Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 467 - Katja von Seeberg - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 467 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Hoheit bittet zum Ball
Wie ein Märchen fing alles an

Wie gebannt liest Cornelia König die schön gestaltete Anzeige: Die Fürstenfamilie von und zu Wasserburg sucht eine Doppelgängerin der einstigen Ahnfrau Magdalena. Wer glaubt, Ähnlichkeit mit Magdalena zu haben, wird gebeten, sich zu bewerben.
Die Mädchen, die in die engere Wahl kommen, werden zu einem Kostümball auf das Schloss eingeladen. Der erste Preis ist ein wertvoller Ring aus Magdalenas Schmuckschatulle.
Was für eine verrückte Idee, denkt Cornelia und bewirbt sich.
Nur ein paar Tage später bekommt sie ein prachtvolles, mit Goldfäden durchsetztes Brokatkleid zugeschickt. In diesem Kostüm macht sie sich auf den Weg zum Schloss ...

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Seitenzahl: 135

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Inhalt

Cover

Impressum

Hoheit bittet zum Ball

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: RichLegg / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8439-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Hoheit bittet zum Ball

Wie ein Märchen fing alles an

Wie gebannt liest Cornelia König die schön gestaltete Anzeige: Die Fürstenfamilie von und zu Wasserburg sucht eine Doppelgängerin der einstigen Ahnfrau Magdalena. Wer glaubt, Ähnlichkeit mit Magdalena zu haben, wird gebeten, sich zu bewerben.

Die Mädchen, die in die engere Wahl kommen, werden zu einem Kostümball auf das Schloss eingeladen. Der erste Preis ist ein wertvoller Ring aus Magdalenas Schmuckschatulle.

Was für eine verrückte Idee, denkt Cornelia und bewirbt sich.

Nur ein paar Tage später bekommt sie ein prachtvolles, mit Goldfäden durchsetztes Brokatkleid zugeschickt. In diesem Kostüm macht sie sich auf den Weg zum Schloss …

„Dreh dich jetzt nicht um. Am Tisch hinter uns sitzt ein unerhört gut aussehender Mann, der dich ununterbrochen anstarrt“, flüsterte Barbara Brinkmann ihrer Freundin zu.

„Wie lästig“, antwortete Cornelia König, ohne ihre Stimme zu dämpfen. Sie wurde so häufig bewundernd angesehen, dass sie es als ausgesprochen unangenehm empfand. „Er sieht gut aus, sagst du?“, erkundigte sie sich skeptisch.

„Fabelhaft!“, versicherte Barbara.

Langsam, wie zufällig, wandte Cornelia den Kopf. Der Blick aus den enzianblauen Mädchenaugen begegnete dem des Mannes mit den eisgrauen Augen und wurde sekundenlang festgehalten, bis Cornelia mit einer ärgerlichen Bewegung den Kopf abwandte, wobei das lange honigfarbene Haar durch die Luft flog.

„Warum wirst du denn rot?“ Takt war noch nie Barbaras starke Seite.

„Du spinnst ja! Weshalb sollte ich denn rot werden?“

„Na eben, das frage ich dich ja! Und wie gefällt er dir?“

„Wer?“

„Der unerhört gut aussehende Mann am Tisch hinter uns, bei dessen Anblick du rot geworden bist.“

„Du bist heute mal wieder unerträglich.“ Cornelia sah auf ihre Uhr. „Komm, wir gehen. Es wird Zeit.“

„Gestattest du wenigstens, dass ich meinen Kaffee austrinke?“

„Aber beeil dich, du weißt, dass ich bei dem guten Herrn Münstermann sowieso auf der schwarzen Liste stehe, weil ich in diesem Monat schon zweimal zu spät gekommen bin.“

„Und du weißt ganz genau, dass du so oft zu spät kommen kannst, wie du willst, und trotzdem nichts von seinem Wohlwollen einbüßt. Erst gestern hat er gesagt, wenn alle so sauber arbeiteten wie Fräulein König, hätte er ein sorgenfreies Leben.“

„Wenn du jetzt nicht kommst, gehe ich allein!“

„Du brauchst dich nicht mehr zu beeilen. Er geht.“

„Wer?“

„Der Mann, der die Ursache deiner Hast ist!“

Cornelia musste wider Willen lachen.

„Also wirklich, du bist einfach unverbesserlich!“

„Nein, nur helle!“

„Hab ich Herrn Münstermann noch nie von dir sagen hören.“

„Ach, der! Sieht er nun gut aus oder nicht?“

Ertappt wandte Cornelia den Blick von dem großen, schlanken Mann ab, der dem Ausgang des Cafés zustrebte.

