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Tief in den unbarmherzigen Höhen der Anden stößt ein deutsches Archäologen-Team auf ein jahrhundertealtes Geheimnis: den Sonnenstein, ein Artefakt mit ungeheurer Macht, das die Welt für immer verändern könnte. Doch die Entdeckung hat ihren Preis. Verfolgt von einer brutalen Söldnergruppe und den mysteriösen "Söhnen des Schattens", kämpfen Emil Steinberg und sein Team nicht nur um ihr Überleben, sondern auch um das Schicksal der Menschheit. In den Tiefen des Drachengrabens lauern jedoch mehr als nur Gegner – eine uralte Macht erwacht, und nicht jeder wird dem Zorn der Kammer entkommen. Ein Abenteuer voller Verrat, Intrigen und einer gefährlichen Wahrheit, die besser im Verborgenen geblieben wäre. Ein fesselnder Thriller, der die Grenzen zwischen Mythos und Realität verwischt.
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Titel: Die Wächter des Drachengrabens
Autor: Franziska Lenz
Biografie:
Franziska Lenz wurde 1982 in München geboren und entwickelte schon früh eine Leidenschaft für Geschichten und Abenteuer. Nach ihrem Studium der Archäologie und Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität bereiste sie die entlegensten Winkel der Welt und ließ sich von den Kulturen und Mythen anderer Länder inspirieren.
Ihre Romane zeichnen sich durch spannende Plots, tiefgründige Charaktere und eine sorgfältig recherchierte Verbindung von Geschichte und Fiktion aus.
Kapitel 1: Der Abstieg
Dr. Jonas Falkenberg zog an seiner Krawatte, während er durch den mit Marmor verkleideten Flur der Universität Heidelberg schritt. Das vertraute Klacken seiner Schritte hallte von den hohen Decken wider, doch heute fühlte sich der Gang endlos an. Vor der schweren Holztür des Pressekonferenzsaals blieb er stehen, holte tief Luft und zog die Krawatte noch etwas lockerer.
„Das wird ein verdammtes Blutbad,“ murmelte er zu sich selbst und drückte die Tür auf.
Der Raum war brechend voll. Journalisten drängten sich um das Podium, Kameras wurden eilig justiert. Jonas hatte Mühe, den Schweißausbruch zu unterdrücken, der ihm bereits im Nacken kroch. Die Luft roch nach feuchtem Papier und billigem Kaffee.
„Herr Dr. Falkenberg, hier vorne!“ rief eine Stimme, als er das Podium bestieg. Blitzlichter erhellten kurz sein Gesicht. Er war auf solche Situationen nicht vorbereitet – er war ein Archäologe, kein Politiker.
Mit einem trockenen Husten räusperte er sich und sprach ins Mikrofon. „Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihr Kommen. Ich werde mich zu den Vorwürfen äußern.“
Doch bevor er weitermachen konnte, schoss die erste Frage aus der Menge: „Herr Falkenberg, ist es wahr, dass Sie antike Artefakte illegal aus der Türkei exportiert haben?“
Jonas erstarrte. Er hatte mit harten Fragen gerechnet, aber die Direktheit raubte ihm kurz den Atem. „Diese Behauptungen entbehren jeder Grundlage,“ begann er und versuchte, seine Stimme ruhig zu halten.
„Wirklich? Es gibt Berichte, dass Sie Stücke auf dem Schwarzmarkt verkauft haben!“ Eine weitere Stimme erklang, diesmal lauter, fordernder.
Ein Raunen ging durch den Raum. Jonas spürte, wie ihm die Situation entglitt. Er griff nach dem Glas Wasser auf dem Rednerpult, nahm einen Schluck und setzte an: „Ich habe mein Leben der Archäologie gewidmet. Alles, was ich tat, war stets im Namen der Forschung. Wenn es... Unstimmigkeiten gab, dann lag das an... bürokratischen Hürden.“
„Bürokratische Hürden?“ Eine Reporterin schnaubte verächtlich. „Die Türkei hat gegen Sie ein internationales Auslieferungsgesuch gestellt!“
Jonas merkte, wie ihm die Kontrolle vollständig entglitt. Die Journalisten begannen, wild durcheinander zu rufen, ihre Fragen wurden lauter und aggressiver.
