Die Wahrheit, die uns zweifeln lässt - Allen Eskens - E-Book

Die Wahrheit, die uns zweifeln lässt E-Book

Аллен Эскенс

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

»Die Wahrheit ändert sich niemals. Nur eine Lüge verändert sich mit der Zeit.« Jennavieve Pruitt wurde in ihrem eigenen Haus brutal ermordet. Den Körper der Frau hat man wie Abfall in eine Seitenstraße geworfen. Detective Max Rupert untersucht das Verbrechen. Er ist überzeugt, dass der Ehemann der Mörder ist, obwohl der zur Tatzeit nicht in der Stadt war. Rechtsanwalt Boady Sanden ist ein guter Freund von Max. Er hat den Fall übernommen. Und er ist davon überzeugt, dass sein Klient unschuldig ist. Während sich die rätselhafte Wahrheit nach und nach enthüllt, sind die beiden Freunde gezwungen, sich ihren eigenen persönlichen Dämonen zu stellen ... Ein spannender Mordfall, erzählt aus zwei gegensätzlichen Perspektiven. Lee Child: »Eine raffinierte Geschichte über Polizisten und Anwälte, die in jeder Hinsicht gelungen ist. Ich mag sie sehr.« Deadly Pleasures: »Einer der talentiertesten Autoren moderner Spannungsliteratur.« New York Times Book Review: »Eskens elegante, aber kühle Prosa, ist wie Frost im Blut.« Judith D. Collins: »Der preisgekrönte Autor hat mit seinen hervorragenden Romanen bewiesen, dass er mit den großen Jungs mitspielen kann. Er könnte der neue Dean Koontz werden. Literarisches Flair, das ein breites Publikum anspricht.«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 486

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Aus dem Amerikanischen von Claudia Rapp

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe The Heavens May Fall

erschien 2016 im Verlag Mulholland Books.

Copyright © 2016 by Allen Eskens

Copyright © dieser Ausgabe 2020 by Festa Verlag, Leipzig

Titelbild: Adobe Stock – dundanim

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-850-6

www.Festa-Verlag.de

Für Mikayla und Jon

Bleibt immer auf der Fährte dessen,

was euch glücklich macht.

Teil 1 — Der Tod

1

Im Gerichtssaal hatte sich Stille ausgebreitet und die Worte des Richters gingen in dem leisen Summen unter, das in Max Ruperts Ohren dröhnte. Max streckte die Hand nach seinem Wasserglas aus, einem Becher aus gewachster Pappe auf dem Geländer des Zeugenstands. Er fühlte sich leicht an, weil er leer war. Er erinnerte sich gar nicht daran, das Wasser ausgetrunken zu haben. Er hielt inne, den Becher schon auf halbem Weg zum Mund, und war sich nicht sicher, was er nun machen sollte. Einfach so tun, als nähme er einen Schluck? Den Becher auf das Geländer zurückstellen?

Und es war so still; wie war das möglich in einem Gerichtssaal voller Menschen? So still, dass er das Blut in seinen Ohren rauschen und seinen Zorn gegen seine Trommelfelle hämmern hörte. Seine Fingerspitzen prickelten davon. Er bemühte sich, seinen Gesichtsausdruck frei von jeglicher Emotion zu halten. Die Geschworenen würden sein Gesicht betrachten, während die Echos des Kreuzverhörs in ihren Köpfen umherschwirrten und sich in ihrer Erinnerung festsetzten. Sieh mich an, Sanden, brüllte Max in seinem Kopf, und die Worte hämmerten wie ein Schlosserhammer auf Stahl. Sieh mir in die Augen, du Hurensohn. Mit schierer Willenskraft wollte er den Anwalt dazu bewegen, seinen Kopf zu heben, aber Boady Sanden hielt den Blick auf den gelben Schreibblock neben seinem Ellbogen geheftet.

Max atmete langsam und unauffällig ein, versuchte sich zu entspannen. Er wollte nicht, dass die Geschworenen die Gefühle sahen, die sich unbedingt Bahn brechen wollten. Er sah den Becher in seiner halb erhobenen Hand. Einen Augenblick lang hatte er den ganz vergessen. Er hob den leeren Becher noch ein Stück höher, kippte ihn zu sich, um ganz sicherzugehen, dass er tatsächlich völlig leer war; kein einziger Tropfen, der seine trockene Kehle benetzen konnte. Dennoch tat er so, als würde er einen Schluck nehmen, und stellte den Becher dann sacht wieder auf dem Geländer ab.

»Sie können den Zeugenstand jetzt verlassen, Detective Rupert«, sagte Richter Ransom. Rupert hörte eine leichte Schärfe in der Stimme des Richters – es war der Tonfall eines Mannes, der sich gerade wiederholen musste.

Max erhob sich, nahm seine Akte und verließ den Zeugenstand mit einem kurzen Blick auf die 14 Geschworenen, als er an ihnen vorbeiging. Nur einer, ein Ersatzmann, erwiderte seinen Blick. Als er den Anwaltstisch passierte, starrte Max auf den Verteidiger hinab. Boady Sanden war sein Freund – nein, nicht sein Freund, jetzt nicht mehr.

Sanden schaute weiterhin auf den gelben Block vor sich. Er tat so, als würde er etwas aufschreiben, aber Max konnte sehen, dass der Stift des Mannes nur Kreise und Schlaufen auf den Rand des Blattes malte. Max wollte, dass Boady aufsah, wenn er vorbeiging. Er wollte, dass Boady wusste, dass Grenzen überschritten worden waren und dass das die Verbindung, die sie beide einst hatten, für immer gekappt hatte. Aber Boady Sanden sah kein einziges Mal auf.

Max verließ den Gerichtssaal. Sein Daumennagel stach in die Falte der Ermittlungsakte in seiner Hand. Er fand einen leeren Besprechungsraum, der etwa die Größe einer Gefängniszelle hatte. Hier fütterten Anwälte ihre Klienten mit falschen Hoffnungen; hier klebte Verzweiflung an den Wänden, dick wie altes Bratfett in einer Imbissbude. Er breitete seine Hände auf der Tischplatte aus und fühlte, wie das kalte Metall den Schweiß seiner Handflächen eiskalt werden ließ. Er wartete, bis sein Herz nicht mehr ganz so heftig schlug, und betrachtete das leichte Zittern, das seine Finger zucken ließ. Wut? Auf jeden Fall. Beschämung? Vielleicht auch ein bisschen. Aber das Zittern hatte noch einen anderen Grund. Und der beeinträchtigte sein Gleichgewicht und fühlte sich schwer nach Zweifel an.

Seit Monaten trug Max den Fall Pruitt mit sich herum. Dessen Abbild starrte ihm aus seinem Spiegel entgegen, sein Geruch durchzog die Luft, die er atmete, und sein grober Umriss umhüllte seine Schultern, wenn er abends einschlief. Er hatte diese Ermittlung mit Leben gefüllt, sie auf eine Art zum Leben erweckt, die ihr ein Dasein, eine Gegenwart in dieser Welt verschafft hatte. Und diese Gegenwart hatte er an seiner Seite gespürt, als er sich in den Zeugenstand gesetzt hatte. Aber als er ihn wieder verließ, verließ er ihn allein.

Sanden hatte ihm ganz schön zugesetzt. Er hatte Max aussehen lassen, als hätte er Ben Pruitt von Anfang an im Visier gehabt und alle anderen möglichen Verdächtigen von vornherein ausgeschlossen. Aber hatte er das wirklich?

Max schlug die Ermittlungsakte auf und begann, die Berichte zu sichten. Er suchte nach dem Anfang, nach dem Tag, an dem sie die Leiche gefunden hatten. Aber dann klappte er die Akte wieder zu. Er brauchte keine Notizen, um zu jenem Morgen zurückzukehren. Er erinnerte sich nur allzu gut an jenen Morgen. Es war ein kaputter Morgen, zerrissen von den Erinnerungen, die ihn jedes Jahr am Todestag seiner Frau heimsuchten.

2

An jenem Tag, dem letzten Freitag im Juli, wachte Max Rupert lange vor der Morgendämmerung auf. Er öffnete die Augen und wartete einen Moment, bis sich Schlafen und Wachen in seinem Verstand voneinander getrennt hatten. Ein Schatten in der Form eines Kreuzes schwebte an der Wand neben ihm, verursacht von einer gelben Straßenlaterne, deren Schein durch sein Fensterkreuz sickerte. Draußen ging die Klimaanlage mit einem Klicken an und sirrte, als wäre es ein Tag wie jeder andere. Aber es war kein Tag wie jeder andere.

Er streckte eine Hand auf ihre Seite des Bettes aus und strich über das unberührte Laken, fühlte die leichte Erhöhung, wo sich die Matratze in den vier Jahren ihrer Abwesenheit gewölbt hatte. Er ließ seine Fingerspitzen über die weiche Baumwolle gleiten und spürte, wie der Schmerz in seiner Brust mit jedem Atemzug anwuchs und wieder abebbte.

