Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 450 - Helga Winter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 450 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Die gefürchtete Herrin - Die Leute glauben, sie habe kein Herz

Nach dem Tod ihres Vaters lastet auf den schmalen Schultern der jungen Kathleen die alleinige Verantwortung für Gut Moorgarten. Sie nimmt ihre schwere Aufgabe sehr ernst, doch überall begegnet man ihr plötzlich mit Ablehnung und Feindschaft. Die Leute glauben, sie habe kein Herz, und sehen nicht, wie empfindsam und verletzlich sie ist ...
Erst als Kathleen keine Kraft mehr hat und aufgeben will, erhält sie von unerwarteter Seite Hilfe ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die gefürchtete Herrin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: zadirako / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8151-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die gefürchtete Herrin

Die Leute glauben, sie habe kein Herz

Nach dem Tod ihres Vaters lastet auf den schmalen Schultern der jungen Kathleen die alleinige Verantwortung für Gut Moorgarten. Sie nimmt ihre schwere Aufgabe sehr ernst, doch überall begegnet man ihr plötzlich mit Ablehnung und Feindschaft. Die Leute glauben, sie habe kein Herz, und sehen nicht, wie empfindsam und verletzlich sie ist …

Erst als Kathleen keine Kraft mehr hat und aufgeben will, erhält sie von unerwarteter Seite Hilfe …

„Kommst du mit?“, fragte Georg Hildebrandt seine Stieftochter Ria.

„Nein“, lehnte sie ab und zuckte die Schultern. „Du hast ja Kathleen, ich möchte nicht stören.“

„Du weißt genau, dass du nicht störst“, wies der Mann sie scharf zurecht.

Er warf einen bittenden Blick auf seine Frau, aber Rosa tat, als ginge die ganze Unterhaltung sie nicht das Geringste an.

„Gut, wenn du nicht willst“, fügte er resigniert hinzu.

Seine zweite Ehe war kein Erfolg geworden, obwohl viele ihn um die schöne und elegante Rosa beneideten. Sie war eine charmante Gastgeberin, eine blendende Unterhalterin, wenn Gäste ins Haus kamen. Für ihn machte sie sich nicht mehr die Mühe, geistreich zu sein.

Seine finstere Miene erhellte sich erst wieder, als er auf dem Hof Kathleen mit den beiden Pferden warten sah. Seine Tochter war wirklich bildhübsch.

Ihre Augen strahlten wie immer, sie war so recht zufrieden und ausgeglichen, denn ihr Leben besaß einen Sinn. Sie arbeitete an seiner Seite auf und für Moorgarten, und die Leute respektierten in ihr die zukünftige Herrin.

„Fertig?“, fragte Kathleen, als der Mann ihr die Zügel des Hengstes aus den Händen nahm. „Und mach nicht solch ein finsteres Gesicht, Papa. Die Menschen sind nun einmal verschieden, und Ria interessiert sich halt nicht für unsere Arbeit.“

Ein wenig schwerfällig schwang Georg Hildebrandt sich in den Sattel.

„Sie sollte es aber tun“, gab er zurück. „Schließlich gehört sie jetzt zu uns, es wird Zeit, dass sie es einsieht. Ich will nicht, dass so viel Arbeit auf deinen Schultern ruht. Ria ist genauso jung wie du, sie könnte etwas mehr tun, als sich nur hübsch zu machen und Geld auszugeben.“

„Lass sie doch“, meinte Kathleen unbekümmert. „Ich nehme es ihr jedenfalls nicht übel. Ich arbeite gern, besonders mit dir zusammen. Du hast mir so viel gezeigt und warst immer so geduldig …“

„Ich brauchte bei dir nicht viel Geduld“, behauptete er. „Die Landwirtschaft und alles, was dazugehört, sitzt dir im Blut. Ich weiß noch, wie schnell du reiten gelernt hast.“

„Pferde bedeuten mir alles“, sagte Kathleen versonnen und tätschelte den glänzenden Hals ihres rassigen Tieres.

„Manchmal habe ich mich schon gefragt, was werden soll, wenn ich einmal nicht mehr bin“, äußerte ihr Vater mit gefurchter Stirn. „Ich werde mein Testament machen. Ich habe lange überlegt, glaube es mir, es ist kein leichter Entschluss. Jedem von uns kann etwas passieren, und ich möchte nicht, dass du jemals von Rosa abhängig bist.“

„Was soll das heißen?“, fragte Kathleen beklommen.

