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Als ihm sein Leben an Land zu turbulent wird, begibt sich Mark Herfurt auf hohe See. Ein Stipendium ermöglicht ihm, die "schwimmende Universität" zu besuchen – mit 200 Studenten aus 40 Ländern an Bord eines betagten Ozeanliners. Der unscheinbare Durchlavierer Mark sieht die Chance auf eine elitäre Ausbildung gekommen. Doch stattdessen fährt er hinaus ins Abenteuer seines Lebens. Kaum hat das Student Ship in Athen abgelegt, schwimmen seine seriösen Zukunftspläne davon. Er gerät mitten rein in den Dschungel der Kulturen und der Bordbeziehungen. Seine neuen Freunde, der Frauenflüsterer Emilio und der gescheiterte Investmentbanker Rodrigo, zeigen ihm nur zu gerne, wo es langgeht. Marks Zimmergenosse Casey erteilt ihm derweil Lektionen in Sachen Sorglosigkeit, und die weise Denise bringt ihm bei, warum er nicht alles glauben sollte, was er denkt. Und dann ist da noch Cansu. Als Mark sich Hals über Kopf in die geheimnisvolle Türkin verliebt, verliert er völlig die Orientierung und muss sich fragen, was ihm im Leben überhaupt wichtig ist. Zwischen Hochseehörsaal und Shanghais Wolkenkratzern, zwischen den Regenwäldern Panamas und den neuseeländischen Alpen geht es für die ungleiche Studenten-Crew in neun Häfen um die Welt. Und jedes Mal, wenn der Anker fällt, wird Mark ein Stück mehr zu dem, der er wirklich ist. Eine außergewöhnliches Coming-of-Age-Reiseabenteuer, inspiriert von wahren Begebenheiten
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Seitenzahl: 349
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CHRISTOPHER DAVID
ABENTEUEREINER STUDENTEN-CREWAUF WELTREISE
Für Miri, natürlich.
© Conbook Medien GmbH, Neuss 2019Alle Rechte vorbehalten.
www.conbook-verlag.de
Textredaktion: Kanut Kirches, Köln
Einbandgestaltung: Weiß-Freiburg GmbH – Graphik & Buchgestaltung unter Verwendung der Motive von shutterstock.com/James Steidl, istockphoto.com/ MicrovOne und istockphoto.com/saemilee
Illustrationen: Darja Eder, Klagenfurt
Satz: Röser MEDIA, Karlsruhe
Druck und Verarbeitung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 9783958892743
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DANKSAGUNG
Wer bin ich?
Im Halbdunkel besah ich meine Schemen im Hotelspiegel. Von draußen strömten die Geräusche und Lichter Athens durch die weit offenen Fenster. Auf meiner Haut ein Schweißfilm. Ich fletschte die Zähne. Sie leuchteten im Spiegel. Vor lauter Schatten konnte ich kaum meine Augen ausmachen. Ich fuhr mir mit den Fingern über die Konturen meines schmalen Gesichts. Eine widerspenstige Strähne hing mir in die Stirn. Ich strich sie zurück. Wer bin ich? Ich achtete auf das Surren des Deckenventilators. Er tat vergeblich seinen Dienst gegen die stehende Sommernachtsluft. Das Leinenlaken lag zusammengeknüllt auf dem Bett. Es musste mindestens zwei Uhr früh sein. In ein paar Stunden würde ich meine Sachen zurück in den Koffer packen und aufbrechen.
Ich ging zum Fenster und versuchte, Piräus, den Hafen von Athen, auszumachen. Irgendwo da, inmitten der fernen Flutlichter, lag das Schiff. Ein Schatten flatterte durch das Zimmer. Es konnte nicht lange dauern, bis ich auffliegen musste. Mein nackter Oberkörper schimmerte feucht im Spiegel. Licht und Schatten zeichneten die Bauchmuskeln heraus und ließen meine Arme definierter erscheinen, als sie waren.
Rund dreißig Grad – und das mitten in der Nacht. Meine Zunge lag trocken im Kiefer. Ich nahm den Zahnputzbecher, spülte ihn aus und ließ das Wasser weiterlaufen, in der Hoffnung, es werde kühler. Ob man in Griechenland Wasser aus dem Hahn trinken konnte?
Ich hätte mir einfach eine Flasche mit aufs Zimmer nehmen sollen. Wenn ich mir jetzt Legionellen einfing, wäre die Reise beendet, bevor sie überhaupt richtig begann. Für einen Moment schien mir das ein ganz annehmbares Szenario zu sein. Ich könnte es drauf ankommen lassen. Poseidon sollte über das Leitungswasser mein Schicksal lenken.
Ich füllte den Becher zur Hälfte und neigte ihn so, dass Licht einfiel. Waren da Krümel im Wasser? Vielleicht nur Kalk. Ich stellte den Schierlingsbecher auf den Nachttisch und legte mich rücklings aufs Bett. Es war ein Riesenfehler, in meinem Essay so zu übertreiben.
Die Schatten der Ventilatorblätter drehten sich so unaufhörlich wie mein Gedankenkarussell. Irgendetwas war doch faul an der Sache. Wenn sie weltweit Studenten aufnahmen, mussten gehörige Koryphäen dabei sein. Ich dagegen war ein überambitionierter Durchlavierer bei dem Versuch, mehr aus sich zu machen, als seine Kapazitäten hergaben.
Schließlich kreiselte mich der Ventilator in einen hauchdünnen Schlaf.
Das Taxi fuhr auf das Hafengelände ein. Ein Areal so groß wie eine deutsche Kleinstadt bestehend aus Maersk-Containern, Lastenkränen und geschäftigen Arbeitern in gelben Sicherheitswesten. Am Ziel-Dock angekommen, sah ich zum ersten Mal das Schiff leibhaftig vor mir. Ich kurbelte das Seitenfenster runter und atmete die frühmorgendliche Seeluft ein. Der Kahn verströmte den Charme eines alternden Jetsetters. Den gigantischen Containerfrachtern und Kreuzfahrtriesen ging unser Ozeanliner gerade einmal bis zur Brust. Eine einzige blitzblaue Linie führte den schnittigen, weißen Korpus entlang. Der Schriftzug »The Student Ship« wurde gerade erst auf den Bug gepinselt. Dieser Blick auf die Maler, die auf Holzbrettern sitzend von der Reling hingen und in Seelenruhe ihrer Arbeit nachgingen, während griechische Folklore aus einem Kofferradio klimperte, entspannte mich ein wenig. Ich konnte es schaffen. Die kochten doch auch nur mit Wasser.
