen scheinbar reglos vor dem Hintergrund des schwarzen Alls, obwohl sich diese Schiffe alle in einem festen Orbit um den Stern befanden.

Der Anblick löste zwei sehr gegensätzliche Gefühle aus. Zum einen war es Ehrfurcht angesichts dessen, was die Menschheit zu leisten imstande war. Aber dieser Ehrfurcht stand die Realität gegenüber, dass die Schlachtschiffe, Schlachtkreuzer und die kleineren Kriegsschiffe nach menschlichen Maßstäben zwar gigantisch wirkten, dass sie auf die Dimensionen eines Sternensystems bezogen aber bereits winzig waren und zur völligen Bedeutungslosigkeit schrumpften, wenn man sie ins Verhältnis selbst zu einem kleinen Bereich der Galaxis setzte.

Geary betrachtete weiter diese Aussicht, wobei ihm bewusst wurde, wie sehr diese von Raumschlachten gezeichneten Schiffe, von denen er weiterhin nur Symbole sehen konnte, ihm gefehlt hatten. Seine eigene Heimatwelt war ihm fremd geworden, aber allen Veränderungen zum Trotz, die ein entbehrungsreiches Jahrhundert mit sich gebracht hatte, war die Flotte der eine Ort geblieben, an dem er sich nach wie vor zu Hause fühlte. Die Männer und Frauen, die mit dem Krieg aufgewachsen waren, seinen Schrecken in allen Facetten erlebt hatten und von diesen blutigen Erfahrungen geprägt worden waren, sie alle waren immer noch Matrosen so wie er selbst. Eigentlich hätte das Ende des Konflikts mit den Syndiks für Ruhe sorgen sollen, aber es war unwahrscheinlich, dass diese Art von Frieden Ruhe mit sich bringen würde. »Ich dachte, wir wollten einen Weg finden, um weitere Auseinandersetzungen mit den Aliens zu vermeiden. Warum posaunt dann die Regierung hinaus, dass sie existieren und welche Gefahr sie darstellen?«

»Du solltest dir ein paar von den anderen Schlagzeilen ansehen«, schlug Desjani vor, dann biss sie von ihrem Riegel ab. »Diese Yanika Babiya-Verpflegungsriegel sind gar nicht so übel, zumindest für Verpflegungsriegel.«

Geary konzentrierte sich wieder auf die Nachrichten und versuchte, sich auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen, nachdem er fast einen Monat lang ganz bewusst alles ignoriert hatte, was sich in der Galaxis abspielte. Herrschende Parteien in zweiundneunzig Sternensystemen nach vorgezogenen Wahlen entmachtet.

Rift-Föderation stimmt dafür, die Beziehungen zur Allianz neu zu verhandeln.

Fingal verlangt als sechsunddreißigstes Sternensystem von der Zentralregierung der Allianz Kürzung von Rüstungsbeiträgen und Steuern.

Black Jack Geary sichert auf Kosatka gegenwärtiger Regierung nur bedingte Unterstützung zu. »Wie bitte? Bedingte Unterstützung? Was soll denn das heißen? Als mich der Kerl gefragt hat, ob ich die Befehle der Regierung befolgen werde, habe ich das bestätigt!«

Desjani schluckte den Bissen von ihrem Riegel runter, dann sah sie Geary an und zog eine Augenbraue hoch. »Du hast ihm gesagt, du wirst jeden rechtmäßigen Befehl befolgen.«

»Und?«

»›Rechtmäßig‹ ist eine Bewertung, das weiß sogar eine dumme Matrosin wie ich.«

»Seit wann ist es üblich, aus einer Aussage, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, etwas Subversives zu machen?«, knurrte Geary.

»Seit die Mehrheit der Bevölkerung die gewählte Regierung für korrupt und von Schurken unterwandert hält«, erwiderte Desjani. »Viele Bürger der Allianz verstehen ›rechtmäßig‹ so, dass die Kriminellen aus ihren Ämtern vertrieben werden.«

»Ich hätte meinen Mund halten sollen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Damit hättest du die Frage unbeantwortet gelassen. Die Schlagzeile dazu hätte gelautet: ›Black Jack Geary weigert sich, seine Unterstützung der Regierung zu bestätigen.‹ Das Ergebnis wäre kein bisschen besser gewesen, Darling.«

Das letzte Wort aus ihrem Mund hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn. »Ist es tatsächlich erst vier Wochen her, seit wir geheiratet haben?«

»Es ist exakt sechsundzwanzig Tage her«, korrigierte sie ihn. »Auch wenn wir uns an Bord meines Schiffs nicht wie ein Ehepaar werden verhalten können, erwarte ich von dir trotzdem, dass du weder Jahrestage noch andere wichtige Daten vergisst.« Dann biss Desjani noch einmal von ihrem Riegel ab.

»Jawohl, Ma’am.« Er mochte diesen verärgerten Gesichtsausdruck, mit dem sie üblicherweise reagierte, wenn er wie einer ihrer Untergebenen antwortete, doch diesmal schüttelte Tanya nur den Kopf. Geary musterte sie und wunderte sich, wie gefasst sie war, seit sie im Varandal-Sternensystem eingetroffen waren. Dann jedoch fiel ihm wieder ein, dass Desjani stets umso ruhiger wurde, je näher ein Gefecht rückte. »Gehst du davon aus, dass irgendwas passieren wird, wenn wir an der Station Ambaru andocken?«

»Ich rechne schon damit, seit das Schiff in dieses System zurückgekehrt ist, aber bislang scheint alles ruhig zu sein. Keine Schiffe der Regierung, die uns abfangen, um dich zu verhaften. Keine meuternden Schiffe der Flotte, die uns abfangen, um dich zum Diktator zu erklären. Keine Gefechte zwischen irgendwelchen Splittergruppen und der Regierung.« Sie sah sich in ihrem Abteil um, einer luxuriösen, wenn auch etwas veralteten Passagierkabine, die auf Desjani und Geary gleichermaßen irritierend wirkte, waren sie beide doch nur die recht spartanischen Unterkünfte auf Kriegsschiffen gewöhnt. Allerdings hatte die Regierung von Kosatka auf einem »angemessenen« Transportmittel bestanden, als der Befehl einging, der von Geary verlangte, unverzüglich nach Varandal zurückzukehren. Immerhin war es ihnen beiden dadurch erspart geblieben, mit anderen Passagieren zu tun haben zu müssen.

Desjani schüttelte abermals den Kopf, ihr Blick wanderte zurück zum Display, das die Außenansicht ihres Schiffs zeigte. »Vielleicht sind es meine Vorfahren, die zu mir reden. Ich kann die Anspannung hier deutlich spüren, als würde sich ein Stern jeden Augenblick in eine Nova verwandeln. Mir gefällt es nicht, an Bord eines unbewaffneten Schiffs in irgendwelche Gefechtshandlungen verstrickt zu werden.«

»Ein Schlachtkreuzer ist es nicht gerade«, stimmte Geary ihr zu.

»Es ist nicht mein Schlachtkreuzer«, stellte sie klar. »Ich hätte die Dauntless niemals so lange Zeit sich selbst überlassen dürfen.«

»Ich bin mir sicher, es ist alles in Ordnung. Die Dauntless hat eine gute Crew.«

»Wie bitte?«

»Was ich damit sagen wollte«, fügte Geary rasch hinzu, »ist, dass die Dauntless über die beste Crew der ganzen Flotte verfügt. Und über eine außergewöhnliche Befehlshaberin.«

»Du bist voreingenommen, was die Befehlshaberin angeht, aber du hast recht, dass die Crew die beste ist.« Sie atmete langsam tief durch. »Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Die Regierung will dich vielleicht nicht mal in der Nähe irgendeines Schlachtkreuzers oder irgendeiner Crew wissen, und wir haben keine Ahnung, ob eines dieser Kriegsschiffe beabsichtigt, auf eigene Faust zu handeln. Sei einfach auf alles gefasst, wenn wir andocken.«

»Die Nachricht, die uns Duellos nach unserer Ankunft im System geschickt hat, lässt den Schluss zu, dass allgemein Ruhe herrscht.«

Sie dachte kurz nach, schließlich schüttelte sie den Kopf. »Wir können nicht mit Gewissheit sagen, dass er diese Nachricht gesendet hat. Und falls sie tatsächlich von ihm stammt, wissen wir nicht, ob sie auf dem Weg zu uns verändert wurde.«

