Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 453 - Lore von Holten - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 453 E-Book

Lore von Holten

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Beschreibung

Die Jugendsünde der schönen Gräfin
Warum eine Frau so lange schwieg

Wilhelm Graf von Sohlen und seine Frau Auguste fährt der Schreck in die Glieder, als plötzlich ihr vorehelich geborener Sohn Peter vor ihnen steht. Sie hatten das Kind damals sofort nach der Geburt zur Adoption freigegeben, damit der gute Ruf der Familie keinen Schaden nahm - und es dann vergessen.
Mit diesem Menschen, der als kleiner Architekt sein Brot verdient, will die stolze Adelsfamilie von Sohlen auch heute nichts zu tun haben. Und so fordern sie ihn mit deutlichen Worten auf, unverzüglich wieder aus ihrem Leben zu verschwinden und nie mehr einen Fuß über die Schwelle ihrer herrschaftlichen Villa zu setzen.
Doch schon wenige Tage später müssen sie ihr schändliches Verhalten zutiefst bereuen. Auf Knien müssen sie den Verstoßenen um Vergebung bitten ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Jugendsünde der schönen Gräfin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Vladeep / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8154-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Jugendsünde der schönen Gräfin

Warum eine Frau so lange schwieg

Wilhelm Graf von Sohlen und seine Frau Auguste fährt der Schreck in die Glieder, als plötzlich ihr vorehelich geborener Sohn Peter vor ihnen steht. Sie hatten das Kind damals sofort nach der Geburt zur Adoption freigegeben, damit der gute Ruf der Familie keinen Schaden nahm – und es dann vergessen.

Mit diesem Menschen, der als kleiner Architekt sein Brot verdient, will die stolze Adelsfamilie von Sohlen auch heute nichts zu tun haben. Und so fordern sie ihn mit deutlichen Worten auf, unverzüglich wieder aus ihrem Leben zu verschwinden und nie mehr einen Fuß über die Schwelle ihrer herrschaftlichen Villa zu setzen.

Doch schon wenige Tage später müssen sie ihr schändliches Verhalten zutiefst bereuen. Auf Knien müssen sie den Verstoßenen um Vergebung bitten …

Dr. Witthalm, Stararchitekt und bekannter Lebemann, klopfte seinem Angestellten Peter von Regg wohlwollend auf die Schulter.

„Machen Sie sich mal keine Sorgen, mein lieber Regg, den Entwurf für das neue Gymnasium überlasse ich ganz allein Ihnen. Sie haben sich ja in letzter Zeit zu einer sehr begabten Kraft entwickelt.“

Peter von Regg, hochgewachsen, dunkelhaarig, stand etwas hilflos vor dem Schreibtisch seines Arbeitgebers. Peter war solches Lob nicht gewohnt, ebenso wenig wie die anderen Architekten, die für wenig Geld dem reichen Witthalm die Kleinarbeit vom Hals halten mussten.

Dr. Witthalm zupfte an seinen Manschetten. Mit Brillanten besetzte Knöpfe schimmerten hervor.

„Sie sind zu bescheiden, lieber Regg. Oder glauben Sie etwa, ich hätte Ihre Fähigkeiten bisher übersehen?“

Natürlich hat er sie übersehen, dachte Peter rasch. Meine Fähigkeiten und die meiner Kollegen nimmt er kaum zur Kenntnis. Er hält sie für eine Selbstverständlichkeit. Und gibt sie der Umwelt gegenüber als seine eigenen aus.

„Freut mich, Herr Doktor Witthalm …“, murmelte Peter.

„Aus Ihnen wird noch mal was!“, versicherte Dr. Witthalm. „Nehmen Sie den Lemmers und den König, die beiden sind ab sofort Ihnen unterstellt, solange Sie sich mit dem Entwurf für das Gymnasium beschäftigen. Ich gebe Ihnen drei Wochen Zeit, bis dahin können Sie eine ganze Menge geschafft haben.“

„Wir werden es versuchen, Herr Doktor Witthalm.“

„Also, ran an die Gewehre“, sagte Witthalm und nickte seinem Untergebenen zu.

Peter von Regg verstand. Die Audienz war beendet. Der junge Mann wandte sich zur Tür. Doch noch bevor er sie erreicht hatte, meldete sich Witthalm noch einmal zu Wort.

„Fast hätte ich es vergessen, mein lieber Regg, ich habe gehört, dass Sie zu einer Familie Lüders gewisse Beziehungen unterhalten. Stimmt das?“

„Ja, das stimmt …“

Witthalm grinste vielsagend.