„Das hier ist vorbei,“ knurrte Jonas schließlich, schlug das Mikrofon zur Seite und stürmte aus dem Raum. Die Stimmen verfolgten ihn bis in den Flur, doch er ignorierte sie.
Die Kneipe war klein, dunkel und roch nach abgestandenem Bier. Jonas saß an der Theke, das dritte Glas Whisky vor sich. Der Raum war kaum gefüllt, und die wenigen Gäste beachteten ihn nicht.
Vor ihm lag sein Laptop, dessen Bildschirm eine Reihe düsterer Nachrichten zeigte:
• Von: Personalbüro der Universität Heidelberg
Betreff: Ihre fristlose Kündigung
• Von: Bank Heidelberg
Betreff: Ihre Zahlungsrückstände
Jonas schnaubte bitter. „Verfluchter Mist.“ Er klappte den Laptop zu, stützte sich auf die Theke und fuhr sich mit der Hand durch das Haar.
„Rough night?“ fragte der Barkeeper, ein breitschultriger Mann mit tätowierten Unterarmen.
Jonas hob das Glas. „Gib mir noch einen. Und spar dir die Lebensweisheiten.“
„Wie du meinst,“ murmelte der Barkeeper und schenkte nach.
In diesem Moment öffnete sich die Tür. Jonas bemerkte den Mann, der hereinkam, nur aus dem Augenwinkel. Er war groß, schlank, und sein maßgeschneiderter Anzug schimmerte im schwachen Licht. Er wirkte hier fehl am Platz – zu gepflegt, zu selbstbewusst.
Der Fremde ging direkt auf Jonas zu. „Herr Dr. Falkenberg?“
Jonas hob den Kopf, nahm einen großen Schluck Whisky und antwortete grimmig: „Wer will das wissen?“
„Mein Name ist Maximilian Greif.“ Der Mann lächelte höflich, zog sich einen Hocker heran und setzte sich neben ihn. „Ich habe ein Angebot, das Sie interessieren könnte.“
„Wenn es keine Flasche Whisky ist, dann nicht.“ Jonas wandte sich wieder seinem Glas zu.
„Es geht um den Schatz von Viracocha.“
Jonas erstarrte. Langsam drehte er sich zu Greif um. „Viracocha? Das ist ein Mythos. Eine Legende, die Touristen kaufen, um Geld in die Taschen der Einheimischen zu spülen.“
„Und was, wenn es kein Mythos ist?“ Greif zog ein kleines Ledermäppchen hervor und legte es auf die Theke. Vorsichtig öffnete er es, sodass Jonas einen Blick auf den Inhalt werfen konnte: eine vergilbte Karte, die von kryptischen Symbolen übersät war.
Jonas’ Interesse war geweckt. Er nahm die Karte und studierte sie genauer. „Das hier sieht echt aus... woher haben Sie das?“
„Das spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass ich jemanden brauche, der die Hinweise entziffert und den Schatz findet. Und Sie, Dr. Falkenberg, sind der Beste.“
Jonas war skeptisch. „Und warum sollte ich Ihnen helfen? Ich bin kein Schatzjäger, sondern ein Archäologe.“
Greif lächelte kalt, zog einen Scheck aus seiner Tasche und schob ihn Jonas zu. „250.000 Euro. Für den Anfang.“
Jonas starrte auf die Summe, sein Herzschlag beschleunigte sich. Das Geld könnte alle seine Probleme lösen. Aber er wusste, dass ein Angebot wie dieses einen Preis hatte.
„Und wenn ich ablehne?“ fragte er schließlich.