Geary schloss die Augen, um die bequeme Umgebung auszublenden und in seine Gefechtsdenkweise zu wechseln. »Sie werden sicher nicht immer noch überlegen, ob sie mich unter dem Vorwand festnehmen sollten, dass ich eine Gefahr für die Regierung darstelle.«

Sie grinste, ihre Zähne verliehen ihrer Miene etwas Wildes. »Das würden sie jetzt nicht mehr in aller Öffentlichkeit wagen. Aber du könntest einfach verschwinden und angeblich in geheimer Mission unterwegs sein. Irgendwas werden die versuchen.«

»›Die‹? Von wem redest du konkret?«

»Von irgendwem. Es gibt viele Möglichkeiten. Du bist einfach viel zu gefährlich.«

Er musste an die Menschenmassen denken, denen sie auf Desjanis Heimatwelt Kosatka begegnet waren. Es war schlicht unmöglich gewesen, diesen allgegenwärtigen Massen aus dem Weg zu gehen, zugleich hatte die große Zahl an Jubelnden – die so enthusiastisch waren, dass ihre Begeisterung bisweilen einer regelrechten Anbetung gleichkam – zeitweise etwas Bedrohliches an sich. Die Bevölkerungen ganzer Städte schienen sich auf den Straßen zu drängen, nur um eine Gelegenheit zu bekommen, einen Blick auf den großen Black Jack Geary zu erhaschen, den legendären Helden der Allianz, den Mann, der bis zum bitteren Ende auf seinem Schiff geblieben war und einen Überraschungsangriff der Syndiks abgewehrt hatte, damit andere Schiffe sich in Sicherheit bringen konnten. Alle waren sie der Meinung gewesen, dass er vor hundert Jahren während dieser Schlacht bei Grendel umgekommen war. In Wahrheit hatte er an Bord einer beschädigten Rettungskapsel im Kälteschlaf gelegen, aus dem er erst vor recht kurzer Zeit geweckt worden war. Dabei war er in einer Welt wiedererwacht, in der man den Menschen immer wieder eingeimpft hatte, er sei ein unvergleichlicher Held. Was glauben sie, wer Black Jack wirklich ist? Ich weiß das jedenfalls nicht. Er ist jemand, den die Regierung sich ausgedacht hat, um jeden zu inspirieren, nachdem die ersten Überraschungsangriffe der Syndiks die Allianz völlig unvorbereitet überrollt hatten.

»Wenn die Regierung das nächste Mal einen Helden erschaffen will, der die Bevölkerung motiviert und inspiriert, dann sollte sie sich mehr Mühe geben, jemanden zu finden, der tatsächlich und unwiderruflich tot ist.«

Desjani warf ihm einen Blick von der Sorte zu, die ihn genauso verunsichern konnte wie eine große Menschenmenge. »Die Regierung dachte ja, sie würde eine Illusion erschaffen, aber den Politikern war nicht klar, dass die lebenden Sterne ihre eigenen Pläne verfolgten. Du bist nicht bloß wiederaufgetaucht, sondern du stellst in Wirklichkeit auch noch viel mehr dar, als es deine offizielle Illusion von sich selbst behaupten konnte.«

»Ich dachte, das hätte ich jetzt hinter mir«, murmelte er und schaute zur Seite. Tanya hatte ihn gerade eben wieder exakt so angesehen wie damals, als er aus einem hundertjährigen Kälteschlaf erwacht war. Da war wieder dieser bedingungslose Glaube zu erkennen gewesen, der Glaube an ihn und an seine Fähigkeiten. Der Glaube daran, dass die lebenden Sterne ihn im Namen aller Vorfahren geschickt hatten, um die Allianz zu retten. Normalerweise betrachtete sie ihn inzwischen als ganz normalen Mann, und sie behandelte ihn wie einen Ehemann und einen Offizier. Aber von Zeit zu Zeit regte sich bei ihr doch wieder dieser Glaube, dass er mehr war als nur das.

Sie beugte sich vor, fasste sanft nach seinem Kinn und drehte seinen Kopf herum, damit er sie ansah. »Ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist. Vergiss das nicht.«

Ihre Worte ließen sich auf zweierlei Weise auslegen, aber er redete sich lieber ein, dass sie damit meinte, er sei auch nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Seine eigenen Vorfahren wussten, er hatte ihr seit seinem Erwachen aus dem Kälteschlaf oft genug seine Fehlbarkeit unter Beweis gestellt. »Und wen sieht die Regierung in mir?«

»Gute Frage.« Desjani lehnte sich seufzend zurück. »Um auf deine erste Frage wegen der Aliens zurückzukommen … Anhand der übrigen Nachrichten kannst du sehen, wie sehr die Regierung momentan unter Druck steht. Daher erzählen sie einfach allen Leuten von der Bedrohung durch die Aliens, um sie abzulenken. Der Krieg hat die Allianz zusammengehalten. Mit dem Krieg ließ sich alles Mögliche entschuldigen oder rechtfertigen. Aber dir verdanken wir, dass der Krieg zu Ende ist – und du brauchst gar nicht erst zu versuchen, das abzustreiten. Wenn der Krieg die Hölle ist, dann ist der Frieden so, als wollte man ein Rudel Katzen bändigen. Mir selbst war das bis vor Kurzem auch nicht klar, aber einer unserer Politiker hat es mir beim letzten Empfang auf Kosatka gesagt. Er sprach davon, dass Sternensysteme in der gesamten Allianz überprüfen, ob dieses Verteidigungsbündnis überhaupt noch notwendig ist, nachdem der böse große Syndik-Wolf ins nächste Schwarze Loch befördert wurde.«

»Du hast mit einem Politiker geredet?« So wie die meisten Flottenoffiziere besaß auch Desjani eine ausgeprägte Abneigung gegen die politische Führung, geboren aus einem Jahrhundert blutiger Kriegführung ohne Aussicht auf einen Sieg und auch geboren aus dem Bedürfnis, jemandem die Schuld daran zu geben, dass der Gegner nicht geschlagen werden konnte.

Sie zuckte flüchtig mit den Schultern. »Er ist ein alter Freund meiner Mutter. Sie hat sich für ihn verbürgt, dass er nicht so übel ist wie die anderen. Und da meine Mutter mich zu ihm gezerrt hatte, konnte ich schlecht einfach weggehen, ohne wenigstens ein paar Worte zu sagen. Von ihm weiß ich, dass niemand genau weiß, wie man mit dem Frieden umgehen soll. Der Krieg gegen die Syndikatwelten hat ziemlich genau hundert Jahre gedauert, daher gibt es keinen Politiker in der Allianz, der je eine Situation miterlebt hat, in der es für diese Allianz keine Bedrohung von außen gab. Die Regierung macht das Einzige, womit sie vertraut ist. Sie glaubt, wir brauchen eine neue Bedrohung, damit die Allianz geeint bleibt. Außerdem ist es ja nicht so, als würden diese Aliens keine Bedrohung darstellen. Wir wissen, sie sind bereit uns anzugreifen, und wir wissen, sie haben feindselige Akte begangen, lange bevor irgendjemand in der Allianz überhaupt von ihrer Existenz wusste.«

»Ich wünschte, das wäre nicht alles, was wir über sie wissen«, murrte Geary und wandte sich erneut den Schlagzeilen zu. Behörden kündigen baldige Heimkehr der Kriegsgefangenen an. Endlich mal eine erfreuliche Meldung. Viele Männer und Frauen, die im Verlauf des scheinbar unendlichen Kriegs in Gefangenschaft geraten waren und die nicht mehr damit gerechnet hatten je wieder heimzukehren, würden nun doch ihre Liebsten wiedersehen. Die Heimkehr der überlebenden Gefangenen war eine erfreuliche Aussicht, wenngleich sie mit einer düsteren Erkenntnis einherging. Zu viele Kriegsgefangene waren im Verlauf der vielen Jahrzehnte weit weg von zu Hause gestorben, ohne dass jemand noch etwas über ihr Schicksal zu berichten wusste. Die Zusammenstellung der Namen aller, die in den Lagern der Syndiks ihr Leben gelassen hatten, würde eine freudlose Arbeit werden, die Jahre in Anspruch nahm. »Wir verhalten uns schon zu unseren eigenen Leuten grausam und brutal. Warum brauchen wir dann noch feindselige Aliens, die nur für noch mehr Probleme sorgen?«

»Frag die lebenden Sterne, Darling. Ich bin bloß Captain eines Schlachtkreuzers. Die Antwort auf deine Frage übersteigt meine Besoldungsstufe.«

Die nächste Schlagzeile machte keine Hoffnung auf Besserung.