Sie war immer vor ihm aufgewacht, ein Morgenmensch im Gegensatz zu ihm, der eher eine Nachteule war. In vielerlei Hinsicht hatte sie sein Leben ins Gleichgewicht gebracht. Niemand außer Jenni drang durch seine Mauer der Selbstkontrolle und brachte die kindliche Freude zum Vorschein, die er in sich verschlossen hielt. Er hatte nie befreiter gelacht als in jenen Momenten, wenn sie allein waren und sie sich bemüßigt fühlte, ihren bestechenden Witz von der Leine zu lassen. Und sie hatte hübsche Dinge geliebt. Porzellanpuppen, silberne Kerzenleuchter und feine Teetassen füllten nach wie vor die Regale und standen auf dem Kaminsims aufgereiht. Er hatte gelernt, sich um ihre Blumen zu kümmern, um die Chrysanthemen, die sie im Vorgarten gepflanzt hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal geblüht hatten und er am liebsten einen Golfball von diesen Blüten aus geschlagen hätte, wie Bill Murray es in Caddyshack getan hatte. Natürlich machte er das nicht nach. Und nun kümmerte sich Max Jahr für Jahr um diese Blumen, genau wie sie das so lange getan hatte.

Es gab andere Aspekte, in denen Jenni und Max kein Gegengewicht füreinander darstellten, sondern perfekt miteinander verschmolzen. Sie ging ebenso gern angeln wie er. Sie beide liebten Schwarz-Weiß-Filme und Popcorn mit ganz viel Butter. Und sie genossen es, schweigend zusammenzusitzen. Ob sie nun jeder ein Buch lasen oder einfach auf der Verandaschaukel saßen, es spielte keine Rolle, solange sie da war.

Diese beschaulichen Momente erinnerten ihn manchmal an ihr erstes Date und daran, wie er sich in sie verliebt hatte. An den Homecoming-Ball selbst oder das Abendessen davor konnte er sich längst nicht mehr erinnern, aber er hatte nie vergessen, wie atemberaubend sie ausgesehen hatte. Er erinnerte sich daran, wie ihr schlichtes Kleid ihre natürliche Schönheit auf dieselbe Weise hervorhob, wie der Tau eine Rose zum Glitzern bringen kann. Aber am allerbesten erinnerte er sich daran, was nach dem Ball passiert war.

Sie waren zu einer Party im Haus eines Freundes gegangen. Einige der Jugendlichen unterhielten sich, andere machten herum, wieder andere versuchten die zahlreichen Klippen zwischen aufkeimenden Beziehungen und Trennungen zu umschiffen. Er erinnerte sich daran, wie er mit Jenni auf einer Couch gesessen hatte und mit einem Mal in peinlicher Stille gefangen war, zum ersten Mal an jenem Abend. Er hatte seinen Arm hinter ihren Schultern ausgestreckt, die Hand hing in der Luft. Er wollte sie küssen, aber seine Gedanken hatten sich in logistischen Fragen verheddert: Wie sollte er es anfangen, wie sich ihr zum Kuss zuwenden, offene oder geschlossene Lippen? Er dachte darüber nach, was er tun würde, wenn sie seinen Kuss erwiderte oder – um Himmels willen, was, wenn nicht? Noch nie war er nervöser gewesen.

Dann bewegte sie sich, drehte sich gerade so weit zu ihm hin, dass sie den Kopf an seine Schulter legen konnte. Sie legte ihre Hand auf seine Brust und seufzte. Es war nicht der Seufzer eines müden Schulmädchens, sondern der einer jungen Frau, die mit der Welt zufrieden ist. Das Gerangel in Max’ Kopf löste sich in Wohlgefallen auf. Er dachte nicht länger über Einfallswinkel und Lippen und Reaktionen nach. Er wollte sie einfach nur im Arm halten. Er senkte die herumbaumelnde Hand, bis sie auf ihrer Hüfte lag und seine Finger behutsam gegen die weiche Baumwolle ihres Kleides drückten. In diesem Moment waren seine Gefühle für sie tiefer als alles, was er je für jemanden gefühlt hatte. Er küsste zärtlich ihren Scheitel und das reichte ihm.

Wie viele Male hatten sie über die Jahre genau so zusammengesessen – auf der Verandaschaukel, die sich sacht bewegte, oder beim Fernsehschauen auf dem Sofa? Wie viele Male hatte er ihr einen Kuss auf den Scheitel gegeben und ihr gesagt, dass er sie liebte? Und im Stillen hatte er sich geschworen, dass er sie immer beschützen, nicht zulassen würde, dass ihr etwas Böses zustieß.

Vier Jahre waren seit dem Tag vergangen, an dem er dieses Versprechen gebrochen hatte.

An jenem ersten Morgen ohne sie war er aufgewacht und hatte sich nur schwer dazu bringen können, überhaupt aufzustehen. Und als er es tat, war er zu ihrem Kleiderschrank gekrochen und hatte sich in ihre Pullis und Blusen gehüllt, in die Dinge, die sie getragen hatte, die am Tag ihres Todes noch darauf gewartet hatten, gewaschen zu werden. Er hatte sein Gesicht in den Stoff gepresst und ihren vergänglichen Duft eingeatmet, bis die letzte Träne geweint war und er wieder die Fassade der Stärke tragen konnte, mit der er dem Rest der Welt begegnete. In den ersten paar Monaten kehrte er noch einige Male zu ihrem Schrank zurück und wiederholte das Ritual, bis der Duft in Jennis Kleidung unter dem Staub und Verfall der Zeit verschwunden war.

Während Monate zu Jahren wurden, lernte er zwar mit der Trauer zu leben, nicht aber mit der Schuld. Ein Bild an der Wand, auf dem seine Frau zu sehen war und zu ihm herablächelte, erinnerte ihn tagtäglich daran, dass ihr Tod ungeklärt geblieben war. Nicht sein Fall. Er konnte den Fall nicht übernehmen. Er war der Ehemann, und der Ehemann darf nicht an den Ermittlungen beteiligt sein. Die Regeln sorgten dafür, dass er außen vor blieb, und dadurch kam der Täter, der Fahrerflucht begangen hatte, davon.

Max stand auf, ging ins Badezimmer und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er wusste aus Erfahrung, dass er nicht wieder einschlafen würde. Stattdessen wollte er eine Runde laufen gehen. Fünf Meilen, bevor die Sonne am Horizont aufging, fünf Meilen mit nichts als dem Rhythmus seiner Atemzüge und dem Traben seiner Füße auf dem Asphalt als Begleitmusik.

Ein Julimorgen in Minnesota war perfekt für einen solchen Lauf.

Nach dem Laufen duschte Max, dann machte er sich einen Kaffee und ging nach draußen, setzte sich auf die Verandaschaukel und aß ein paar Biscotti. Von hier aus betrachtete er, wie die Sonne hinter einer Ansammlung von Dächern in seinem Viertel aufging. Logan Park. Schweigend nahm er die Ruhe und Schönheit in sich auf, während die Erde sich langsam weiterdrehte. Sie hatte ihm einmal erzählt, dass ihr der Sonnenaufgang der liebste Teil des Tages war, und nun war es auch seiner.

Max beendete sein Frühstück und trank die letzten, lauwarmen Schlucke Kaffee, als sein Telefon klingelte. Er sah, dass der Anruf von der Zentrale kam, also nahm er ab und meldete sich mit: »Max hier.«

»Tut mir leid, dass ich Sie wecken muss, Detective, hier spricht Carmen James von der Zentrale.«

»Sie haben mich nicht geweckt, Carmen. Worum geht es?«

»Eine Leiche in Kenwood, möglicherweise Mord.«

»In Kenwood?«

»Jawohl. Die Tote soll eine weiße Frau sein. Beamte vor Ort haben den Tod bestätigt.« Carmen sprach im typisch formellen Tonfall der Leitstellendisponenten und benutzte die Worte, die sie bei der Funkausbildung gelernt hatte. Ein ruhiger, unaufgeregter Klang, der einem Mord dasselbe Gewicht beimaß wie einem gestohlenen Fahrrad. Sie gab Max die Adresse durch, eine Gasse, die von der West 21st Street abging, während sich Max fragte, ob er je von einem Mord in Kenwood gehört hatte. Wenn Leichen in Gassen gefunden wurden, führte ihn das normalerweise in den Norden von Minneapolis, nicht nach Kenwood.

»Haben sie die Gegend schon abgesperrt?«

»Sie sind gerade dabei, Detective.«

»Funken Sie meine Partnerin Niki Vang an und sagen Sie ihr, dass wir uns dort treffen. Dann geben Sie der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung Bescheid und schicken sie los.«

»Ja, Sir.«

Max legte auf, stieg in seinen zivilen Streifenwagen und fuhr in Richtung des Kenwood-Viertels, wo der Leichnam einer toten Frau auf ihn wartete. Unterwegs überkam ihn wieder einmal das Gefühl, ein Monster zu sein: Seine Seele musste die Verdammung verdienen, die ihn zweifellos erwartete, denn tief im Herzen war er für den Anruf dankbar. In den wenigen Minuten, während er durch die grauen Straßen von Minneapolis fuhr, war er froh, über einen Tod nachdenken zu dürfen – einen Tod, der nicht der seiner eigenen Frau war. Er begrüßte die Gedanken, die sich um etwas anderes drehten als seine Erinnerungen und sie damit für den Moment zum Schweigen brachten.