„Nun hör auf damit!“, sagte sie etwas zu laut zu Barbara.

„Lass mich doch, ich bin ja froh, dass dir endlich mal ein Mann gefällt. Hast du seinen Anzug gesehen? Wenn der nicht von einem erstklassigen Schneider stammt …“

Cornelia hatte nicht darauf geachtet. Umso deutlicher hatte sich ihr das Gesicht dieses Mannes eingeprägt: die eisgrauen Augen in dem scharf geschnittenen Gesicht, die dichten dunklen Augenbrauen, das glänzende, leicht gewellte Haar von einem ganz dunklen Braun.

„Na, träumst du von Herrn Münstermann?“, stichelte Barbara. „Wenn wir jetzt nicht gehen, kommen wir wirklich zu spät. Fräulein, bitte zahlen!“

Cornelia kramte in ihrer Börse. Ihre Barschaft war wieder einmal bedenklich zusammengeschrumpft, und dabei war erst der Zwanzigste. Für den Rest des Monats würde sie sehr sparsam sein müssen. Vielleicht sollte sie lieber auf die Tasse Kaffee verzichten, die sie täglich mit Barbara in ihrem Stammcafé während der kurzen Mittagspause zu trinken pflegte. Aber das wäre ihr gerade jetzt sehr schwergefallen.

Ob er morgen wiederkam? Sie hatte ihn bisher noch nie hier gesehen.

„Dich hat’s erwischt, meine Liebe, da kannst du mir erzählen, was du willst!“ Barbara betrachtete die Freundin mit einem Röntgenblick. „So sehen Leute aus, die sich soeben verliebt haben, ich kenne das. Und dann diese Geistesabwesenheit …“

„Ich bin nicht verliebt, und jetzt komm. Wir müssen gehen.“

Die beiden Mädchen verließen das gemütliche Café und gingen die wenigen Schritte zu dem Hochhaus, in dem sie beide arbeiteten.

Die Schreibmaschinen klapperten schon heftig, als sie eintraten. Cornelia probierte ein um Entschuldigung bittendes Lächeln. Herr Münstermann versuchte sie streng anzusehen, aber dann räusperte er sich und lächelte zurück.

Cornelia wusste, dass Barbara recht hatte, wenn sie behauptete, dass sie, Cornelia, in seiner besonderen Gunst stand. Allerdings verdankte sie diesen Umstand weniger ihrem Lächeln, dem nur wenige Menschen widerstehen konnten, als vielmehr ihrer korrekten Arbeit.

Sie spannte einen neuen Bogen mit zwei Durchschlägen in die Maschine, tippte mit flinken Fingern die Adresse und begann mit dem Brief. Sehr geehrte Herren, wir freuen uns sehr, Ihnen mitteilen zu könn… Dann starrte sie gedankenverloren auf ihren Stenogrammblock. Dieser Blick, dieser kühle, fragende, forschende, alles andere als zudringliche Blick aus eisgrauen Augen – wer mochte das gewesen sein? Ob sie ihn jemals wiedersehen würde?

Jetzt konnte Cornelia sich nicht mehr richtig konzentrieren, und als sie weiterschrieb, schlichen sich prompt ein paar Fehler in den Text ein.

Herr Münstermann war unbemerkt hinter sie getreten und hatte gelesen, was sie geschrieben hatte.

„Mein liebes Fräulein König“, sagte er, „wenn Sie so viele falsche Tasten auf dem Klavier statt auf der Schreibmaschine angeschlagen hätten, müssten wir uns alle bei dem Missklang die Ohren zuhalten. Sind Sie krank?“

„Nur verliebt“, flüsterte Barbara am Nebentisch, aber er hörte es zum Glück nicht.

„Nein“, stotterte Cornelia verwirrt, „entschuldigen Sie bitte. Es wird gewiss nicht wieder vorkommen.“

„Hoffentlich!“ Herr Münstermann sah sie forschend an, und Cornelia brachte es nicht fertig, diesen Blick unbefangen zu erwidern. Erleichtert atmete sie auf, als er zu seinem Platz zurückging.

Barbara schob ihr einen Zettel zu. Vielleicht ist er morgen wieder in unserem Café, hatte sie mit ihrer kindlichen runden Handschrift daraufgeschrieben.

