Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 468 - Ina Ritter - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 468 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Der Wunderheiler
Der große Erfolgsroman um das Geheimnis eines Außenseiters

Vor Jahren ist er in das kleine Dorf gekommen. Doch außer seinem Namen weiß bis heute niemand etwas Näheres von Gundolf Steinhausen, der sein kleines Häuschen ganz allein bewohnt. Auch ist nicht bekannt, wann der erste Heilungssuchende zu ihm kam, um Hilfe zu erbitten. Doch schon bald munkelte man, dass Gundolf Steinhausen übernatürliche Kräfte und heilende Hände habe.
Inzwischen suchen Kranke aus nah und fern bei dem Wunderheiler Rat und Genesung. Im Dorf ist er trotzdem ein Außenseiter geblieben. Nur Brigitte Langhorst, die Schwester des Dorfschullehrers, findet Zugang zu seinem Herzen. Und ihr macht Gundolf Steinhausen eines Tages ein schockierendes Geständnis ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Wunderheiler

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: KireevArt / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8440-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Wunderheiler

Der große Erfolgsroman um das Geheimnis eines Außenseiters

Vor Jahren ist er in das kleine Dorf gekommen. Doch außer seinem Namen weiß bis heute niemand etwas Näheres von Gundolf Steinhausen, der sein kleines Häuschen ganz allein bewohnt. Auch ist nicht bekannt, wann der erste Heilungssuchende zu ihm kam, um Hilfe zu erbitten. Doch schon bald munkelte man, dass Gundolf Steinhausen übernatürliche Kräfte und heilende Hände habe.

Inzwischen suchen Kranke aus nah und fern bei dem Wunderheiler Rat und Genesung. Im Dorf ist er trotzdem ein Außenseiter geblieben. Nur Brigitte Langhorst, die Schwester des Dorfschullehrers, findet Zugang zu seinem Herzen. Und ihr macht Gundolf Steinhausen eines Tages ein schockierendes Geständnis …

Als die Gartentür quietschte, richtete Gundolf Steinhausen sich auf und rieb sich unwillkürlich den vom Bücken etwas schmerzenden Rücken. Er runzelte leicht die Stirn, während er der Frau entgegenschaute, die zielstrebig auf ihn zukam.

„Tag auch, Gundolf“, wünschte Paula Offerheide. „Wollte nur mal sehen, wie es dir geht. Habe dir auch ein bisschen was zu essen mitgebracht, brauchst es dir nur warmzumachen.“

„Danke, das ist nicht nötig, ich kann gut für mich selbst sorgen.“

Paula Offerheide, eine füllige Frau in mittleren Jahren, schüttelte den Kopf.

„Kein Mann kann gut für sich selbst sorgen“, behauptete sie. „Ich möchte nicht wissen, was du dir immer zusammenbrutzelst. Ich bin gestern zufällig an deinem Häuschen vorbeigekommen und habe gesehen, dass deine Gardinen es mal wieder nötig haben. Ich werde sie gleich abnehmen und waschen.“

„Du hast sie doch erst vor einem Vierteljahr gewaschen.“

„Na und? Ich will nicht, dass die Leute über dich reden. Hast ja wohl nichts dagegen, dass ich ins Haus gehe?“

„Ich erkenne deine gute Absicht an, Paula …“

„Kein Wort mehr! Für dich mache ich es gern. Hättest du meinem Christoph damals nicht geholfen, dann müsste ich ihn jetzt auf dem Friedhof besuchen. Die Doktoren hatten ihn schon alle aufgegeben.“

„Es war Glück …“

„Das weiß ich besser. Du besitzt besondere Gaben, und deshalb will ich nicht, dass du hinter schmutzigen Gardinen wohnst. Hör jetzt auf zu hacken, wasch dir die Hände und setz dich an den Tisch, ich mache dir rasch das Essen warm.“

„Wenn es unbedingt sein muss …“ Gundolf Steinhausen begriff ihre gute Absicht.