„Ich werde dich zu meiner Universalerbin einsetzen und Rosa und ihrer Tochter nur eine monatliche Rente zukommen lassen. Die beiden würden es im Handumdrehen schaffen, unser Moorgarten herunterzuwirtschaften.“

Kathleen brauchte Zeit, um diese überraschende Eröffnung zu verarbeiten. Die Stirn gekraust, ritt sie an der Seite des Vaters, und mit diesem Gesichtsausdruck ähnelte sie ihm verblüffend.

„Vielleicht ist es tatsächlich am besten“, äußerte die junge Dame Minuten später. „Ich hoffe nur, dass dieser Fall nicht so schnell eintreten wird. Rosa ist keine Frau, die sich zur Seite drängen lässt.“

„Sie wird es erst erfahren, wenn mir etwas passieren sollte“, schwächte der Mann ihre Bedenken ab. „Wenn wenigstens Ria etwas Interesse für unsere Arbeit zeigen würde. Stattdessen sitzt sie den ganzen Tag zu Hause und langweilt sich.“

„Ja, Interessen scheint sie wirklich keine zu haben“, warf Kathleen bitter ein.

„Ich habe schon daran gedacht, ob es nicht vielleicht das Beste wäre, wenn ich ihr irgendeine Pflicht aufzwinge, irgendeine Tätigkeit, für die sie verantwortlich ist. Was soll aus ihr einmal werden?“ Georg Hildebrandt hieb mit der Faust durch die Luft. „Sie hat nichts gelernt, sie ist nicht intelligent. Was macht solch eine Frau im Leben?“

„Heiraten“, sagte Kathleen prompt. „Ich glaube, um Ria brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Sie wird schon einen Dummen finden, der auf sie hereinfällt und für sie sorgt. Frauen wie sie finden immer einen Dummen.“

„Genau wie Rosa mich gefunden hat“, stellte der Vater mit ironischem Unterton fest. „Du hast recht, man braucht sich um solche Geschöpfe keine Gedanken zu machen.“

Die Pferde gingen im Schritt nebeneinander. Sie hatten es beide nicht eilig. Es kam selten vor, dass Vater und Tochter einmal über ihre privatesten Sorgen miteinander sprachen.

„Wenn ich ihr kein Geld mehr geben würde …“, überlegte der Gutsherr und warf einen fragenden Blick auf seine kluge und tüchtige Tochter.

„Sie wird Theater machen. Immerhin, es ist einen Versuch wert. Als Gutsbesitzer sollten wir unseren Leuten Vorbild sein, und die schöne Ria …“

„Man lacht über sie. Die Knechte wissen genau, was sie von ihr zu halten haben. Sie reden schlecht von meiner Stieftochter. Sie sagen sogar …“ Der Herr von Moorgarten senkte den Kopf. „Man munkelt da von einer Liebschaft mit einem Knecht.“

„Ausgeschlossen!“, fuhr Kathleen hoch. „So etwas wird sie uns nicht antun. Es ist bestimmt nur dummes Gerede.“

„Ich hoffe es auch. Aber nun lass uns von anderen Dingen sprechen. Ich werde Ria kein Geld mehr geben und abwarten, was sie dann tut. Wenn das Wetter anhält, werden wir das Heu übermorgen einfahren können. Würdest du dich darum kümmern, dass der Leiterwagen bis dahin repariert wird?“

Kathleen hörte genau zu und nickte. Sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Außerdem waren beide einsam, denn außer sich hatten sie keinen Menschen, der zu ihnen gehörte. Sogar das Herrenhaus war ihnen manchmal fremd, weil sich überall der Geschmack fremder Menschen breitmachte.

Das Land war ihnen vertraut, aber ihr Haus nicht mehr. Es hatte seit Georg Hildebrandts Heirat aufgehört, ein Heim zu sein.

♥♥♥

„Hallo“, grüßte Ria lässig, als sie ein paar Tage später abends Kathleens Zimmer betrat.