Interne Kämpfe in vielen Sternensystemen auf dem Gebiet der Syndikatwelten, während Syndik-Regierung weiter zerfällt.

»Verdammt. Was von den Syndikatwelten übrig bleiben wird, dürfte nur noch einen Bruchteil des Territoriums ausmachen, das die Syndiks bislang kontrolliert haben.«

»Bei dir hört sich das wie eine unerfreuliche Entwicklung an«, meinte Desjani.

»Dieses Chaos wird viel mehr Opfer kosten und uns Schwierigkeiten bereiten«, gab Geary zurück. Flüchtlinge kämpfen sich Weg durch ehemaliges Syndik-Territorium frei und erreichen Sternensysteme der Allianz.

Sie gab sich gelassen, aber ihre Stimme verriet die Anspannung, die sie zu überspielen versuchte. »Es sind Syndiks. Sie haben den Krieg angefangen und fortgesetzt, und dafür bekommen sie jetzt die Rechnung präsentiert. Sie tun dir doch nicht etwa leid, oder?«

Er hielt sich vor Augen, wie viele Freunde und Weggefährten Tanya in diesem Krieg hatte sterben sehen; darunter auch ihren jüngeren Bruder. »Nein, und mir ist auch klar, dass das Leid jedweder Syndiks kaum einen Angehörigen der Allianz zu Tränen rühren wird.«

»Und das aus gutem Grund«, murmelte Desjani.

»Ich habe ja auch nicht das Gegenteil behauptet.«

Daraufhin verzog sie den Mund zu einem bissigen Lächeln. »Du hast mich gerade daran erinnert, dass unsere Vorfahren und die lebenden Sterne nichts davon halten, wenn Zivilisten oder Gefangene umgebracht werden. Gut. Wir haben auch damit aufgehört und uns nur noch auf das gegnerische Militär konzentriert. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir irgendeinem Syndik helfen wollen, der diesen Krieg überlebt hat.«

»Ich weiß.« Nach wie vor hatte er Schwierigkeiten damit zu akzeptieren, wie dieser langwierige Krieg die eigentlich natürliche Neigung der Menschen vergiftet hatte, den Bedürftigen und in Not Geratenen zu helfen, sobald sie zu ihren vormaligen Feinden gehörten. Andererseits hatte er diesen Krieg fast komplett verschlafen und konnte nicht darüber urteilen, wie es gewesen sein musste, sein Leben lang Tag für Tag mit Krieg konfrontiert zu werden. »Was ich damit sagen will, ist, dass die Allianz in ihrem eigenen Interesse mithelfen sollte, den Scherbenhaufen aufzuräumen, der von den Syndikatwelten übrig geblieben ist. In den Gebieten, die der Zentralregierung entgleiten, werden irgendwelche anderen Kräfte an die Macht kommen. Meiner Ansicht nach wäre es klug, wenn man dafür sorgte, dass diese Kräfte friedfertig sind und dass keine aggressiven Diktatoren die Herrschaft an sich reißen.«

Anstatt auf seine Bemerkung zu reagieren, warf Desjani einen Blick auf sein Display. »Apropos Scherbenhaufen: Wie schlägt sich eigentlich unsere eigene Regierung?«

»Offenbar nicht allzu gut. Hier kommt gleich die passende Schlagzeile: ›Neugewählte Allianz-Senatoren verlangen Untersuchung der Korruptionsfälle während des Krieges.‹«

»Hm, eine solche Untersuchung dürfte eine Menge Leute mindestens ein paar Jahrzehnte lang beschäftigen«, entgegnete sie.

»Solange ich keiner von diesen Leuten bin.« Geary las die nächste Schlagzeile und wollte seinen Augen nicht trauen. Insider-Berichte enthüllen, dass Black Jack für den Feldzug, der den Krieg beendet hat, vom Großen Rat freie Hand forderte und zugestanden bekam. »Das stimmt doch gar nicht! Ich habe nie etwas gefordert! Wer zum Teufel verbreitet denn so was?«

Desjani las die Meldung ebenfalls. »Jemand, den es nicht freut, dass die Politiker allesamt versuchen, das Kriegsende als ihre eigene Leistung zu verkaufen. Flottenoffiziere, die mangels Informationen davon ausgehen, dass du dem Rat drohen musstest. Für so was gibt es viele mögliche Quellen.«

»Kein Wunder, dass die Regierung mich noch immer als Bedrohung ansieht.«

»Das bist du ja auch für sie«, hielt sie ihm vor Augen. »Wenn es dir nicht gelungen wäre, Captain Badaya und seinen Gefolgsleuten weiszumachen, dass du heimlich die Regierung in der Hand hast und hinter den Kulissen die Fäden ziehst, dann wären die längst auf die Idee gekommen, in deinem Namen einen Putsch zu inszenieren. Es könnte noch viel schlimmer sein, als es im Moment ist.«

Sein Blick kehrte zu den Meldungen zurück; er versuchte zwischen den Zeilen zu lesen. »Jemandem in der Regierung muss klar sein, was die Flotte von solchen Maßnahmen zurückhält. Ein direktes Vorgehen gegen mich könnte immer noch einen Staatsstreich auslösen, den ich dann nicht mehr verhindern kann. Dann würde ein Bürgerkrieg folgen, weil sich als Reaktion darauf einige Sternensysteme aus der Allianz zurückziehen würden.« Er hatte lange benötigt, ehe er akzeptieren konnte, dass die Allianz so zerbrechlich sein sollte. Aber hundert Jahre unerbittlicher Krieg hatten unzählige Menschenleben gefordert und gewaltige Kosten verursacht, die an der Substanz der Allianz gezehrt hatten.

»Das heißt natürlich nicht, dass sie nicht doch noch irgendetwas versuchen werden«, warnte ihn Desjani.

»Sollte die Regierung tatsächlich so dumm sein?«

»Ja«, kam ihre knappe Antwort, wobei sie ihn finster anlächelte.

Bürgervereinigungen fordern, dass Black Jack die Regierung ausmistet, schrie ihn die nächste Schlagzeile an. Von einem Staatsstreich seiner fehlgeleiteten Anhänger abgesehen, wäre das sein schlimmster Albtraum. Warum glaubten bloß so viele Leute, dass man als Befehlshaber einer Flotte zwangsläufig auch in der Lage war, eine Regierung zu führen? Er betrachtete das Display, das die verbleibende Entfernung bis zur Station Ambaru und die Restzeit bis zum Andocken anzeigte. Einmal mehr fragte er sich, was ihn und Tanya dort erwartete.

»Was ist los?«, fragte sie in sanfterem Tonfall.

»Ich habe nur über etwas nachgedacht.«

»Man hat dich wieder zum Admiral befördert. Ich glaube nicht, dass es dir bei dem Dienstgrad noch erlaubt ist, viel nachzudenken.«

»Sehr witzig.« Sein Blick kehrte zu den Sternen zurück. »Vor dem Krieg habe ich mir nie Gedanken über die Zukunft gemacht. Ich hatte größtenteils keinen Einfluss auf die Zukunft. Als Offizier der Flotte und als Befehlshaber eines Schweren Kreuzers trug ich zwar große Verantwortung, aber ich musste nie entscheiden, wohin wir fliegen und was wir tun. Dann kam der Krieg, und hundert Jahre später befehligte ich auf einmal die Flotte. In den ersten Monaten war die Zukunft eine sehr eng eingegrenzte Sache. Wir mussten mit der Flotte von einem Stern zum nächsten gelangen, um nach Hause zu kommen. Als wir zu Hause waren, mussten wir uns den Syndiks widmen und die Aliens abwehren. Die Zukunft hat mir immer die Richtung vorgegeben. Tu dies, tu jenes. Finde jetzt sofort eine Lösung, sonst gibt es keine Zukunft mehr.«