Greifs Lächeln verschwand. „Dann finden Sie sich mit Ihrer Zukunft als gescheiterter Alkoholiker ab.“
Jonas griff nach dem Scheck, betrachtete ihn einen Moment und steckte ihn dann ein. „Wann geht’s los?“
Greif erhob sich, zog sein Jackett glatt und sagte: „Packen Sie Ihre Sachen, Dr. Falkenberg. Wir fliegen morgen nach Peru.“
Kapitel 2: Ein neues Abenteuer
Dr. Jonas Falkenberg stand am Abflugterminal, einen abgewetzten Rucksack über der Schulter und eine Reisetasche zu seinen Füßen. Der Flughafen war überfüllt, Stimmengewirr und die monotone Ansage aus den Lautsprechern verschmolzen zu einem dröhnenden Hintergrundrauschen. Jonas fühlte sich wie ein Fremder in diesem Meer von Menschen.
Er nippte an einem lauwarmen Kaffee, den er sich am Automaten geholt hatte, und spähte in die Menge. Von Maximilian Greif war nichts zu sehen. Pünktlichkeit gehörte offenbar nicht zu dessen Tugenden.
„Herr Falkenberg?“
Die Stimme kam von seiner Seite. Jonas drehte sich um und erblickte eine schlanke Frau in einer schwarzen Lederjacke und zerrissenen Jeans. Ihr blondes Haar war zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden, und ihre eisblauen Augen musterten ihn kritisch.
„Lena von Stein,“ stellte sie sich vor und streckte ihm die Hand entgegen. Ihre Fingernägel waren kurz und unbemalt, die Hand kräftig und fest.
Jonas nahm die Hand zögerlich. „Und Sie sind?“
„Ihre neue Partnerin.“ Sie grinste spöttisch. „Oder Babysitterin, je nachdem, wie Sie sich anstellen.“
Jonas zog die Augenbrauen hoch. „Hat Greif Sie geschickt?“
„So könnte man es nennen. Er dachte wohl, Sie könnten ein wenig Unterstützung brauchen. Sie sind ja nicht gerade der Typ, der sich in der Wildnis auskennt.“
Jonas spürte, wie seine Geduld auf die Probe gestellt wurde. „Ich bin Archäologe, kein Pfadfinder. Und was qualifiziert Sie?“
Lena zuckte mit den Schultern. „Extremsportlerin, ehemaliges Mitglied einer Bergrettungseinheit, und ich spreche Spanisch. Außerdem, im Gegensatz zu Ihnen, kann ich mit einer Machete umgehen.“
Jonas schnaubte, unterdrückte aber eine Antwort. Bevor er weiterfragen konnte, tauchte Maximilian Greif auf. Wie immer war er tadellos gekleidet, sein Kamelhaarmantel wirkte fehl am Platz zwischen den Reisenden in dicken Winterjacken.
„Ah, Dr. Falkenberg, Fräulein von Stein! Schön, dass Sie sich bereits gefunden haben.“ Er trat näher, ein dünnes Lächeln auf den Lippen. „Hoffentlich sind Sie beide bereit. Unser Flug geht in einer Stunde.“
„Vielleicht könnten Sie mir mal erklären, warum wir eine Babysitterin brauchen,“ sagte Jonas trocken und deutete mit dem Kopf auf Lena.
„Babysitterin?“ Lena lachte schallend. „Wenn hier jemand auf jemanden aufpassen muss, dann ich auf Sie, Doc.“
Greif hob beschwichtigend die Hände. „Beruhigen Sie sich beide. Vertrauen Sie mir, Herr Falkenberg, Lena ist eine wertvolle Ergänzung zu unserem Team. Sie werden schon sehen.“
Das Dröhnen der Flugzeugtriebwerke war das einzige, was die peinliche Stille zwischen den drei Passagieren überdeckte. Jonas saß am Fenster, starrte hinaus und beobachtete, wie Europa unter ihnen verschwand. Neben ihm hatte Lena es sich bequem gemacht, mit Kopfhörern in den Ohren und einem Tablet auf den Knien.