Cornelia warf ihr einen wütenden Blick zu. Das war es nämlich, was sie selbst auch erhoffte. Energisch spannte sie neue Blätter in die Maschine und hämmerte wild darauflos. Und sie vertippte sich tatsächlich nicht ein einziges Mal. Nur als sie den Brief ausspannte, musste sie feststellen, dass sie das Kohlepapier falsch eingelegt hatte. Ein Blatt war weiß geblieben. Dafür stand die Kopie in Spiegelschrift auf der Rückseite des Originals.

Barbara bemerkte es natürlich und lächelte anzüglich. Mit einer ärgerlichen Geste warf Cornelia den Kopf in den Nacken, stand auf und ging zu Herrn Münstermann.

Er sah ihr überrascht entgegen.

„Ich fühle mich doch nicht gut“, sagte sie, und es war die reine Wahrheit, was ihren Gemütszustand betraf. „Darf ich nach Hause gehen?“

„Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes?“ Aufrichtige Teilnahme lag in seinem Blick.

„Ach nein, ich denke, morgen ist alles wieder in Ordnung!“

„Hoffentlich! Ich wünsche Ihnen jedenfalls gute Besserung. Bis morgen dann.“

Cornelia kam sich nun doch wie eine Schwindlerin vor. Dass sich ihr Leiden nicht bis morgen bessern würde, wusste sie schließlich nur zu genau. Sie murmelte ein verlegenes „Danke sehr!“ und huschte hinaus.

♥♥♥

Jürgen Fürst von und zu Wassenburg fuhr in seinem schnittigen Wagen in langsamem Tempo über die Autobahn nach Hause. Die Fahrer kleinerer Autos, die ihn überholten, warfen ihm teils verwunderte, teils verärgerte Blicke zu. Der Fürst bemerkte es nicht.

Er hatte immer das Bild dieses Mädchens vor Augen. Diese Ähnlichkeit, einfach verblüffend! Wie das Lampenlicht kleine goldene Funken in ihr honigfarbenes Haar gezaubert hatte! Die klaren blauen Augen, die wache Intelligenz verrieten, das Profil so edel geschnitten. Und wie sie ihn angesehen und den Blick schnell wieder abgewandt hatte!

So ein Blödsinn! Jürgen gab nun doch Gas und überholte nacheinander all die Wagen, die vorher an ihm vorbeigerauscht waren. Da schwärmte er wie ein Primaner von einem unbekannten Mädchen, und zu Hause wartete die Arbeit!

Er fuhr von der Autobahn ab, ein Stück über die Landstraße und durch das malerische Dorf, das seinen Namen trug.

Dann überquerte Jürgen von Wassenburg die schon ein wenig altersschwache Zugbrücke, sauste über den Vorplatz und kam mit quietschenden Bremsen vor dem weißen Schloss zum Stehen.

Seine Mutter, Fürstin Anna, erschien oben auf der Freitreppe und betrachtete ihren Sohn missbilligend.

„Hallo, Mama!“, rief Jürgen, sprang mit einem Satz aus dem Wagen und stürmte die Freitreppe hinauf. Er küsste seine Mutter auf beide Wangen, wie es in der Familie üblich war.

„Wo warst du denn nur so lange?“ Fürstin Annas Stimme war weinerlich. „Du weißt doch, welche Sorgen ich mir mache, wenn du nicht pünktlich kommst. Und dann erst, wenn du mit dem Wagen unterwegs bist! Alles ging durcheinander. Was die Leute alles von mir wissen wollten! Ich habe von den praktischen Dingen des Gutes doch keine Ahnung!“

„Verzeih, Mama. So schnell fahre ich ja jetzt auch nicht wieder weg, und wenn, dann nehme ich dich einfach mit, ja?“

„In diesem Höllenwagen? Nie werde ich mich da hineinsetzen! Bei meinem Herzen wäre das der Tod!“

„Nun, dann lassen wir eben anspannen und fahren vierspännig in die Stadt wie zu Großvaters Zeiten. Wir kommen dann zwar erst gegen Abend an und müssen erst einmal übernachten, ehe wir etwas unternehmen können. Aber länger als drei Tage dauert der Ausflug trotz allem nicht!“

„Ach du, du solltest wirklich nicht über deine Mutter spotten. Wenn dein Vater noch lebte …“

„… hätte er bestimmt auch so einen Wagen und würde täglich in die Stadt fahren, wenn wir uns das dann leisten könnten.“

„Ich ruhe mich ein wenig aus. Mein Kopf schmerzt heute wieder besonders schlimm.“

Jürgen von Wassenburg sah seiner Mutter nach, die mit den schleppenden Schritten einer sehr kranken Frau die Treppe zu den Schlafgemächern hinaufstieg. Warum musste sie sich und ihm das Leben immer so schwer machen?