Geary unterbrach sich und sah Tanya an, die eine ernste, aber ruhige Miene aufgesetzt hatte. »Und jetzt auf einmal ist die Zukunft ein riesiges, vages Etwas. Ich habe keine Ahnung, was der nächste Tag bringen und was dann von mir erwartet wird. Nach allem, was geschehen ist, weiß ich, dass die Zukunft zu einem großen Teil von meinem Handeln und von meinen Entscheidungen abhängt. Aber ich habe keine Ahnung, wohin meine Entscheidungen uns führen sollen.«

Sie reagierte darauf mit einem dieser Blicke, die grenzenloses Vertrauen in seine Fähigkeiten ausstrahlten und die ihn so sehr frustrierten. »Doch, die hast du, Black Jack. Du hast immer noch die gleichen Einstellungen wie damals, als du das Kommando über die Flotte übernommen hast. Tu das Ehrbare, das Richtige, das Kluge. Auch wenn du dich versucht fühlst, etwas anderes zu tun, halte dich an das, woran du glaubst – weil es das ist, woran auch unsere Vorfahren geglaubt haben. Außerdem glaubst du daran, dass wir alle es wert sind, gerettet zu werden. Deshalb weiß ich: Wenn uns jemand durch das hindurchführen kann, was die Zukunft für uns vorgesehen hat, dann du. Und deshalb werden ich und viele andere Leute dir folgen und dir alles geben, was wir haben.«

»Solange ich dich habe.«

»Das hatte dir die Zukunft nicht vorgegeben«, sagte Desjani. »Du hattest viele andere Möglichkeiten, aber du hast dich für die schwierigste, die ehrbarste und die einzig richtige entschieden. Deshalb sind wir jetzt zusammen.«

»Du hättest nicht …«

»Doch, das hätte ich, und das weißt du. Ich hätte es getan, weil ich dachte, dass du es brauchst. Und was du gebraucht hast, das war weitaus wichtiger als ich oder meine Ehre. Ich habe mich geirrt, du hattest recht.« Sie lächelte ihn an. »Was nun nicht heißen soll, dass du dich niemals irrst. Aber für den Fall, dass es doch mal passieren sollte, bin ich ja hier, um dich darauf aufmerksam zu machen.«

Seite an Seite verließen sie das Passagierschiff durch die Schleuse und gelangten auf die Station Ambaru. Geary und Desjani waren beide auf möglichen Ärger gefasst, gaben sich aber alle Mühe, entspannt und gelassen zu wirken.

Zwei Reihen aus Soldaten der Bodenstreitkräfte erwarteten sie, die Waffen zum Salut erhoben, und bildeten einen Korridor, den sie beide durchschreiten mussten. Handelte es sich bei den Soldaten um eine Ehrengarde? Oder war das nur eine Tarnung, um einen weiteren Versuch zu unternehmen, ihn zu verhaften? Dieses Mal wurde er schließlich nicht von Marines eskortiert, die eine Überreaktion vonseiten der Regierung hätten verhindern können.

Zumindest trugen diese Soldaten keine gepanzerten Rüstungen, sondern ihre Galauniform. Sollte man ihn doch festnehmen wollen, dann würde das von deren Seite sehr stilvoll ablaufen.

Hinter den Reihen der Ehrengarde waren weitere Soldaten damit beschäftigt, Schaulustige in den Gängen zwischen den Docks zurückzuhalten, die in lauten Jubel ausbrachen, sobald Geary in Sichtweite kam. Das war schon mal ein gutes Zeichen, denn die Regierung würde nicht so dumm sein, ihn in aller Öffentlichkeit zu verhaften. Was würde wohl geschehen, wenn die Soldaten das doch versuchen sollten und er stattdessen auf die Menschenmenge zuging? Wäre das der eine falsche Schritt, der das Auseinanderbrechen der Allianz auszulösen vermochte?

Obwohl Geary nervös war und ihm die Verehrung der Massen Unbehagen bereitete, zwang er sich, zu lächeln und zu winken. Dann entdeckte er Admiral Timbale am Ende der Rampe, und die Anspannung fiel zumindest zum Teil von ihm ab. Obwohl er genauso politisch gefärbt war wie die meisten derzeitigen Senioroffiziere, hatte Timbale einen ehrbaren Eindruck gemacht und zum Zeitpunkt von Gearys Abreise aus Varandal fest auf dessen Seite gestanden. Jetzt salutierte er vor Geary und erwiderte Desjanis Salut, wobei seine Geste die präzise und zackige Bewegung eines Mannes war, der sie gerade erst erlernt hatte und nun zeigen wollte, dass er sie beherrschte. »Willkommen zurück, Admiral Geary. Es freut mich, Sie persönlich kennenzulernen, Captain Desjani.«

»Vielen Dank, Sir«, erwiderte sie und entgegnete den Salut auf eine korrekte, aber lässige Weise. Unwillkürlich bekam Geary den Eindruck, dass sie zumindest unterbewusst zeigen wollte, wie sehr ihr diese Grußform in den letzten Monaten in Fleisch und Blut übergegangen war. »Es überrascht mich, dass Zivilisten hier sind«, ergänzte sie und deutete auf die Menschenmenge.

Timbales Lächeln nahm einen versteinerten Zug an. »Von denen sollte eigentlich niemand hier sein. Ihre Ankunft sollte in aller Stille vonstatten gehen, um ›Störungen‹ zu vermeiden. Zumindest hatte man mir das so gesagt. Aber irgendwie hat es sich dann doch herumgesprochen, und nachdem die Zivilisten erst mal damit begonnen hatten, sich an den Absperrungen zu drängen, weil sie Black Jack sehen wollten, konnten wir nicht mehr viel dagegen unternehmen.« Er sah sich um. »Der Dauerbefehl vom Flottenhauptquartier ging vor zwei Wochen bei uns ein. Wir sollen alles vermeiden, was ›einen einzelnen Offizier unangemessen in den Mittelpunkt rücken könnte‹. Stattdessen sollen wir auf das verweisen, was das gesamte Personal gemeinschaftlich geleistet hat und leistet.«

»Dagegen kann ich nichts einwenden«, merkte Geary an. »Ich halte das für eine gute Idee.«

»Ist es auch«, stimmte Timbale ihm zu, dann aber wurde sein Tonfall bissiger. »Aber nachdem die hohen Tiere selbst den Weg ins Flottenhauptquartier nur geschafft haben, weil sie bei jedem erzielten Erfolg ihre eigene Rolle mit allen Mitteln in den Vordergrund geschoben haben, halte ich es für ein starkes Stück, jetzt auf einmal von den anderen individuelle Demut zu verlangen.« Er nickte dem Befehlshaber der Ehrengarde zu und wandte sich zum Gehen. »Wenn Sie und Captain Desjani mir bitte folgen würden.«

Geary folgte ihm und fragte sich, ob die Ehrengarde ebenfalls mitkommen würde, aber nach wenigen Schritten war klar, dass die Soldaten an ihrem Platz verharrten. Einige von ihnen wagten einen Seitenblick, um ihm hinterherzusehen.

Timbale nickte, als hätte er Gearys Gedanken gelesen. »Diesmal ist es nichts so Offensichtliches«, raunte er ihm zu. »Vor allem nicht vor so vielen Zuschauern.«

»Was ist denn los?«

»So genau weiß ich das auch nicht.« Mit ernster Miene führte Timbale sie durch Korridore, die offenbar für anderes Militär und für Zivilpersonen gesperrt worden waren, sodass sich vor ihnen ein menschenleerer Gang erstreckte. Während man zu Gearys Zeit hundert Jahre zuvor das nackte Metall der Schotte mit Texturmaterial bedeckt hätte, das natürlich gewachsene Strukturen oder Landschaftsbilder zeigte, konnte man hier deutlich sehen, wo Reparaturen grobschlächtig ausgeführt worden waren. Es war ein weiteres Zeichen für die Belastung, die der Krieg für die Allianz bedeutet hatte, von der verlangt worden war, jede verfügbare finanzielle Ressource für die Kriegführung zu nutzen. »Über Varandal ist nicht ausdrücklich das Kriegsrecht verhängt worden, aber in der Praxis sieht es sehr wohl danach aus. Die Regierung glaubt, dass Varandal den Anfang bilden wird, wenn es zum großen Knall kommt. Ich glaube, ich muss Ihnen nicht erklären, wen man für den Zünder hält, der diesen Knall auslösen könnte.«

»Und trotzdem ist die Flotte immer noch hier konzentriert?«, wunderte sich Desjani.