„Sauber hast du es ja so weit“, stellte Paula fest, als sie sich im Wohnzimmer umschaute. „Sieht fast aus, als hätte eine Frau hier sauber gemacht.“ Dass keine Frau hier ein und aus ging, wusste sie, denn hier wusste jeder alles vom anderen. „Dass du Lust hast, so einspännig zu leben … Warum sucht du dir nicht eine patente Frau? Heiraten ist keine Frage des Alters.“

Gundolf Steinhausen blieb ihr die Antwort schuldig.

„Es kann dir doch keinen Spaß machen, immer so allein zu sein“, fuhr Paula geschwätzig fort. Sie hatte die Küchentür offen gelassen, um sich mit ihm unterhalten zu können, während sie das mitgebrachte Essen wärmte. „Es gibt genug Frauen, die dich mit Kusshand nehmen würden, Gundolf. Auch jüngere. Du hast so etwas an dir … Ich darf dir das ruhig sagen als glücklich verheiratete Frau. Also, wenn ich nicht meinen Christoph hätte, hättest du mir schon gefallen können.“

„Danke.“

„Der Lehrer hat eine nette Schwester. Ich habe gehört, dass sie in den großen Ferien wieder hierherkommt. Du kennst sie doch auch gut. Wäre das nicht eine Frau für dich? Sie würde hier auf dem Lande bestimmt bald eine Stellung finden. Dann könntest du dir auch ein bisschen mehr erlauben. Wie du immer herumläufst!“

„Was hast du gegen meine Sachen?“

„Du rennst immer in Arbeitszeug herum, und dabei … Ich möchte wetten, du warst einmal etwas Besseres, Gundolf. Davon lasse ich mich nicht abbringen. Du bist irgendwie so etwas wie ein gebildeter Mensch.“

Der Mann verzog keine Miene.

„Wenn du dir deinen schrecklichen Bart abnehmen ließest … Wetten, dass du dann um Jahre jünger aussehen würdest? Wenn Möllers Schwester kommt, dann musst du ihn unbedingt abnehmen. Und ein paar neue Sachen musst du dir kaufen. Ich will ja nicht sagen, dass sie nur auf Äußerlichkeiten sieht, aber ein bisschen was will das Auge ja auch haben. Oder stört es dich, dass sie Witwe ist?“

Wieder erfolgte keine Antwort.

„Du hast es nicht gern, wenn man so mit dir spricht“, fuhr Paula unbeirrt fort. „Aber ich habe nun mal eine Schwäche für dich, und deshalb möchte ich, dass es dir besser geht. Und wenn es nicht Möllers Schwester ist … es gibt genug andere … du solltest zum nächsten Schützenfest gehen, sollst mal sehen, wie sich die Frauen da um dich reißen.“

Gundolf brummte nur etwas.

„Du kapselst dich überhaupt viel zu sehr ab. Anfangs, als du hierherzogst, da habe ich gedacht, das ist einer, der sich für etwas Besseres hält. Hast mit keinem gesprochen, bist nirgendwo hingegangen, hast nur immer im Haus gesessen oder im Garten gearbeitet … aber dann … mit der Zeit …“

Jemand klopfte an die Haustür.

„Bleib sitzen, ich gehe schon“, bot Paula an. „Du, Elfriede?“, fragte sie, und es klang keineswegs sehr freundlich. „Was willst du denn hier?“

„Könnte ich auch fragen“, gab Elfriede Brandenburg zurück. „Ich habe heute ein bisschen zu viel gekocht und dachte, vielleicht hat Herr Steinhausen Appetit darauf.“

„Nimm das Zeug nur wieder mit, ich habe ihm was gebracht.“

Die beiden Frauen musterten sich fast feindselig. Sie waren Rivalinnen, wenn es um Gundolf ging.

„Ich stelle meine Sachen in den Kühlschrank, kann er sich morgen aufwärmen.“ Elfriede war keine Frau, die sich leicht abweisen ließ.

Widerwillig trat Paula zur Seite. Aufdringliche Person, dachte sie, was wirft sie sich an Gundolf ran.