In Grüppchen verteilt standen dutzende Studenten in der offenen Hafenhalle. Die meisten schienen kaum mehr als einen Trekkingrucksack dabei zu haben. Derweil türmte der Taxifahrer nach und nach mein Gepäck neben dem Wagen auf. Ein Überseekoffer, zwei Trolleys, ein Trekkingrucksack, eine Bauchtasche. Warum hatte ich mir bloß so viel Zeug aufschwatzen lassen? Ein geschniegelter Typ, der stolz aus einer Traube Mädchen herausragte, lachte bei meinem Anblick laut auf. Ich raffte meine Sachen umständlich zusammen und schleppte den ganzen Ballast zum Check-in. An einer Reihe von Tischen standen bullige Hafenarbeiter in Blaumann und Arbeitsstiefeln neben zierlichen Damen in Marinemontur bereit, um Gepäck und Personalien aufzunehmen. Ich versah jedes einzelne Stück mit Namen und Kabinennummer und überließ es den Packtrupps. Hoffentlich schmeißen sie gleich alles ins Wasser. Oder sie bringen es zur falschen Kabine. Da würde aber einer staunen.
Ich reichte der Administrationsdame meine ausgefüllten Papiere.
Datum: 5. September 2007
Name: Mark Herfurt
Geburtsdatum: 12.6.1984
Staatsbürgerschaft: deutsch
PLZ, Wohnort, Land: 50939 Köln, Deutschland
Studiengang: International Business
Level: Postgraduate
Familienstand: ledig
Gefahrengüter: nein
Bargeld von umgerechnet mehr als 10.000 USD dabei: nein
Und so weiter und so fort.
Sie bewegte lautlos die Lippen, während sie alle Informationen sorgfältig prüfte. Zufrieden mit den Angaben senkte sie die Papiere und schenkte mir ein Lächeln. Auf ihrem linken Schneidezahn prangte ein roter Fleck ihres Lippenstifts.
»Sehr gut. Sie müssen sich noch etwas gedulden, Sir. Wir sind in etwa einer Stunde bereit zum Boarding.« Mit einer Geste bedeutete sie mir, mich zu den anderen Wartenden zu gesellen.
Ich schob die Hände in die Hosentaschen meiner Jeans und sah mich um. Die Luft war geladen mit Erwartungen. Ein Projekt wie dieses hatte es noch nie gegeben.
Eine Gruppe Chinesen gluckte eng beieinander und sah immer wieder bang über die Schulter zu den westlichen Mitreisenden. Von denen plusterten sich einige auf und posaunten ihre Begeisterung lauter als nötig heraus. Andere dagegen drückten sich schüchtern in den Schatten.
Eine dunkelhaarige Schönheit schwebte in einigen Metern Entfernung vorbei. Ich starrte etwas zu lang zu ihr rüber, während ihr Parfum in meiner Nase spielte. Sie blitzte mich aus schwarzen Augen an. Gab es so etwas? Schwarze Augen? Vermutlich war ich noch nicht ganz wach. Nach der aufgewühlten Nacht fühlte ich mich nun am großen Tag der Abfahrt wie gerädert.
»Ich kann’s kaum erwarten«, verkündete eine freundliche Stimme mit spanischem Akzent. Ich wirbelte herum. Ein Kerl mit Dreitagebart und Sonnenbrille in den lockig zerzausten Haaren strahlte mir unternehmungslustig entgegen. »Ich wünschte, ich hätte gestern nicht mehr so lang gefeiert. War’s bei dir auch lang?«
Ich grunzte. »Wie man’s nimmt.«
»Emilio, direkt aus Nicaragua«, stellte er sich vor.
»Mark«, entgegnete ich und ehe ich mich versah, umarmte er mich zur Begrüßung wie einen alten Freund. Wir plauderten eine Weile über unsere Anreise.
»Ich glaube, es geht los.« Emilio deutete zur Administrationsdame, die nickend in ihr Walkie-Talkie sprach.
Dann knackte es in der Lautsprecheranlage, und ihre Stimme rief blechern zum Boarding. Hinter einer Reihe von Metalldetektoren öffneten Matrosen eine rote Kordel und gaben damit die Gangway frei. Die glitzernde Metallplanke führte steil hinauf in unsere neue Heimat. Emilio hüpfte neben mir aufgeregt auf und ab. Jetzt kribbelte es mir doch in den Fingern. Die Meute griff ihre Habseligkeiten und reihte sich erwartungsvoll vor den Detektoren auf. Hier und da wurden Kameras gezückt und es wurde für Gruppenbilder posiert.
Am Ende der Gangway begrüßten ein bärtiger Kapitän und seine Crew jeden Neuankömmling mit festem Händedruck. Auch sie waren sichtlich erfreut, dass es losging. Die Herde schob sich gleich weiter hinauf an Deck. Ich ließ mich mitziehen und beobachtete über die Reling gebeugt, wer noch so alles an Bord ging. Südamerikaner, Chinesen, Inder, Afrikaner, Europäer. Es war wie die Arche Noah.
Auf den Kabinenfluren wuselten die Neuankömmlinge suchend umher. Aus einzelnen Zimmern wummerte Hip-Hop. Da war ich. Kabine C35. Mein künftiger Mitbewohner öffnete mir die Tür. »Casey«, stellte er sich vor. Er kam aus Wisconsin, USA. »Gerade die Highschool abgeschlossen und schon auf Weltreise. Kein schlechter Start ins Leben, oder?«, grinste er.
Unter seiner weit zurückgeschobenen Basecap lugte eine blonde Tolle hervor. Seine Zähne strahlten bleaching-weiß. Die gleichmäßig dichten Augenbrauen verstärkten den gepflegten Eindruck. Sein Fred-Perry-Polo-Shirt verströmte einen intensiven Waschmittelgeruch. Casey ging mir gerade mal bis zum Hals. Er ertappte mich dabei, wie ich ihn musterte. »Alles in Ordnung, Buddy? Ist ja nur für vier Monate.« Ich nickte bestätigend. Ich hatte kein Verlangen, es mir schon vor Abfahrt mit meinem Zimmergenossen zu verderben.
Wir begannen uns auf unseren 16 Quadratmetern einzurichten. Obwohl draußen helllichter Tag war, mussten wir die Deckenbeleuchtung anschalten. Das kleine Bullauge ließ gerade so viel Licht einfallen, dass die Enden unserer Feldbetten erhellt wurden.
Schon nach den ersten verstauten T-Shirts ging uns der Platz im Kleiderschrank aus. Wir beschlossen, wohl oder übel die nächsten Monate aus dem Koffer zu leben. Ich hegte sogar den Gedanken, einfach den größten meiner Koffer bis zum Ende der Reise gar nicht zu öffnen.
Als das Nötigste ausgeräumt war, ließ ich mich auf meiner Matratze nieder. Casey tigerte derweil rastlos in der Kabine umher. Ich beobachtete ihn neugierig bei seinem Streifzug. Er schaute hinter den Schrank, prüfte das Sitzkissen des einzigen Sessels im Raum. Er ging ins Bad, öffnete den Spiegelschrank, starrte unschlüssig in die Badewanne und tastete schließlich auf Zehenspitzen balancierend die Decke ab. Nach eingehender Untersuchung wurde er fündig. Er warf mir einen verschwörerischen Blick zu. Meine Neugier schien ihm närrische Freude zu bereiten. »Dacht ich’s mir doch!«, triumphierte er schließlich. Er hob eine der Deckenplatten an.