Der junge Fürst ging in die Bibliothek, den einzigen Raum im Schloss, in dem er rauchen durfte. Er setzte sich in einen der riesigen Ledersessel und zündete sich seine Pfeife an. Seine Mutter verabscheute Rauch in jeder Form. Ihr Blick voll Widerwillen hatte auf Schloss Wassenburg noch jedem Raucher den Geschmack am Tabak verdorben.

Arme Mama, dachte Jürgen. Sie hat es auch nicht leicht gehabt. Keine Frau, die mit Karl Egon Fürst von und zu Wassenburg, seinem Vater, verheiratet war, hätte sorgenlos leben können. Den schönen Fürsten hatten ihn die Leute genannt. Ja, er hatte wirklich fabelhaft ausgesehen.

Und die Feste auf Schloss Wassenburg waren weit und breit berühmt gewesen. Man sprach noch heute davon, obwohl der „schöne Fürst“ jetzt schon fast fünfzehn Jahre tot war.

Jürgen seufzte unwillkürlich, als er daran dachte, wie er die Nachricht vom Tode seines Vaters erhalten hatte. Er war damals ein lebenslustiger, nicht übermäßig eifriger Student an der landwirtschaftlichen Hochschule gewesen.

Nach dem prunkvollen Begräbnis hatte der Notar den einzigen Sohn des Verstorbenen davon in Kenntnis gesetzt, dass das Gut hoffnungslos verschuldet war. Das Beste sei wohl, hatte der Testamentsvollstrecker gemeint, alles zu verkaufen und irgendwo anders neu anzufangen.

Jürgen konnte sich noch genau erinnern, wie ihm damals zumute gewesen war. So musste sich ein Mensch fühlen, unter dem die Erde auseinanderbricht. Aber nachdem er sich von dem ersten Schreck erholt hatte, war der Wille, die Herausforderung des Schicksals anzunehmen, in ihm gewachsen. Er wollte nicht verkaufen! Und er hatte es geschafft!

„Warum sitzt du denn hier im Dunkeln?“ Fürstin Anna war unbemerkt eingetreten. Mit ihren feingliedrigen Händen, deren Weiß die blauen Adern besonders hart hervortreten ließ, wedelte sie den Rauch weg.

„Ach, ich habe nur ein bisschen nachgedacht. Mir ist nämlich heute etwas Merkwürdiges passiert.“

„Soll das heißen, dass du das Bild ausfindig gemacht hast?“, fragte Fürstin Anna ungläubig.

„Nein, das nicht, aber das Original.“

„Das Original?“

„Kannst du dir vorstellen, Mama, dass ich ein Mädchen gesehen habe, das genauso aussieht wie Magdalene von Wassenburg auf dem Bild in unserer Galerie?“

„Das bildest du dir bestimmt ein. Du hast an das Bild gedacht, dann hast du ein hübsches Gesicht gesehen, und in deiner Vorstellung sind die beiden Bilder miteinander verschmolzen. So etwas gibt es öfter.“

„Aber nein, du hättest sie sehen sollen. Das gleiche honigfarbene Haar, die blauen Augen, das Profil … einfach alles! Es war einfach verblüffend.“

„Männer!“, spottete Fürstin Anna. „Sie brauchen bloß so einer niedlichen Fratze zu begegnen, schon legen sie alles hinein, was sie sich wünschen.“

„Du solltest mich besser kennen, Mama! Schließlich bin ich schon siebenunddreißig Jahre alt und immer noch nicht verheiratet! Das allein sollte Beweis genug sein, dass ich Abstand zum weiblichen Geschlecht zu halten weiß.“

Auch das war ein Thema, bei dem Fürstin Anna meist Kopfschmerzen bekam. Ihren Mann hatte sie nicht halten können, bei ihrem Sohn war es einfach gewesen. Er hatte sich so in seine Arbeit vergraben, um das Gut wieder hochzubringen und rentabel zu machen, dass er an nichts anderes denken konnte.

