Die verschwundene Million - Walther Kabel - E-Book

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Walther Kabel

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Beschreibung

Wir saßen in Harsts Arbeitszimmer beim ersten Frühstück. Die Fenster standen offen und nach einer regnerischen Nacht strömte nun bei klarem Sonnenschein die gereinigte erquickende Luft eines bereits von Herbstahnen erfüllten Septembertages herein.
Draußen klappte die Pforte des Gitterzaunes des Vorgartens.
»Der Briefträger kommt, und zwar ist’s der alte Schmiedicke,« meinte Harst. »Nur er versetzt der Zauntür stets einen Stoß mit dem Fuß, so daß sie nachher mit allzuviel Schwung zufällt. Das gibt ein anderes Geräusch beim ins Schloß fallen ab, als wenn die Pforte nur durch den Federtürschließer zugeworfen wird. Der Unterschied liegt in den Nebengeräuschen der stets quiekenden Angeln. — Bitte — vielleicht siehst Du einmal nach, ob Schmiedicke für uns Post hat, lieber Schraut.«
Ich bezweifelte ein wenig, ob Harst recht hätte. Ich hatte ja die Pforte auch bereits unzählige Male zufallen gehört, aber noch nie eine Verschiedenheit in dem Kreischen der Angeln wahrgenommen. Harsts Personenbestimmung lediglich nach diesen nervenangreifenden Tönen erschien mir etwas gewagt.

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Der Detektiv

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

Band 11

 

Die verschwundene Million

 

© 2023 Librorium Editions

 

ISBN : 9782383837657 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Die verschwundene Million.

Die Schmuggler von Palermo.

 

Die verschwundene Million.

Wir saßen in Harsts Arbeitszimmer beim ersten Frühstück. Die Fenster standen offen und nach einer regnerischen Nacht strömte nun bei klarem Sonnenschein die gereinigte erquickende Luft eines bereits von Herbstahnen erfüllten Septembertages herein.

Draußen klappte die Pforte des Gitterzaunes des Vorgartens.

»Der Briefträger kommt, und zwar ist’s der alte Schmiedicke,« meinte Harst. »Nur er versetzt der Zauntür stets einen Stoß mit dem Fuß, so daß sie nachher mit allzuviel Schwung zufällt. Das gibt ein anderes Geräusch beim ins Schloß fallen ab, als wenn die Pforte nur durch den Federtürschließer zugeworfen wird. Der Unterschied liegt in den Nebengeräuschen der stets quiekenden Angeln. — Bitte — vielleicht siehst Du einmal nach, ob Schmiedicke für uns Post hat, lieber Schraut.«

Ich bezweifelte ein wenig, ob Harst recht hätte. Ich hatte ja die Pforte auch bereits unzählige Male zufallen gehört, aber noch nie eine Verschiedenheit in dem Kreischen der Angeln wahrgenommen. Harsts Personenbestimmung lediglich nach diesen nervenangreifenden Tönen erschien mir etwas gewagt.

Aber — natürlich hatte er wieder recht! Es war Schmiedicke. Er reichte mir einen einzigen Brief, brummte was von »schönem Wetter, herbstklarem Himmel« und stapfte wieder davon. Ich rief ihm nach nach: »He bester Schmiedicke, — schonen Sie doch unsere Gartenpforte.« —

Wenn man wie ich Privatsekretär eines so berühmten Liebhaberdetektivs ist, gewöhnt man es sich bald an, selbst die harmlosesten Dinge als Prüfsteine für seine eigene Intelligenz — was hier so viel wie Detektivbegabung bedeutet — zu benutzen. Während ich dem Kaffeetisch zuschritt, schaute ich mir den Brief von beiden Seiten an.

Blaugrüner Geschäftsumschlag, kleines Format; Adresse mit Maschine geschrieben; Aufgabeort Berlin; abgestempelt gestern zwischen 9—11 Uhr abends; Briefklappe sehr sorgfältig zugeklebt; auf der Rückseite kein Absender vermerkt, auch kein Firmenstempel oder dergleichen.