»Siehst du? Kann man einfach so rauslösen.«
Er steckte seine Hand in die Öffnung. Dann ging er rüber zu seinem Koffer. Langsam ahnte ich, was er vorhatte. Er holte ein Paket gemahlenen Kaffee hervor. Aus dem Pulver brachte er wiederum einen dicken, in Frischhaltefolie gewickelten Klumpen zum Vorschein.
»Tadaa! Das hab ich in Athen aufgetrieben. Bestes Piece.«
Er nahm den braunen Klumpen, ging mit geschwellter Brust ins Badezimmer und verstaute ihn in dem Hohlraum, den er soeben hinter der Deckenplatte ausfindig gemacht hatte.
»Das heben wir uns für besondere Gelegenheiten auf«, versprach er feierlich.
Dann ertönte eine Durchsage, die uns für die Sicherheitsübungen an Deck beorderte.
Während wir mit Schwimmwesten und Rettungsbooten vertraut gemacht wurden, beförderten uns die Schiffsmotoren schäumend und gurgelnd aus der Anlegestelle auf die offene See. Der frisch gestrichene Schiffsschlot paffte dicke Wolken in den Himmel.
Rund um das Oberdeck drängten sich die Bewohner unserer exklusiven Gemeinschaft. Die gemischten Erwartungen waren deutlich von den Gesichtern abzulesen. Vor wenigen Wochen hatte ich noch ungläubig den Brief in den Händen gehalten, der erklärte, dass mir ein Vollstipendium für das Student-Ship-Programm bewilligt worden war. Ich konnte es kaum glauben. Das Stipendium deckte die kompletten Studiengebühren von 20.000 USD ab! Einfach so geschenkt. An meinen Noten konnte es nicht liegen. Die waren eher durchschnittlich. Der Grund musste mein flamboyantes Essay sein, in dem ich erklärt hatte, warum ich die ideale Besetzung für das Projekt sei. Von Neugier und Wissensdurst hatte ich darin geredet. Von weltoffener Persönlichkeit und prägenden Erlebnissen. Das Ganze hatte ich mit Zitaten großer Denker gespickt und so lange geschliffen, bis ich mich selbst überzeugt hatte, von unschätzbarem Wert für das neuartige Programm zu sein. Mit dem Stipendium kamen die Zweifel. Ich hatte mich lange mit meinem Kumpel Achim, beratschlagt, ob ich das Zeug dazu hatte, bei so etwas dabei zu sein. Und auch, ob ich damit alle Aussichten auf eine seriöse Laufbahn in den Wind schlug. Was sollten die Personaler später einmal sagen, wenn sie von einem Studium auf See lasen?
Achim hatte schließlich meine Zweifel zerstreut und mich überzeugt, es zu wagen. »So eine Chance kommt nie wieder«, waren wir uns einig.
Neben mir stand Ben an der Reling, ein Holländer, der auf wettbewerbsverzerrende Weise gut aussah. Eine sonnengebleichte Surfermatte traf auf einen lässigen blonden Bart und vollkommen symmetrische Gesichtszüge, aus denen abenteuerlustige Augen in die Welt spähten. »Das wird soo geil! Hast du mal die Frauen hier gesehen? Un-fucking-glaublich.«
Da tauchte Emilio neben mir auf.
»Es ist das Paradies, Mann. Wir sind schon tot.«
Ich lachte, dankbar für das einladende Thema. Die Frauen waren mir nicht entgangen. Wenn man genauer hinsah, zwängte sich sogar der Eindruck auf, dass die Männer in der Unterzahl waren.
»In der Unterzahl?«, freute sich der Bursche aus Nicaragua mit ungläubigem Blick. »Was meinst du? 40 : 60?«
Wir schätzten die Quote sachkundig ab und überboten uns mit den Hochrechnungen. Am Ende schüttelte Emilio nur noch den Kopf. »Tut mir leid Jungs, ich werfe euch jetzt einfach über Bord und dann verbringe ich den Rest der Reise damit, jede Frau auf diesem Schiff persönlich zu befriedigen.«
Er warf uns zwar nicht über Bord. Aber die Mission, jede Frau zu befriedigen, schien ihm die nächsten Wochen ernsthaft am Herzen zu liegen.
Als Athen langsam am Horizont verschwand und zu einem leuchtend weißen Kiesel in der Mittelmeersonne zusammenschrumpfte, begaben sich alle für die Einführungszeremonie zum Vorführsaal im Bauch des Schiffs.
Der Saal glühte angesichts der bevorstehenden Premiere. Wir nahmen auf den Kinositzen Platz, während sich die Dozenten auf der Bühne vor einem Theatervorhang aufbauten. Sie schnatterten genauso aufgeregt durcheinander wie wir.
An einem Stehpult bog ein weißbärtiger Professor den Mikrofonhalter für seine kleine Statur zurecht. Es klopfte und rauschte in den Lautsprechern. Das Stimmengewirr ebbte ab, als der Professor sich räusperte. In australischem Englisch hob er mit schnarrender Stimme an.
»Willkommen an Bord des Student Ships!«
Johlen und Applaus aus dem Publikum.
»Die nächsten vier Monate eures Lebens – die letzten Monate des Jahres 2007 – ist dies euer neues Zuhause. Keiner von euch ist zufällig hier. Jeder hat sich seinen Platz verdient. Was uns zusammenbringt, ist der Wunsch nach Wissen. Der Wunsch nach Abenteuer. Der Wunsch, zu verstehen.«
Schweigen in der Menge. Erhobene Brauen in den Gesichtern der Dozenten.
»Mein Name ist Theodore East. Ich bin seit vielen Jahren im Führungskreis der Ned Kelly University in Sydney, die Impulsgeber für das Student Ship war und in führenden Universitäten aus den USA, Südamerika, Afrika, China, Europa und dem Mittleren Osten erstklassige Verbündete für dieses Projekt gefunden hat. Ned Kelly ist eine Institution mit über 30.000 Studenten sowie 1.500 Dozenten und Wissenschaftlern, unter denen sich einige der führenden Denker unserer Zeit befinden. Unsere Institution hat sich von Beginn an kühner Innovation und Pionierarbeit in den Wissenschaften verschrieben. Da die Ned Kelly erst vor knapp 50 Jahren gegründet wurde, schleppen wir keine Altlasten oder hemmende Tradition mit uns herum. Die einzige Tradition, die wir kennen, ist der Entdeckergeist.«
Er machte eine dramatische Pause und nahm hörbar einen Schluck Wasser aus dem Glas auf seinem Pult.