3

Kenwood, heute feinstes Porzellan inmitten einer Ansammlung von Steingut, war ursprünglich ein mückenverseuchter Sumpf am Südrand von Minneapolis.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert erkannte irgendein vorausschauender Stadtplaner das Potenzial dieser Gegend und überzeugte die Stadtverwaltung davon, das Stadtgebiet in diese hin auszudehnen. Ein Stück Sumpfland wurde ausgebaggert, um den Lake of the Isles zu schaffen, und das ausgebaggerte Erdreich wurde in der Tiefebene verteilt, sodass das Flachland ein wenig erhöht wurde und darauf Parks und Tennisplätze und geschwungene Straßen gebaut werden konnten. Als die Wohlhabenden erkannten, was sich hier entwickelte, wetteiferten sie um Grundstücke in Kenwood, um dort ihre stattlichen Anwesen zu errichten.

Max fuhr durch die gewundenen Straßen, die sich an einer fantasielosen Mischung großer und noch größerer Häuser vorbeischlängelten, die allesamt mit altem Geld erbaut worden waren. Man würde nicht jedes Gebäude hier als Villa bezeichnen, aber es war keine einzige armselige Hütte darunter. Kenwood besaß auch keine Hauptstraße, keinen Ortskern, kein Einkaufszentrum weit und breit. Hier gab es nirgends den sonst üblichen Wirrwarr an Händlern und Kommerz, keine Ölwechsel-Werkstatt und kein chinesisches Restaurant. Nein, in Kenwood war man stolz darauf, gut und friedlich zu leben und in Ruhe gelassen zu werden.

Als Max am Tatort ankam, hatten die Streifenpolizisten die 21st Street blockiert und die Zufahrt zu einer Gasse mit Absperrband markiert. Hier verbargen die vornehmen Bewohner die weniger vorzeigbaren Details ihres Lebens wie Mülltonnen und vollgestopfte Garagen. Max parkte einen Block entfernt, zog sich Einwegschuhe aus dünnem Stoff über die eigenen Schuhe und Latexhandschuhe über die Hände, bevor er langsam auf die Gasse zuging und sich konzentriert umsah.

In der 21st Street befanden sich einige der wenigen Schaufensterfronten in ganz Kenwood, ein knapper halber Block von Geschäften, darunter eine Buchhandlung und eine Kunstgalerie. Max war schon einmal in dem Buchladen gewesen, als Jenni nach einem Buch auf Ojibwe, der Sprache der Chippewa, gesucht hatte. Sie wollte es einem ihrer Klienten schenken, wahrscheinlich einem Kind. Für Jenni war ihr Beruf als Sozialarbeiterin eine Berufung gewesen, nicht bloß ein Job. Er erinnerte sich an die Buchhandlung und er erinnerte sich auch an den Geruch von Flieder an jenem Frühlingsabend und an das Gefühl, ihre schmale Hand in seiner zu halten, als sie das Geschäft verließen. Jedes Jahr an ihrem Todestag brandeten die Gezeiten seiner Erinnerung in seinem Innern auf.

Die Gasse tat sich neben dem Buchladen auf und führte zu einem Parkplatz hinter dem Geschäft. Als er die Gasse entlangging, erspähte er seine Partnerin Niki auf dem Platz im Gespräch mit Bug Thomas, einem Techniker von der Spurensicherung.

Als Niki Max näher kommen sah, nickte sie ihm zur Begrüßung zu und deutete dann auf ein Stoffbündel zu ihren Füßen. Sie rief ihm aber nicht wie sonst einen Witz zu; ein sicheres Zeichen, dass ihr bewusst war, dass Max an diesem Tag das zusätzliche Gewicht von Tausenden von Erinnerungen mit sich herumtrug.

Auf der anderen Seite der Gasse, gegenüber vom Parkplatz, hatten die Anwohner eine Mauer aus Bäumen und Büschen und Kletterpflanzen hochgezüchtet, einen Schutzwall für ihre Privatsphäre, der die Kunden der Buchhandlung und auch sonst jeden davon abhielt, ihre Gärten einsehen zu können. Max schaute sich um und fragte sich, ob dies die wohl abgeschiedenste Ecke von ganz Kenwood war.

Bug Thomas kniete neben einem Müllcontainer und suchte den Boden nach Fußabdrücken oder anderen Spuren ab. Der Deckel des Containers stand offen, sein Bauch war voller Müllsäcke und leerer Kartons. Dort war kein Platz, einen Leichnam zu verstecken. Max stützte die Hände auf die Knie, um das Bündel genauer zu betrachten. Es war eine Decke, eingefasst mit einer rosafarbenen Rüschenbordüre und mit Pferden und Sternen gemustert. So etwas fand man am ehesten auf dem Bett eines jungen Mädchens. Es war offensichtlich, dass die Decke um einen Leichnam gewickelt war.

»Das muss eine der saubersten Gassen sein, die ich je gesehen habe«, stellte Max fest.

»Wir sind in Kenwood«, gab Niki zurück. »Selbst die Tatorte sind hier schöner als anderswo.«

»Wer hat die Leiche gefunden?«

»Ein Jogger, der schon früh unterwegs war«, erklärte Niki und zeigte auf einen Mann mit einem Schweißband im Stil der 70er Jahre, der gleich hinter dem Absperrband stand.

Max zog eine Ecke der Decke zurück und der Kopf der Frau wurde sichtbar. Ihr feuerrotes Haar besaß den gleichen Paprikaton wie Jennis, und einen Wimpernschlag lang sah er Jennis Gesicht aus dem Wirrwarr der roten Strähnen hervorblitzen. Er ließ die Decke fallen und stand auf. Die Bewegung verursachte ein flaues Gefühl in seinem Magen, so als wäre er gerade an den Rand eines tiefen Abgrunds getreten.

Die Tagesdecke war zurückgerutscht und Max konnte sehen, dass die Frau nicht Jenni war. Er warf Niki einen kurzen Blick zu, um festzustellen, ob sie seine Reaktion registriert hatte. Falls ja, ließ sie sich nichts anmerken. Max legte das Ende der Decke wieder über das Gesicht der Frau, um auf den Gerichtsmediziner zu warten. »Hey, Bug, du hast nicht ganz zufällig eine Handtasche oder einen Ausweis herumliegen sehen?«

Bug war zwar erst Mitte 20, sah mit seinem Bürstenschnitt und der dicken, schwarz gerahmten Brille aber aus, als wäre er einer Wiederholung von Dragnet, einer alten Polizeiserie, entsprungen. Eigentlich hieß er Doug, aber alle nannten ihn Bug. Max hatte gehört, sein Spitzname rühre daher, dass Bug einen wichtigen Artikel über Insektenkunde verfasst habe. Diese Erklärung gefiel ihm weit besser als die, dass irgendein Arschloch auf dem Revier angefangen hatte, ihn Bug zu nennen, um auf die zahlreichen Eigenheiten des Jungen aufmerksam zu machen: die Art und Weise, wie er beim Nachdenken Daumen und Zeigefinger aneinanderlegte, oder wie ungeschickt er sich beim Small Talk anstellte, so als wäre das eine Fremdsprache, in der er nicht besonders geübt war.

Bug hielt in seiner Untersuchung des Parkplatzes inne, so als müsste er die Frage erst verarbeiten. Dann erhob er sich und wandte Max seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu, bevor er antwortete. »Bisher habe ich noch nichts gefunden.«

Max wollte etwas sagen, um Bug zu signalisieren, dass er mit seiner Spurensicherung weitermachen sollte, nickte aber lediglich und starrte auf das Bündel am Boden. »Das sieht aus wie die Tagesdecke eines kleinen Mädchens, nicht wie etwas, das eine erwachsene Frau sich aufs Bett legen würde.«

»Das habe ich auch schon gedacht«, stimmte Niki zu.

Hinter ihnen erklangen die schlurfenden Schritte müder Füße. Beide sahen sich um und erblickten Dr. Margaret Hightower, die Grande Dame der Gerichtsmedizin vom Verwaltungsbezirk Hennepin County. Sie kam die Gasse herunter. Margaret war Mitte 60, aber bewegte sich wie eine 80-Jährige. Ihr hartes Leben beugte ihre Schultern und zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Seit nunmehr sechs Jahren trug sie eine Abstinenzkette um den Hals, deren Anhänger eine silberfarbene Kennmarke mit der eingravierten Inschrift EIN TAG NACH DEM ANDEREN war, und ihr Atem roch seither auch nicht mehr nach Single-Malt-Scotch, wenn sie an einem Tatort aufkreuzte.

»Hey, Maggie«, begrüßte Max sie. »Ist es nicht noch ein bisschen früh für die Tagesschicht?«

»Du kennst mich doch, Max. Ich stehe immer mit der Morgendämmerung auf. Außerdem sind wir ziemlich knapp besetzt, also habe ich Bereitschaft. Was haben wir hier?«

Niki zog die Decke zurück und gab den Blick auf eine blasse Frau frei. Attraktiv, sportlich, mit einem dichten Gewirr roter Haare um das Gesicht, was ihr den Anschein gab, als wäre sie durch Spinnweben gegangen. Halb geöffnete Augen starrten durch das Netz ihrer Haare, und in diesen Augen bildeten sich dunkelgelbe Streifen, wo sie ausgetrocknet waren. Ein breiter Blutfleck umgab eine Wunde an der rechten Seite ihres Halses. Niki wickelte den Rest des Körpers aus, sodass man sehen konnte, dass die Frau nackt war.