Greif saß am Gang, vertieft in eine Mappe voller Dokumente. Er blätterte durch Seiten mit Karten, Fotos und handschriftlichen Notizen. Jonas’ Neugier siegte schließlich.
„Was wissen wir eigentlich über diesen Schatz?“ fragte er und lehnte sich vor.
Greif schaute auf, als hätte er die Frage erwartet. „Der Schatz von Viracocha, angeblich ein Vermächtnis der Inka, wird in zahlreichen Legenden erwähnt. Er soll von den Spaniern nie gefunden worden sein. Manche sagen, es handelt sich um Gold und Juwelen, andere behaupten, es sei etwas viel Wertvolleres.“
„Wertvoller als Gold?“ Lena schaltete sich ein, ohne ihre Kopfhörer abzunehmen. „Wie wär’s mit mehr Details, bevor wir uns in irgendein gottverlassenes Dschungelloch stürzen?“
Greif zog eine Karte aus seiner Mappe. „Unsere erste Spur führt uns nach Cusco. Dort gibt es einen alten Text, der angeblich Hinweise auf den Standort des Schatzes enthält.“
„Ein alter Text?“ Jonas hob skeptisch die Augenbrauen. „Sie haben mich also für eine Schnitzeljagd angeheuert.“
„Nicht irgendeine Schnitzeljagd, Herr Dr. Falkenberg. Eine, die Sie reich machen könnte. Und vielleicht... berühmt.“
Jonas lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Berühmt. Das hat ja beim letzten Mal wunderbar funktioniert.“
Lima empfing sie mit einer drückenden Hitze und einer Mischung aus Abgasen und Meeresluft. Der Flughafen war chaotisch, überall wuselten Menschen mit Gepäckwagen und lautstarkem Spanisch.
„Willkommen in Peru,“ murmelte Lena, während sie ihren Rucksack schultern.
Ein schwarzer Geländewagen wartete bereits vor dem Terminal. Ein Fahrer, ein wortkarger Mann namens Miguel, half ihnen mit ihrem Gepäck. Greif übernahm die Führung, während Jonas sich nach der Landschaft umsah.
Die Straßen von Lima waren ein Gewirr aus hupenden Autos und knatternden Motorrädern. Jonas fühlte sich sofort fehl am Platz.
„Ich hoffe, das wird nicht die ganze Zeit so chaotisch,“ sagte er und blickte zu Lena, die auf dem Beifahrersitz saß.
„Oh, Doc,“ grinste sie, „das hier ist gar nichts. Warte, bis wir in die Anden kommen.“
Am Abend erreichten sie Cusco. Die Stadt lag auf über 3.000 Metern Höhe, und Jonas spürte sofort die dünne Luft. Jeder Schritt fühlte sich schwerer an, und ein dumpfer Schmerz pochte hinter seiner Stirn.
„Höhenkrankheit?“ Lena warf ihm einen spöttischen Blick zu. „Trink Coca-Tee, das hilft.“
Ihre Unterkunft war ein kleines Hotel mit wackeligen Betten und flackerndem Licht. Jonas war zu müde, um sich zu beschweren. Während Greif sich zurückzog, um weitere Pläne zu schmieden, zog Lena Jonas in die kleine Bar des Hotels.
„Na, Doc,“ begann sie, während sie sich einen Pisco Sour bestellte, „glauben Sie wirklich an diesen Schatz?“
Jonas zögerte. „Ich glaube an Geschichte, an Legenden, an die Wahrheit hinter den Mythen. Aber Schätze? Die enden meistens in Gier und Blutvergießen.“
„Dann sollten wir uns wohl besser darauf vorbereiten,“ sagte Lena grinsend und hob ihr Glas.
