Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 454 - Ina Ritter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 454 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Die Ehre verloren
Die Liebe lässt sie alles ertragen

Lambert Sandig ist der glücklichste Mensch auf Erden, als seine Braut ihm vor dem Traualtar ihr Jawort gibt. Esther ist es gelungen, Lambert geschickt um den Finger zu wickeln, um endlich aus der Bar herauszukommen, in der sie bis jetzt gearbeitet hat.
Die Mutter des Bräutigams hat das durchtriebene Luder längst durchschaut, aber all ihre Versuche, ihrem verliebten Sohn die Augen zu öffnen, sind kläglich gescheitert. Lambert ist seiner betörend schönen Frau vollkommen verfallen und blind für die dunklen Abgründe ihrer Seele. Doch schon bald entpuppt sich Esther als gemeine Diebin, und als Lambert sich schützend vor seine Frau stellt, verliert er alles - Stellung, Ehre und Ansehen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Ehre verloren

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Boiko Olha / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8155-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Ehre verloren

Die Liebe lässt sie alles ertragen

Lambert Sandig ist der glücklichste Mensch auf Erden, als seine Braut ihm vor dem Traualtar ihr Jawort gibt. Esther ist es gelungen, Lambert geschickt um den Finger zu wickeln, um endlich aus dem Etablissement herauszukommen, in dem sie bis jetzt gearbeitet hat.

Die Mutter des Bräutigams hat das durchtriebene Luder längst durchschaut, aber all ihre Versuche, ihrem verliebten Sohn die Augen zu öffnen, sind kläglich gescheitert. Lambert ist seiner betörend schönen Frau vollkommen verfallen und blind für die dunklen Abgründe ihrer Seele. Doch schon bald entpuppt sich Esther als gemeine Diebin, und als Lambert sich schützend vor seine Frau stellt, verliert er alles – Stellung, Ehre und Ansehen …

Franziska Engelke stand am Fenster ihres wunderschönen Arbeitszimmers und schaute hinaus.

In einer halben Stunde begann die erste Konferenz dieses Vormittags. Franziska erwartete die leitenden Herren ihrer Kunststofffabrik und war froh, noch ein paar Minuten für sich zu haben.

Ewald Engelkes Sohn war im Krieg gefallen. Nur sie, Franziska, war ihm geblieben. Wie schön war die Zeit früher gewesen, als sie ohne Sorgen in den Tag hineingelebt, die Tanzschule besucht und mit ihren Freunden Partys besucht hatte.

Dann hatte ihr Vater sie mit in den Betrieb genommen. Von der Pike auf musste sie alles lernen, er hatte ihr nichts geschenkt.

Franziska Engelke bewohnte mit ihrer Mutter eine herrliche Villa, der Vater hatte sie kurz vor seinem Tode noch bauen lassen.

Wozu rackere ich mich eigentlich so ab?, fragte sie sich. Ich arbeite und weiß nicht, wofür. Sie hatte keinen Menschen außer ihrer Mutter, der wirklich Anteil an ihr nahm.

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Franziskas Gesicht, als sie sich die zierliche alte Frau Harriet vorstellte. Sie war schlicht geblieben, eine Frau, die nichts von Geschäften verstand.

Das Summen des Lautsprechers auf dem Schreibtisch riss sie in die Gegenwart zurück.

„Gnädiges Fräulein, die Herren warten“, meldete ihre Sekretärin Fräulein Oettken.

Franziska drückte einen Knopf.

„Führen Sie die Herren herein“, ordnete sie an und straffte ihre schlanke, zierliche Gestalt.

Die Chefin des großen Werkes lächelte ihren Direktoren freundlich entgegen und lud sie mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen.

„Was gibt es heute zu besprechen?“, erkundigte sich Franziska freundlich.

„Sie werden mein Rücktrittsgesuch schon erhalten haben, gnädiges Fräulein“, äußerte Direktor Sonnemann. „Darf ich hoffen, dass Sie mit dem von mir vorgeschlagenen Termin einverstanden sind?“

Jetzt rächte es sich, dass Franziska die Morgenpost noch nicht gelesen hatte. Direktor Sonnemann leitete die Produktionsabteilung, also den technischen Teil des Werkes, von dem sie selbst nicht allzu viel verstand.

„Wann möchten Sie gehen?“, fragte sie wie nebenbei.

„In zwei Monaten.“ Sonnemann hatte die Altersgrenze erreicht und wollte sich zur Ruhe setzen.