»Weiß, weiblich«, sagte Niki. »Ich würde schätzen, Mitte 40. Eine auffällige Wunde an der rechten Halsseite.«

Maggie trat näher an den Kopf der Frau heran und wollte sich hinknien, stand dann aber wieder gerade. »Herrgott, meine Knie machen mich fertig. Max, hilfst du mir mal?« Max hielt Maggie am Arm fest, als sie zunächst auf die Knie ging und sich dann auf den Hintern sacken ließ. »Ich war mal Tänzerin, weißt du … habe Ballett gemacht. Habe ich dir das je erzählt, Max?«

Hatte sie, aber Max erwiderte: »Ich glaube, nicht.«

»Ja, damals auf dem College. Ich konnte Pirouetten drehen bis zum Gehtnichtmehr. Ich war so was von gelenkig. Und jetzt kann ich mich nicht einmal mehr hinknien ohne einen Kran, der meinen fetten Arsch wieder hochhievt. Werd niemals alt, Max.«

»Ich werde mein Bestes tun, Maggie.«

Sie zog das Haar der Frau vorsichtig beiseite, um die Wunde besser betrachten zu können. »Ja, das ist höchstwahrscheinlich auch die Todesursache.« Maggie berührte vorsichtig die Haut um die Wunde herum. »Wahrscheinlich ein Messer. Der perfekte Punkt, wenn man die Halsschlagader oder Halsvene treffen will. Und beides hätte jeweils ausgereicht, sie zu töten. Euer Verdächtiger wusste entweder genau, was er tat, oder er hatte schlicht Glück. Oder sie.«

Maggie hob einen der Arme der Toten an. Der ließ sich nur mit etwas Kraftaufwand bewegen. »Die Totenstarre hat eingesetzt. Könntet ihr sie ein Stück zur Seite kippen?«

Max hob die Tote an der Schulter an und Niki tat dasselbe an der Hüfte. Die Haut am Rücken der Frau hatte sich dunkelrot verfärbt.

»Totenflecke«, diagnostizierte Maggie. »Helft mir bitte hoch, ja?«

Max und Niki packten jeweils einen von Maggies Armen und halfen ihr, wieder auf die Füße zu kommen.

»Vorläufig würde ich sagen, dass das hier nicht euer Tatort ist«, erklärte Maggie. »Nicht genug Blut. Ein solcher Schnitt in den Hals … Wenn es die innere Halsvene getroffen hat, blutet es unter Umständen nicht allzu schlimm, aber die Schlagader … Nein, ich glaube, dass sie woanders getötet wurde, dort ausgeblutet ist und dann hierhergebracht wurde. Warum sollte man sie auch in eine Decke wickeln, wenn man sie nicht transportieren will?«

Maggie wedelte mit einem Finger über der Leiche herum, während sie fortfuhr: »Leichenstarre und Verfärbung haben erst hier auf diesem Parkplatz eingesetzt. Sie muss innerhalb von einer oder zwei Stunden nach ihrem Tod in dieser Position hier abgelegt worden sein. Meiner groben Schätzung nach ist der Tod am späten Abend oder in der Nacht eingetreten, wahrscheinlich zwischen elf und eins. Sobald wir sie auf den Obduktionstisch bekommen, kann ich ihre Lebertemperatur ermitteln. Nach der Autopsie sollte ich euch einen ziemlich präzisen Todeszeitpunkt geben können.«

Max nickte und fragte dann: »Ist es okay, wenn wir sie noch für ein paar Minuten hierbehalten?«

»Natürlich. Sie gehört euch.« Maggie machte Platz, damit Max und Niki sich den Leichnam noch einmal genauer ansehen konnten.

Sie knieten sich neben die Tote, jeder auf einer Seite, und Max nickte seiner Partnerin zu, damit sie den Anfang machte. Sie begann mit den Füßen der Frau. »Pedikürte Fußnägel.« Dann fuhr sie mit einem behandschuhten Finger am Bein der Toten entlang und hob den Finger an die Nase. »Lotion … riecht nach Vanille.« Sie hob die Hände der Frau und betrachtete die langen Fingernägel, die mit professioneller Genauigkeit lackiert waren. »Teure Maniküre, sauber, keine offensichtlichen Kratzspuren unter den Nägeln. Keine direkten Anzeichen verteidigungsbedingter Verletzungen.« Sie sah sich die Hand genauer an. »Dieser Abdruck an ihrem Ringfinger deutet darauf hin, dass sie hier normalerweise einen Ring trug, vielleicht einen Ehering, aber der ist nicht mehr da. Möglicherweise ein Raubüberfall, aber die Sache mit dem erst später hier abgelegten Leichnam sagt mir, dass Raub nicht unser Motiv ist.«

Es bereitete Max große Freude, Niki bei der Arbeit zuzusehen. Ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen kamen wie aus der Pistole geschossen und sie war sich ihrer Sache meist sehr sicher, so als hätte sie seit drei Jahrzehnten bei der Mordkommission gearbeitet, nicht erst seit drei Jahren. Sie dagegen hätte kaum glücklicher sein können, die Sitte hinter sich zu lassen und damit auch die frauenfeindlichen Witze, die hinter ihrem Rücken über sie gemacht wurden. Ihr Vorgesetzter bei der Sitte, ein stiernackiger Mann namens Whitton, hatte einmal zu Max gesagt, Nikis Aussehen mache sie zur perfekten asiatischen Prostituierten, nämlich der Art Geisha-Mädchen, die jeder Handelsreisende im Orient gern vögeln würde. Das war zu dem Zeitpunkt gewesen, als Whitton darum gekämpft hatte, sie bei der Sitte zu behalten, und Max darum gekämpft hatte, dass sie zur Mordkommission versetzt wurde.

Max hatte Niki kennengelernt, als Chief Murphy sie vor drei Jahren vorübergehend der Mordkommission zugeteilt hatte, damit sie bei der Klärung einer regelrechten Flut von Morden im Norden von Minneapolis half. Sie waren zu einem Wohnkomplex gerufen worden, wo eine Frau ermordet in ihrem Schlafzimmer im vierten Stock gefunden worden war. Das Gebäude verfügte über ein Überwachungssystem mit Kameras, auf denen zu sehen war, dass um den Todeszeitpunkt herum niemand ihre Wohnung betreten oder verlassen hatte.

Max konnte sich keinen Reim darauf machen, wie der Eindringling hinein- oder herausgekommen war, ohne gesehen zu werden, aber dann war Niki aufgefallen, dass der Staub auf den Jalousien darauf hinwies, dass sie sich nicht in ihrer üblichen Position befanden. Diese Entdeckung hatte schließlich zur Verhaftung eines Mannes aus dem Nachbargebäude geführt, der mithilfe einer eigens zu diesem Zweck konstruierten, ausziehbaren Stange von seinem Fenster zu ihrem hinübergeklettert war. Er hatte sich in der Wohnung der armen jungen Frau versteckt und auf sie gewartet, als sie nach ihrer Spätschicht in der Kneipe nach Hause kam.

Und damit begann das Tauziehen.

Whitton sagte dem Chief, dass er Niki als Köder brauchte. Als er merkte, dass dieses Argument nicht zog, behauptete er, dass der Zusammenhalt der Einheit verlangte, dass sie blieb, und stellte die Sitte als große Familie dar. Whitton verlor die Schlacht, als Max ihn aufforderte, Nikis Hmong-Namen auszusprechen. Das konnte der aber nicht, denn er hatte sich nie genug für Niki als Mensch und als Detective interessiert, um zu erfahren, dass ihr echter Name Ntxhi lautete und sie ihn lediglich deswegen zu Niki abgewandelt hatte, weil die meisten Menschen hier im Westen sich verhaspelten, wenn sie ihn auszusprechen versuchten. Max sprach sie mit ihrem richtigen Vornamen an und besiegelte damit ihren Wechsel ins Morddezernat.

Jetzt beugte sich Niki über den Kopf der toten Frau und roch an einer Haarsträhne. »Riecht nach frischem Shampoo, so als hätte sie gerade geduscht.« Sie schob einige Strähnen verfilzter Haare beiseite, um das attraktive Gesicht der Frau zu betrachten, das ungeschminkt war. Nicht einmal Lippenstift trug die Tote. Niki dachte laut nach. »Sie duscht sich … wickelt die Haare vielleicht in ein Handtuch ein … cremt sich mit Vanille-Körperlotion ein … und bekommt einen Stich in den Hals, bevor sie sich die Haare bürsten kann.«

Max nickte zustimmend. Dann fiel ihm ein Aufblitzen auf, als Niki die Haare weiter zurückschob. »Sieh dir das an«, sagte er und schob einen Finger unter das Ohrläppchen, in dem sich ein großer Diamantstecker befand – der Stein hatte mindestens zwei Karat. »Du hast auf jeden Fall recht, dass es hier nicht um Raub geht.« Er beugte sich noch weiter vor, um den Ohrring besser zu sehen, und zog dann das Haar auf der anderen Seite weg, um den zweiten freizulegen. »Tragen Frauen ihre Ohrringe auch in der Dusche?«

»Manchmal … ja, klar.«

»Ich glaube, deine Hypothese mit der Dusche kommt hin.« Max wandte sich an Bug, der bereits Fotos der Ohrringe machte. »Würden Sie mir ein Schmucktütchen und eine Pinzette reichen?«

Bug griff in einen Angelkasten, holte die geforderten Dinge heraus und reichte sie an Max weiter. Der zog vorsichtig den Ohrring vom Ohr der Frau und ließ ihn in die Papiertüte fallen.