»Ja, Captain«, bestätigte Timbale. »Sie haben Angst davor, die Flotte an einem Punkt zu konzentrieren, aber sie haben auch Angst davor, die Flotte zu verteilen, weil sie sie dann nicht mehr so leicht im Auge behalten können. Also haben sie bis jetzt gar nichts getan.« Er lächelte sie schief an. »Verzeihen Sie bitte meine Manieren, ich habe ganz vergessen, Ihnen beiden zu gratulieren. Sie müssen sehr schnell gehandelt haben, wenn es Ihnen gelungen ist, in der kurzen Zeitspanne zu heiraten, als Sie beide Captain waren und keiner von Ihnen der Befehlskette des anderen unterstanden hat. Ihnen ist hoffentlich klar, dass man beim Flottenhauptquartier stinksauer über diese Aktion ist.«

»Vielen Dank«, antwortete Geary, während Desjani nur zufrieden dreinschaute. »Schön zu wissen, dass wir wenigstens das geschafft haben. Wohin gehen wir eigentlich?«

»Konferenzraum 1A963D5. Mit Gewissheit kenne ich nur die Identität einer Person, die dort anwesend ist.« Timbale warf Geary einen Seitenblick zu. »Senator Navarro, Vorsitzender des Großen Rats.«

»Er ist nicht allein?«

»Es sind Leute bei ihm, aber ich weiß nicht, wie viele es sind und um wen es sich handelt. Die Sicherheitsperimeter sind sieben Lagen dick, und jede Einzelne davon ist undurchdringlich.« Nach kurzem Zögern fuhr er leiser fort: »Viele Leute gehen davon aus, dass Navarro hier ist, um von Ihnen Befehle zu erhalten. Ich glaube nicht daran, weil ich Sie bereits kenne und mit Ihnen gesprochen habe. Aber von etlichen Seiten wird beteuert, dass Sie derjenige sind, der in Wahrheit die Fäden in der Hand hält.«

Geary überlegte noch, was er darauf erwidern sollte, da meldete sich bereits Desjani zu Wort: »Der strategische Erfolg kann manchmal taktische Täuschungsmanöver erforderlich machen, Admiral Timbale. Viele Offiziere glauben nur zu gern, dass die Regierung tut, was Admiral Geary sagt.«

Admiral Timbale nickte bedächtig. »Und diese Offiziere wären unglücklich, wenn sie wüssten, dass genau das gar nicht der Fall ist. Verstehe. Allerdings balancieren wir damit auf Messers Schneide. Das Flottenhauptquartier gibt am laufenden Band drakonische Befehle aus, die wohl nur belegen sollen, wer hier das Sagen hat. Die Flotte befolgt diese Befehle, aber die Leute sind zunehmend unzufrieden, zumal manche Forderungen schlichtweg sinnlos sind.«

»Einige Kommandanten der Kriegsschiffe haben bereits mit mir gesprochen«, erklärte Geary. »Keiner weiß, was los ist und was als Nächstes passieren soll. Sie bleiben einfach alle im Orbit und warten.«

»Mehr kann ich dazu auch nicht sagen, aber die Tatsache, dass der Ratsvorsitzende hergekommen ist, erweckt in mir den Eindruck, als hätten sie nur auf Ihre Rückkehr gewartet, damit sie Ihnen sagen können, dass Sie was tun sollen.« Timbale legte die Stirn in Falten, sodass ihm seine Unschlüssigkeit deutlich anzusehen war. »Und sie haben vor, der Flotte irgendeine Mission aufzutragen. Auch wenn die Budgets rigoros gekürzt werden, hat man mich angewiesen sicherzustellen, dass an allen beschädigten Kriegsschiffen die notwendigen Reparaturen durchgeführt werden. Wenn man bedenkt, was diese Arbeiten kosten, müssen die entsprechenden Befehle von der Regierung und vom Flottenhauptquartier gemeinsam gekommen sein. ›Behalten Sie die Schiffe bei sich, bringen Sie sie wieder in Schuss.‹ So lautet mein Befehl.«

»Hatten Sie eine Gelegenheit, mit irgendeinem Flottenoffizier über die Situation zu reden?«, wollte Geary wissen.

»Ja, aber die meisten sagen, dass Sie aus unbekannten Gründen die Reparaturen angeordnet haben. Niemand sonst scheint auch nur irgendeine Ahnung zu haben, was sehr ungewöhnlich ist. Sie wissen ja, wie schwierig es sonst ist, irgendetwas geheim zu halten.«

Desjani schüttelte den Kopf. »Wie wollen Sie die Flotte ordentlich auf eine Mission vorbereiten, wenn Sie die Mission gar nicht kennen?«

»Tja, wenn ich das wüsste.« Timbale machte keinen Hehl daraus, wie wenig ihm das Ganze gefiel. »Die Regierung hat schon vor Jahrzehnten damit aufgehört, dem Militär zu vertrauen, trotzdem ist es mehr als ärgerlich, wenn man dann auch noch ganz unverhohlen so behandelt wird, als sei man nicht vertrauenswürdig. Mir ist nichts Brauchbares gesagt worden, nur immer einzelne Dinge, wie zum Beispiel die Befehle für den heutigen Tag hinsichtlich der zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen. Und das alles geschieht mit dem Siegel des Großen Rats. Ich bin nicht mal zu diesem Treffen eingeladen, Admiral Geary. Mir wurde gesagt, dass nur Sie teilnehmen werden.«

Desjani ließ sich nichts anmerken, trotzdem wusste Geary, dass sie darüber nicht glücklich war. Ihm erging es im ersten Moment nicht besser, bis er sich vor Augen führte, dass sie dann beide mit ihm zusammen hinter sieben Ebenen strengster Sicherheitsmaßnahmen verborgen sein würden. »Ehrlich gesagt«, wandte er sich an Timbale, »halte ich es sogar für besser, wenn ich weiß, dass Sie und Captain Desjani draußen warten und mit jedem in Verbindung stehen. So können Sie wenigstens etwas unternehmen, wenn es erforderlich werden sollte.«

Nun rang sich Timbale ein Lächeln ab. »Es gibt einige Gruppen, die sich nicht für das interessieren, was ich sage, aber sie werden alles akzeptieren, was vom Captain kommt. Es herrscht die Überzeugung, dass Captain Desjani für Sie spricht.«

Geary entging das melancholische Aufblitzen in ihren Augen nicht, aber Tanya nickte und sagte: »Ich werde die Situation im Auge behalten, während Sie in der Besprechung sind, Admiral.«

»Wenn wir unter uns sind, müssen Sie mit Ihrem Ehemann nicht so förmlich umgehen«, ließ Timbale sie wissen.

»Doch, Sir, das muss ich«, entgegnete sie. »Wenn wir in einem beruflichen Zusammenhang miteinander reden, ist er Admiral Geary und ich bin Captain Desjani. Darauf haben wir uns geeinigt.«

Sie bogen um eine Ecke, am Ende des Korridors sahen sie das, was die erste Sicherheitsebene sein musste: ein Kontrollpunkt besetzt mit einem ganzen Trupp Soldaten. »Wie viele gibt es davon?«, erkundigte sich Geary.

»In diesem Sektor der Station befinden sich genügend Kontrollpunkte und Soldaten, um eine ganze Brigade daraus zusammenstellen zu können«, antwortete Timbale. »Für nichts ist Geld da, aber wenigstens reicht es für maßlos überzogene Sicherheitsvorkehrungen. Egal auf welchem Weg Sie nach drinnen oder draußen gelangen wollen, Sie müssen mindestens an zwei Kontrollpunkten vorbei. Kommunikation ist auch nicht möglich, egal in welche Richtung. Absolut gesichert und isoliert. Wenn Sie erst mal zwei Kontrollpunkte passiert haben, werden Sie auch keine Nachrichten mehr senden oder empfangen können.«

In diesem Moment meldete sich Gearys Komm-Einheit. »Dann können wir wahrscheinlich froh sein, dass uns das hier gerade noch erreicht hat.« Er sah nach, von wem die Mitteilung kam, dann öffnete er sie, während er noch weiterging. Als er die ersten Zeilen las, blieb er so abrupt stehen, dass Timbale und Desjani ihn fast angerempelt hätten.

»Stimmt was nicht?«, fragte sie besorgt.