Ihre Stiefschwester saß am Fenster, ein Buch in der Hand, und sie hob nicht gerade erfreut den Kopf. Sie wusste aus Erfahrung, dass Ria nur den Weg zu ihr fand, wenn sie etwas von ihr wollte.

„Ich brauche Geld“, sagte Ria da auch schon. „Nur ein paar Hundert Mark. Der Alte will nichts rausrücken. Ich hoffe, du bist nicht so geizig.“

„Ich habe selbst kein Geld.“

„Du kannst den Alten darum bitten. Dir wird er nichts abschlagen, er ist ja ganz vernarrt in dich. Ehrlich gesagt, mir stinkt das hier alles. Um jeden Pfennig muss man betteln. Unsere Freunde werden hinausgeworfen … Ich sage dir, das sehe ich mir nicht mehr lange an!“

Ria ließ sich auf Kathleens Bett fallen und schlang die Hände um das emporgezogene rechte Knie.

„Ich brauche unbedingt etwas zum Anziehen. Aber mit dem Alten kann man ja darüber nicht reden. Er denkt, wir müssten alle so herumlaufen wie du. Ich will dich ja nicht kränken, Kathleen, aber mit deinen Klamotten ist nicht allzu viel los.“

„Mir genügen sie“, stellte ihre Stiefschwester kühl fest.

„Geschmackssache. Aber ich brauche etwas Neues. Geh zum Alten und leg ein gutes Wort für uns ein.“

„Es tut mir leid. Ich denke nicht daran, dir Geld zukommen zu lassen. Arbeite doch.“

„Ach, jetzt fängst du auch noch so an! Soll ich einen Kniefall machen und dir die Füße küssen?“

„Lass mich bitte jetzt allein. Ich mag nicht hinter Vaters Rücken irgendetwas tun, das er nicht billigen würde“, erwiderte Kathleen.

„Wie tugendhaft“, lobte Ria sie höhnisch. „Gut, wie ihr wollt.“ Mit wiegenden Schritten verließ sie Kathleens hübschen Raum. Ihre Augen waren hart wie Kieselsteine, und eine Falte teilte ihre Stirn. In diesem Moment sah sie nicht mehr hübsch aus, nur hart und grausam.

Sie wusste, dass ihr Stiefvater sich noch im Stall aufhielt. Leise öffnete sie die Tür des Arbeitszimmers und schloss sie behutsam hinter sich. Es gehörte nicht zu Georg Hildebrandts Gewohnheiten, den Schreibtisch zu verschließen.

Ria fand den Schlüssel für die Kassette sofort. Morgen war Lohntag, sie wusste es, die Kassette war bis obenhin voller Geld. Ihre Finger zitterten vor Gier, als sie die Scheine an sich raffte und flüchtig durchzählte.

Einen Moment zögerte sie noch, alles zu nehmen, dann sagte sie sich, dass es dem Alten auf ein paar Hundert Mark nicht ankommen würde. Ungefähr dreitausend Mark trug sie in der zur Faust geballten Hand, als sie Minuten später das Zimmer verließ.

♥♥♥

Georg Hildebrandt saß schon am Frühstückstisch, als Kathleen eintrat, und nickte ihr fröhlich zu. Er hatte heute Morgen auf einem anderen Feld zu tun gehabt und seine Tochter kaum gesprochen.

„Der Kaffee kommt sofort.“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Stuhl an seiner Seite. „Etwas Neues?“

Kathleen erzählte, was es zu erzählen gab, während sie mit gutem Appetit frühstückte. Ihre Stiefmutter und Ria ließen sich nicht sehen. Die beiden pflegten morgens lange im Bett zu liegen.

„Es ist so weit“, stellte Georg Hildebrandt mit einem Blick auf die Uhr fest. „Kommst du mit hinauf?“, fragte er.

„Selbstverständlich.“ Kathleen sah, wie ihr Vater die Schreibtischlade öffnete, den Schlüssel für die Geldkassette hervorzog und das Ding umständlich aufschloss.

„Hol den Ersten herein“, bat er seine Tochter, als er den Deckel zurückschlug. „Wir wollen gleich …“

Kathleen stand an der Tür, als er mitten im Satz abbrach. Verwundert schaute sie sich um.

„Was ist denn, Vater?“, fragte sie. „Du siehst so verstört aus.“ Sie ging zu ihm zurück und schaute in die Kassette.