„Tüchtig, tüchtig, kann ich da nur sagen, lieber Regg. Sie sehen ja auch gut aus, stellen etwas dar, haben eine Zukunft vor sich. Die besten Töchter des Landes sind für einen Mann wie Sie gerade gut genug. Habe ich recht?“

Peter von Regg lächelte gezwungen. Was sollte er darauf erwidern?

„Nun“, fuhr Dr. Witthalm fort, „die Sache hat natürlich viele Vorteile. Ich will hier nicht von Geschäften reden, das liegt mir fern. Aber es wäre schon denkbar, dass die Lüders-Werke demnächst auch mal an das Architekturbüro Witthalm denken, wenn sie irgendwelche Arbeiten zu vergeben haben. Das ist ja wohl unausweichlich, wie?“

Peter von Regg nickte. Etwas schnürte ihm die Kehle zu. Nun wusste er, weshalb Witthalm ausgerechnet ihm den Entwurf des Gymnasiums übertragen hatte. Aus purer Berechnung. Der Chef spekulierte darauf, dass sein junger Angestellter es verstehen würde, aus seiner Bekanntschaft mit Helma Lüders Kapital zu schlagen. Für Witthalm natürlich.

„So“, sagte Witthalm nach einem Blick auf seine protzige goldene Armbanduhr, „ich muss jetzt ins Ministerium. Das wird ein harter Kampf, wie Sie sich denken können. Bis man den Beamten etwas aus der Nase gezogen hat … Brr! Also, bis später dann!“

Peter ging. Er durchquerte das Vorzimmer des Chefs, murmelte den beiden Sekretärinnen einen kurzen Gruß zu und war zwei Minuten später im großen Zeichensaal.

Zehn junge Architekten arbeiteten hier. Jeder von ihnen hatte einen Schreibtisch und ein Zeichenbrett zur Verfügung. Zehn junge Leute, die voller Hoffnungen in ihren Beruf gegangen und in der Tretmühle Witthalm gelandet waren, wie sie die Firma nannten. Arbeiten und zusehen, wie Witthalm sein eigenes Etikett auf die Ergebnisse pappte.

„Na, Hochwohlgeboren, hat er dir den Kopf abgerissen?“, fragte Lorenz Mai, klein und etwas rundlich, Peters Nachbar im großen Büro.

„Im Gegenteil, er hat mir einen Floh ins Ohr gesetzt. Ich soll das Gymnasium machen.“

„Du? Ich denke der Althoff … Na, das wird den schön fuchsen. Du weißt doch, wie neidisch der ist, wenn ein anderer einen Auftrag bekommt, den er eigentlich für sich selbst erwartet hatte.“

Althoff, das war so eine Art Oberarchitekt. Er bekam mehr Gehalt als die anderen, und deswegen bildete er sich eine Menge ein. Seine jungen Kollegen ließ er das mehr als deutlich fühlen, und daher war er wenig beliebt.

„Ich kann auf das jähe Glück gern verzichten“, brummte Peter und trat an sein Zeichenbrett. „Der Alte hat nämlich so seine Hintergedanken.“

„Und die wären?“

„Kannst du dir das nicht denken?“

Mai pfiff durch die Zähne.

„Ah, ich weiß, deine Helma. Tochter der fast größten Werke dieser Stadt. Richtig?“

„Richtig. Witthalm denkt, ich werde von nun an pausenlos auf Helma einreden, dass sie ihren Vater auf das Architekturbüro Witthalm trimmt. So ein Werk hat natürlich bedeutende Objekte, wenn es neue Anlagen baut, und der Architekt kann daran eine Menge verdienen.“

„Na, dann viel Spaß. Wie groß ist deine Gehaltserhöhung?“

„Ich bitte dich!“, sagte Peter von Regg in gespielter Entrüstung. „Wie kannst du nur an den schnöden Mammon denken. Dafür habe ich ja die Ehre, das Gymnasium bauen zu dürfen.“

„Schöne Ehre“, murrte Lorenz Mai.

Sie wandten sich beide wieder ihrer Arbeit zu. Ab und zu warf einer der jungen Leute einen sehnsüchtigen Blick durch die breiten Atelierfenster in die Grünanlage, die das Bürogebäude umgab. Blumen blühten, und die Sonne lachte wie auf einem Ferienprospekt.

Eine Stunde später klingelte auf Peter von Reggs Schreibtisch das Telefon.

„Ein Gespräch von auswärts für Sie, Herr von Regg“, meldete die Zentrale.

