DIE WEISSAGUNG DES DRACHEN - Regina Schleheck - E-Book

DIE WEISSAGUNG DES DRACHEN E-Book

Regina Schleheck

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine »ganz eigene Geschichte«, »wunderschönes Märchen für Kinder und Erwachsene«, »rätselhaft, mystisch und spannend ohne Grobschlächtigkeit«, das »viele der in Fantasy-Storys typischen Klischees ignoriert«. (Rezensionen) Zwei Kinder, die fern der Zivilisation in einem idyllischen Tal inmitten des gigantischen Aponunglabaumwalds aufwachsen, liebevoll betreut von einer Mutter, einem Falken und merkwürdigen Wasserwesen – das ist der Ausgangspunkt dieser Fantasyerzählung. Wie es den beiden gelingt, mit viel Mut und ein wenig Magie allen Widrigkeiten zum Trotz nicht nur zurück zu den Menschen zu finden, ist in der »Weissagung des Drachen« vorgegeben. Der Drache, dem sie auf ihrem Weg mehrfach begegnen, entpuppt sich nacheinander als heimtückisches Hindernis, weiser Mentor und schließlich als tödlicher Feind. Nur indem Cora und Tim ihrem Herzen folgen, können sie alle Herausforderungen bewältigen, das Geheimnis ihrer Herkunft und die Verstrickung ihres Schicksals in einen folgenschweren dramatischen Konflikt aufdecken und die Weissagung in einem furiosen Finale auf überraschende Weise erfüllen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Regina Schleheck

Die Weissagung des Drachen

Außer der Reihe 69

Regina Schleheck

DIE WEISSAGUNG DES DRACHEN

Außer der Reihe 69

Überarbeitete Neuausgabe des 2014 als E-Book im 110th Verlag erschienenen Werkes

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: Juli 2022

p.machinery Michael Haitel

Titelbild: Regina Schleheck

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 292 8

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 811 1

1 Bei den Nöcks

 

 

 

Coras Name war eigentlich Coraggia, was so viel heißt wie tapfer. Ihre Mutter Fiora hatte sie so genannt, weil sie schon gleich nach der Geburt so anhaltend und wütend schreien konnte, wenn ihr etwas nicht passte, und ebenso zielstrebig und energisch deutlich machen konnte, was sie wollte. Am meisten liebte sie gute Speisen. Cora war eine ausgesprochene Feinschmeckerin. Das war auch sehr verständlich, denn da, wo sie aufwuchs, hatte das Leben nicht viel zu bieten.

Tim hingegen hieß mit richtigem Namen Timido, der ›Ängstliche‹, weil er, als Coras Mutter ihn bekam, so jämmerlich gewinselt und so erbärmlich gezittert hatte, dass Fiora gar nicht anders konnte, als ihn in die Arme zu schließen und mit ihrem überreichlichen Milchsegen hochzupäppeln.

Dass sie so viel Milch hatte, war aber nur Cora zu verdanken. Sie saugte so energisch an der mütterlichen Brust, dass die Milch heftig einschoss und Tim sich auf der anderen Seite trotz seines zaghaften Nippens regelmäßig verschluckte.

Fiora, Tim und Cora lebten nach Fioras Berechnung schon zehn Jahre in einer völlig unzugänglichen Schlucht mitten in dem riesigen Aponunglabaumwald, der sich über viele, viele Tagereisen südlich von Fioras Heimatdorf erstreckte. Der Wald war so groß und undurchdringlich, dass Fiora noch von keinem Menschen gehört hatte, dem es gelungen war, ihn zu durchqueren und heil wieder zurückzukommen.

 

Wie sie dort hingekommen waren, das wussten die Kinder nur aus Fioras Erzählungen. Manchmal hatte auch Akeo, der alte Nöck, der sich regelmäßig nach ihrem Wohlergehen erkundigte, ein paar Bemerkungen dazu fallen gelassen. Aber die Nöcks waren Wasserwesen und im Allgemeinen sehr wortkarg. Insbesondere schienen sie aber darauf bedacht, alles, was mit der Anwesenheit der drei Menschen in ihrem Reich zu tun hatte, im Dunkeln zu lassen. Sie hatten sie aufgenommen und halfen ihnen, soweit es in ihrer Macht stand – aber ziehen lassen wollten sie sie anscheinend nicht.

Wenn Fiora von früher erzählte, dann wurde ihre Stimme brüchig, und sie sah die Kinder nicht an. Es geschah nicht häufig. Nur ganz wenige Male, als sie abends am Feuer vor ihrer kleinen Hütte am Ufer des großen Sees in der Mitte der Schlucht saßen, hatte Fiora die Vergangenheit aufleben lassen. Tim saß dann eng an sie gekuschelt, mit einer Hand in ihren Haaren kraulend. Cora hockte näher am Feuer, stocherte in der Glut, kleine Funkenregen erzeugend, die unter dem Sternenhimmel verglommen. Fioras Blick ging über die Berggipfel, die sich rundherum auftürmten, und verlor sich in der Ferne.