»Das kann man so sagen.« Geary musste sich unterbrechen, um die Wut zu überwinden, die in ihm hochkochte. »Captain Duellos hat mich soeben darüber informiert, dass eine große Zahl von befehlshabenden Offizieren der Flotte vor wenigen Augenblicken davon in Kenntnis gesetzt worden ist, dass gegen sie Kriegsgerichtsverfahren eingeleitet werden. Er hat mir diese Nachricht weitergeleitet.«

Falls Timbale sein Erstaunen nur vortäuschte, dann machte er das ausgesprochen gut. »Was? Ich habe keine … Darf ich, Admiral?«

Er überließ dem Mann seine Komm-Einheit, der den Text zügig las. »Nicht zu fassen. Mehr als hundert Offiziere, die derzeit ein Schiff befehligen. Die Anklagen sind formal gerechtfertigt, aber welcher Idiot …« Er presste die Lippen zusammen. »Genau genommen fallen mir gleich mehrere Idioten ein, auf deren Mist so was gewachsen sein könnte. Ein paar von denen sitzen derzeit im Flottenhauptquartier. Ich sagte Ihnen ja schon, dass das Hauptquartier zu zeigen versucht, dass es die Lage kontrolliert. Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie sich einen solchen Unsinn ausdenken würden.«

»Wie ich sehe, stehe ich ebenfalls unter Anklage«, sagte Desjani völlig ruhig. »Die wollen die gesamte Kommandostruktur der Flotte aushöhlen, Admiral.«

Timbale deutete mit seiner freien Hand auf die Komm-Einheit. »Jeder dieser Offiziere müsste zumindest vorübergehend seines Kommandos enthoben werden! Und das, wo wir versuchen, die Flotte einsatzbereit zu machen! Das würde ein völliges Chaos nach sich ziehen!« Er setzte zu einer Geste an, als wolle er die Komm-Einheit gegen die Wand schmeißen, aber dann fiel ihm ein, dass sie Geary gehörte, und er gab sie ihm zurück. »Schon gut, dass Sie zurückgekommen sind, bevor das hier eingegangen ist. Wäre das nur etwas früher passiert, dann wäre hier die Hölle los gewesen. Sie sind der Einzige, der eine massive Überreaktion der Flotte verhindern kann.«

Inzwischen hatte Desjani wieder ihre kühle Kampfhaltung eingenommen, ihr Blick war auf Gearys Augen gerichtet. »Es könnte sein, dass Sie sich irren, Admiral Timbale. Nicht, was die Reaktion der Flotte angeht, sondern was den Zeitpunkt angeht, wann diese Nachricht empfangen werden sollte. Hat womöglich irgendjemand vorschnell gehandelt? Vielleicht sollte die Flotte diese Information erst erhalten, nachdem Admiral Geary bereits mit den Regierungsvertretern zusammengetroffen war, sodass die Nachricht nicht mehr an ihn weitergeleitet werden konnte. Also würde er während seiner Besprechung nichts davon wissen und folglich auch nicht darauf reagieren können. Und genauso wenig wäre er in der Lage, die Flotte von einer Überreaktion mit unabsehbaren Folgen abzuhalten.«

»Sollte das die Absicht hinter dieser Nachricht sein?«, überlegte Geary. »Soll die Flotte zu einer Überreaktion provoziert werden? Mein erster Gedanke war, dass das hier gegen mich gerichtet ist, weil man die meisten dieser Offiziere als mir gegenüber loyal eingestellt bezeichnen könnte, aber …«

Admiral Timbale benötigte einen Moment, um sich zu beruhigen, dann schüttelte er den Kopf. »Mag sein. Aber solange keine Kommunikation möglich ist, sind wir auch nicht in der Lage, der Flotte etwas über Ihren aktuellen Status zu sagen. Wenn jemand annehmen sollte, dass die Regierung Sie verhaftet hat …«

»Das ist zu umfassend«, sagte Desjani. »Sie haben recht, Admiral Timbale. Es könnte allzu leicht passieren, aber ich kann auch nicht glauben, dass irgendjemand so dumm ist, so etwas tatsächlich erreichen zu wollen.«

»Im Gegensatz dazu, so dumm zu sein, dass man die Reaktion unabsichtlich auslöst?«, hielt Geary dagegen.

Timbale nickte hastig. »Ja, das würde zu den anderen Dingen passen, die sich das Flottenhauptquartier ausgedacht hat. ›Wir haben das Sagen!‹ Vermutlich haben sie ein paar Rückmeldungen erhalten, die ihnen die Haltung der Flotte zu den vorausgegangenen sinnlosen Befehlen gezeigt haben, und jetzt überbieten sie das eben.«

»Also steckt da die Regierung eher nicht dahinter?« Navarro war ihm nicht wie jemand vorgekommen, der sich eine solche Idiotie ausdenken würde, aber auf der anderen Seite war Geary ja auch kein Politiker.

»Nein.« Timbale schaute den Korridor entlang, wo die Soldaten am Kontrollpunkt herumstanden und so taten, als hätten sie die drei aufgeregt diskutierenden hochrangigen Offiziere noch gar nicht bemerkt. »Welchen Nutzen hätte die Regierung davon? Sie fürchten sich vor einer Revolte, und das da ist ja gerade dazu vorbestimmt, eine Revolte auszulösen. Ich schreibe Politikern keine allzu hohe Intelligenz zu, aber sogar ich weiß, wie gut sie darin sind, ihre eigenen Interessen zu wahren und ihr Überleben sicherzustellen. Diese Angelegenheit dient weder ihren Interessen noch ihrem Überleben. Außerdem wartet Navarro da drinnen auf Sie und ist von der Außenwelt abgeschnitten. Er würde von dieser Nachricht auch erst erfahren, wenn Ihre Besprechung zu Ende ist.«

Desjani kniff die Augen zusammen. »Das würde es ihm erlauben, jegliche Kenntnis dieses Vorgangs zu leugnen.«

»Als Regierungschef? Soll er behaupten, davon nichts gewusst zu haben? Das würde ihm nicht helfen, es würde ihn nur noch schlechter dastehen lassen. Vorausgesetzt, die Flotte schießt diese Station nicht in Stücke und tötet ihn dabei.«

»Die Rolle des Märtyrers würde die Aussichten für seine Wiederwahl sicher verbessern«, merkte Desjani ironisch an. »Sogar ich könnte mich dazu durchringen, einem toten Politiker meine Stimme zu geben.«

»Tote Helden bleiben aber nicht immer tot«, warf Timbale ein und deutete mit einem Nicken auf Geary.

»Und was machen wir nun?« Desjani sah ebenso wie Timbale Geary an.

Daran hatte sich also auch nichts geändert. Ihm war für den Augenblick überhaupt kein Kommando übertragen worden, aber alle erwarteten nach wie vor von ihm, dass er entschied, was getan werden sollte. »Wir sind einer Meinung, dass die Flotte das nicht hinnehmen wird. Der Befehl kommt vom Flottenhauptquartier, widerrufen lässt er sich nur, wenn wir uns an die Regierung wenden. Ich muss dieses Treffen wahrnehmen. Das ist der beste und vermutlich einzige Weg, um dieser Angelegenheit ein schnelles Ende zu bereiten.«

»Sir«, warf Desjani ein. »Der Aufruhr in der Flotte dürfte schon begonnen haben.«

»Ich weiß.« Er nahm die Komm-Einheit hoch und stutzte, als er sah, dass das Gerät keine Verbindung hatte. »Warum kann ich keine Nachricht senden? Ich habe doch vor ein paar Minuten auch eine Nachricht erhalten?«

Timbale verzog den Mund. »Das liegt an der Station. Hier gibt es so viele Korridore, Schächte und Abteile, die alle als Reflektoren, Kanäle und Leiter fungieren, dass der Randbereich der Sicherheitszone fluktuiert. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie weit Sie zurückgehen müssen, ehe Sie wieder eine Verbindung haben.«

»Dafür haben wir keine Zeit.« Er tippte auf die Aufnahmetaste und sprach klar und deutlich ins Mikrofon: »An alle Kriegsschiffe im Varandal-Sternensystem, hier spricht Admiral Geary. Ich bin soeben über eine Nachricht in Kenntnis gesetzt worden, wonach gegen etliche Offiziere Anklage erhoben wurde. Ich befasse mich momentan mit dieser Angelegenheit. Alle Einheiten bleiben in dem ihnen zugewiesenen Orbit und werden von jeglichen nicht autorisierten Handlungen absehen. Bei der Ehre unserer Vorfahren. Geary Ende.«