„Guten Tag“, wünschte Elfriede freundlich, als sie ihren Kopf ins Wohnzimmer gesteckt hatte. „Ich bringe nur eine Kleinigkeit zu essen, Herr Steinhausen. Ich stelle es in den Kühlschrank. Und hier habe ich noch ein Glas Zwetschgen, vielleicht mögen Sie die heute als Nachtisch.“

„Vielen Dank, Frau Brandenburg, aber Sie sollten sich meinetwegen nicht solche Mühe machen.“

„Es ist keine Arbeit für mich, etwas mehr zu kochen. Ich will Sie nicht länger stören, guten Appetit.“

„Danke.“ Gundolf Steinhausen schaute auf das Glas mit den Zwetschgen. Wie nett die Menschen hier zu ihm waren.

„Kommt die oft?“, fragte Paula verbissen. „Sie sollte lieber mehr an ihre Familie denken. Wie ihr Derk nur aussieht! So lang und dünn …“

„Er bekommt genug zu essen.“

„Na, ich weiß nicht.“ Ihre Kinder sahen anders aus, die waren stämmig, robust, hatten rote Wangen. Aber der Derk … „Bei dem pfeift der Wind doch durch die Rippen“, behauptete sie. „Das Essen ist gleich so weit. Möchtest du was dazu trinken?“

„Nein.“

„Ich habe dir eine Flasche Bier mitgebracht. Mein Christoph trinkt immer Bier zum Essen.“

Gundolf nickte nur. Er hatte es sich schon längst abgewöhnt, Paula zu antworten. Er brauchte es auch nicht, ihr Redestrom versiegte nie.

„Was ich dich noch fragen wollte, Gundolf … Meine Eva, die hat einen so komischen Husten. Ob das wohl was Schlimmes ist?“

„Geh mit ihr zum Arzt.“

„Das fehlte gerade noch. Der hat ja doch keine Zeit, unsereinen zu untersuchen. Guten Tag, wie geht es? Und dann hat man kaum Gelegenheit, selbst mal was zu sagen, dann schreibt er schon ein Rezept aus, und man ist draußen, bevor man richtig drinnen war. Wenn es man nur nichts mit der Lunge ist, habe ich schon gedacht. Ich denke, ich schicke sie dir nachher mal vorbei, wenn sie aus der Schule gekommen ist.“

„Nein, ich bin kein Arzt. Im Zweifelsfall muss ihre Lunge geröntgt werden.“

„Wenn du ihr in die Augen siehst, dann weißt du, ob sie was an der Lunge hat oder nicht. Du siehst es doch an den Augen, nicht wahr? Und geirrt hast du dich noch nicht. Das ist eine wunderbare Gabe, die du da hast. Muss ja manchmal auch schlimm sein, wenn du einen anguckst und weißt, dass der sehr krank ist und der keine Ahnung hat, dass er bald sterben muss. Bin ich eigentlich vollkommen gesund?“

„Ich nehme es an. Geh mit deiner Tochter zum Arzt. Ich darf keine Kranken behandeln.“

„Aber einen guten Rat geben, das kannst du schließlich. Und wenn es richtig schlimm ist, dann kommen sie ja doch alle zu dir. Ein Glück, dass du damals hierhergezogen bist. Ich will ja nichts gegen unseren Doktor sagen, aber dir kann er nicht das Wasser reichen.“

„Doktor Drugalla ist ein tüchtiger Mann, nur total überlastet.“

„Du sagst über niemanden was Schlechtes, aber trotzdem … Mein Christian wäre nicht mehr, hättest du ihn damals nicht geheilt. Und nicht nur ihn. Ich könnte Dutzende aufzählen, die dir ihr Leben verdanken. So, und nun lass es dir schmecken.“

„Vielen Dank. Es schmeckt ausgezeichnet.“

Paula Offerheide saß ihm gegenüber am Tisch.

„Ist es, weil du ein bisschen knapp mit Geld bist? Wenn es das wäre, also da würde ich dir gern unter die Arme greifen. Kannst es mir ja zurückzahlen, wenn du es mal übrig hast.“

Fragend zog der Mann die Brauen in die Höhe.