Wenn doch einmal eine kleine Baroness oder Komtess Besuch gemacht hatte, war Fürstin Anna stets auf der Hut gewesen. Sieht ein bisschen dumm aus, die Kleine, schade, sonst ist sie ganz niedlich. Armes Ding, ihre Großmutter ist in einer Heilanstalt an einer erblichen Geisteskrankheit elend zugrunde gegangen.

Das waren die Bemerkungen, die Fürstin Anna nach solchen Besuchen unauffällig einfließen ließ. Und Jürgen, den die jungen Damen ohnehin nicht interessierten, hatte es nicht einmal bemerkt.

„Ich nehme dein Schweigen als Zustimmung!“ Jürgen lächelte seine Mutter liebevoll an.

Fürstin Anna erwiderte das Lächeln. Durch diesen Sohn hatte das Schicksal sie für ihre an Entsagungen und Prüfungen reiche Ehe wirklich entschädigt. Sie wollte ihn nicht verlieren.

„Und das Bild? War die Spur heiß?“ Fürstin Anna, die leidenschaftlich gern Romane und auch Kriminalromane las, verblüffte ihre Umgebung häufig mit solchen Ausdrücken.

„Aber Mama, du redest ja wie der Detektiv in einem dieser grässlichen Reißer! Nein, die Spur war nicht heiß, wie du dich auszudrücken beliebst.“

„Bist du sehr enttäuscht?“

„Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, nachdem ich das Mädchen gesehen habe. Komm, wir gehen hinüber in den Rittersaal und statten unseren Ahnen einen kleinen Besuch ab. Ich möchte doch wissen, ob ich mich getäuscht habe.“ Galant bot Jürgen seiner Mutter den Arm.

Die Ahnengalerie im Rittersaal befand sich im linken Seitenflügel des Schlosses auf der ersten Etage. Jürgen liebte diesen immer ein wenig düsteren riesigen Raum, in dem es auch im Hochsommer nie warm wurde. Hier hingen in langen Reihen die Porträts seiner Vorfahren, lebenslustige stolze Männer mit eisgrauen Augen und dunklem Haar, die es gewiss den zarten, anmutigen Frauen an ihrer Seite nicht leicht gemacht hatten.

Alle diese Bilder waren von den besten Porträtmalern ihrer Zeit gemalt worden, ein Umstand, den sich Jürgens Vater zunutze gemacht hatte. Ganz allmählich hatte er eins der Kunstwerke nach dem anderen verkauft, um seinen teuren Lebensstil zu finanzieren.

Fürst Karl Egon hatte immerhin so viel Familiensinn bewiesen, jedes der Bilder vor dem Verkauf von einem guten Maler kopieren zu lassen. Das hatte auch den Vorteil gehabt, dass die Sammlung scheinbar vollständig geblieben war. Nur wenige Eingeweihte hatten damals die Wahrheit gewusst.

Als Jürgen Herr auf Schloss Wassenburg geworden war, hatte er beschlossen, alles daranzusetzen, die Originale nach und nach zurückzukaufen. Das betrachtete er als seine wichtigste Aufgabe neben der Erhaltung des Gutsbetriebes.

Bei Letzterem war ihm das Glück zu Hilfe gekommen. Kurz nach dem Tode seines Vaters hatte ihm eine große Siedlungsgesellschaft einen märchenhaften Preis für das Wiesenland am äußersten Rand seiner Ländereien geboten.

Der junge Fürst hatte dieses Land, dessen Bewirtschaftung sich ohnehin kaum gelohnt hatte, verkauft und die riesige Summe, die er dafür erhalten hatte, in die Rationalisierung des Gutes gesteckt. Inzwischen warfen die Land- und Forstwirtschaft ebenso erfreuliche Gewinne ab wie das Gestüt. Die Schulden waren längst bezahlt, und aus der Misswirtschaft, die sein Vater hinterlassen hatte, hatte er einen anerkannten Musterbetrieb gemacht, dessen Produkte regelmäßig Preise erzielten.

Jürgen unterhielt seit Jahren eine lebhafte Korrespondenz mit Kunsthändlern und Sammlern in aller Welt. Und tatsächlich war es ihm gelungen, bereits einen Teil der Originalporträts seiner Vorfahren zurückzuerlangen.

„Nur noch drei, dann hast du es geschafft.“ Fürstin Anna wusste, wie viel ihrem Sohn daran lag, auch die letzten Kopien gegen die Originale auszutauschen. „Wie war’s denn auf der Auktion?“

„Ziemlich enttäuschend. Das angebotene Porträt hatte zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit Magdalena von Wassenburg, aber das war auch schon alles.“