»Ein Geschenk für die bessere Hälfte?«, kommentierte Bug mit einem gezwungenen Lachen.

Max schloss die Augen. Bug konnte nicht wissen, dass Max’ Frau tot war und dass sich ihr Todestag ausgerechnet heute zum vierten Mal jährte. Bug versuchte lediglich, einen blöden Witz zu machen. Max wusste auch, wie schwer es dem unbeholfenen Techniker fiel, das übliche Geplänkel hervorzubringen, daher war er ihm nicht böse wegen des Fehltritts. Aber das bedeutete nicht, dass ihm die Worte nicht trotzdem furchtbar wehtaten.

Als er die Augen wieder aufmachte, sah er aus dem Augenwinkel, dass Niki mit den Lippen stumme Worte formte, um Bug etwas mitzuteilen. Er konnte nicht genau erkennen, was sie sagte, aber er sah Bug in sich zusammensacken und weggehen. Max hatte Mitleid mit dem Jungen und versuchte, die Aufmerksamkeit wieder auf die laufende Untersuchung zu lenken.

»Unsere wahrscheinlichste Theorie bis hierher lautet also, dass wir eine tote Frau haben, die mit einem Stich in die Kehle ermordet wurde, nachdem sie aus der Dusche gekommen war. Der Mörder bringt sie hierher, will sie in den Müllcontainer werfen, legt sie aber stattdessen einfach auf dem Parkplatz ab. Also, wer ist die Tote und wo wurde sie ermordet?«

»Und gibt es noch weitere Opfer?«, spann Niki den Faden weiter. »Wenn die schmale Stelle an ihrem Finger von einem Ehering stammt, hat sie vielleicht Familie.«

»Wir müssen diesen Tatort finden.«

»Ich werde mich umhören«, bot sie sich an. »Vielleicht hat jemand in der Nachbarschaft letzte Nacht irgendetwas gesehen oder jemand aus dem Viertel kennt sie.« Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche und machte ein Foto vom Gesicht der Toten. »Nicht das schärfste Bild, aber das sollte reichen.«

Max winkte die Besatzung eines Krankenwagens heran, damit sie die Leiche in das gerichtsmedizinische Institut von Hennepin County bringen konnten. »Ich werde mir Bug ausleihen«, verkündete Max. »Ich habe eine Idee, wie wir sie identifizieren können.« Er ließ das Tütchen mit dem Diamantohrstecker in seine Jackentasche gleiten und klopfte darauf.

4

Um acht Uhr morgens fuhr Max auf den Parkplatz des Ballistik-Labors. Eigentlich begann seine Schicht um diese Zeit gerade erst. Aber wenn man als Detective bei der Mordkommission arbeitete, musste man darauf gefasst sein, dass die Leichen nie auf irgendwelche Arbeitszeiten Rücksicht nahmen, sondern einfach irgendwann auftauchten. Unberechenbarkeit gehörte zum Job, und das war der einzige Aspekt an seinem Beruf, der Jenni gestört hatte. Einmal hatten sie ihren Jahrestag in einem schicken Restaurant gefeiert und kurz bevor das Essen auf dem Tisch stand, hatte Max einen Anruf bekommen.

Er versuchte, ihren Gesichtsausdruck zu deuten, als er ihr einen Abschiedskuss gab. Er wusste, wie peinlich es ihr sein musste, ein so besonderes, teures Essen im letzten Moment zurückgehen zu lassen, wie enttäuscht sie war, den Rest ihres Jahrestages allein zu Hause verbringen zu müssen. Und dann war da noch der Abend, an dem sie ihre gesamte Familie zum Weihnachtsessen eingeladen hatten, insgesamt zwölf Gäste. Max hatte das Haus ungefähr zu dem Zeitpunkt verlassen, als Jenni den neun Kilo schweren Truthahn in den Ofen schob. Er rechnete damit, dass sie wütend auf ihn war, als er neun Stunden später nach Hause zurückkam. Aber falls sie irgendwelchen Groll hegte, zeigte sie das nicht.

Jenni hatte nur ein einziges Mal Vorbehalte gegen seinen Job geäußert, nämlich als es um das Thema Kinder ging. Sie fragte sich, ob ein Kind es verstehen würde, wenn sein Vater mitten in der Schulaufführung oder beim Fußballspiel plötzlich verschwinden musste. Wie würde sich ein Kind fühlen, wenn es sich im Publikum umsah und die Bewunderung seines Vaters sehen wollte, aber nur einen leeren Platz entdecken konnte? Aber jedes Gespräch dieser Art führte sie beide zurück zu ihrer ersten Verabredung, als sie noch auf der High School waren und Max Jenni von seinem Traum erzählte, Detective bei der Mordkommission zu werden. Sie hatte von Anfang an an seinen Traum geglaubt und stand vollkommen hinter ihm. »Ich verstehe das«, hatte sie über seine häufige, unvorhersehbare Abwesenheit gesagt, »aber das bedeutet ja nicht, dass es mir gefällt.«

Schlussendlich spielten die Gespräche aber gar keine Rolle. Sie hatten keine Kinder.

Max und Bug betraten das Labor und Bug zog seinen Dienstausweis durch den Scanner, um ins Herz der Einrichtung zu gelangen. Das Ballistik-Labor war eine eigenständige Abteilung, vom Kriminallabor getrennt, und konzentrierte sich darauf, Geschosse mit Waffenläufen abzugleichen oder Werkzeuge mit einer Verletzung. Max hatte weder Kugel noch Werkzeug, aber er hatte einen Diamanten. Und das Labor verfügte über ein Mikroskop.

Bug setzte sich vor eines dieser Mikroskope und schaltete einen Computerbildschirm ein, auf dem das Bild erscheinen würde. Max gab ihm das Schmucktütchen mit dem Diamantstecker.

»Sehen Sie sich den Gürtel des Steins an, die breiteste Stelle. Wenn es sich um einen echten Diamanten handelt, könnte der gestempelt sein.«

Als Max den jungen Mann gebeten hatte, ihn zum Labor zu begleiten, hatte Bug kein Wort gesagt, ebenso wenig, als er ihn bat, das Mikroskop einzuschalten.

Als er nun versuchte, den Diamanten unter der Linse des Mikroskops zu platzieren, zuckten seine Finger, als wäre er noch nervöser als sonst.

»Alles okay, Bug?«

Bug hörte auf, mit dem Diamanten herumzufummeln. Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als versuchte er Worte auszusprechen, die ihm nicht über die Lippen kommen wollten. Schließlich sagte er: »Ich hatte vergessen, dass Ihre Frau tot ist. Ich wollte Sie nicht …« Er brach ab und atmete ein.

Max legte Bug eine Hand auf die Schulter und klopfte ihm auf die harten, verspannten Muskeln, die von seiner erdrückenden Beklemmung zeugten. »Ist schon in Ordnung, Bug. Das ist lange her, machen Sie sich deswegen bitte nicht fertig.«

Bug schien sich ein wenig zu entspannen, als er sich wieder auf seine Aufgabe konzentrierte. Sobald er den Diamanten eingespannt hatte, fokussierte er die Linse auf die Rundiste des Steins, einen flachen, dünnen Streifen, der die Krone vom sogenannten Pavillon, der unteren Seite mit dem spitz zugeschliffenen Ende, trennte. Bug drehte den Stein unter dem Mikroskop und Max schaute auf den Bildschirm, bis eine gelaserte Prägung sichtbar wurde. Zunächst erschien die Zeichnung eines Vogels mit langen, ausgeprägten Flügeln. Neben dem Vogel stand der Name Hercinia und daneben wiederum eine Seriennummer.

»Bingo«, flüsterte Max. »Schon mal von Hercinia-Diamanten gehört?«

»Nein«, erwiderte Bug und rollte mit seinem Stuhl zu einem anderen Tisch hinüber, auf dem ein Computer stand, in den er den Namen eingab. »Eine Diamantenfirma aus Toronto.« Er las weiter. »Sie sind auf Diamanten aus Minen in der Tundra spezialisiert. Keine Blutdiamanten.«

»Sollen wir sie anrufen?«

Bug benutzte eines der Telefone im Labor und wählte die auf der Webseite angegebene Kontaktnummer. Dann reichte er Max den Hörer.

»Hercinia Diamanten GmbH. Wie können wir Ihnen weiterhelfen?«

»Detective Max Rupert. Ich rufe aus Minneapolis an und würde gern mit Ihrer Archivabteilung sprechen.«

Eine Pause entstand.

»Oder mit Ihrem Chef, je nachdem, was leichter ist.« Seine Worte klangen wie eine Drohung, obwohl er sie gar nicht so gemeint hatte.

»Einen Moment bitte.«

Ein Klicken, dann mehrere Sekunden »Close to you« von Karen Carpenter und dann ein erneutes Klicken in der Leitung. »Hier spricht Richard Holerman vom Kundenservice. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«

»Mr. Holerman, hier ist Max Rupert von der Mordkommission der Stadt Minneapolis, Minnesota. Ich ermittle in einem Mordfall und dachte, Sie könnten mir tatsächlich weiterhelfen.«

Stille am anderen Ende.