„In zwei Monaten … Es wird nicht leicht sein, bis dahin einen geeigneten Nachfolger für Sie zu finden. Kommt jemand aus unserem Werk dafür infrage, meine Herren?“, wandte sie sich an alle.

Die drei Direktoren warfen sich untereinander Blicke zu. Fast lag Feindseligkeit in ihren Augen. Jeder von ihnen hatte irgendwann einmal einen Schützling in den Betrieb geschmuggelt und ihm den Weg geebnet.

„Ich würde den Sandig vorschlagen“, äußerte Direktor Sonnemann. „Er ist Ingenieur, sehr befähigt, und ich traue ihm zu, dass er imstande ist, die Leute zu führen.“

„Sandig ist viel zu jung“, meldete sich der Direktor der Verkaufsabteilung.

„Sandig ist jung, stimmt, aber schließlich kann man Fähigkeiten nicht allein nach der Zahl der Jahre messen“, ereiferte Sonnemann sich.

„Ich würde Dieter Hildebrand vorschlagen“, sagte der Verkaufsdirektor Pohle nun.

„Ihren Neffen, nicht wahr?“, gab Sonnemann zurück. „Die guten Posten sollen in der Familie bleiben, ich verstehe.“

„Meine Herren, bitte, bleiben wir bei der Sache“, schaltete sich Franziska ein. „Schicken Sie mir diesen Herrn Sandig einmal herüber, ich werde mir den Mann anschauen und Ihren Kandidaten auch, Herr Pohle.“

Die beiden Direktoren maßen sich mit feindseligen Blicken.

„Was haben wir sonst noch zu besprechen?“, wechselte Franziska Engelke das Thema. In der nächsten Stunde hatte sie wieder Gelegenheit festzustellen, dass man ihr in allen unbequemen Angelegenheiten die alleinige Verantwortung zuschob.

Franziska fühlte sich matt, als die drei korrekt gekleideten Herren ihr Zimmer schließlich verließen.

Die Chefin des großen Werkes seufzte tief. Sie hatte Angst, ihr Leben falsch zu leben, als eine alte Jungfer zu enden, immer eingespannt zu sein in der täglichen Fron der Arbeit.

Ich bin doch eine Frau, sagte sie sich, und es ist die Berufung der Frau, Mutter zu werden. Ich möchte so gern für einen Mann sorgen, ihm ein Heim schaffen, Kinder erziehen …

Stattdessen saß sie hier tagaus, tagein, und die ganze Verantwortung für den Betrieb ruhte auf ihren schmalen Schultern.

♥♥♥

„Der Herr Direktor erwartet Sie schon“, sagte Sonnemanns Vorzimmerdame und strahlte den gut aussehenden jungen Ingenieur an.

„Dann will ich gleich hingehen“, meinte Lambert Sandig und öffnete die dick gepolsterte Tür.

Sonnemann ging Lambert Sandig entgegen, die Rechte herzlich vorgestreckt.

„Nett, dass Sie gleich gekommen sind, Herr Sandig“, äußerte er freundlich.

Lambert fragte sich, was der technische Direktor wohl auf dem Herzen haben konnte.

„Nehmen Sie doch Platz. Zigarre oder Zigarette?“ Sonnemann wies auf das kleine Tischchen, auf dem alles stand, was das Herz eines Rauchers erfreuen konnte.

Lambert wählte bedachtsam eine Zigarre, und Sonnemann nickte zufrieden.

„Ach, wäre ich doch noch einmal so jung wie Sie“, entfuhr es dem Direktor mit einem Seufzer. „Das ganze Leben liegt noch vor Ihnen. Sie werden es bestimmt einmal weit bringen. Haben Sie übrigens schon gehört, dass ich mich pensionieren lassen will?“

„Nein“, erwiderte Lambert.

„Ja, es ist so weit. Hätten Sie Lust, sich um meine Stelle zu bewerben? Ich habe Sie der Chefin vorgeschlagen. Seien Sie doch so gut und gehen Sie im Laufe des Vormittags zu ihr hinüber. Sie werden erwartet.“

„Ich danke Ihnen sehr, dass Sie an mich gedacht haben“, sagte Lambert erfreut.