»Mit diesem Entdeckergeist blicken wir mutig in die Zukunft. Und die Zukunft sitzt hier und heute vor mir. Ich sehe in junge, intelligente Gesichter, die sich getraut haben, den sicheren Boden eines Festland-Campus’ zu verlassen, um die Herausforderungen unserer Zeit hautnah zu erleben. Um sich persönlich ein Bild davon zu machen, wie eine globalisierte Welt aus der Nähe aussieht und funktioniert. Ihr seid die künftigen Führungskräfte eurer Disziplinen. Ihr seid die Lenker, Denker und Mitgestalter der Globalisierung.«
Tosender Applaus und begeistertes Pfeifen aus den Reihen der soeben beschworenen Führungskräfte.
»Auf unserer Reise zu vier Kontinenten – Europa, Amerika, Ozeanien und Asien – werden wir uns ein Bild vom Leben in Industrienationen, in Schwellenländern und der Dritten Welt verschaffen. Wir werden die Alte Welt Europa entdecken, die aufstrebenden Kräfte in Mittel- und Südamerika kennenlernen, Tahiti und Neuseeland erkunden, bevor wir meine Heimat in Down Under besuchen und das unaufhaltsam aufwärts drängende China erleben.«
Eine feine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus.
Ich rutschte unruhig in meinem Sessel umher.
»Jeder von uns wird dabei die Brille seiner jeweiligen akademischen Disziplin tragen. Die Studierenden der Bereiche Conflict Studies und International Relations werden selbstverständlich mit einem anderen Blick an Land gehen als die des Studiengangs International Business. Doch genau da liegt die Krux. Silodenken hilft in einer Welt der Verschmelzung und erhöhter Komplexität nicht weiter. Darum haben wir euch aus aller Herren Länder hierher berufen und in den Kabinen mit Kommilitonen aus anderen Kulturen und Studienrichtungen zusammengeführt. In vier Monaten auf diesem engen Raum werdet ihr euch austauschen und arrangieren müssen. Ihr werdet voneinander lernen, Konflikte lösen und euch gegenseitig inspirieren. Ihr werdet zusammen Erfolge feiern und euch bei Niederlagen stützen.«
Casey tätschelte mir ironisch das Knie. »Bist du bereit, Zimmergenosse?«
»Lass mich deine stützende Schulter sein«, bot ich ihm feixend an.
»An Bord erwartet euch ein straffes Lernprogramm. Ihr könnt mit 100 Seiten Lektüre pro Tag rechnen. Doch das werdet ihr schaffen. Denn an Bord gibt es nichts, was euch ablenken könnte. Es ist ein Ort der Konzentration, an dem ihr euch voll und ganz dem Studium widmen könnt. Ich möchte euch herzlich zu dem Abenteuer einladen, eure geistigen Grenzen auszuloten und zu überschreiten.«
Mir wurde langsam mulmig zumute. Verschwunden waren die Logo-pinselnden Griechen aus Piräus. Ich würde mich an diesem Vorhaben völlig überheben. Mein vollmundiges Essay forderte seinen Tribut.
Ich fragte mich, wie es den anderen um mich herum in diesem Moment ging. Wahrscheinlich lauter Überflieger, denen das hier alles viel zu leicht war.
»Ein paar Worte zu Ablauf und Organisation unserer Reise: Sechs Tage die Woche finden je zwei Vorlesungen statt. Eine am Vormittag und eine am Nachmittag. Mit dem siebten Tag halten wir es wie in der Bibel: Dann wird geruht.
Während der Landaufenthalte pausieren die Vorlesungen. Hier habt ihr jeweils eine ganze Woche, um euch mit den lokalen Gegebenheiten vertraut zu machen. Manche von euch werden die Zeit im Zielhafen verbringen wollen. Städte wie Lissabon, Panama City, Sydney oder Shanghai bieten Anreiz genug, dort zu verweilen. Andere werden wiederum kaum widerstehen können, sich einen Zug oder Inlandsflug zu nehmen, um so viel wie möglich vom Zielland zu erkunden. Tiefe oder Breite – ihr entscheidet. Beides ist im Interesse eures Studiums und im Gedanken des Programms so vorgesehen.
Es gibt allerdings eine Besonderheit zu beachten: die akademischen Feldprogramme, oder kurz AFPs. Wie ihr sicher in euren vorbereitenden Unterlagen gelesen habt, muss jeder Student auf seiner Reise mindestens drei dieser AFPs absolvieren.
Das heißt, in dreien der neun Länder, die wir ansteuern, ist die freie Zeiteinteilung auf zwei Tage vor Ort begrenzt. Den überwiegenden Teil der Zeit an Land werdet ihr akademischen Exkursionen widmen. Diese sehen selbstverständlich je nach Studiengang anders aus.
Für International-Business-Studenten liegt der Fokus auf wirtschaftlichen Themen. Sie treffen sich vor Ort mit Unternehmern und Managern, besichtigen Produktionsstätten und lernen die ökonomischen Gegebenheiten des Gastgeberlandes kennen. Die International Relations Studenten wiederum treffen sich vor allem mit Diplomaten und Politikern. Diejenigen unter euch, die sich für Conflict Studies entschieden haben, treffen sich mit spirituellen Führern, untersuchen die Kriegsgeschichte des Landes oder helfen bei kleineren humanitären Einsätzen.«
Ein Raunen ging durch den Saal.
Ich hatte mich bereits für Portugal, Australien und Ecuador entschieden. Portugal könnte ich am ehesten wieder von zu Hause aus bereisen. Und da das AFP nur tagsüber an fünf Tagen stattfand, hätte ich zumindest zwei freie Tage und an den Abenden Gelegenheit, Lissabon zu erleben.
Wenn ich die nötigen Noten erreichte, war Australien für mich die nächste Station nach dem Schiff. Hier würde ich noch genug Zeit verbringen, um meinen Master an der Ned Kelly abzuschließen. Natürlich nur sofern mein Notenschnitt an Bord ausreichte und mein Stipendium für den Rest des Studiums verlängert wurde. Alleine konnte ich mir die Uni in Sydney niemals leisten.
Mit der Vergabe meines dritten AFPs tat ich mich schwer. Da ich mir Ecuador ähnlich wie Panama vorstellte, wäre es nicht so dramatisch, dort im akademischen Teil gefangen zu sein. Immerhin hätte ich in einem der beiden Länder Zeit, frei zu reisen. Trotz all des Ehrgeizes, den ich mit mir rumschleppte, meldeten sich immer wieder alt gehegte Träume vom wilden Backpacker-Leben zu Wort, die aus Abenteuern und Freiheit gewebt waren. Die akademischen Feldprogramme entsprachen nicht gerade den haarsträubenden Reisevorstellungen, die ich insgeheim kultiviert hatte. Doch dann musste ich sie eben in Panama verwirklichen und die Zeit in Ecuador dem akademischen Teil opfern.