Dann übergab er die Komm-Einheit an Desjani. »Sie müssen für mich dieses Feuer löschen, bevor es sich ausbreiten kann. Verlassen Sie den Sicherheitsblock und senden Sie das. Anschließend halten Sie jeden davon ab, irgendwelche Dummheiten zu begehen.«

»Mich haben die lebenden Sterne aber nicht geschickt«, beklagte sie sich, während sie die Komm-Einheit an sich nahm. »Und selbst die können Dummheiten nicht verhindern.«

»Wenn Sie allen sagen, dass ich eben erst davon erfahren habe und dass ich mich schon darum kümmere, dann werden sie Ihnen glauben. Die werden auf Sie hören.«

Ihre Blicke trafen sich. »In welcher Funktion handele ich? Laut dieser Nachricht müsste ich das Kommando über die Dauntless bereits abgegeben haben.«

»Sie sind solange der befehlshabende Offizier der Dauntless, bis Sie von mir etwas Gegenteiliges hören.« Es war nicht richtig, es widersprach der Dienstordnung, und abgesehen davon, dass er Admiral und sie Captain war, hatte er keinerlei Befugnis, sich über den Befehl vom Hauptquartier hinwegzusetzen. Aber Black Jack Geary konnte damit durchkommen. Wenn er den Vorschriften jetzt nicht zuwiderhandelte, würden sie mit einem Chaos konfrontiert werden, das sich vielleicht nicht mehr unter Kontrolle bringen lassen würde. »Admiral Timbale, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Captain Desjani in dieser Angelegenheit unterstützen könnten. Ich weiß nicht, wie viel sich das nicht zur Flotte gehörende Militär an Bord dieser Station von ihr sagen lassen wird.«

»Vermutlich mehr als Sie sich vorstellen können«, gab Timbale zurück. »Jeder weiß von Ihrer … Beziehung. Aber es wird wohl unsere gemeinsamen Anstrengungen erfordern, um das Ganze unter Kontrolle zu halten. Wenn ich die Einstellung in der Flotte richtig deute, dann wird man diese Anklagen nur für die erste Salve halten, der als Nächstes Ihre Verhaftung folgen wird. Zu viele Kriegsschiffe werden diese Station in Stücke schneiden wollen, bis man Sie unversehrt herausholen kann. Und wenn es dazu kommt, wird ganz sicher irgendjemand das Feuer erwidern.«

»Vielleicht komme ich besser mit«, überlegte Geary. »Ich verschiebe das Treffen und …«

»Dann wird die Regierung allen Grund zu der Annahme haben, dass Sie hinter den plötzlichen aggressiven Manövern der Flotte stecken! Es gibt keine Gewähr dafür, dass die Flotte eine von Ihnen kommende Nachricht sofort als authentisch akzeptiert und sich noch dazu davon überzeugen lässt, dass Ihre Befehle nicht unter Gewaltandrohung erteilt wurden.«

Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich an die eine Person zu wenden, die ihn noch nie im Stich gelassen hatte. »Tanya.«

Desjani hob beide Hände. »Schon gut, ich bin dabei, Admiral. Ich bin zwar nicht Black Jack Geary, aber ich werde mein Bestes geben.« Das war auch eine von diesen Redewendungen, die in der Flotte verbreitet waren und die Geary jedes Mal zusammenzucken ließ, wenn er sie zu hören bekam. Nur traf die Bemerkung in diesem Fall ausnahmsweise einmal zu. Sie trat einen Schritt zurück und salutierte.

Er erwiderte den Salut, während ihm all die Dinge durch den Kopf gingen, die schiefgehen konnten. Er dachte an die Militäreinheiten der Allianz und an die Raumschiffe in diesem Sternensystem, die von einem Moment zum anderen zu Gefechtshandlungen greifen konnten, und er dachte an die vielen Menschen, die dann mit Sicherheit sterben würden. Tanya eingeschlossen. Die Allianz selbst konnte als Folge der Kämpfe untergehen, vielleicht nicht so schnell und heftig wie die Syndikatwelten, aber genauso unaufhaltsam. »Viel Glück, Tanya.«

»Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich bin ein verdammt guter Captain. Sie sind derjenige, der die Politiker und das Flottenhauptquartier davon abhalten muss, das Universum ins Chaos zu stürzen. Wenn sie einer aufhalten kann, dann Sie.«

»Danke, ich weiß zu schätzen, dass überhaupt kein Druck auf mir lastet.«

»Ist mir ein Vergnügen. Und lassen Sie sich nicht zu viel Zeit mit dieser Besprechung, sonst ist von diesem Sternensystem vielleicht nicht mehr viel übrig.«

Zwei

Man konnte leicht vergessen, wie sehr man eigentlich darauf angewiesen war, dass man schnell an Informationen gelangte. Bewusst wurde es einem spätestens, wenn man sich im Inneren eines Sicherheitsperimeters befand, das alle Signale störte, um sicherzustellen, dass keine Informationen nach draußen gelangen konnten, und das einen zudem von allen Datenbanken und Displays abschnitt. Ausgerechnet jetzt, da in der Flotte Unruhe aufgekommen sein musste, hatte er keine Ahnung, was da draußen los war und ob Tanya die Situation unter Kontrolle hatte. Nicht, dass er an ihren Fähigkeiten gezweifelt hätte, aber jedem, der auch nur über einen Funken gesunden Menschenverstands verfügte, musste klar sein, dass es stets Faktoren gab, die sich dem Einfluss der Menschen entzogen.

Er wollte sofort dieses Treffen in Angriff nehmen und die Situation unter Kontrolle bekommen, aber diese Station war einfach zu groß, jeder Korridor war zu lang und an jedem Kontrollpunkt wurde zu langsam gearbeitet, bis man ihn passieren ließ. Bei jedem Schritt rechnete Geary insgeheim damit, dass sich von Explosionen verursachte Erschütterungen über die Struktur der Station ausbreiteten, wenn da draußen ein Gefecht ausgebrochen sein sollte. Er war mit dem Gefühl vertraut, wenn ein Schiff beschossen und getroffen wurde – die Hammerschläge von Raketen, die ihr Ziel erreichten, das Zittern, wenn die Partikelstrahlen der Höllenspeere sich durch Metall und jedes andere Material schnitten, der brutale Hagel der Kartätschen, die in einem Stakkatorhythmus auf die Schiffshülle einschlugen. Würde sich das auf einer so massiven Konstruktion wie dieser Raumstation anders anfühlen? Wie tief würden sich die Höllenspeere bohren können, wenn sie aus nächster Nähe abgefeuert wurden?

Seltsamerweise hatten diese Fragen sowie seine Bemühungen, darauf Antworten zu finden, eine beruhigende Wirkung auf ihn. Die Auswirkungen von im Gefecht erlittenen Schäden einzuschätzen, hatte etwas angenehm Vertrautes an sich, während Geary die Begegnung mit Politikern, deren wahre Absichten ihm nicht bekannt waren, als etwas Ungewohntes und Befremdliches wahrnahm. Lieber lasse ich auf mich schießen, anstatt mich mit Politikern abgeben zu müssen. Und das Kuriose daran ist, jeder Matrose in der Flotte würde das nachvollziehen können und mir zustimmen.

Die Soldaten, denen er an den verschiedenen Kontrollpunkten begegnete, waren aus diversen Einheiten und Organisationen abgezogen und zu diesem Dienst abgestellt worden. Seit dem Erwachen aus seinem Kälteschlaf hatte er mit Bodenstreitkräften nur selten zu tun gehabt, und dieser geringe Kontakt beschränkte sich lediglich auf die letzten Wochen. Als er jetzt die Männer und Frauen musterte, versuchte er ihre Fähigkeiten, ihre Gefühle und auch ihre Effizienz einzuschätzen. Die Flotte und sogar die für ihre Traditionsverbundenheit berüchtigten Marines hatten sich unter dem Eindruck des sehr langen und sehr blutigen Kriegs verändert. Er stellte sich die Frage, ob die Bodentruppen es sich ebenso zur Angewohnheit gemacht hatten, auf den Feind loszustürmen, ohne sich um Taktiken, Manöver oder die mögliche Überlegenheit des Gegners zu kümmern. Hatten die Bodentruppen auch die Ehre über alles gestellt, und war blinder Mut der Verzweiflung an die Stelle der Fähigkeiten von Anführern getreten, heutzutage, wo diese Anführer nur in seltenen Fällen lange genug überlebten, um als Veteranen bezeichnet zu werden?