„Keine Ursache, ich weiß ja, was ich an Ihnen habe“, wehrte Sonnemann ab. „Nur verlieren Sie nicht Ihr Herz an unsere Chefin“, warnte er lächelnd. „Sie ist nämlich mit der Fabrik verheiratet.“

„Mein Herz ist schon versorgt“, versicherte Lambert lachend. „Es wäre herrlich, wenn ich die Stellung bekommen würde.“

„Es liegt nur an Ihnen. Ich wünsche Ihnen Hals- und Beinbruch, Sandig. Kommen Sie noch einmal vorbei, wenn Sie bei der Chefin gewesen sind. Direktor Pohle hat nämlich auch noch einen Kandidaten zu präsentieren.“

Der junge Ingenieur erhob sich und drückte die Zigarre im Aschenbecher aus.

„Am besten gehe ich gleich.“

„Jawohl.“ Zufrieden schmunzelnd blickte Sonnemann dem Ingenieur nach.

„Ich werde Ihnen den Daumen drücken“, sagte die Vorzimmerdame leise, als Lambert an ihr vorbeiging.

Nettes Mädchen, dachte Sandig im Weitergeben. Wie die Chefin wohl sein mag? Er kannte sie bisher nur vom Sehen, gesprochen hatte er noch nicht mit ihr.

Ihr Ruf im Werk war gut. Sie hatte viele Neuerungen eingeführt, die der Belegschaft nützten. Die jungen Frauen waren zum Beispiel für den Kindergarten sehr dankbar, der sich auf dem Werksgelände befand.

Eine Frau. Lambert runzelte die Stirn, denn der Gedanke, in Zukunft Befehle von einer jungen Dame entgegennehmen zu müssen, behagte ihm nicht.

Sie hatte den Betrieb geerbt, wahrscheinlich verstand sie nicht allzu viel davon und redete ihren Direktoren eventuell ständig in ihre Arbeit hinein.

Andererseits bekam ein Direktor selbstverständlich wesentlich mehr Gehalt als er. Esther wird sehr stolz auf mich sein, wenn ich es tatsächlich schaffen sollte, Sonnemanns Nachfolger zu werden, dachte Lambert.

Er nannte Fräulein Oettken seinen Namen.

„Das gnädige Fräulein erwartet Sie schon“, informierte sie ihn.

Der junge Ingenieur fuhr sich glättend durch sein naturwelliges blondes Haar, dann öffnete er die Tür zum Allerheiligsten des Betriebes.

Hinter einem großen Schreibtisch sah er Franziska Engelke sitzen, und sie wirkte direkt verloren in diesem stattlichen Raum.

Lambert Sandig verneigte sich mit lässiger Eleganz und nannte seinen Namen. Die junge Dame betrachtete ihn abwägend, und sie fand, dass er für den vorgesehenen Posten eigentlich zu gut aussah.

Sie hielt nicht viel von schönen Männern, und irgendwie war dieser Sandig tatsächlich ein schöner Mann. Dabei allerdings wirkte er auch noch zuverlässig und tüchtig.

„Wie alt sind Sie?“, fragte sie unvermittelt.

Eine leichte Röte stieg Lambert in die Stirn, als er ihr antwortete.

Er ist in der Tat noch sehr gut, dachte Franziska. In seiner Abteilung würde er über viele Leute zu bestimmen haben, die wesentlich älter waren als er. Um sich durchzusetzen, brauchte ein junger Mann sehr viel mehr Persönlichkeit als ein älterer.

„Darf ich mir eine Bemerkung erlauben, gnädiges Fräulein“, klang Lamberts angenehm dunkle Stimme an ihr Ohr.

„Bitte.“

„Sie halten mich für zu jung, um Sonnemanns Nachfolger zu werden. Darf ich Sie daran erinnern, dass auch Sie noch sehr jung sind und Ihren Posten dennoch ausfüllen?“

Franziska senkte den Blick und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Schreibtischplatte.

„Ich werde mir meine Entscheidung überlegen und Ihnen dann Bescheid zukommen lassen. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen, Herr Sandig.“

Der junge Mann verneigte sich und ging hinaus.

Franziska schaute ihm nach. Ob er wohl eine Freundin hat?, fragte sie sich. Natürlich wusste sie, dass es sie nicht das Geringste anging, und doch interessierte sie sich auf einmal für sein Privatleben.

Warum sollte ich ihn eigentlich nicht nehmen?, fragte sie sich. Sie wusste nicht, was gegen ihn sprach, außer seiner Jugend. Vielleicht noch sein gutes Aussehen.

„Schön, ich will’s mit ihm versuchen. Ich werde ihn und die anderen Herren einmal zu mir einladen.“ Franziska hielt viel davon, ihre Mitarbeiter auch einmal im privaten Umgang kennenzulernen.