»Mr. Holerman?«

»Ja … ich sehe nicht, was ich dabei …«

»Das Mordopfer ist eine Frau und sie hat Ohrstecker mit Hercinia-Diamanten getragen. Wir haben die Seriennummer. Wir müssen das Opfer identifizieren. Wenn Sie uns sagen könnten, an wen diese Ohrringe verkauft wurden …«

»Oh, Detective … Es tut mir leid, wie war noch gleich Ihr Name?«

»Rupert. Detective Max Rupert.«

»Genau, Detective Rupert. Ich glaube nicht, dass ich Ihnen weiterhelfen kann. Wir sind kein Einzelhandelsgeschäft. Wir verkaufen nicht direkt an den Endkunden.«

»Sie verkaufen aber an Juweliergeschäfte, nicht wahr? Wenn ich wüsste, an welches Geschäft Sie diese Ohrstecker geschickt haben, können wir dort weitermachen.«

»Ich würde ja gern helfen, aber ich bin nicht sicher, ob ich diese Information weitergeben darf. Das ist eine recht ungewöhnliche Anfrage.«

»Ich bitte Sie ja nicht darum, Branchengeheimnisse auszuplaudern, Mr. Holerman. Ich brauche lediglich einen Anhaltspunkt, damit ich weiß, wo ich suchen muss. Es ist wirklich sehr dringend.«

»Ich müsste erst bei der Rechtsabteilung nachfragen und Sie dann zurückrufen. Ich möchte ja nicht gegen etwaige Gesetze verstoßen.«

Max spürte, wie seine Hand sich um den Hörer anspannte. Er schloss die Augen, atmete aus und lockerte den Griff. »Mr. Holerman, wir haben hier eine tote Frau und keinen Schimmer, um wen es sich handelt. Wir wissen nicht, ob es eventuell noch weitere Opfer gibt, vielleicht einen Ehemann oder ein Kind, das noch am Leben ist. Wir haben einen Mörder, der die Spuren am Tatort verwischt, während ich mit Ihnen rede. Wenn Sie sich mit Ihrer Rechtsabteilung absprechen müssen, dann tun Sie das, aber tun Sie es um Gottes willen schnell. Diese Ohrstecker sind unsere bisher einzige Möglichkeit, die Identität der Toten herauszufinden. Wir müssen rasch handeln und Sie sind der Schlüssel dazu.«

»Ich … Es tut mir leid. Es ist nur, dass ich noch nie … Ich rufe Sie gleich zurück. Unter dieser Nummer?«

Er musste auf die Anrufanzeige schauen. »Nein, rufen Sie mich auf dem Handy an.« Max gab dem Mann seine Nummer durch, bedankte sich und legte auf. Dann schrieb er die Seriennummer des Diamanten auf einen Zettel und machte sich auf den Weg ins Rathaus. Die Ohrstecker ließ er zur weiteren Katalogisierung bei Bug.

An seinem Arbeitsplatz angekommen, öffnete Max ein Blankoformular für Vorladungen am Computer und füllte aus, was er konnte. Das war allerdings nicht viel, aber er wollte alles bereit haben, wenn Holerman zurückrief. Falls er zurückrief. Max rief im Büro des Bezirksstaatsanwalts an, sprach mit einer Anwältin der Abteilung Verbrechensverfolgung, mit der er noch nie vorher gearbeitet hatte, und warnte sie vor, dass er ihr die Dokumente zur Unterschrift per Mail schicken würde, sobald er von Holerman gehört hatte. Er legte auf und wartete, trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch seiner Büronische herum. Den beengten Arbeitsplatz teilte er sich mit Niki Vang. Er dachte darüber nach, Holerman noch einmal anzurufen, wählte aber stattdessen Vangs Nummer.

»Hast du schon irgendwas?«, fragte er.

»Nichts, was uns helfen würde. Ich habe an alle Türen in der direkten Umgebung geklopft und niemand hat irgendetwas gehört oder gesehen. Keine Überwachungskameras. Keiner der Nachbarn hat sie auf dem Foto erkannt, aber die Buchhändlerin kam, um den Laden zu öffnen, und meinte, das Opfer komme ihr bekannt vor. Sie hat sich eventuell irgendwann einmal in dem Geschäft umgeschaut, aber die Buchhändlerin hatte keinen Namen zu dem Gesicht. Wenn sie in dem Laden gewesen ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie irgendeine Verbindung zu Kenwood hat. Und bei dir? Hat sich schon etwas ergeben?«

»Noch nicht, aber ich warte auf Rückruf von einem Diamantenhändler aus Kanada. Die Ohrstecker sind gestempelt und tragen eine Seriennummer. Vielleicht bekommen wir einen Namen, wenn wir diese Seriennummer zurückverfolgen. Aber aus irgendeinem Grund will mir der Kerl aus Kanada nicht …«

Das Telefon in Max’ Hand vibrierte. Er warf einen Blick auf das Display und sah die Nummer aus Toronto.

»Ich muss auflegen, Niki, das ist er.« Max nahm den Anruf an und wurde von einer unbekannten weiblichen Stimme begrüßt.

»Hier spricht Victoria Lowell. Ich bin die Vizepräsidentin und für den Kundenservice hier bei Hercinia zuständig. Ich bin autorisiert, Ihnen dabei zu helfen, das Geschäft ausfindig zu machen, das ein Paar unserer Diamantohrringe verkauft hat. Wenn Sie mir die Seriennummer durchgeben, kann ich Ihnen sagen, welcher Einzelhändler sie verkauft hat, aber ich habe leider keine Möglichkeit, den Käufer ausfindig zu machen.«

»Das macht nichts«, versicherte Max. Er las ihr die Seriennummer vor und lauschte dem Geräusch der Tastatur, während sie nachsah.

»Diese Ohrringe wurden von Galibay Jewelry in Minneapolis gekauft.«

Max hatte noch nie von diesem Juwelier gehört. Er gab den Namen in eine Suchmaske ein und fand heraus, dass Galibay ein kleines Geschäft in einem der besseren Außenbezirke war, das sich an eine gehobene Kundschaft richtete. Keine Ladenöffnungszeiten; man musste einen Termin machen, um sich den Schmuck anzuschauen, den sie verkauften. Auf der Webseite stand zwar eine Telefonnummer für die Terminvereinbarung, aber keine E-Mail-Adresse oder Faxnummer.

»Miss Lowell, Sie haben wohl nicht zufällig auch eine Faxnummer für Galibay in Ihren Akten?«

Eine kurze Pause am anderen Ende, dann: »Doch, ich habe eine Faxnummer.« Sie gab ihm die Nummer durch und er tippte sie in das Ladungsformular ein, ebenso wie den Rest der notwendigen Informationen über das Geschäft. Nachdem er den Anruf aus Toronto beendet hatte, schickte Max die ausgefüllte Vorladung zur Unterschrift an die Bezirksstaatsanwaltschaft und rief dann bei Galibay Jewelry an. Eine freundlich klingende Frauenstimme meldete sich.

»Hier ist Detective Max Rupert, Kriminalpolizei Minneapolis. Könnte ich bitte mit dem Besitzer oder Manager sprechen?«

»Ich bin Miriam Galibay. Mir gehört das Geschäft.«

»Miss Galibay, ich versuche, die Identität einer Frau zu ermitteln, die heute früh tot aufgefunden wurde.«

Miss Galibay keuchte leise auf.

»Ich brauche Ihre Hilfe.«

»Natürlich, aber wie kann ich …«

»Die Verstorbene trug ein Paar Diamantohrstecker von Hercinia. Wir haben den Hersteller kontaktiert und wurden informiert, dass Sie die Stecker zum Weiterverkauf erworben haben. Wir müssen herausfinden, wer diese Ohrringe gekauft hat.«

»Oh … du meine Güte, ich … ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen. Unsere Kunden verlassen sich darauf, dass wir ihre Daten vertraulich behandeln. Ich meine, Sie sind nur eine Stimme am Telefon. Ich kann unsere Kundendaten nicht einfach an jeden weitergeben, der hier anruft. Das verstehen Sie doch sicher, nicht wahr?«

Max warf einen Blick auf seinen Posteingang und sah, dass er die unterschriebene Ladung als gescannten E-Mail-Anhang bekommen hatte. Er schickte das Dokument an den Drucker im Büro. »Miss Galibay, ich faxe Ihnen eine gerichtliche Verfügung. Darin steht, dass Sie mir den Namen des Besitzers dieser Ohrringe geben müssen. Ich verstehe Ihre Lage, aber das hier ist wirklich wichtig.«

Max hielt sich das Telefon ans Ohr und ging zum Drucker, zog die Ladung heraus und faxte sie an Galibay, während sie miteinander sprachen.

»Aber Detective, woher weiß ich, dass Sie auch derjenige sind, der Sie zu sein behaupten? Ich weiß nicht, was eine gerichtliche Verfügung ist. Ich habe einen Ruf zu wahren.«

»Miss Galibay, Sie können die lokale Polizei anrufen und nach Detective Max Rupert fragen. Dann werden Sie mit mir verbunden und wissen, dass ich es auch wirklich bin. Wenn es sein muss, kann ich auch zu Ihnen kommen und Ihnen die Verfügung persönlich vorbeibringen, aber es ist dringend. Würden Sie mich bitte zurückrufen? Sie werden sehen, dass ich Detective beim Morddezernat bin.«

»In Ordnung, das mache ich.« Sie hatte bereits aufgelegt.