 

Fiora hatte in einem kleinen Menschendorf dicht am Rand des Aponunglabaumwaldes gelebt. Sie war dort aufgewachsen, und als sie in das Alter kam, in dem die Menschenkinder heiraten, hatte sie den Schmied Albero gewählt, der um sie warb.

 

»Was ist ein Schmied, Fiora?«, fragten die Kinder dann wohl. Und dann musste sie erklären, was die Menschen da draußen für Künste beherrschten und wie das Leben im Dorf aussah.

»Erzähl uns von Albero«, bat Cora sie. Fioras Stimme wurde weich, wenn sie von ihm sprach.

 

Albero war der kräftigste junge Mann des ganzen Dorfes gewesen. Und so eigensinnig! Er gab sich nie mit dem zufrieden, was alle anderen auch konnten. Er wollte immer etwas Besonderes schaffen. Seine Hütte lag direkt am Wald, etwas oberhalb des Dorfes.

Aber ihr Glück währte nicht lange. Eines Tages kehrte Albero nicht nach Hause zurück. Das war an und für sich nichts Besonderes. Der Schmied war immer wieder lange Tagesstrecken unterwegs, um östlich des Aponunglabaumwaldes in den Bergen nach Erzvorkommen zu suchen. Er packte sich Proviant und Werkzeug ein und brach auf. Aber diesmal waren mehrere Wochen vergangen. Fiora begann sich zu sorgen, dass ihm etwas zugestoßen sein mochte.

Nach einer Zeit stellte sie fest, dass sie schwanger war. Was sollte sie tun? Sie suchte selbst tagelang in den Bergen nach Albero. Aber sie kehrte jedes Mal mutloser zurück, und ihr Bauch wölbte sich immer höher.

Und eines Nachts hatte sie Cora geboren. Fiora, die bis dahin so verzweifelt Alberos Rückkehr herbeigesehnt hatte, fasste wieder Mut. Sie sorgte für ihr Kind und war täglich aufs Neue entzückt über dieses kleine Geschöpf, die Krönung ihrer Liebe.

Ja, und dann war das Schreckliche passiert, von dem Fiora kaum erzählen mochte.

Die Affenmenschen waren gekommen.

 

Der Aponunglabaumwald war voll von merkwürdigen Lebewesen, von deren Existenz die Menschen kaum eine Ahnung hatten, weil sie den Wald am liebsten nicht betraten. Die Affenmenschen waren den Dörflern bekannt. Sie waren wüste Gestalten, aber harmlos, wenn auch neugierig. Etwa so groß wie die Menschen, wirkten sie jedoch kleiner, weil sie vornübergebeugt gingen. Wenn sie es eilig hatten, liefen sie auf allen Vieren oder hangelten sich mit ihren langen Armen von Baum zu Baum. Sie waren von Kopf bis Fuß behaart, struppige Wesen mit hässlichen Gesichtern und riesigen Mäulern, in denen lange Zähne bleckten. Aber sie waren auch schreckhaft.

 

Oh, die Kinder kannten die Affenmenschen! Einmal waren diese zotteligen Wesen in ihre Schlucht eingedrungen. Die Berggipfel zu überwinden, war für die Affenmenschen anscheinend kein Problem. Aber die Wassermänner hatten sie wieder weggeschickt. Mit Akeo an der Spitze watschelten sie auf ihren flossenähnlichen Füßen den Affenmenschen entgegen und hatten eine Weile gestikuliert und verhandelt. Die Nöcks waren wirklich sehr weise. Die Kinder hatten sich oft gewundert, dass sie anscheinend in der Lage waren, sich mit allen Lebewesen zu verständigen und in Frieden mit ihnen zu leben.

 

»Ich hatte die Affenmenschen mittags schon gesehen«, erzählte Fiora, »ein paar dieser hässlichen Fratzen lauerten am Waldrand und kamen bis dicht an unsere Hütte. Aber dann waren sie wieder weg. Als du mich am späten Abend noch einmal geweckt hast, weil du gestillt werden wolltest, Cora, da stand auf einmal einer im Eingang. Ich schrie ihn gleich an: ›Verschwinde!‹ Normalerweise ließen sie sich so verscheuchen. Aber dieser nicht. Er kam auf mich zu, und ein paar andere drängten hinterher. Der erste streckte seine Arme nach dir aus und wollte dich mir entreißen. Ich hielt dich mit aller Kraft an mich geklammert und schrie ganz laut. Da packten sie mich an Armen und Beinen und trugen mich mit dir auf dem Arm aus dem Haus und in den Wald.