„Wo ist das Geld?“

Der Gutsherr von Moorgarten hob ein paar Papiere hoch, obwohl er ganz genau wusste, dass er die Scheine obenauf gelegt hatte. Seine Finger zitterten.

„Das Lohngeld ist fort“, stieß er hervor, und seine Tochter erschrak über den plötzlich Verfall seines Gesichtes. Er, der sonst so gesund und blühend aussah, wirkte plötzlich um viele Jahre gealtert. „Es ist gestohlen“, murmelte er mit kraftloser Stimme.

„Quatsch, bei uns stiehlt keiner“, behauptete Kathleen burschikos. „Du wirst das Geld woanders hingelegt haben. Denk mal in Ruhe nach.“ Von draußen hörte sie die murmelnden Stimmen der wartenden Leute hereindringen.

Eine Viertelstunde später stand auch für Kathleen fest, dass die gesamte Summe gestohlen worden war. Genauso entsetzt und fassungslos wie ihr Vater starrte sie gegen die Wand.

„Wer kann es gewesen sein?“, fragte sie gepresst. „Hast du irgendeinen Verdacht?“ Sie wagte bei ihrer Frage nicht, ihn anzuschauen, weil ihr selbst ein ganz abscheulicher Verdacht gekommen war.

Jemand klopfte, Georg Hildebrandt rief automatisch „Herein“. Der Großknecht betrat das Zimmer, ein etwas verlegenes Lächeln in seinem gebräunten Gesicht.

„Entschuldigen Sie die Störung, Herr Hildebrandt, ich wollte nur daran erinnern, dass es schon halb elf ist, und wir sollten ja heute noch das Heu hereinholen.“

Sein Blick fiel auf die geöffnete Kassette, wanderte von dort weiter zum Gesicht der jungen Herrin und blieb schließlich auf Georg Hildebrandts eisiger Miene liegen.

„Ich muss die Polizei benachrichtigen. Wir haben einen Dieb im Haus. Die gesamten Lohngelder sind …“

„Aber das ist doch nicht möglich. Hier stiehlt doch keiner, Herr Hildebrandt, das muss ein Irrtum sein.“

Am Abend stand nach eingehender Untersuchung fest, dass keiner vom Personal den Diebstahl ausgeführt haben konnte.

„Ich danke Ihnen, meine Herren.“

Georg Hildebrandt geleitete die Beamten zum Auto und blieb lange draußen stehen, bevor er sich müde umdrehte und ins Haus zurückging.

„Reg dich doch nicht über diese Kleinigkeit auf“, empfing Rosa ihren Mann. „Du machst immer ein Theater um das Geld. Ruf in der Bank an, die Leute bekommen ihren Lohn eben morgen. Dreitausendfünfhundert Mark, das ist doch eine Kleinigkeit für uns.“

Ihr Mann schaute sie an und ließ sie dann einfach stehen. Sie begriff ja nicht, worum es ging. Er hatte seiner Familie bisher vertraut, jetzt konnte er es nicht mehr, Kathleen natürlich ausgenommen. Er fühlte sich erschöpft wie nach einem schweren, arbeitsreichen Tag, als er sich in sein Zimmer zurückzog.

In dieser Nacht erlitt er seinen ersten schweren Herzanfall. Aufgelöst stürzte Rosa in Kathleens Zimmer, völlig hilflos. Ihre Worte überstürzten sich, sie sprach so wirr, dass die junge Dame aus ihrem Bericht nicht klug wurde. Sie zog sich hastig den Morgenrock über und lief in das Schlafzimmer des Vaters.

Georg lag auf dem Rücken und atmete röchelnd. Seine Hand war in die Decke verkrallt, über sein bläulich verfärbtes Gesicht lief der Schweiß in hellen Tropfen.

„Wir müssen sofort den Arzt anrufen“, bestimmte Kathleen und hastete in die Diele hinunter.

Für sie kam dieser Anfall völlig überraschend, denn auch vor ihr hatte Georg Hildebrandt sein Leiden bisher verborgen.

Schon eine halbe Stunde später betrat Dr. Wiechert die Diele. Er sah eine dürftig bekleidete junge Dame, die ihm entgegenstürzte und ihn mit sich zog. Als Arzt war es gewohnt, die Angehörigen von Patienten in einer Art Panikstimmung vorzufinden, und verstand daher auch, dass die junge Dame ihn weder begrüßte noch ihren Namen nannte.