Max kehrte zu seinem Arbeitsplatz zurück und wartete darauf, dass sein Telefon klingelte. 30 Sekunden. Eine Minute. Anderthalb Minuten. Zwei Minuten. Nach zwei Minuten und 15 Sekunden klingelte es endlich.

»Max Rupert.«

»Detective Rupert, hier ist Miriam Galibay. Ich habe die Information, die Sie suchen. Der Name der Person, die diese Ohrringe gekauft hat, ist Benjamin Pruitt.«

Max hätte beinahe das Telefon fallen lassen. »Ben Pruitt, der Anwalt?«

»Nun, ich habe keine Ahnung, ob er Anwalt ist, aber ich habe eine Adresse in der Mount Curve Avenue, wenn Ihnen das etwas nützt.«

Max schrieb sich schnell die Adresse auf, bedankte sich bei Miss Galibay und legte dann auf. Der Drang, auszuspucken, ließ ihn die Lippen zusammenpressen.

Max tippte Ben Pruitts Namen in den Computer, und das Internet hielt Tausende von Treffern bereit. Er wechselte zur Bildersuche und fand Dutzende von Bildern, die den Mann zeigten, den er als Ben Pruitt kannte. Einige Zeilen weiter unten auf der Seite entdeckte er ein Bild, auf dem Pruitt neben einer wunderschönen Rothaarigen stand – es war die Frau aus der Gasse. Max klickte den Link an und las die Bildunterschrift, die das Paar als Ben und Jennavieve Pruitt auswies, die gemeinsam auf einer politischen Spendenveranstaltung gewesen waren.

Max rief Niki an, während er bereits aus der Tür eilte, gab ihr Name und Anschrift des Opfers durch. Er würde sie dort treffen.

5

Auf dem Weg zurück nach Kenwood dachte Max über das letzte Mal nach, als er Ben Pruitt gesehen hatte. Das war vor zwei Jahren gewesen, in einem kleinen Besprechungsraum des Gremiums für berufliche Verantwortung des Bundesstaates Minnesota. Pruitts Disziplinaranhörung dauerte nur wenig mehr als eine Stunde, aber der Weg dorthin hatte beinahe ein ganzes Jahr gedauert.

Alles begann mit dem Prozess gegen einen Mann namens Harold Carlson, einen Dachdecker mit eigener Firma, der seiner Freundin mit einem Lattenhammer den Schädel eingeschlagen hatte. Die Tatwaffe mit ihrem Hammerkopf auf der einen und der kleinen Axt auf der anderen Seite schien besonders grausam. Ihr Vergehen bestand darin, einen anderen Mann geküsst zu haben, und zwar einen von Carlsons Angestellten, der natürlich auch so einen Hammer besaß. Carlson trat in den Zeugenstand und schwor, er habe sie nicht einmal angefasst. Er habe keine Ahnung, woher die tiefen Abschürfungen an ihren Armen und Beinen kamen oder die anderen Verletzungen, die sie erlitten haben musste, als man sie aus einem fahrenden Auto geworfen hatte.

Ein Autofahrer hatte die verkrümmte Leiche der Frau am Straßenrand entdeckt, und noch vor Sonnenaufgang führte die Spur des Verdachts Max zu Harold Carlson.

Max fand den Mann schlafend auf der Couch in seinem Zuhause. Der Gestank von hartem Fusel drang ihm aus allen Poren. Max fand auch den Lattenhammer, an dem Haare und Blut der Freundin klebten. Er lag offen sichtbar auf der Sitzfläche von Carlsons Pick-up. Max war allein gewesen, als er den Hammer gefunden hatte, nachdem eine der Technikerinnen von der Spurensicherung an dem Fahrzeug vorbeimarschiert war, ohne ihn zu bemerken. Beide Seiten wussten, dass der Fall von Max’ Aussage über das Auffinden des Hammers abhing.

Im Kreuzverhör nahm Carlsons Anwalt Ben Pruitt Max in die Mangel und unterstellte ihm, den Hammer an der Straße entdeckt zu haben, wo auch die Leiche gefunden worden war. Pruitt beschuldigte Max, den Hammer dann in Carlsons Truck abgelegt zu haben. Pruitts Fragen zielten darauf ab klarzustellen, dass Max Gelegenheit hatte, den Hammer dort zu platzieren: Er war am Fundort der Leiche gewesen und es hatte unbeobachtete Momente gegeben, sodass er den Hammer in seinen Wagen geschmuggelt haben könnte. Er war allein gewesen, als er behauptete, den Hammer im Truck des Verdächtigen gefunden zu haben, während eine Beamtin der Spurensicherung, die dazu ausgebildet war, Mordwaffen zu finden und zu identifizieren, vorbeigegangen war, ohne den großen, silberfarbenen Hammer zu bemerken. Max wehrte die Fragen mit seiner Ehrlichkeit ab. Es war genau so gewesen, wie er gesagt hatte, und es gab keinen Grund, sich darüber hinaus zu erklären.

Aber dann bat Pruitt um Erlaubnis, sich dem Zeugen zu nähern. Und seiner Bitte wurde stattgegeben. Er hielt ein einseitiges Dokument in der Hand, und als er auf den Zeugenstand zutrat, sprach er deutlich und mit lauter Stimme, damit ihn alle Geschworenen hören konnten.

»Ich zeige Ihnen jetzt Beweisstück 42 der Verteidigung. Erkennen Sie dieses Dokument wieder?«

Max las sich den Schrieb kurz durch und antwortete dann: »Ich habe dieses Dokument noch nie gesehen.«

»Sie erinnern sich nicht daran, vor gerade einmal zwei Jahren von Ihren Vorgesetzten eine Verwarnung wegen Fälschung von Beweisen erhalten zu haben?«

Max sah zum stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt hinüber und fragte sich, warum der Mann nicht aufgesprungen war, um Einspruch zu erheben.

Pruitt fuhr fort. »Fälschung oder Verlegung von Beweisstücken ist ein ernsthaftes Vergehen für einen Detective.«

Max blickte Pruitt wütend an und hätte ihm am liebsten mit seinem gefälschten Dokument das Maul gestopft. »Mr. Pruitt, ich habe dieses Dokument noch nie gesehen, weil es bisher gar nicht existiert hat. Ich bin niemals verwarnt …«

Endlich stand der Vertreter der Anklage auf und rief: »Einspruch, Euer Ehren. Die Grundlage wurde ebenso wenig wie die Echtheit bestätigt. Dieses Dokument wurde nie offengelegt …«

»Zum Richtertisch! Sofort«, befahl der Richter. Beide Anwälte kamen zu ihm. Dann drückte er einen Knopf, der dafür sorgte, dass der Gerichtssaal von weißem Rauschen erfüllt wurde, sodass die Besprechung am Richtertisch von den Geschworenen nicht mit angehört werden konnte. Aber trotz dieser Maßnahme konnte Max einzelne Wörter oder Sätze verstehen, als die Männer sich hitziger stritten.

»Wir sind mitten im Kreuzverhör, da muss ich nichts offenlegen.«

»Das Dokument kann nur eine Fälschung sein. Detective Rupert hat gesagt, dass er es noch nie zuvor gesehen hat.«

»Detective Rupert ist ein gerissener Lügner.«

Bei dieser letzten Behauptung grätschte der Richter dazwischen und zeigte mit dem Finger auf Pruitt. Max konnte nicht verstehen, was er sagte, aber sein zornrotes Gesicht sprach Bände. Nachdem er beide Anwälte auf ihren jeweiligen Platz zurückgeschickt hatte, instruierte er die Geschworenen, Beweisstück 42 und Pruitts dazugehörige Aussagen zu ignorieren. Er forderte sie auf, Pruitts Behauptung, dass Max wegen Fälschung von Beweisen verwarnt worden war, zu vergessen. Und indem er sie bat, diesen Punkt außer Betracht zu lassen, sorgte er dafür, dass Pruitts Worte in den Gehirnen eines jeden Geschworenen hängen blieben.

Am Ende von Max’ Zeugenaussage wurde die Verhandlung vertagt. Während der Unterbrechung überzeugte Max den Staatsanwalt, den Richter dazu zu bringen, dass er Pruitt anwies, dem Staat eine Kopie von Beweisstück 42 vorzulegen. Pruitt hielt dagegen, er sei nicht verpflichtet, das Dokument herauszugeben, weil es nicht bereits im Vorfeld als Beweismittel zugelassen gewesen war. Der Richter war nicht in der Stimmung, sich solche Ausflüchte bieten zu lassen, und der Staat bekam eine Kopie des Dokuments.

Beweisstück 42 erwies sich als mit großer Sorgfalt erstellte Fälschung einer schriftlichen Verwarnung, die bestätigte, dass Detective Max Rupert überführt worden war, eine Spritze in die Handtasche einer Frau geschmuggelt zu haben, deren Mitbewohnerin an einer Überdosis Heroin gestorben war. Diesen Fall hatte es nie gegeben. Die schriftliche Verwarnung war die Schöpfung einer verzweifelten Fantasie. Die Frage war, wessen Fantasie?

Bei Pruitts Disziplinaranhörung sagte dieser aus, dass sein Untersuchungsbeamter ihm das Dokument als Ergebnis der üblichen Hintergrundrecherche über Detective Rupert übergeben hatte. Er äußerte auch die Vermutung, dass sein Klient, der Dachdecker, den Ermittlungsbeamten bestochen haben musste, das Dokument zu fälschen.