Jonas sah sie an, dann hob er sein Glas. „Auf Gier und Blutvergießen.“
Kapitel 3: Das Geheimnis von Cusco
Die Morgensonne warf goldenes Licht auf die verwinkelten Gassen von Cusco. Die Stadt war bereits erwacht: Straßenhändler bauten ihre Stände auf, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und gebratenen Maisfladen lag in der Luft. Jonas, Lena und Maximilian Greif kämpften sich durch das Gewusel der Menschen, während ihr Fahrer Miguel schweigend hinter ihnen herging.
„Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind?“ fragte Lena und warf Greif einen skeptischen Blick zu.
„Absolut,“ antwortete Greif kühl. „Der Antiquar, mit dem ich gesprochen habe, besitzt eine Kopie eines Manuskripts, das angeblich von einem der letzten Inka-Priester stammt.“
Jonas zog an seinem Schal, der ihm in der kühlen Morgenluft nicht genügend Wärme bot. „Hoffentlich ist es das wert. Diese Gassen könnten genauso gut ein Labyrinth sein.“
Schließlich blieben sie vor einem unscheinbaren Gebäude stehen. Das Schild über der Tür war fast verblasst, doch die Worte Librería Antigua Cusco waren noch zu entziffern. Greif klopfte zweimal an die schwere Holztür. Nach einer langen Pause öffnete ein älterer Mann mit schmalem Gesicht und einem buschigen Schnurrbart.
„Señor Greif?“ fragte der Mann mit leiser Stimme.
„Das bin ich.“ Greif streckte ihm die Hand entgegen, doch der Antiquar ignorierte die Geste und trat beiseite, um sie hereinzulassen.
Das Innere des Antiquariats war düster, der einzige Lichtschein kam von einer flackernden Glühbirne. Bücher stapelten sich bis zur Decke, der muffige Geruch von altem Papier hing in der Luft. Der Antiquar führte sie zu einem massiven Holztisch, auf dem ein kleines Buch lag, sorgfältig in ein Tuch eingeschlagen.
„Das Manuskript,“ sagte er mit ernster Stimme und deutete darauf.
Jonas trat vor, sein Interesse geweckt. Mit vorsichtigen Händen entfaltete er das Tuch und enthüllte das Buch. Die Seiten waren aus vergilbtem Pergament, die Schrift eine Mischung aus Spanisch und Quechua, der Sprache der Inka.
„Das ist unglaublich,“ murmelte Jonas, während er die Seiten durchblätterte. „Einige der Zeichnungen hier zeigen Orte, die ich noch nie in anderen Quellen gesehen habe.“
„Was sagt es?“ fragte Lena, die sich über Jonas’ Schulter beugte.
„Es spricht von einem heiligen Tempel, einem Ort, der dem Gott Viracocha gewidmet ist,“ erklärte Jonas. „Aber die Beschreibungen sind vage. Es scheint, als hätten die Priester absichtlich Hinweise verschleiert.“
Greif griff nach dem Manuskript, aber Jonas zog es zurück. „Vorsichtig! Das ist ein historisches Dokument, kein Prospekt.“
„Und was schlagen Sie vor?“ fragte Greif ungeduldig.
„Ich brauche Zeit, um das zu entschlüsseln,“ sagte Jonas und deutete auf eine Zeichnung, die eine Reihe von Bergen und eine Höhle zeigte. „Aber ich bin mir sicher, dass dies der Schlüssel ist.“
Der Antiquar räusperte sich. „Zeit ist eine Sache. Sicherheit eine andere.“
„Was meinen Sie?“ fragte Lena.
Der Antiquar sah sich nervös um, als würde er belauscht. „Das Manuskript ist nicht ohne Grund verborgen. Andere haben danach gesucht. Und einige von ihnen waren... gefährlich.“
Während Jonas das Manuskript studierte, zeigte der Antiquar ihnen ein weiteres Artefakt: ein goldenes Amulett, das mit seltsamen Symbolen graviert war.