Es knackte, dann meldete sich eine weibliche Stimme.

„Herr von Regg? Hier ist Frau Hiebel, Ihre Nachbarin …“

„Was gibt es denn, Frau Hiebel?“

„Ich weiß nicht, das ist so komisch. Ich wollte zu Ihrer Mutter in die Wohnung, weil wir doch jeden Vormittag um elf Uhr zusammen Kaffee trinken. Aber sie macht nicht auf.“

„Dann ist sie eben zum Kaufmann gegangen.“

„Nein, Herr von Regg, ich weiß genau, dass Ihre Mutter daheim ist. Ich klingele schon seit einer halben Stunde. Und jetzt dachte ich, vielleicht ist ihr etwas passiert …“

„Aber Frau Hiebel, so leicht passiert Mutter nichts. Trotzdem, ich komme mal auf einen Sprung vorbei.“

„Ist schon recht, Herr von Regg. Inzwischen versuche ich es noch einmal.“

Peter legte auf und ging zum Schreibtisch des Oberarchitekten hinüber.

„Herr Althoff, ich muss kurz nach Hause. Mit meiner Mutter scheint etwas nicht in Ordnung zu sein.“

Althoff hob seinen kahlen Schädel. Sein Gesicht war säuerlich wie immer.

„Kann das nicht eine Nachbarin erledigen?“, fragte er unwillig.

„Eben nicht.“ Peter erklärte ihm, was er wusste.

„Meinetwegen. Aber Sie sind gleich zurück.“

Missmutig blickte Althoff dem jungen Mann nach, der schnell das Büro verließ.

Peter fuhr nach Hause. Eine etwas abseitsgelegene Wohnstraße, die früher einmal bessere Zeiten gesehen haben mochte. Viergeschossige Häuser, voll mit Mietern. Was hier wohnte, war zwar nicht gerade arm, aber auch nicht wohlhabend.

„Sie hat immer noch nicht geantwortet, Herr von Regg“, sagte die Nachbarin aufgeregt, als Peter das zweite Stockwerk erreicht hatte.

„Das werden wir gleich haben. Jedenfalls vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Frau Hiebel.“

Peter schloss die Wohnungstür auf.

„Mutter!“

Keine Antwort. Peter von Regg ging in die Küche. Jäh stockte sein Schritt. Seine alte Mutter lag auf dem Boden. Reglos.

„Mutter!“

Peter kniete neben ihr nieder. Er versuchte, die alte Frau anzuheben. Es gelang ihm leicht, denn sie war so zierlich. Frau Hiebel, die mit in die Wohnung gekommen war, schlug entsetzt die Hand vor den Mund, als Peter die leblose Frau auf die Couch im Wohnzimmer trug und sie dort sorgsam niedersinken ließ.

Er war bleich, als er nach ihrem Puls fühlte. Doch der Puls ging noch.

„Schnell, Frau Hiebel, telefonieren Sie nach einem Arzt.“

♥♥♥

Wilhelm Graf von Sohlen kam vom Tennisplatz zurück, der etwas abseits von der großen Villa im weitläufigen Park verborgen lag. Der Graf war nicht mehr der Jüngste, aber sein Schritt war noch elastisch. Der weiße Tennisanzug und das weiße Haar bildeten einen blendenden Kontrast zu seiner gebräunten Haut. Wenn man ihn sah, wusste man auf den ersten Blick, dass dies ein vermögender Mann von Welt war.

Der Graf betrat die Terrasse, die fast der ganzen Breite der weißen Villa vorgelagert war. Er schaute auf die Sonnenuhr. Sie war vor drei Jahren in die Terrasse eingelassen worden. Das Gestänge war vergoldet, die Stundenmarkierungen bestanden aus Halbedelsteinen.

Gleich zwölf. Die Gräfin schlief wohl noch. Mit ihr war vor dem Mittagessen meistens nicht zu rechnen.

Der Butler trat aus dem Haus. Schwarze Hose, gestreifte Weste, weißes Hemd. Das war das Äußerste an Erleichterung, das Johann sich an so warmen Tagen wie heute gestattete.

„Herr Graf wünschen?“

„Einen Drink, Johann. Dann werde ich duschen. Was macht meine liebe Familie?“

„Die gnädige Frau ruht noch. Die gnädige Komtess ist in die Stadt gefahren, der gnädige junge Herr wünscht den Herrn Grafen zu sprechen.“

„Er soll kommen. Und bringen Sie gleich einen Drink für ihn mit. Wie ich ihn kenne, wird er Nachdurst haben.“

Der Graf wusste, dass sein Sohn erst gegen drei oder vier Uhr heute Morgen heimgekommen war. Das war bei Holger keine Seltenheit.