„Damit du dir mal was Anständiges zum Anziehen kaufen kannst. Eine neue Hose, ein paar hübsche Hemden, eine Jacke … Wenn Möllers Schwester kommt …“

„Ich fühle mich in meinen alten Sachen am wohlsten und denke nicht daran, mir etwas Neues zu kaufen. Trotzdem vielen Dank für dein Angebot.“

„Wie alt bist du eigentlich?“, platzte Paula heraus. „Du siehst aus wie achtzig, und du gehst wie einer, der vierzig ist … Hinter dem Gestrüpp in deinem Gesicht kann man ja nichts erkennen.“

„Wenn man so alt ist, wie man sich fühlt, dann bin ich sehr alt“, sagte Gundolf Steinhausen. „Entschuldige mich jetzt, Paula, ich möchte noch ein bisschen im Garten arbeiten.“

Aus dem ist wirklich nichts herauszukriegen, dachte Paula, als sie den Tisch abräumte und das Geschirr in der Küche abwusch.

♥♥♥

Elfriede Brandenburg lächelte, als sie das hübsche kleine Haus betrat, das ihr Mann mit Hilfe der Nachbarn eigenhändig gebaut hatte. Sie mussten noch an den Hypotheken abzahlen, aber es war eine Belastung, die sie gut tragen konnten. Dietrich arbeitete für die Forstverwaltung, und seine Vorgesetzten schätzten ihn sehr.

Nach einem Blick auf die Küchenuhr beschloss Elfriede, die Kartoffeln aufzusetzen. Das Essen sollte fertig sein, wenn Derk aus der Schule kam. Er besuchte das Gymnasium in der Kreisstadt, und der Autobus müsste in einer Viertelstunde vor dem Postamt halten.

Pünktlich kam Derk herein, für sein Alter sehr lang und unglaublich mager. Dabei aß er für zwei. Schwungvoll warf er seine Büchertasche auf den Küchentisch und ließ sich dann auf einen Stuhl fallen.

„Was gibt es Neues?“, fragte seine Mutter wie immer.

„Nichts.“

„Habt ihr die Lateinarbeit zurückbekommen?“

„Ja.“

„Und?“ Manchmal brachte seine Einsilbigkeit seine Mutter auf.

„Eine Eins.“

„Eine Eins!“, wiederholte Elfriede Brandenburg beeindruckt. „Und das sagst du so gleichgültig. Wie viele hatten noch eine Eins?“

„Keiner.“

„Dann warst du also der Einzige“, folgerte die Mutter. „Woher hast du bloß deine Intelligenz? Wahrscheinlich von deinem Vater. Er ist zwar nur ein einfacher Arbeiter, aber wenn er andere Möglichkeiten gehabt hätte …“

„Was gibt es heute?“, fragte Derk.

„Grüne Bohnensuppe. Mach nicht solch ein Gesicht, du weißt, dass dein Vater sie besonders gern isst. Wer kommt denn da?“, rief sie plötzlich und hob lauschend den Kopf. Da kam jemand ins Haus, ohne geklingelt oder wenigstens angeklopft zu haben.

Sie öffnete die Küchentür und machte große Augen, als sie ihren Mann erkannte.

„Du?“, fragte sie perplex.

„Der Vorarbeiter hat mich nach Hause geschickt“, entgegnete Dietrich Brandenburg und ließ sich seinem Sohn gegenüber am Küchentisch nieder.

„Warum?“

„Ich habe Bauchschmerzen. Vielleicht war die Wurst heute Morgen nicht mehr ganz in Ordnung. Sie roch ein bisschen komisch.“

„Die Wurst war in Ordnung. Ich koche dir nachher Tee, und dann legst du dich ins Bett. Vielleicht sollte ich dir Umschläge machen?“

„Unsinn. Was von selbst kommt, das geht auch von selbst wieder“, meinte Dietrich. Dabei saß er zusammengekrümmt auf seinem Stuhl, und sein sonst gebräuntes Gesicht sah jetzt grau aus.

„Das Essen ist gleich fertig. Bohnensuppe.“

„Habe keinen Hunger.“

„Was? Du willst keine Bohnensuppe? Dann musst du wirklich krank sein. Wäre vielleicht besser, du würdest zum Doktor gehen.“

„Koch mir Tee, das ist besser. Morgen bin ich bestimmt wieder in Ordnung. Ich glaube doch, dass es an der Wurst gelegen hat.“

Elfriede öffnete den Kühlschrank und holte die angeschnittene Wurst heraus. Sie beschnupperte sie und schüttelte dann den Kopf.

