Die Verschwörung des Fiesco zu Genua - Friedrich Schiller - E-Book

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua E-Book

Friedrich Schiller

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Beschreibung

Schillers Drama, mit dem er sich erstmals historischem Stoff zuwendet, spielt in Genua im Jahre 1547: Eine dreifache Verschwörung bahnt sich an. Fiesco, der Graf von Lavagna, wird zum Anführer der Verschwörung, die sich gegen die Herrschaft des Dogen Doria und dessen tyrannischen Neffen richtet, der wiederum versucht, die Macht an sich zu reißen. Und dann gibt es noch Verrina, der Fiesco misstraut und diesen beseitigen möchte, sobald Genua befreit ist...-

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Friedrich Schiller

Die Verschwörung des Fiesco zu Genua

Ein republikanisches Trauerspiel. 1783.

Nam id facinus inprimis ego memorabile existimo sceleris atque periculi novitate. Sallust vom Catilina.

Saga

Die Verschwörung des Fiesco zu GenuaCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1783, 2020 Friedrich Schiller und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726544879

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Vorrede.

Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus des Kardinals von Retz Conjuration du Comte Jean Louis de Fiesque, der Histoire des Conjurations, der Histoire de Gènes und Robertsons. Geschichte Karls V. — dem dritten Teil — gezogen. — Freiheiten, welche ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das nicht, so will ich doch lieber meine Phantasien als Fakta verdorben haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zugrunde geht, musste durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten Spinneweben einer Tat durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und Vergangenheit anhängen — wo der Mensch nichts, als das in freien Lüsten schwebende Faktum sieht. Aber der Künstler wählt für das kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.

Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen. — Hier versuche ich das Gegenteil, ein Opfer der Kunst und Kabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Projekt des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, dass nur Empfindung Empfindung weckt, so müsste, deucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subjekt für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muss, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Glut einzuhauchen, welche durch das lautere Produkt der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaktion aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen — den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln — und von der erfindrischen Intrige Situationen für die Menschheit zu entlehnen — das stand bei mir. Mein Verhältnis mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinett, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu einer politischen Tugend geworden.

Personen des Stücks.

Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren. Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.

Zenturione, Missvergnügte.

Zibo, Missvergnügte.

Asserato, Missvergnügte.

Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.

Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von26 Jahren. Rauh und anstössig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz. Die Bildung zerrissen. (Beide Doria tragen Scharlach.)

Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein konfiszierter Mohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.

Deutscherd. herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.

Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker, blühendschöner Mann von 23 Jahren — stolz mit Anstand — freundlich mit Majestät — höfischgeschmeidig, und eben so tückisch. (Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)

Drei aufrührerische Bürger.

Leonore, Fiescos Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blass und schmächtig. Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.

Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.

Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich

Julia, Gräfin Witwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren. Gross und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser mokanter Charakter. Schwarze Kleidung.

Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.

Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.

Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.

Mehrere Nobili, Bürger.

Rosa, Arabella. Leonorens Kammermädchen.

Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.

Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.

Der Schauplatz Genua. — Die Zeit 1547.

Erster Aufzug.

Saal bei Fiesco. Man hört in der Ferne Tanzmusik und den Tumult eines Balls.

––––––––––

Erster Auftritt.

Leonore maskiert. Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.

Leonore(reisst die Maske ab) . Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.

Arabella. Gnädige Frau —

Leonore(aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.

Rosa. Nehmen Sie die Sache für das, was sie wirklich war — eine Galanterie —

Leonore. Galanterie? — und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuss auf ihren entblössten Arm, dass noch die Spur seiner Zähne im flammroten Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken sass, als wär’ um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? — gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.

Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heisst zehn Cicisbeo Profit machen.

Leonore. Verlieren? — ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh’, giftige Schwätzerin — komm’ mir nie wieder vor die Augen! — Eine unschuldige Neckerei — vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?

Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!