Meine Familie führt ein ziemliches Lotterleben, dachte der Graf, als er den Tennisschläger auf den Tisch legte und auf den Drink wartete.

Der Drink kam zusammen mit Holger. Das älteste seiner beiden Kinder. Ziemlich lang, etwas dünn, gutes Gesicht. Die Ähnlichkeit mit dem Vater war unverkennbar. Freilich schien er nicht die Vitalität und die Persönlichkeit des alten Grafen zu besitzen.

„Guten Morgen, Vater.“

„Guten Morgen, Holger. Ich hatte dich auf dem Tennisplatz vermutet. Aber du warst nicht da.“

„Tut mir leid, Vater, ich leide heute unter Konditionsmangel.“

„Dafür warst du gestern Abend besonders fit, wie?“ Graf von Sohlen lachte und nahm einen Schluck aus dem Glas.

„Stimmt, Vater. Ich habe nämlich eine tolle Eroberung gemacht. Du wirst staunen.“

„Bei dir staune ich nicht mehr. Jede Eroberung, von der du mir bislang erzählt hast, begeisterte dich kaum länger als zwei oder drei Wochen.“

„Diesmal ist es anders, Vater. Ich habe eine echte Prinzessin kennengelernt. Was sagst du jetzt?“

„Hört sich nicht schlecht an“, sagte der Graf. So etwas beeindruckte ihn tatsächlich, denn es war seine Marotte, dass der Familienrang seines Namens nach Möglichkeit aufgebessert werden müsste. Zwar waren die Grafen von Sohlen ein altes begütertes und geachtetes Geschlecht, aber Verbindungen zum Hochadel gab es bisher nicht. „Einzelheiten, bitte.“

„Nur zu gern, Vater. Wunderbares blondes Haar, herrlich sprechende grüne Augen, ein geradezu blühender Mund. Die Nase ist …“

Der Graf winkte amüsiert ab.

„Geschenkt. Mir ist klar, dass sie die Venus persönlich darstellt. Kommen wir zu den Fakten. Name?“

„Claudia Prinzessin von Fürstenau.“

„Fürstenau?“, überlegte der Graf. „Welche Linie?“

„Vater, was du auch gleich wissen willst!“, sagte der Sohn lachend. „So genau weiß ich das natürlich nicht. Aber …“

„Johann!“, rief der Graf den Butler. Und als er erschien, trug er ihm auf, das Adelsbuch zu bringen.

Es war nach wenigen Augenblicken zur Stelle.

„Wo wohnt sie? Wie alt ist sie?“, wollte der Graf von seinem Sohn wissen, während er das Buch aufschlug.

„Sie wohnt in München. Etwa dreiundzwanzig Jahre alt. Sie ist mit einer Freundin hier. Bei Volkmanns habe ich sie gestern auf der Party getroffen. Volkmann, das ist ein sehr wohlhabend gewordener Makler. Zwar nicht gerade eine Zierde der Gesellschaft, aber ein Mann von Einfluss mit viel Sinn fürs Amüsement. Deswegen ist er bei den oberen Hundert der Stadt trotzdem recht beliebt.“

„Hier haben wir es. Das muss sie sein“, sagte der Graf. Er las einen Moment, dann ließ er das Buch sinken. „Weißt du, dass sie arm ist wie eine Kirchenmaus?“

„Im Ernst?“

„Das war die Sache mit dem alten Herzog Josef. Er hat sich mit seinem Bruder überworfen und ihm vor lauter Stolz das ganze Erbe überlassen. Der alte Herzog glaubte wohl, auch wenn man ein Erbe weggibt, bleibt man ein reicher Mann. Jedenfalls ist er der Großvater deiner Claudia gewesen. Er starb kurze Zeit später, ziemlich unvermögend natürlich. Sein Sohn hat sich zwar bemüht, den Fehler auszubügeln, aber es ist ihm nicht gelungen. Er hat als Rechtsanwalt in München gearbeitet. Tut er wohl auch jetzt noch, so jedenfalls steht es im Buch hier. Ja, und das ist nun dessen Tochter, dein Wunderwesen.“

Holger von Sohlen nahm einen Schluck.

„Ist das für uns so wichtig, Vater?“, fragte er leichthin.