Harst besichtigte nun gleichfalls den Brief, ließ sofort ein Hm, hm! hören. »Die für die Aufschrift benutzte Schreibmaschine kenne ich,« meinte er. »Sie steht im Schreibzimmer des Universum-Klubs. Marke Habicht. Sie läßt das kleine a ein wenig über die Zeilenhöhe hinausschnellen. Ich weiß nur nicht, wer sie benutzt haben kann. Sie ist eher zum Staat da. Nur ich habe zuweilen aus Langeweile darauf herumgetippt. Ich spiele ja so gern Klavier. Und ich könnte Dir hier einen langen Vortrag darüber halten, daß Tippen und Klavierspielen unsere Gedanken —« Er hatte inzwischen den Umschlag aufgeschnitten und ein rechteckiges Blättchen Papier, etwa 7 mal 9 Zentimeter groß, herausgezogen und die Aufschrift schnell überflogen.

Das, was er da gelesen hatte, mußte wohl recht merkwürdig sein, denn er führte den begonnenen Satz nicht zu Ende, sondern rief jetzt:

»Entweder ein Ulk — oder eine unerhörte Frechheit!«

Er reichte mir das Blättchen. Es war der obere Teil eines gestempelten Briefbogens des bekannten Klubs — Ich las — es war wieder Maschinenschrift:

»Ich bereite Sie auf den Besuch des Kommerzienrats Kammler, des Beauftragten Ihrer Wettgegner, vor. Kammler dürfte im Laufe dieses Tages merken, daß er gestern abend seine Pflichten grob vernachlässigt hat. Ich könnte Ihnen jetzt schon sagen, welche Aufgabe Ihnen Ihre Wettgegner als letzte stellen werden. Natürlich die, herbeizuschaffen, was verschwunden. Die Herren waren fest überzeugt, daß Sie siegen würden, und hatten daher alles für Ihre Niederlage schon bereit, um Ihnen feierlichst die Siegespalme überreichen zu können. Zwei von diesen Herren unterhielten sich vor ein paar Tagen im Cafee des Westens darüber. Diese Anregung genügte mir, dem zufällig in Berlin Anwesenden, Ihnen, sehr verehrter Herr Harst zu einer Schlußaufgabe zu verhelfen, die die Aussichten Ihrer Wettgegner wieder beträchtlich bessert. Ich möchte sogar behaupten: nicht nur bessert, sondern geradezu todsicher macht. Ich bin ein bescheidener Mensch. Aber — jeder weiß, was er kann. Manche tun nur so, als ob sie noch mehr können. Das sind Leute Ihres Schlages. Leute, die eben Glück haben. Und — Glück haben Sie bei dieser Wette insofern gehabt, als sie es wirklich stets nur mit halben Dilettanten des Verbrechertums aufzunehmen hatten. — Beweisen Sie mir, daß Sie tatsächlich so viel können, wie die ganze Welt glaubt, die in Ihnen eines Art Ueberdetektiv anbetet. Beweisen Sie’s, und es soll mich freuen. Denn ich liebe die Intelligenz in jeder Form.

(B) K P K S A B K M H N A L E A L B.«

So lautete der Inhalt dieses Zettels. Sonst enthielt er nichts außer dem Klubstempel links oben in der Ecke. Von den 17 großen Buchstaben der Unterschrift war der erste, B, eingeklammert. Daß diese Unterschrift kein Name sein konnte, war mir sofort klar. Sie mußte zweifellos eine andere Bedeutung haben.

Harst hatte mein Gesicht beobachtet, lachte jetzt herzlich auf. »Du schaust etwa so drein, als hätte ein Zauberer plötzlich das Steinbild der ägyptischen Sphinx, dieses Symbols des Rätselhaften, vor Dir aufgebaut. Dabei ist die Geschichte doch recht einfach. Entweder hat ein Klubmitglied sich einen Scherz machen und mich etwas in Unruhe versetzen wollen, oder — die Million ist tatsächlich gestohlen.«

»Welche Million?« platzte ich heraus.