Professor East war noch nicht am Ende angelangt.
»Zu guter Letzt lasst mich euch eine kleine Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte, wie ich als Dekan an Bord dieses Schiffes gelandet bin«, fuhr er fort.
»Meine Nichte, Lydia, hat vor vielen Jahren einmal an einem nicht ganz unähnlichen Programm teilgenommen. Sie war damals noch an der Highschool. Eines Tages hat sie sich für einen mehrwöchigen Törn auf einem Schulsegelschiff eingetragen. Sie segelte zu fernen Häfen und erhielt Unterricht an Bord. Als sie wiederkam, merkte ich, welch positive Veränderung die Reise bei ihr bewirkt hatte und ich beschloss, Initiativen dieser Art nach Leibeskräften zu unterstützen, wenn ich eines Tages die Gelegenheit dazu bekommen sollte. Nicht nur kam Lydia mit einer neuen, offeneren Weltsicht zurück, sondern sie brachte Erinnerungen an einmalige Erlebnisse mit, die ihr ein Leben lang erhalten bleiben würden. Genau wie die Freundschaften, die sie damals an Bord geknüpft hat. Heute, viele Jahre später, haben diese noch immer Bestand. Nicht wenige Kontakte haben sogar zu beruflichen Chancen geführt, die sie ohne dieses enge Netzwerk nie bekommen hätte. Diese Kontakte und Freundschaften waren das wertvollste, was sie von der Reise mitgebracht hatte. Ganz nebenbei sei erwähnt, dass sie sich damals auch furchtbar unglücklich verliebt hat, eine Erfahrung, die ihr zu der Zeit wehtat, die ihr aber Weisheit und Resilienz für ihre heutige, glückliche Ehe, beschert hat.
In diesem Sinne möchte ich jeden Einzelnen von euch, die ihr mich hier mit neugierigen Augen anseht, dazu ermutigen: Nutzt jeden Tag! Tauscht euch aus, findet neue Freunde, lasst euch das Herz brechen und haltet Arme und Geist weit offen für neue Erfahrungen und neues Wissen! Und jetzt wünsche ich uns allen viel Spaß und eine aufregende Zeit!«
Anscheinend von den eigenen Worten gerührt, strahlte Professor East über das ganze Gesicht.
Wir sprangen klatschend und pfeifend aus unseren Sitzen auf. Was für eine Motivationsrede!
Meine Selbstzweifel wurden von einer Woge der Begeisterung fortgerissen und ich verspürte den aufkeimenden Glauben an eine strahlende Zukunft, die hier und jetzt begann – wenn ich es nur schaffte, mitzuhalten.
Nachdem sich die Versammlung aufgelöst hatte, begab ich mich auf Erkundungstour. Ich streunte, noch frisch inspiriert von der Rede, durch die Gänge Richtung Bug. »Ich ein Denker und Lenker der Globalisierung – wer hätte das gedacht?« Sollten wir soeben mit heißer Luft vollgepumpt worden sein, fühlte es sich zumindest ungemein erhebend an.
Vor jedem Fenster, das ich unterwegs passierte, bot sich das gleiche Bild: Meer soweit das Auge reichte. Im vorderen Teil des Schiffs wurde gerade ein Schwung Kisten in einen grell beleuchteten Raum getragen. An den Wänden hatte man IKEA-Regale aufgestellt. Die Fächer waren nur spärlich mit Büchern befüllt. Am Eingang befand sich ein Schreibtisch. Darauf das Schildchen »Library«. Die Bibliothekarin kramte gerade in einem Pappkarton mit folierten Büchern. Als sie mich bemerkte, richtete sie sich auf und strahlte.
»Willkommen in der Student-Ship-Bibliothek.« Sie machte eine auslandende Geste, um die ganze Dimension ihres kleinen Reiches zu demonstrieren.
»Sie ist noch etwas schwach auf der Brust, wie du siehst. Aber sie wird wachsen. Ich darf in jedem Hafen neue Bücher aus dem jeweiligen Land an Bord holen. Wer bekommt schon die Chance, eine Bibliothek komplett neu aufzubauen?«
Sie war sicher zehn Jahre älter als ich, trug ihr weizenblondes Haar auf Kinnlänge und polierte alle Naselang ihre pattfarbene Hornbrille mit einem Mikrofasertuch.
»Toll!«, attestierte ich ihr. »Wie baut man eine Bibliothek auf?«
Sie hielt einen Moment inne. »Also zunächst einmal benötigen wir natürlich die Titel, die auf dem Lehrplan stehen. Lass mal sehen, das sind die Bücher für International Relations, Conflict Studies, Meereswissenschaften … – wusstest du, dass sie an Bord ein Labor geschaffen haben, das unterwegs Wasserproben nimmt und untersucht?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung.«
»Was studierst du denn?«
Ich zögerte kurz. »International Business« war natürlich die Antwort auf die Frage der spitzgesichtigen Bibliothekarin. Ich bemühte mich, es mit der festen Stimme der Überzeugung hervorzubringen und nahm innerlich Haltung an.
»Oh, da hast du ja reichlich Kommilitonen. Das ist der größte Studiengang.«
»Schätze, die meisten wissen einfach nicht, was sie studieren sollen. Business klingt irgendwie logisch. Es will ja jeder am Ende in irgendeiner Form arbeiten.«
»Och, ich finde, das ist ein sehr nützliches Fach. Dazu haben wir auch ein paar tolle Bücher. Schau mal hier drüben.« Sie steuerte zielstrebig auf ein Regal zu. Auf dem Weg blieb ich an einer anderen Schrankwand hängen. Ich griff den Titel The Art of Dramatic Writing von Lajos Egri heraus.
»Ich seh schon, du bist fündig geworden. Das Buch hat an sich nichts mit dem Studium zu tun. Aber in amerikanischen Einrichtungen gehört Creative Writing einfach zur Grundausbildung. Die Techniken helfen ja letztlich auch bei Präsentationen oder Essays.« Ich blätterte durch die Seiten.
»Weil die Bibliothek so klein ist, können wir leider noch keine Bücher ausleihen. Aber du kannst dich jederzeit an einen der Lesetische hier setzen und alles lesen, was du willst.«
Von den fünf kleinen Rundtischen war nur einer besetzt. Daran saßen zwei kindlich wirkende Chinesinnen über dicke Wälzer gebeugt. Ich grüßte sie. Sie giggelten und winkten mir zu.
»Danke, ich komme bestimmt noch öfters her. Lassen Sie mich wissen, wie es mit dem Aufbau vorangeht.«
Samantha, die inzwischen ihr Namensschild angesteckt hatte, freute sich, dass ich mich freute, und machte sich wieder an das Auspacken der Kisten.
Um die Ecke gelegen entdeckte ich eine lederbezogene Tür. Als ich sie öffnen wollte, stoppte mich jemand.