Leonore(in Tiefsinn versunten). Dass sie darum in seinem Herzen sich wüsste? — dass hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge? — ihn anspräche in jeder Fussstapfe der Natur? — Was ist das? wo gerat’ ich hin? Dass ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild — nur ihr Bild gestochen ist? — dass er sie liebte? — Julien! O deinen Arm her — halte mich, Bella!

(Pause. Die Musik lässt sich von neuem hören.)

Leonore(aufgefahren) . Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.

Arabella. Sie war’s, Signora. Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.

Leonore. Du entfärbst dich. Bella! du lügst — ich lese in euren Augen — in den Gesichtern der Genueser ein etwas — ein etwas. (Sich verhüllend.) O gewiss! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.

Rosa. O der alles vergrössernden Eifersucht!

Leonore(schwermütig schwärmend). Da er noch Fiesco war — dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen, in den männlich-schönen Antinous. Stolz durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn fein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach. Bella! wie verschlangen wir eine Blicke! wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsre Eintracht zerrissen.

Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um die schöne Eroberung.

Leonore(begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glück! Mein Genuas grössten Mann, (mit Anmut) der vollendet sprang aus dem Meissel der unerschöpflichen Künstlerin, alle Grössen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband. — Höret, Mädchen! kann ich’s nun doch nicht mehr verschweigen! — Höret Mädchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnisvoll) einen Gedanken — als ich am Altar stand neben Fiesco — seine Hand in meine Hand gelegt — hatt’ ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist: — dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt — dein Fiesco — aber still! dass kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit brüsten — dieser dein Fiesco — weh’ euch, wenn das Gefühl euch nicht höher wirft! — wird — uns Genua von seinen Tyrannen erlösen!

Arabella(erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?

Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib — aber ich fühle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, dass dieses Haus Doria über unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanstmütige Andreas es ist eine Wollust, ihm gut zu sein — mag immer Herzog von Genua heissen, aber Gianettino ist sein Neffe — sein Erbe — und Gianettino hat ein freches, hochmütiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmut hinabgefallen) Fiesco — weinet um mich — liebt seine Schwester.

Arabella. Arme, unglückliche Frau. —

Leonore. Gehet jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen sitzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen — — das ist Fiesco! — Ach, Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden — auch ich meinen Gemahl!

Rosa. Reden Sie leiser. Man kommt durch die Galerie.

Leonore(zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)

––––––––––

Zweiter Auftritt.

Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im Gespräch.

Gianettino. Du hast mich verstanden.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Die weisse Maske.

Mohr. Wohl.

Gianettino. Ich sage — die weisse Maske!

Mohr. Wohl! wohl! wohl!

Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend) hierher verfehlen.

Mohr. Seid unbekümmert.

Gianettino. Und einen tüchtigen Stoss!

Mohr. Er soll zufrieden sein.

Gianettino(hämisch) . Dass der arme Graf nicht lang’ leide.

Mohr. Um Vergebung — wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht fallen?

Gianettino. Hundert Zechinen schwer.

Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht.

Gianettino. Was brummst du da?

Mohr. Ich sag’ — es ist eine leichte Arbeit.

Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn ja recht.

Mohr. Aber, Herr — ich muss flugs auf die Tat nach Venedig.

Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (Wirft ihm einen Wechsel zu.) In höchstens drei Tagen muss er kalt sein. (Ab.)

Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn’ ich Kredit! Der Herr traut meiner Gaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)

––––––––––

Dritter Auftritt.

Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.

Calcagno. Ich werde gewahr, dass du alle meine Schritte belauerst.

Sacco. Und ich beobachte, dass du mir alle verbirgst. Höre, Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt. — Ich dächte, Bruder, wir beide könnten schon Geheimnis gegen Geheimnis tauschen, und am Ende hätte keiner beim Schleichhandel verloren. — Wirst du aufrichtig sein?

Calcagno. So sehr, dass, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine Brust hinunterzusteigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegenkommen soll. — Ich liebe die Gräfin Fiesco.

Sacco (tritt verwundert zurück). Wenigstens das hätt’ ich nicht entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen. — Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glückt.

Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.

Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb’ oder dein Herz auf. —

Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muss den Grafen in Atem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.

Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du plötzlich des Kotwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.

Calcagno. Sind deine Schulden so gross?

Sacco. So ungeheuer, dass mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehnteil abschnellen muss. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff’ ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.

Calcagno. Ich verstehe — und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit frei wird, lässt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der Bankrott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundere in uns beiden die seine Spekulation des Himmels, der das Herz des Körpers durch die Eiterbeulen der Gliedmassen rettet. — Weiss Verrina um deinen Anschlag?

Sacco. Soweit der Patriot darum wissen darf. Genua, weisst du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug’. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.

Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm’, lass uns ihn aufsuchen und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)

––––––––––

Vierter Auftritt.

Julia erhitzt. Fiesco, der einen weissen Mantel trägt, eilt ihr nach.

Julia. Lakaien! Läufer!

Fiesco. Gräfin, wohin! Was beschliessen Sie?

Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.

Fiesco. Sie erlauben — er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.

Julia. Pah! doch wohl das nicht. — Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stücker. — Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.

Fiesco (auf einem Knie) . Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen. —

Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön! sehenswürdig! Rufte doch jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel! — Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender Ihrer Lieblosungen blättert und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie doch zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterien abbüssen?

Fiesco (springt auf) . Impertinenzen? Ihnen?

Julia. Aufzubrechen — den Sessel zurückzustossen — der Tafel den Rücken zu kehren — der Tafel, Graf! an der ich sitze.

Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.

Julia. Und mehr ist es nicht? — Über die Fratze und ist es denn meine Schuld, (ich belächelnd) dass der Graf seine Augen hat?

Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, dass er sie nicht überall hat.

Julia. Reine Delikatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fordere Genugtuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?

Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Misstritt der Eifersucht abbittet.

Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor einem Spiegel gestikulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco? — ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muss, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Nüssen reicht.) Ich resse den Fall, Graf, dass ich sie so fände.

Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen! — Ich weiss es, göttliche Julia, dass ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte. Meine Vernunft heisst mich das Knie des Untertans vor dem Blut Doria beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne der Majestät anzufliegen.

Julia. Eine grosse, grosse, gräfliche Lüge, die auf Stelzen heranhinkt. — Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz Hüpft unter dem Schattenriss einer andern.

Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert. ) Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Gössen zerstören.

Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein grosses Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)

Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla! (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar, Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg. — Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe. das Totenreich in polternde Trümmer! (Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang aufgezogen wird und einen grossen illuminierten Saal eröffnet, worin viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk- und Spieltische von Gästen besetzt.)

––––––––––

Fünfter Auftritt.

Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina. Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.

Gianettino(lärmend) . Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich, unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh’ einer von euch, streu’ es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich tun. — Bei meiner Geburt! sie werden den Tag rot im Kalender zeichnen und drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.

Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoss.)

Gianettino(wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um Gianettino.)

Lomellin (führt den Prinzen vor) . Gnädiger Herr, Sie sagten mir neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche begegnete?

Gianettino. Das hab’ ich auch, Bursche, und muss ihre Bekanntschaft haben.

Lomellin. Die kann ich Euer Gnaden verschaffen.

Gianettino (rasch) . Kannst du? Kannst du Lomellin, du hast dich neulich zur Prokuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.

Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im darum, alle reicher und angesehener, als Euer Gnaden untertäniger Diener.

Gianettino(schnaubt ihn trotzig an) , Donner und Doria! Du sollst Prokurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Abel in Genua? Lass sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale schmeissen, was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weissen Bart meines Onkels, Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du sollst Prokurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.

Lomellin (leiser) . Das Mädchen ist die einzige Tochter eines gewissen Verrina.

Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trotz allen Teufeln! muss ich sie brauchen.

Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigen Republikaners!

Gianettino. Geh’ in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines Vasallen und meine Leidenschaft! Das heisst, der Leuchtturm muss einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Die drei schwarzen Masken treten mit grossen Bewegungen näher.)