„Das gehört zum Manuskript,“ erklärte er. „Die Symbole darauf stimmen mit den Zeichnungen überein.“
Jonas nahm das Amulett vorsichtig in die Hand. „Es könnte ein Schlüssel sein. Vielleicht zu einer verborgenen Kammer oder einem versteckten Eingang.“
„Wie viel?“ fragte Greif direkt.
Der Antiquar schüttelte den Kopf. „Das Amulett ist unbezahlbar. Es ist nicht zu verkaufen.“
Greifs Blick verfinsterte sich. „Alles hat einen Preis.“
„Nicht das hier,“ entgegnete der Antiquar kühl.
Bevor die Situation eskalieren konnte, legte Jonas das Amulett zurück auf den Tisch. „Wir nehmen nur, was wir brauchen. Die Informationen im Manuskript reichen fürs Erste.“
Greif sagte nichts, doch sein angespanntes Kiefer sprach Bände.
Als sie das Antiquariat verließen, dämmerte es bereits. Die Straßen von Cusco wirkten nun unheimlich, die Schatten lang und bedrohlich. Jonas trug das Manuskript in einem kleinen Lederrucksack, den er eng an sich drückte.
„Irgendwas stimmt hier nicht,“ murmelte Lena, während sie sich umsah.
„Paranoia,“ sagte Jonas abwesend, während er über die Texte nachdachte.
Doch dann hörten sie Schritte hinter sich. Schnell, schwer, näher kommend. Lena blieb abrupt stehen und zog Jonas hinter eine Ecke.
„Was soll das?“ fauchte er, doch Lena hielt ihm eine Hand vor den Mund.
Aus der Dunkelheit traten drei Männer. Ihre Gesichter waren von Schals verdeckt, und sie trugen Macheten. Einer von ihnen zeigte auf die Gruppe und rief: „¡El manuscrito, ahora!“
„Sie wollen das Buch,“ flüsterte Lena.
„Kein Wunder,“ sagte Jonas, seine Stimme bebend.
Greif zog eine kleine Pistole aus seiner Jackentasche. „Zeit, das hier zu beenden.“
Die Männer näherten sich, und der Anführer hob seine Machete. „¡Dámelo! Gebt uns das Manuskript!“
Lena griff nach einem losen Pflasterstein und warf ihn mit voller Kraft gegen einen der Männer. Der Stein traf den Angreifer am Kopf, und er ging zu Boden. Jonas nutzte den Moment der Verwirrung, um nach Greifs Waffe zu greifen.
„Nicht schießen!“ schrie er.
„Was sollen wir sonst tun?“ rief Greif zurück.
Lena trat vor, packte Jonas’ Arm und zischte: „Lauf!“
Die drei rannten durch die engen Gassen, verfolgt von den Angreifern. Jonas spürte, wie ihm die Luft knapp wurde, doch er hielt das Manuskript fest umklammert. Schließlich erreichten sie eine größere Straße, wo Miguel mit dem Geländewagen wartete.
„Steigt ein!“ rief er.
Sie sprangen in den Wagen, und Miguel trat das Gaspedal durch. Die Verfolger blieben zurück, ihre Flüche hallten in der Nacht wider.
Im Inneren des Wagens herrschte angespannte Stille. Schließlich brach Lena das Schweigen. „Das war knapp.“
Jonas nickte, sein Herz pochte noch immer wild. „Das war nur der Anfang.“
Kapitel 4: Die Spuren führen in die Berge
Die Fahrt durch die Berge war beschwerlich. Miguel steuerte den Geländewagen mit routinierter Präzision über schmale, steinige Pfade, während die Gruppe zunehmend die Isolation der Anden spürte. Die Hektik von Cusco war längst vergessen; stattdessen begleiteten sie nur noch der Wind, das Knirschen der Reifen auf losem Geröll und gelegentliche Schreie von Adlern über ihnen.