Die Entscheidung war gefallen, aber zum ersten Mal fragte sich die junge Chefin, ob sie sich richtig entschieden hatte.

♥♥♥

„Willst du schon wieder ausgehen?“, fragte Frau Flora Sandig ihren Sohn. Eine Spur Missbilligung lag in ihrer Stimme.

Lambert stand vor dem Spiegel und band sich die Schleife zu seinem Smoking.

„Ja, Mutter“, erwiderte er knapp.

„Du gehst in letzter Zeit häufig aus“, stellte sie fest. „Willst du deine Beförderung feiern?“

„Noch ist die Entscheidung nicht gefallen, vergiss das nicht“, erinnerte Lambert sie. „Du brauchst heute Abend nicht auf mich zu warten. Eventuell wird es wieder etwas später.“

„Es steckt doch wohl keine Frau dahinter?“, sprach die Mutter nun ihre schlimmsten Befürchtungen aus.

Lambert legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.

„Wäre es denn wirklich so schlimm, Muttchen, wenn ich dir eines Tages ein braves, hübsches Mädchen als Tochter vorstelle?“, meinte er lachend.

„Nein, natürlich nicht.“

„Erzähl mir von ihr“, bat sie leise. „Warum bringst du sie denn nicht mal abends mit? Ich würde uns Kartoffelsalat mit Würstchen machen.“

„Du bist eine prächtige Mutter.“ Lambert klopfte ihr leicht auf den Rücken. „Ich werde sie bald einmal mitbringen. Sie wird dir bestimmt gefallen. Es gibt keine bessere Frau als sie.“

„Was ist sie denn?“, fragte sie gepresst.

Ein Schatten glitt über Lamberts Gesicht.

„Ich muss jetzt gehen, ich erzähle dir alles später.“ Schon im Begriff zu gehen, beugte er sich noch einmal vor und drückte einen Kuss auf die Stirn seiner Mutter.

Wenige Minuten später saß er schon hinter dem Steuer seines kleinen Wagens. Esther wird Augen machen, wenn ich ihr von meinem Glück erzähle, dachte er.

In einer Seitenstraße der Innenstadt parkte er das Auto und ging die letzten hundert Meter zu Fuß. Die Straße war schmal und recht dunkel. Am Ende der Straße sah man die Lichter der Innenstadt, die aufzuckenden Neonreklamen, Autos, die schnell vorbeifuhren.

In dieser Straße gab es nur ein Reklamelicht, das einer Bar. Dunkelrot leuchtete es auf und verlosch wieder.

„Tuschkasten“ nannte sich das kleine Lokal, auf das Lambert zusteuerte. Der Portier nickte ihm freundlich zu und steckte grinsend die Zigarre ein, die Lambert ihm zuschob.

„Allerhand Betrieb heute“, äußerte er schmunzelnd.

„So“, murmelte Lambert nur und betrat die Bar.

Er bekam einen bitteren Geschmack im Mund, als er seinen Blick von den Tänzerinnen abwandte. Es fiel ihm schwer, sich an derartige Darbietungen zu gewöhnen. Immerhin, es war ja nichts dabei, diese Mädchen hier waren durchaus anständig. Esther hatte es ihm mehr als einmal glaubwürdig versichert.

Der junge Mann schob sich durch die dicht an dicht stehenden Tische bis zur Bar vor. Der Mixer in der kurzen weißen Jacke nickte ihm zu wie einem alten Bekannten.

„Wo ist Esther?“, fragte Lambert.

„Gerade mal eben rausgegangen“, erwiderte der Mixer. „Sie kommt jeden Augenblick zurück. Wir haben Sie heute nicht erwartet, Herr Sandig. Sie wollten doch erst morgen kommen.“

Der junge Ingenieur nickte.

„Ich habe eine gute Nachricht“, äußerte er lächelnd. „Und gute Nachrichten soll man schnell überbringen, nicht wahr?“

„Ich werde mal sehen, wo Esther steckt.“ Er machte Anstalten, seinen Platz zu verlassen, als sich eine Tür im Hintergrund des Raumes öffnete. Lamberts Augen wurden groß.

Esther trat ein, atemberaubend schön wie immer. Sie trug ein Abendkleid, das Lambert von ganzem Herzen hasste, wenn er auch begriff, dass sie es tragen musste. Es war viel zu weit ausgeschnitten.

Und hinter ihr, eine Hand auf ihrer entblößten Schulter, folgte ein Mann. Ein widerlicher Mensch, fand Lambert auf den ersten Blick, ein Mann mit wulstigen Lippen und hervorquellenden Froschaugen. Er sah aus wie jemand, der viel Geld hatte.