Sie liefen tief ins Dickicht hinein, weiter, als ich je vorgedrungen war. Ich konnte aber auch kaum wahrnehmen, wohin es ging, so sehr war ich damit beschäftigt, dich festzuhalten, während sie mich an allen Gliedern hinauf und hinunter zerrten. Sie bewegten sich die meiste Zeit etwas oberhalb des Erdbodens vorwärts, auf den ineinander ragenden Ästen der Aponunglabäume. Und es waren viel mehr geworden, merkte ich, nicht nur die paar, die mich aus der Hütte geholt hatten. Die anderen mussten im Wald auf sie gewartet haben. Sie wechselten sich beim Tragen ab. Es schien alles wie abgesprochen, als wenn sie genau wüssten, was sie taten, wo sie hinwollten und was sie mit uns vorhatten. Kein Zögern, keine Verständigung, alle schienen Bescheid zu wissen. Das erfüllte mich mit Angst.«

 

Erst nach Stunden, so schien es Fiora, hatte die Horde ein Lager aufgesucht, hoch in den Bäumen. Es dämmerte bereits. Die Affenmenschen brachen Zweige ab und machten sich damit kleine Nester in Astgabeln, auf denen sie sich niederließen.

Fiora taten alle Glieder weh, als die beiden, die sie zuletzt getragen hatten, sie losließen. Man hatte sie auf einem sehr hohen Baum abgesetzt. Der Affenmensch, der in der Hütte zuerst auf sie zu getreten war, setzte sich dicht zu ihr, ohne sie allerdings zu berühren. Sie war sich ziemlich sicher, dass er es war. Er war besonders massig und hatte eine sehr dunkle Gesichtsfärbung, ganz schwarz eingerahmte Augen, mit denen er sie unausgesetzt beobachtete. Dennoch hatte er nichts Bedrohliches an sich. Er riss Zweige ab, mit denen er eine Lagerstatt machte, und bedeutete ihr, dass sie sich hinlegen solle. Dann griff er mit seinen langen Armen nach einer reifen Aponunglabaumfrucht, pflückte sie und bot sie ihr an.

Aponunglabäume tragen das ganze Jahr über. Daher findet man auf ihnen immer gleichzeitig Blüten, unreife und reife Früchte und vergorene, aufgeplatzte und übel riechende Reste. Die Früchte sind sauer, aber sehr saftig und können daher sowohl sättigen als auch Durst löschen.

Fiora aß sie dankbar, während sie ihren Säugling stillte. Sie spürte, wie gut die Nahrung ihr tat. Alle Schmerzen und Ängste, die sie ausgestanden hatte, wichen einer wohligen Müdigkeit. Cora war völlig ausgehungert und empört. Sie hatte sich unterwegs schon mehrmals lauthals beschwert, war aber bei den Affenmenschen auf taube Ohren gestoßen. Jetzt trank sie in heftigen Zügen, aber unterbrach sich immer wieder, um ihren Unmut kundzutun. Erst allmählich beruhigte sie sich.

 

Obwohl Fiora sehr müde war, schlief sie kaum während der Rast. Sie hatte Angst, dass Cora herunterfallen könnte, und hielt sie daher fest umklammert. Jedes Mal, wenn Fiora wegnickte, lockerte sich ihr Griff, und sie schreckte wieder auf. Außerdem war es furchtbar feucht-schwül, und es wimmelte von allen möglichen Insekten, die auf ihnen herumkrabbelten, um sie herumflogen und -sirrten. Und die Geräusche, die sie in der Dunkelheit vernahm!

Aber am schlimmsten war die nagende Sorge: Was hatten diese Wesen mit ihnen vor? Sie hatte nie gehört, dass Affenmenschen Fleisch verzehrten. Aber wenn es so wäre, hätten sie sie doch spätestens, als sie lagerten, getötet. Vielleicht wollten sie sich erst an einem bestimmten Ort über sie hermachen? Sie strebten anscheinend irgendeinem Ziel zu. Vielleicht gehörte es zu ihren Bräuchen, zu bestimmten Gelegenheiten Menschen zu entführen und zu töten? Was wusste sie schon von diesen merkwürdigen Lebewesen, halb Mensch, halb Tier, aber den Menschen doch weniger vertraut als manche Tiere?

Und dennoch – ihr großer Bewacher sah zwar abstoßend aus, und sie konnte seinen strengen Geruch nach schweißigem Fell kaum aushalten, aber er selbst flößte ihr eigentlich weniger Angst ein als ihre eigenen Fantasien über das, was man möglicherweise mit ihnen vorhatte.

 

Als die Horde sich am Nachmittag bereit machte, wieder aufzubrechen, deutete ihr massiger Aufpasser auf sein breites Kreuz und stieß kehlige Rufe aus. Fiora begriff, dass sie auf seinen Rücken klettern und sich festhalten sollte. Sie wickelte Cora, so fest es ging, in ihre Kleidung. Dann stieg sie widerwillig, aber ergeben, dem Affenmenschen auf den Buckel. Mit den Händen hielt sie sich an seinen Schulterzotteln fest, während sie sich bemühte, Cora in der Höhle zwischen ihrem Bauch und dem Rücken ihres Lasttieres nicht zu sehr zu quetschen, aber doch sicher zu halten. Cora gefiel diese Position gar nicht. Sie konnte nichts sehen. Aber für Fiora war die Weiterreise so wesentlich angenehmer als das Gezerre der vergangenen Nacht. Und als die Kleine eine Weile im Dunkeln geschaukelt worden war, schlief sie auch wieder ein und verschlief den größten Teil der Reise.