Er vertrat den alten Sanitätsrat während der Dauer seines Urlaubs, obwohl er selbst auch Urlaub verdient hätte. Als junger Arzt in einer Nervenheilanstalt verdiente er nicht übermäßig viel und war darauf angewiesen, während der vier Wochen des ihm zustehenden Urlaubs Kollegen zu vertreten.

„Lassen Sie uns bitte allein.“ Er schickte die beiden Frauen – Rosa war bei ihrem Mann geblieben – mit einer Handbewegung hinaus, bevor er sich an die Untersuchung machte.

„Wie lange braucht er nur?“, flüsterte Kathleen draußen auf dem Flur, wo sie mit Rosa wartete.

Einmal kam Dr. Wiechert mit der Frage zu ihnen, ob der Patient irgendwelche Medikamente einnahm. Rosa holte das Fläschchen, der Arzt nahm es und zog sich wieder in Georg Hildebrandts Zimmer zurück.

„Ich wusste gar nicht, dass Vater krank ist“, flüsterte Kathleen.

„Du weißt vieles nicht, mein Kind“, gab Rosa nüchtern zurück.

Vielleicht würde Georg sich noch einmal erholen, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall bestätigte ihr sein Anfall, dass sein Herz recht geschwächt sein musste und keine Aufregungen ertrug.

Sie würde schon dafür sorgen, dass er nicht mehr zur Ruhe kam. Für sie war er von Anfang an nur ein Mittel zum Zweck gewesen, eine Gelegenheit, reich zu werden, und nach seinem Tode war sie nicht nur reich, sondern auch unabhängig.

Rosa konnte schon wieder lächeln, als sie Kathleens Kopf in heuchlerischer Anteilnahme an ihre Schulter zog und automatisch tröstend über das hellblonde Haar des Mädchens strich.

Gut Moorgarten war einige Millionen wert, wenn man es verkaufte, und selbstverständlich würde sie genau das tun. Sie würde reisen, etwas von der Welt sehen, sie würde endlich das haben, was ihr die Ehe mit Georg vorenthalten hatte: Freiheit und Unabhängigkeit.

♥♥♥

Nach einer Woche etwa hatte sich Georg Hildebrandts Zustand einigermaßen gebessert, aber er musste noch das Bett hüten. Die Last der Verantwortung für das ganze Gut lag allein auf Kathleens Schultern.

Das Mädchen, sowieso zierlich und schmal, war in den letzten Tagen noch schlanker geworden, ihr Gesicht zeigte eine durchsichtige Blässe, ihre Augen wirkten unnatürlich groß. Sie hatte das Lächeln verlernt, selbst wenn sie morgens Dr. Christian Wiechert begrüßte, konnte sie es nicht um die Lippen zwingen.

Der junge Arzt bewunderte sie. Anfangs war sie Tag und Nacht bei dem Patienten gewesen, und erst, als sie selbst einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen war, hatte sie geduldet, von einer tüchtigen Pflegerin abgelöst zu werden. Sie hatte vierundzwanzig Stunden geschlafen, und als sie erwacht war, hatte man sie kaum wiedererkannt.

Ihre Heiterkeit, ein Grundzug ihres Wesens, war völlig geschwunden, als hätte es sie nie gegeben, und stattdessen lag ein tiefer Ernst auf ihren Zügen.

Rosa und ihre Tochter Ria kümmerten sich kaum um Georg Hildebrandt. Ihre ganze Fürsorge beschränkte sich auf gelegentliche Besuche im Zimmer des Kranken und auf ein paar gleichgültige Fragen nach seinem Befinden.

Er freute sich täglich auf die Zeit, die Kathleen für ihn erübrigen konnte. Meistens kam sie in ihrem staubigen Reitanzug, so wie sie über die Felder geritten war, gleich zu ihm. Sie versuchte, ihn nicht mit ihren Sorgen zu belasten, und zwang sich zu einem fröhlichen Ton.

Ihre Munterkeit war gespielt, schlecht gespielt.

„Bald bin ich wieder auf dem Damm“, versuchte er sie zu trösten.