„Esther!“, rief der Mixer sie.

Gelangweilt drehte die junge Dame sich zu ihm herum. Dann zuckte sie zusammen und verfärbte sich.

„Verdammt“, murmelte sie.

Nur einen Moment zeigte sie ihr Erschrecken, dann glitt ein strahlendes Lächeln um ihren geschickt geschminkten Mund.

„Ich komme gleich wieder“, wandte sie sich an ihren Begleiter. „Ich muss eben ein paar Worte mit einem alten Bekannten sprechen. Geh schon an den Tisch, ich komme sofort nach.“

Lambert rutschte von seinem Hocker herunter. Er wusste selbst nicht, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Am liebsten hätte er sie diesem widerlichen Kerl ins Gesicht geschlagen.

„Nun schau nicht so böse“, bat die junge Dame lächelnd. „Man kann sich ja direkt vor dir fürchten, Liebling. Was ist denn geschehen?“

„Was für ein Kerl ist das?“, stieß Lambert hervor.

Esther zuckte gekonnt ihre wohlgeformten Schultern.

„Irgendein Gast, der mir das Leid seiner Ehe geklagt hat. Ein übler Patron. Aber was soll ich machen, Geschäft ist Geschäft. Und warum bist du heute gekommen?“

„Esther, kannst du wirklich nicht woanders arbeiten?“, fragte der junge Ingenieur sie. „Ich finde dieses Lokal schrecklich.“

Die junge Frau lachte klingend.

„Du bist eifersüchtig, Dummkopf. Und dabei weißt du doch, dass du überhaupt keinen Grund dazu hast. Ich liebe nur dich. Wir haben doch schon oft genug darüber gesprochen, weshalb ich hier arbeite. Nirgendwo anders könnte ich so viel Geld verdienen wie hier. Wenn wir heiraten, können wir uns alles kaufen, was wir brauchen.“

„Ja, sicher, aber dass du gerade in einer Bar …“

„Ich finde es genauso schrecklich wie du“, versicherte Esther ihm. „Nun, was gibt es denn so Wichtiges zu erzählen? Du weißt, dass ich arbeiten muss. Morgen hätte ich Zeit für dich gehabt, aber heute …

„Ich werde wahrscheinlich Direktor werden“, erzählte Lambert ihr. „Das war es, was ich dir sagen wollte.“

„Oh Liebling!“ Esther schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn auf die Wange. „Ich bin so stolz auf dich. Direktor … dann bekommst du sicherlich auch sehr viel mehr Gehalt, Lambert.“

„Und wir können bald heiraten. Sobald meine Beförderung heraus ist, kannst du endlich hier aufhören.“

„Ja, Lambert. Aber jetzt sei ein braver Junge und geh wieder. Ich habe hier noch zu tun. Der Gast dort hinten …“ Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung wies sie auf den Mann mit den wulstigen Lippen, der mit den Fingern auf den Tisch trommelte.

„Gut. Bis morgen dann. Ich liebe dich, Esther.“ Lambert strich kurz über ihren Handrücken, ehe er sich umwandte und sich durch die Tischreihen nach draußen drängte.

Esther schaute ihm lächelnd nach und ging dann hüftschwingend auf den Gast zu, der sie schon ungeduldig erwartete.

„Tut mir leid, Schatzi“, sagte sie leichthin. „Aber dieser junge Kerl ist schrecklich aufdringlich. Man muss ihn behandeln wie ein rohes Ei. Bestellst du deinem Liebling auch was Schönes zu trinken?“

Das war ihr Beruf: Bardame, die gleichzeitig die Pflicht hatte, sich an den Tisch zahlungsfähiger Gäste zu setzen, um sie zum Trinken zu animieren. Die schöne Esther verstand ihr Geschäft ausgezeichnet.

♥♥♥

An diesem Abend, an dem Lambert im „Tuschkasten“ saß, saß Franziska Engelke wie immer an ihrem Schreibtisch und arbeitete.

Sie hörte ein leises Klopfen und schreckte hoch.

„Ja“, rief sie, worauf ihre Mutter eintrat.

„Es ist schon spät“, erinnerte sie ihre Tochter. „Möchtest du nicht etwas essen?“

Mit einem leisen Seufzer schob Franziska ihre Akten von sich fort und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.

„Danke, Mutter. Ich werde mich gleich ins Bett legen.“