Alle Soldaten behandelten ihn mit steifer Förmlichkeit, da sie zweifellos fürchteten, von mehr als nur einem vorgesetzten Offizier beobachtet zu werden. Dennoch sahen die meisten von ihnen Geary auf eine Weise an, die ihre Gefühle erkennen ließ – und die unterschieden sich nicht von den in Scharen herbeigeeilten Zivilisten, auch wenn sie sich natürlich deutlich disziplinierter und verschlossener gaben.

Geary passierte einen Kontrollpunkt nach dem anderen, und soweit er das beurteilen konnte, war bislang alles ruhig geblieben. Allerdings befand er sich inzwischen so tief im Inneren der Station, dass er nicht wusste, ob er hier überhaupt irgendetwas wahrnehmen würde. Die Tatsache, dass er auf dem Weg von einem Kontrollpunkt zum nächsten keiner Menschenseele begegnete, hatte etwas Unheimliches an sich, so als würde er sich auf einer Station in einem unbedeutenden Sternensystem befinden, das vom Hypernet übergangen und von seinen wenigen Bewohnern verlassen worden war. Nachdem er wochenlang versucht hatte, Menschenansammlungen aller Art aus dem Weg zu gehen, wünschte er sich jetzt, wenigstens den einen oder anderen Menschen zu sehen.

Nach insgesamt sieben Kontrollpunkten wurde Geary dann endlich zu einem Konferenzraum geführt, der nur in der Hinsicht auffiel, dass die Symbole auf der geöffneten Tür ihn als extrem sicheres, versiegeltes Abteil kennzeichneten, das gegen jeden Ausspähversuch von außen garantiert so gut geschützt war, wie es nur irgend ging. »Wie dicht ist dieser Konferenzraum?«, fragte er die Angehörigen des Spezialkommandos, das die letzte, innerste Sicherheitsebene bildete. Ihn interessierte, welche Fortschritte die Sicherheitstechnologie in den letzten hundert Jahren gemacht hatte, doch dann fiel ihm ein, wie viele Male Victoria Rione ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt hatte, dass sich mit der richtigen Ausrüstung und Software so ziemlich jede Sicherheitsbarriere überwinden ließ.

Der Major, der die Einheit befehligte, schien einen Moment verblüfft darüber zu sein, von Geary persönlich angesprochen zu werden, dann aber bekam er sich wieder in den Griff. »Absolut dicht, Admiral Geary. Laut den Spezifikationen dieser Systeme sind sogar die Lebenserhaltungssysteme in sich selbst geschlossen. Sobald die Luke versiegelt ist, sind Sie so vollkommen vom Universum ringsum abgeschlossen, wie es menschliche Technologie bewerkstelligen kann. Nichts gelangt hinein oder hinaus. Es sind sogar erst vor Kurzem Störsender auf Quantenebene installiert worden, obwohl bislang noch niemand auf dieser Ebene Spionage betreiben kann.«

Zumindest kein Mensch, ergänzte Geary im Geiste. Immerhin hatten die Politiker demnach bislang geheim gehalten, dass die Aliens in der Lage waren, Quantenwürmer in die Betriebssysteme der Allianz-Schiffe einzuschleusen. »Beeindruckend«, sagte Geary. »Und wie verfährt der Raum mit der Wärme, die von den Menschen und von der Ausrüstung abgestrahlt wird, wenn er so perfekt versiegelt ist?«

Der Major sah einen Lieutenant an, der sich wiederum an einen Sergeant wandte. Der antwortete im knappen Tonfall eines Senior-Unteroffiziers, der Offizieren etwas erklärte, was sie eigentlich längst wissen sollten: »Die Wärme, die sich im Raum ansammelt, kann nicht nach außen geleitet werden, Sir. Sie sammelt sich an und kann etwas umgewälzt werden, wird aber nach spätestens zwei Stunden zu einem ernst zu nehmenden Problem, wenn drei oder mehr darin befindliche Personen persönliche elektronische Geräte bedienen.«

»Wird das ein Problem darstellen, Admiral?«, erkundigte sich der Major.

»Keineswegs«, sagte Geary. »Augenblicklich muss ich einige Dinge so schnell wie möglich erledigen, und davon abgesehen gefällt mir der Gedanke, dass ein Konferenzraum nicht endlos lang genutzt werden kann.«

Der Major zögerte, als sei er sich nicht sicher, was er sagen durfte und was nicht, aber schließlich grinste er: »So einen Konferenzraum habe ich mir schon mehr als einmal gewünscht, Admiral.«

Die Soldaten gingen in Wachhaltung, während Geary an der Luke anklopfte, sie öffnete und eintrat.

Sein Blick erfasste als Erstes das vertraute Gesicht von Senator Navarro, der sich von seinem Platz erhob, um Geary zu begrüßen. Neben ihm befand sich ein anderer Politiker des Großen Rats, jener rätselhafte Senator Sakai, der die Flotte auf ihrem Feldzug begleitet hatte, mit dem dem Krieg das Ende bereitet worden war. Dabei hatte er jene Ratsmitglieder repräsentiert, die Geary das geringste Vertrauen von allen entgegenbrachten. Wie sehr hatte diese Erfahrung den Senator davon überzeugen können, dass Geary keine Bedrohung für die Allianz darstellte? Auf der anderen Seite von Navarro saß Senatorin Suva, eine schmale, zierliche Frau, von der er wusste, dass sie ebenfalls dem Rat angehörte. Sie misstraute dem Militär im gleichen Ausmaß, mit dem das Militär den Politikern begegnete.

Drei Senatoren, kein Militär. Der Raum war sogar noch kleiner als der Konferenzraum an Bord der Dauntless, und angesichts der strengen Sicherheitsvorkehrungen konnte er nicht einmal über die virtuelle Konferenztechnologie verfügen, die es einer Vielzahl von weiteren Personen ermöglicht hätte, an der Besprechung teilzunehmen, ohne dabei körperlich anwesend sein zu müssen. An einer Seite zeigte ein Display das Sternensystem und die Verteilung der militärischen Einheiten, aber das Bild war statisch und erhielt deutlich erkennbar keine aktualisierten Daten von draußen. Geary salutierte und musste sich dabei zwingen, seine Ungeduld zu bändigen. »Senator Navarro, ich …«

Mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen unterbrach Navarro ihn: »Willkommen zurück, Admiral. Es gibt …«

»Senator«, unterbrach Geary ihn. »Etwas Wichtiges hat sich ereignet.« Ihm entging weder der Argwohn nicht, der sich plötzlich in Navarros Augen abzeichnete, noch die abrupt versteifte Körperhaltung. Er konnte fast die Gedanken des Mannes hören: Jetzt ist es soweit, jetzt reißt er die Kontrolle an sich! »Ich möchte nicht unhöflich sein, Sir, aber etwas von extremer Dringlichkeit ist vorgefallen, und ich muss Sie bitten, diese Angelegenheit vor allem anderen zu behandeln.«

»Was ist denn so dringlich, Admiral?«, wollte Sakai wissen, dessen Miene und Tonfall nichts über seine Gefühle verrieten.

»Als ich auf dem Weg zu diesem Treffen war, hat die Flotte eine Nachricht erhalten, wonach mehr als hundert befehlshabende Offiziere sich vor einem Kriegsgericht verantworten müssen. Sie sollen sofort ihr Kommando abgeben, bis über die Vorwürfe entschieden ist.«

So wie zuvor Timbale machten auch die drei Senatoren einen verdutzten Eindruck, dennoch ließ sich nicht erkennen, inwieweit sie ihm nur etwas vorspielten. Navarro schüttelte den Kopf, aber sein Tonfall blieb verhalten: »Wie lauten die Anklagen? Was wirft man diesen Offizieren vor?«

»Werden diese Offiziere angeklagt, weil sie versucht oder geplant haben, gegen rechtmäßige Autoritäten vorzugehen?«, wollte Suva wissen, die keinen Hehl aus ihrem Misstrauen machte.