„Ein bisschen schon“, erwiderte der Graf. „Im Übrigen hast du vollkommen recht, diese Fürstenau ist schon eine bemerkenswerte Person. Was hast du mit ihr vor?“

„Ich habe sie eingeladen. Heute Nachmittag zum Tee möchte ich sie dir und Mutter vorstellen.“

„In Ordnung. Ich komme später hinzu. Gleich nach dem Essen fliege ich nach Hamburg, aber um fünf bin ich wieder zurück.“

„Danke, Vater. Ich bin überzeugt, du wirst von ihr genauso begeistert sein wie ich.“

♥♥♥

Peter von Regg ging in der Wohnung auf und ab. Vom nahen Kirchturm schlug es die zweite Morgenstunde.

Die Gedanken des jungen Mannes waren bei seiner Mutter. Sie lag im Krankenhaus. Er selbst war dort gewesen, aber um elf Uhr hatte man ihn heimgeschickt.

„Sie können ja doch nichts machen, Herr von Regg“, hatte der junge Arzt gesagt. „Ihre Mutter ist bei uns in besten Händen. Gehen Sie heim und versuchen Sie zu schlafen.“

Peter war durch die Straßen geirrt. Erst vor einer Stunde war er heimgekommen. Schlafen, nein, das konnte er nicht. Die Angst um seine Mutter ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.

Die alte Dame hatte einen Schlaganfall erlitten. In ihrem Alter war das eine böse Sache. Das Bewusstsein hatte sie noch nicht wiedererlangt.

Jeder Mensch steht einmal am Ende seines Lebens. Das ist eine unumstößliche Tatsache. Aber wenn man mit dieser Tatsache konfrontiert wird, dann ist sie immer wieder von Neuem schlimm und bestürzend.

Peter von Regg dachte voller Liebe an seine alte Mutter, während er ruhelos durch die kleine Wohnung wanderte. Er sah sie vor sich, wie sie in der Küche arbeitete, wie sie die Zimmer aufräumte, wie sie über ihren Papieren saß.

Frau von Regg hatte ihre kleine Rente durch Übersetzungsarbeiten für eine mittlere Firma ein wenig aufzubessern versucht, aber in den letzten Jahren hatte sie mehr und mehr Schwierigkeiten gehabt. Die Augen wollten nicht mehr so recht, und sie wurde wohl auch langsamer.

Seinen Vater hatte Peter von Regg nie gekannt. Und er hatte von ihm auch nicht viel erfahren. Mutter wurde sehr einsilbig, wenn sie auf dieses Thema kamen. Peter mochte nicht in sie dringen, weil er merkte, dass ihr solche Erörterungen zuwider waren. Vermutlich hatte es da eine Scheidung oder ähnlich Unerfreuliches gegeben.

Auf keinen Fall, dessen war sich Peter sicher, konnte das Unangenehme von der Mutter verursacht worden sein. Eine liebenswürdigere und hilfsbereitere Frau als sie konnte man sich kaum vorstellen. Alle, die sie kannten, schätzten sie sehr.

Und vor allem war sie immer eine wundervolle Mutter gewesen. Sie hatte sich für ihren Einzigen förmlich aufgeopfert. Sie hatte alles getan, um ihm eine schöne Jugend zu schenken und ihm den fehlenden Vater zu ersetzen. Und deshalb liebte Peter seine Mutter über alles.

Aus diesem Grunde hatte er sie bisher auch noch nicht verlassen. Vielleicht später einmal, wenn er eine eigene Familie gründete. Aber das waren Erwägungen, die bislang reine Theorie geblieben waren, denn mit der eigenen Familie hatte es allem Anschein nach noch lange Zeit. Weil Peter bisher kein Mädchen getroffen hatte, das … außer Helma …

Ja, außer Helma, aber das war ein sehr schwieriges Kapitel. Kein Wunder, wenn man sich vor Augen hielt, dass er nichts als ein kleiner angestellter Architekt war, sie hingegen die Tochter eines für diese Stadt bedeutenden Fabrikanten. Millionärstochter.

Die übliche Problemstellung. Die jungen Leute hatten sich vor ein paar Wochen zufällig kennengelernt, hatten Gefallen aneinander gefunden, hatten Küsse getauscht. Sie trafen sich immer wieder, und es war jedes Mal herrlich!

An die Zukunft dachten sie nicht. Dazu kannten sie sich noch zu kurze Zeit. Und außerdem mochten sie nicht daran denken, weil sie die Schwierigkeiten bereits ahnten. Vor allem bei Helmas Vater. Der würde ja wohl jeden anderen als Schwiegersohn erwarten als einen kleinen Angestellten.