»Halt, junger Mann. Das ist die Zigarren-Lounge.«
»Na, die schau ich mir doch gerne mal an.«
»Die Zone ist tabu für euch. Die Zigarren-Lounge wird jetzt als Lehrerzimmer genutzt.«
Ich gluckste. »Echt?«
»Ja, echt. Ich darf mich vorstellen: Ed Sullivan. Meeresbiologe.«
Er war ein hochgeschossener, glatzköpfiger Mann Mitte fünfzig mit strengen Zügen. Sein baumwollfarbenes Button-Down-Hemd trug er sorgfältig in die dunkle Jeans gesteckt. Ein weinroter Ledergürtel zog eine klare Linie zwischen intellektuellem Oberbau und den Niederungen des menschlichen Körpers.
»Mark. Freut mich.«
»Bist du auch Meeresbiologe?«
»Nein. International Business. Habe eben erst erfahren, dass man hier auch Meeresbiologie studieren kann.«
»Kann man nicht. Wir werden nur eine kleine Forschungsgruppe sein, die während der ganzen Fahrt immer wieder Wasserproben nimmt und diese untersucht.«
»Aha. Spannend. Tja, dann will ich mal.«
»Bitte.«
»Danke.«
Ich durchquerte das Student Ship einmal in seiner ganzen Länge von rund 200 Metern. Bei Vollauslastung bot es Platz für 600 Passagiere. Wir waren dagegen gerade einmal mit 200 Passagieren in See gestochen. Obwohl sich das Student Ship im Vergleich zu modernen Kreuzfahrtschiffen mit Platz für über 6.000 Gäste wie eine Fähre ausnahm, verlief ich mich am Anfang ständig. Es gab immerhin sieben Passagierdecks. Ganz oben lag das halb offene Tiber-Deck mit der Caribe Bar im Heck und der Starlight Bar mit Ausblick in Fahrtrichtung. In der Mitte befand sich das Atrium, eine offene Freifläche mit einem Meerwasser-Pool im Bierdeckelformat, einem überdeckten Buffet und dutzenden Plastiktischen und Stühlen. Hier wurde jeden Morgen das Frühstücksbuffet aufgebaut. Der Bereich entwickelte sich schnell zum zentralen Sammelpunkt zum Rauchen, Lernen und überhaupt jeder Art von menschlichem Austausch. Stieg man vom Tiber-Deck hinab, gelangte man in absteigender Reihenfolge zum Rio-Deck, dem Fidji-Deck, dem Brava-Deck – hier befand sich meine Kabine –, dem Kona-Deck, dem Orca-Deck und dem Azuro-Deck. Bei den ganzen blumigen Namen kamen mir immer wieder verstörende Bilder der staatlichen Fernsehserie Das Traumschiff und Rentnergruppen in Karibikhäfen in den Sinn.
Das Orca-Deck galt gleichzeitig als das Getto, da es tief im Schiffsbauch lag. In früheren Zeiten beherbergten die untersten Decks auf Ozeanlinern arme Großfamilien, Tagelöhner die sich ein Ticket ergattert hatten, Flüchtlinge und all jene, die man gemeinhin zum Pöbel zählte. Die Kommilitonen, die im Orca-Deck untergebracht waren, hatten gleich am ersten Tag mit Klebeband die Formen verunglückter Körper an Wände und Boden geklebt. Ein Pappschild warnte die Besucher mit einem »Welcome to the Ghetto«.
Als Nächstes besah ich mir die Starlight Bar. In dem Moment, da ich die Flügeltür aufstoßen wollte, kamen mir wieder die dunklen Augen aus der Hafenhalle in Piräus entgegen. Ihre Besitzerin starrte mich damit überrascht an, als hätte ich sie bei etwas ertappt. Ich fühlte ein angenehmes Kribbeln auf der Kopfhaut, während sich die Kleine verlegen an mir vorbei schob.
In der Starlight Bar fühlte ich mich wie in einem alten Bond-Film. Teppichboden mit psychedelischen Discomustern, eine babyblaue Theke, dazu Lehnenhocker mit weißen Kunstlederbezügen und Chrombeinen. Irgendwann einmal musste es den Zeitgeist getroffen haben. Das Schiff war schließlich seit 1966 im Betrieb.
Auf einem Plateau kauerten schwere Chesterfield-Garnituren. Ich nahm die drei Stufen hinauf und schaute durch die breiten Frontscheiben hinaus. Der Horizont bildete eine schnurgerade Linie zwischen Mittelmeer und Himmel. In der Bar war es völlig still. Nur ein Steinway-Flügel ließ erahnen, wie viel Musik hier über fast ein halbes Jahrhundert gespielt worden sein musste.
Die ersten Tage an Bord waren ein ständiges Erfragen und Vergessen neuer Namen. Ich lernte einen quirligen Typ aus Hongkong kennen, der stets mehr zu tänzeln schien als zu laufen. Ich machte Bekanntschaft mit Aaron aus Ghana, der mit seiner Nickelbrille und den farbenfrohen Gewändern wie ein afrikanischer Intellektueller wirkte. Ich lernte Araberinnen kennen, so hübsch, dass auch die lautesten Kerle in ihrer Nähe andächtig wurden wie Messdiener. Ich trank ein Dutzend Bier mit Ian, einem vierschrötigen Schotten, dessen bellende Lache jeden im Umkreis von fünfzig Metern zusammenzucken ließ. Ich sprach stundenlang in immer neuen Grüppchen, die sich beim Frühstück und Dinner noch völlig wechselhaft zusammenfanden.
Alles in allem waren wir ein Haufen Grünschnäbel um die zwanzig, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Es gab Optimisten und Skeptiker, überzeugte Muslime und unbekümmerte Agnostiker. Es gab Leute so vermögend, dass die Champagnervorräte aufgestockt werden mussten, und andere, die trotz Vollstipendium ständig bangten, ob ihre Reisekasse bis zum nächsten Hafen reichen würde. Jeden Tag erweiterte sich mein Mosaik durch neue Gesichter, Gesprächsfetzen, Kleidungsstile und Weltansichten.
Und dann war da noch Rodrigo. Rodrigo stand auf einmal mitten in meiner kleinen Kabine und schaute sich in aller Ruhe um. Als sein Blick schließlich an mir hängen blieb, sah er mich mit schiefem Grinsen an und sagte nur: »Wow, das ist aber verdammt viel Gepäck.«
Wir verstanden uns auf Anhieb.
Er überragte mich um einen ganzen Kopf. Mit einer Brust wie ein Wandschrank, grau meliertem Dreitagebart und einer scharf geschnittenen Nase war er für mich der männlichste Mann, dem ich in meinem Leben je begegnet war. Der Eindruck wurde durch sein Run-DMC-T-Shirt und die abgetragenen High-Top-Adidas verstärkt. Er drückte mir zur Begrüßung mit seiner mächtigen Pranke die Schulter. »Rodrigo. Encantado. Freut mich, dich kennenzulernen.«
Als wir über Coltranes Musik, die gerade bei mir auf dem Laptop spielte, ins Gespräch kamen, stellte sich heraus, dass Rodrigo Pink Floyd und harte Gitarrenmusik liebte. »Aber Coltrane war auch ein Rockstar. Guter Geschmack«, lobte er meine Auswahl.