Der Ermittler leugnete das, stand aber selbst zu diesem Zeitpunkt vor einem Ausschuss, der über seine Lizenz entscheiden musste. Schlussendlich entzog das Gremium für berufliche Verantwortung Pruitt seine Anwaltslizenz für 60 Tage und sprach eine öffentliche Rüge aus. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass Pruitt wusste, dass es sich bei dem Dokument um eine Fälschung handelte, oder es zumindest hätte wissen sollen. Man rügte ihn für die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht, weil er die Echtheit des Dokuments nicht geprüft hatte, bevor er es vor Gericht präsentierte. Sein Handeln wurde letztlich als Täuschung des Gerichts eingestuft.

Pruitts Rüge war öffentlich und schaffte es daher in den Wirtschaftsteil sowohl der Minneapolis Star Tribune als auch des St. Paul Pioneer Press Dispatch. Max lächelte, als er die Artikel las. Er rechnete damit, dass die Zeitungsberichte die Karriere des Anwalts beenden würden, aber tatsächlich schienen sie den gegenteiligen Effekt zu haben.

Und nun war Pruitts Ehefrau nackt und tot auf einem Parkplatz in Kenwood gefunden worden, und in Max’ Hirn formte sich eine Theorie.

6

Manch einer würde das Haus der Pruitts vielleicht als Villa bezeichnen, allerdings galt das nicht für Menschen, die in einer echten Villa lebten. Es war ein großer, eckiger Kasten, der aussah, als wäre er aus einem einzigen, riesigen Stein gehauen, und stand auf einem Eckgrundstück, durch eine Böschungsmauer über die Straße erhoben, sodass der Anschein entstand, das Haus throne wie eine Trophäe auf einem Podest. Pruitt hatte auf Max nicht den Eindruck gemacht, als wäre er ein Anwalt von solchem Kaliber, dass er sich ein Haus wie dieses leisten konnte.

Niki stand vor der Haustür, neben ihr ein uniformierter Beamter. Zwei weitere Polizisten, ein Mann und eine Frau, standen auf dem Gehweg am Fuß der Treppe, die in die Böschungsmauer eingelassen war. Ein weiterer erschien gleich nach Max. Der winkte ihnen, ihm die Stufen hinauf zu Niki zu folgen.

»Ich habe bereits geklingelt und an die Tür geklopft. Es macht niemand auf.«

Max wandte sich der kleinen Gruppe uniformierter Beamter zu. »In Ordnung, wir sehen hier nur nach dem Rechten. Wir haben heute früh eine Leiche gefunden und glauben, dass es sich um ein Verbrechen handelt. Wir haben das Opfer als Jennavieve Pruitt identifiziert. Und dies ist ihr Haus. Wir haben keinen Durchsuchungsbeschluss, also geht es jetzt erst einmal darum sicherzustellen, dass es keine weiteren Opfer gibt, keine Familienmitglieder, die eventuell unsere Hilfe brauchen. Kein Durchwühlen von Schubladen oder Schränken, wir suchen nur nach Toten oder Verletzten. Wenn ihr sonst irgendetwas bemerkt, ruft ihr Niki oder mich hinzu, verstanden?«

Die Beamten nickten einhellig.

»Ihr beide«, sagte Max und zeigte auf zwei von ihnen, »geht hintenherum und überprüft die Garage und alle weiteren Anbauten oder Gartenhäuschen.« Dann wandte er sich nacheinander an die beiden anderen Uniformierten. »Sie gehen mit Detective Vang und Sie kommen mit mir.«

Alle zogen ihre Waffen. Max drehte den Türknauf, und die Tür ging mit einem Klicken auf. Unverschlossen.

»Benjamin Pruitt!«, rief Max laut ins Haus. »Hier ist Detective Max Rupert von der Kriminalpolizei Minneapolis! Wir kommen jetzt rein! Mr. Pruitt, sind Sie hier?« Max betrat die Eingangshalle und wandte sich nach links, den uniformierten Beamten hinter sich. Niki wandte sich nach rechts.

»Mr. Pruitt, hier ist die Polizei!«, rief sie nun auch. »Wenn Sie hier sind, melden Sie sich. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen!«

Max’ Weg führte ihn in ein Arbeitszimmer, einen Raum mit mahagonivertäfelten Wänden und 3,70 Meter hohen Decken – ein Eckzimmer mit Gemälden an der Wand, deren Sujets verschwommen wirkten, weswegen Max das Werk eines Impressionisten erkannte. Jenni hatte diese Art Gemälde innig geliebt, aber er hatte das nie wirklich verstanden.

An einer anderen Wand erblickte Max eine Reihe von Familienfotos, darunter auch welche, auf denen Pruitt mit Jennavieve zu sehen war. Eines war einem Artikel der Minneapolis Star Tribune entnommen und zeigte Ben und Jennavieve nebeneinander. Die Bildunterschrift identifizierte das Paar sowie eine dritte Person, ihre Tochter Emma. Max hatte das Mädchen zunächst gar nicht bemerkt: Sie war etwa acht oder neun Jahre alt und spähte hinter dem schwarzen Abendkleid ihrer Mutter hervor, biss sich schüchtern auf die Unterlippe.

»Sie haben eine Tochter«, brüllte Max Niki zu. »Ihr Name ist Emma.«

Max durchquerte das Arbeitszimmer und betrat eine Art Abstellraum oder Garderobe mit Windfang zur hinteren Veranda. Hier standen ordentlich aufgereiht drei Paar Gummistiefel, unbenutzte Regenjacken hingen an Kleiderhaken und der Duft von Zedernholz und Nelken stieg von einer Schale Potpourri auf. Alles an seinem Platz.

Vor dem Betreten jedes Zimmers kündigte Max weiterhin lauthals seine Gegenwart an, und Niki machte es auf der anderen Seite des Hauses genauso. Von der Garderobe ging es weiter in einen Vorratsraum, der üppig mit Konserven und anderen haltbaren Lebensmitteln ausgestattet war. Alles war nach Warengruppen, Inhalt und Größe ordentlich sortiert. Max ging durch den Vorratsraum und betrat die Küche zum selben Zeitpunkt, als Niki vom Esszimmer gegenüber hereinkam.

»Irgendwas gefunden?«

Niki schüttelte den Kopf und öffnete die letzte Tür, die sie noch nicht überprüft hatten. Sie führte in einen feucht wirkenden Keller hinab. Niki rief nach unten: »Mr. Pruitt? Emma? Hier ist die Polizei. Wir kommen jetzt runter.«

Max winkte seinem Streifenpolizisten, ihm zurück in die Eingangshalle und zur Treppe zu folgen, die nach oben führte. Sie nahmen immer zwei Stufen auf einmal.

Das erste Zimmer, das sie betraten, war in eine Abstellkammer verwandelt worden und stand voll mit Kisten und Weihnachtsschmuck und ausrangierten Fitnessgeräten. Der Beamte ging zum Wandschrank und spähte hinein, schüttelte dann zu Max gewandt den Kopf.

Auf der anderen Seite des Flurs fand Max Emmas Zimmer. Die Wände waren in typischen Kleinmädchenfarben gestrichen und hier stand ein Himmelbett, dessen Bettwäsche mit den Sternen und Pferden das gleiche Muster trug wie die Decke, in die ihre Mutter auf dem Parkplatz gewickelt gewesen war. Wer auch immer Mrs. Pruitt umgebracht hatte, hatte Emmas Tagesdecke benutzt, um sie aus dem Haus zu schaffen.

Max schaute sich im Zimmer um. Emma spielte Fußball und hatte schon vier Trophäen gewonnen, die in einer Ecke auf ihrer Kommode standen. Sie hatte Bilder von ihrer Mutter und ihrem Vater an die Wand über ihrem Bett gepinnt, die an einem warmen Strand aufgenommen worden waren, mit einem leuchtend blauen Ozean im Hintergrund. Dann gab es noch einige Fotos, die sie und ihren Vater beim Reiten in einem Dschungel zeigten. Neben den Pokalen auf der Kommode stand ein gerahmtes, 20 mal 25 Zentimeter großes Foto von Emma, offenbar ein Schulporträt.

Das Bett dieses kleinen Mädchens stand jetzt mindestens mit einem Mord in Verbindung, aber es war ebenso gut möglich, dass er es auch mit einem verschwundenen Kind zu tun hatte. Es gab ausreichend Anlass, eine Vermisstenanzeige herauszugeben, auch an die Medien.

Max löste die Verriegelung des Bilderrahmens und ließ das Foto herausgleiten.

Am Ende des Flurs fanden sie das Schlafzimmer und damit auch den Tatort. Links vom Ehebett war ein Bogen aus Blutspritzern an der Wand zu sehen, und auch die Erinnerungsstücke auf dem Nachttisch waren besudelt. Der Bogen endete in der Mitte des hohen Kopfteils des Bettes im Amish-Stil, das abgezogen worden war. In der Mitte der nackten Matratze lag ein halb gefaltetes, halb zusammengeknülltes Handtuch. Max zog die Latexhandschuhe aus seiner Jackentasche, zog sie über und hob eine Ecke des Handtuchs an, unter dem sich ein Blutfleck verbarg, der so groß wie eine Servierplatte für einen Truthahn war.