»Aber Schraut, aber Max Schraut, Du Leuchte aller Privatsekretäre! Lies doch nochmals den Zettel! Der Inhalt weist doch darauf hin, daß jemand die »Siegespalme« gestohlen hat, meine Siegespalme, eben die Million, die mir meine Wettgegner zu zahlen haben, wenn ich —«

Draußen war ein Auto vorgefahren. Harst schwieg plötzlich, eilte ans Fenster. Da hörte ich schon eine Stimme:

»Dem Himmel sei Dank, daß Sie daheim sind, bester Harst!«

Ich trat neben Harald, sah, wie Kommerzienrat Kammler den Chauffeur bezahlte, wie er dann, uns erregt zuwinkend, durch den Vorgarten dem Hause zustürmte. Ich ließ ihn ein, und ganz atemlos sank er in den nächsten Klubsessel, warf den Hut achtlos auf den Teppich, trocknete sich die schweißfeuchte Stirn und schaute Harst mit Augen an, in denen meines Erachtens ein viel zu starker Ausdruck hellsten Entsetzens lag, als daß es sich hier nur um eine gestohlene Million handeln könnte. Die Mitglieder des Universum-Klubs waren ja sämtlich reich! Was konnte es den Wettgegnern Harsts da ausmachen ihre Anteile an der Wettsumme auf diese Weise eingebüßt zu haben!

»Aber bester Kammler — wegen einer Million!« meinte er achselzuckend.

Der Kommerzienrat schnellte hoch. »Sie — Sie wissen bereits?« stieß er hervor. »Ja — von wem denn?! Ich habe ja noch keinem Menschen etwas —«

Harst reichte ihm die seltsame Benachrichtigung mit der nicht minder seltsamen Unterschrift. Kammler überflog die getippten Zeilen, stotterte dann, abermals mit einem so furchtbaren Grauen im Blick, daß ich mich auf Außerordentliches gefaßt machte:

»Das — das ist ja nicht alles. — Unter — im Tresor — lag — nein liegt noch — die Leiche des Klubdieners Häske. — Ich — ich habe die Tür — wieder zugeworfen und bin — hier zu Ihnen gefahren —«

Harsts Gesicht straffte sich. Die Backenknochen traten schärfer hervor. Die Lippen schienen zu verschwinden, so fest preßte er sie aufeinander. Dann ein Sprung nach dem Fenster.

»Chauffeur — Chauffeur, — warten Sie!« — Der Mann hatte sich beim Anzünden einer Zigarette, die er heimlich und schnell genießen wollte, etwas länger aufgehalten.

»Gehen wir, lieber Kammler,« wandte Harst sich nun an den Kommerzienrat. »Im Auto erzählen Sie die Einzelheiten. Vorher aber noch ein Gläschen Sherry. — Keine Widerrede! Sie müssen. — Sie sind ja vollständig verstört. So wie heute habe ich Sie noch nie gesehen.«

Gleich darauf fuhren wir nach dem Hause des vornehmsten Klubs der Reichshauptstadt. — Kammler hatte nun etwas sein seelisches Gleichgewicht wiedergewonnen und berichtete folgendes. —

Gestern gegen sechs Uhr nachmittags hatte er allein im Vorstandszimmer des Klubs gearbeitet, Rechnungen geprüft, die Bücher in Ordnung gebracht und dabei aus dem halb in die Wand eingemauerten Stahlschrank wiederholt dies und jenes von Papieren herausgenommen. Dabei hatte er zweimal nach dem im ersten Stock bedienenden Häske, einem älteren Manne mit graublondem Vollbart geklingelt und sich Erfrischungen bringen lassen.