Ich musterte ihn aus dem Augenwinkel. Er musste einige Jahre älter sein als die meisten von uns.
»Bist du Dozent?«, fragte ich hoffnungsfroh.
Ich erntete schallendes Lachen.
»Du meinst, weil ich so ein alter Sack bin? Nein, nein. Ich bin nur spät berufen.«
Er schob einen Haufen Kleider auf dem Sessel zusammen und ließ sich nieder.
»Weißt du, ich habe schon einige Jahre gearbeitet. Und dann …«, er zögerte. Seine Augen wanderten durch den Raum. »Na ja, dann habe ich in Berkeley entdeckt, dass man Conflict Studies studieren kann und hab mir gedacht, ich mach auch gleich das Schiff mit, als an der Uni das Gerücht davon rumging. Was für eine geile Geschichte. Hab’s erst für ein Campus-Märchen gehalten. Und dann gibt es das wirklich. Und jetzt stehen wir hier und unterhalten uns mitten auf dem Meer. Hombre, das Leben ist schon was.«
Banana Pancakes, gekochtes Ei, Bacon, Cornflakes, Joghurt, Industrie-Orangensaft, Obst – zum Frühstück gab es jeden Morgen das Gleiche. Zu Anfang schaufelten sich noch alle ihre Teller voll, wie man es im Urlaub tut. Man isst mehr als sonst, lebt ungesünder. Der Ahornsirup war längst von meinen Pancakes auf Obst und Ei übergelaufen, da ich alles aufgeladen hatte, was mir zwischen die Finger kam. Ich fand einen freien Platz bei einer Amerikanerin am Tisch. Sie stellte sich als Angie vor und gehörte offensichtlich zu der Sorte Fitnessjünger, die ihren Körper nach eigenem Willen modellieren. Etwas verlegen schaute ich auf die Schnitzer grünen Apfels mit Erdnussbutter auf ihrem Teller und das Häufchen Eiweiß, das sie fabrizierte, indem sie aus drei gekochten Eiern das harte Eigelb herauspulte. Sie bemerkte meinen Blick und musste lachen. »Niemals die Proteine vergessen«, rechtfertigte sie sich fröhlich. Diese unkomplizierte Art faszinierte mich. Der stereotype amerikanische Charakterzug, immer einen Spruch auf den Lippen zu haben und in allem eine Gelegenheit zum Smalltalk zu sehen, bewahrheitete sich bei nahezu jeder Begegnung.
Angie plapperte munter über ihr Athletic-Core-Programm und fragte, was ich von dem Fitnessraum hielt, anscheinend jedoch, ohne eine Antwort zu erwarten. Sie jedenfalls war der Meinung, dass er gerade so ausreiche. Wie alles auf dem Schiff, sei es eben eine Miniaturausgabe der Versionen an Land. Und auf diesem speziellen Schiff trugen grundsätzlich viele Dinge eine improvisierte Handschrift. Da es keine richtigen Hörsäle gab, fanden einige Kurse an der Bar statt. Für andere waren die Clubsessel aus den Salons geschleppt und durch Plastikstühle mit ausklappbarem Schreibtablett ersetzt worden. Dazu ein Flipchart und ein Beamer – fertig war der Hörsaal.
Die erste Vorlesung des Tages rückte näher und Angie verabschiedete sich. Noch im Davongehen sprach sie hier jemanden auf sein Frühstück an und verteilte dort ein paar Worte zum Wetter. Gerade in den ersten Wochen waren die US-Amerikaner für mich der soziale Schmierstoff auf dem Student Ship. Ihre lockere Art machte es allen leichter. Gleichzeitig waren viele von ihnen so laut und präsent, dass Kommilitonen anderer Kulturen unbemerkt untergingen. Eine kurze Begrüßung, und sie versanken sogleich eingeschüchtert in Schweigen.
Ich brachte mein Frühstückstablett weg und begab mich zur International-Trade-Vorlesung. Unser Dozent hieß Tim Kent. Er war ein groß gewachsener Kanadier mit einem wilden Schopf weißer Haare. Zum Unterricht erschien er in Karosakko, wallenden Leinenhosen und Ledersandalen. Es hatte sich schon in der ersten Vorlesung mit ihm herausgestellt, dass er ein begnadeter Entertainer war. Er brachte die haarsträubendsten Vergleiche, machte Zentralnotenbanker mit einem Seitenhieb auf ihre unvorsichtige Zinspolitik zu Schießbudenfiguren und nicht selten liefen seinem dankbaren Publikum vor Lachen die Tränen herunter.
Bald stellte sich das Gefühl einer gewohnten Umgebung ein. Wir hatten unsere Routine. Frühstück am Morgen auf dem Tiber-Deck. Vorlesung am Vormittag und eine lange Mittagspause bis zur nächsten Vorlesung am Nachmittag. Der große Speisesaal im Unterdeck öffnete jeden Tag punktgenau um 18.15 Uhr die Türen und hielt bis 21.00 Uhr warme Küche bereit. Der Abend stand zur freien Verfügung und wurde meist in den Kabinen oder an der Caribe Bar verbracht. Jede Tageszeit hatte ihre Reize, doch am liebsten war mir die lange Pause am Mittag. Das war die einzige Zeit, in der die Grüppchen aufgehoben waren und sich alle, die Platz hatten, im Pool drängten und die umliegenden Liegestühle in Beschlag nahmen. Dann fühlte ich mich als Teil einer besonderen Gemeinschaft. Eines ungewöhnlichen Campus auf hoher See. Emilio lag neben mir und beobachtete hoch konzentriert jede Bewegung der Frauen in unserer Nähe. Er wippte ungeduldig mit seinen Füßen. Hin und wieder ließ er einen sehnsüchtigen Seufzer erklingen, der einer Disney-Prinzessin alle Ehre gemacht hätte und murmelte etwas vom Paradies.
Einige Meter entfernt lag die Kleine mit den dunklen Augen. Sie lehnte auf ihre Unterarme gestützt auf der Liege und schaute sich verschlafen um. Ihr Bikini war marineblau und cremeweiß gestreift. Von ihren nassen Haaren rannen Wassertropfen zwischen ihren Schulterblättern den glatten Rücken herab und sammelten sich in dem Tal, das ihr nach oben geneigter Oberkörper und der Po ergaben. Es fiel mir schwer, nicht ständig hinzusehen. Sobald ich den Kopf zur Seite drehte, war sie genau in meinem Blickfeld. Ich musste daran denken, wie lange ich nicht verliebt gewesen war. Nachdem meine erste große Liebe, Nina, mich zum Ende der Schulzeit für einen älteren Typen verlassen hatte, der mit seinen 28 Jahren bereits Karriere als Unternehmensberater machte, war ein Teil meiner früheren Leichtigkeit von mir abgefallen. Ich dachte viel nach, wurde ernster und vergrub mich in Romane, von denen ich mir Antworten erhoffte.
Seit dem Aus mit Nina hatte ich ein paar Techtelmechtel gehabt. Eine Studentin aus einem höheren Semester, die meine Verkopftheit als Reife auslegte. Ein paar feuchte Küsse nach Mitternacht mit zufälligen Begegnungen auf der Tanzfläche. Eine Pandabärin, die mich auf einer schwülen Karnevalsparty aufforderte, ihre bedrohte Art in meinem Bett zu beschützen.
Kleine Episoden eben. Ab und an sehnte ich mich zurück in die alte Beziehung. Nicht so sehr wegen Nina selbst. Mehr wegen der Wärme und Vertrautheit des festen Zusammenseins.
Sie stand auf und ging davon. Meine Gedankenblase zerplatzte. Ich musste auch los zur nächsten Vorlesung. Erst jetzt nahm ich die Bewegung wieder wahr. Mir war, als hätte das Schiff den Mittag über stillgestanden und gerade erst die Motoren angeworfen. Liegestühle wurden klappernd zusammengeschoben, T-Shirts übergestreift und nass gespritzte Lehrbücher zusammengerafft. Die Gruppe löste sich schnatternd auf und das Student Ship zog weiter gemächlich seine Bahn durch das Mittelmeer, vorbei an Tunesien, Sardinien und den Balearen.
So waren die Tage warm und unbeschwert. Doch nachts wälzte ich mich stundenlang auf meiner Pritsche. Eingepackt in das fortwährende Brummen der Dieselmotoren zuckten die Zukunftsängste durch meinen Kopf. Wirre Szenarien, in denen ich zwischen Gedanken hin und her flackerte wie ein Sprung auf einer CD. Ängste, dass ich mich immer wieder falsch entschied. Vom Himmel rieselten verkohlte Geldscheine. Wände schoben sich zusammen und drohten mich zu zermalmen. Ein dunkles Gefühl nagte an mir, dass ich abstürzen würde wie mein Bruder. Immer wieder kam ich zu dem gleichen Schluss: Ich musste mich zusammenreißen, mich auf das Studium konzentrieren und das Beste aus mir machen. Das Ziel war die einzige Erdung, die ich vorzuweisen hatte. Es war wie ein Paar wohlmeinender Hände, die mich gegen die Schwerelosigkeit zu Boden drückten. Ohne sie wäre ich bei der nächsten ruckartigen Bewegung abgehoben und in das hohle Universum abgetrieben.
Am letzten Abend vor unserer Ankunft in Portugal – ein paar Stunden nachdem wir die Straße von Gibraltar passiert hatten – saß ich mit Rodrigo an der Bar, um Mädchen auszuchecken. Es waren so viele schöne Frauen an Bord, dass man nicht anders konnte, als ständig zu schauen.
»Die find ich auch super«, meinte ich mit einem Seitenblick auf eine kolumbianische Kommilitonin.
»Schon vergeben.«
»Wirklich?«
»Die hat was mit einem der Dänen.«
»Ein Jammer.«
Eine Latina mit wilden Locken durchquerte in grün-gelben Hotpants und eng anliegendem Top den Raum.
»Was ist mit der?«
»Nicht mein Typ«, verkündete Rodrigo zum wiederholten Male an diesem Abend.
Sie streifte uns im Vorbeigehen mit einem Lächeln, als wüsste sie genau, was hier gespielt wurde.
»Vielleicht sind wir etwas zu offensichtlich«, raunte ich.
»Okay. Versuchen wir’s mal subtiler.«
Ich deutete ganz dezent mit dem Kopf in die andere Richtung, in der sich eine Traube kalifornischer Studentinnen laut unterhielt und herzhaft lachte.
»Nee, Mann. Nicht mein Typ.«
In dem Moment kam Emilio vorbei.
»Jungs, es ist kaum mit anzusehen, wie ihr die Frauen wegstarrt. In Nicaragua kriegst du gleich einen über die Rübe, wenn dich jemand dabei erwischt, wie du sein Mädchen so krass angaffst.«
Verdammt. Wir mussten lachen.
»Wie sieht denn dein Typ aus, Emilio? Rodrigo scheint keinen zu haben.«
»Puh, ich glaube, ich habe auch keinen bestimmten Typ. Ich liebe einfach Frauen. Kann mir nicht helfen. Frauen sind das Beste am Leben. Ich mag die Kleinen und die Großen. Ich mag die Schlanken und die Lebensfreudigen, die sich nicht ständig um ihre Figur sorgen. Was soll ich sagen? Schau dich nur um. Ich könnte mich hier in fast jede verlieben.«
Ich schaute mich um und sah einige Frauen, die mir optisch auf Anhieb gefielen. Genauso sah ich aber auch viele, die mich überhaupt nicht ansprachen.
»Also ich weiß nicht …«
»Du guckst nicht richtig. Du musst danach schauen, ob sie von innen leuchten.«
»Von innen leuchten?«
»Ja Mann.« Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne und sog die Luft ein. Und wie er so da stand und die Frauen im Raum mit dem geschulten Blick eines Kunstexperten bedachte, ahnte ich, dass er es ernst meinte.
»So, und jetzt weise ich euch erst mal in die Grundübung des gehobenen Flirtens ein. Wenn sie mitbekommt, dass du sie ansiehst, hast du nicht mehr viel Zeit zu reagieren. Das ist ein strategischer Nachteil. Wenn du zu lange wartest und dann immer noch schaust, wirst du ganz schnell als Creep abgestempelt. Du willst sie nur einen Moment streichen. Sie sollen spüren, dass du sie goutierst. Wie den ersten Schluck eines guten Weins. Aber noch bevor sie sich versichern kann, ob du sie wirklich angesehen hast, siehst du wieder weg. Sie soll nur noch den Verdacht spüren, dass du diesen Bruchteil einer Sekunde mit ihr hattest.«
Doch es war schon zu spät für seine Tipps. Ehe wir es bemerkten, bewegten sich die Kalifornierinnen gesammelt auf uns zu.
Emilio verdrehte die Augen. »Ich hab’s euch gesagt. Mit so grober Technik kommt keiner davon.«
»Hey Jungs, wir haben uns gefragt, ob wir uns zu euch gesellen dürfen«, eröffnete eine kleine Blondine mit prächtigen Brüsten das Gespräch.
»Okay, elephant in the room«, sagte sie. »Wer hat denn jetzt das Rennen gemacht? Wir haben schon die ganze Zeit darauf gewartet, dass ihr Nummern vergebt.«