„Riech selbst.“ Sie hielt sie ihrem Mann vor die Nase.

„Ein bisschen säuerlich finde ich. Ich leg mich jetzt ein halbes Stündchen auf die Couch.“

Seine Frau folgte ihm in die Stube.

„Hoffentlich ist es nichts Schlimmes“, meinte sie besorgt. „Ob ich Herrn Steinhausen bitte, einmal nach dir zu schauen?“

„Nee, lass ihn in Ruhe. Koch mir nachher einen Tee. Das wird schon wieder weggehen. Sieh mich nicht so besorgt an, Mutter, oder hast du noch nie Bauschmerzen gehabt?“

Seine Frau wusste, dass er nicht zu den Männern gehörte, die sich anstellten.

„Wenn es bis heute Abend nicht besser geworden ist, rufe ich den Doktor an. Ich mache mir Sorgen.“

„Bis heute Abend ist die Geschichte längst vergessen. Lass den Jungen nicht auf seine Suppe warten.“

„Er hat in der Lateinarbeit eine Eins geschrieben, als Einziger in der Klasse“, sagte Elfriede noch, ehe sie in die Küche ging.

Dietrich Brandenburg verzog die Lippen zu einem Lächeln, aber nur einen Moment, dann presste er die Arme gegen den Leib.

Beim Essen waren Elfriedes Gedanken bei ihrem Mann. Ob er doch was gegessen hatte, was ihm nicht bekommen war?

„Ich glaube, dein Tee tut mir gut“, meinte Dietrich, als er die erste Tasse geleert hatte. Seine Frau ließ es sich nicht nehmen, ihm einen warmen Umschlag auf den Leib zu legen. Wärme war immer gut, glaubte sie.

Abends waren die Schmerzen immer noch da, aber wenn er sich nicht bewegte, fand er sie erträglich.

„Ich gehe jetzt zu Herrn Steinhausen“, entschied seine Frau.

„Lass ihn in Ruhe. Du weißt doch, dass er …“

„Ja, das weiß ich, aber wenn du wirklich krank bist und Hilfe brauchst, zu ihm habe ich mehr Vertrauen als zum Doktor. Denk doch nur daran, wie er Christoph geholfen hat.“

„Wahrscheinlich wäre der auch von selbst wieder gesund geworden.“

„Herr Steinhausen hat besondere Kräfte, Dietrich. Und er versteht mehr von Krankheiten als so ein Doktor. Ich bin gleich wieder zurück.“

Hinter dem Wohnzimmerfenster brannte Licht. Sie hatte auch erwartet, dass Gundolf zu Hause war. Durch das Fenster konnte sie ihn sehen. Er saß unter der Stehlampe und las.

Als sie klopfte, klappte Gundolf Steinhausen das dicke Buch zu und legte es auf den Tisch.

„Herein!“, rief er.

Elfriede Brandenburg war ein bisschen verlegen, obwohl es sonst gar nicht in ihre Art war.

„Entschuldigen Sie, dass ich noch störe. Es ist wegen Dietrich, sie haben ihn heute Mittag nach Hause geschickt. Er hat Bauchschmerzen, und da dachte ich, ob Sie ihn sich vielleicht einmal anzuschauen könnten.“

„Rufen Sie Doktor Drugalla.“

„Das will mein Mann nicht. Er sagt, so schlimm wäre es nicht, aber ich glaube, das stimmt nicht. Wenn sich Dietrich schon mal hinlegt … Ich mache mir Sorgen.“

„Wenn er krank ist, braucht er einen Arzt.“

„Aber Sie haben doch schon so vielen geholfen.“

Gundolf Steinhausen presste die Lippen fest aufeinander.

„Ich darf es nicht“, sagte er. „Ich bin weder Arzt noch Heilpraktiker. Wenn etwas passiert …“

„Wenn Sie ihn sich nur mal ansehen würden. Sie wüssten gleich, ob es etwas Ernstes ist oder nicht.“

„Ich bin kein Hellseher. Rufen Sie Doktor Drugalla an, schildern Sie die Symptome und bitten Sie ihn, bei Ihrem Mann vorbeizukommen.“

Elfriede Brandenburg nickte zögernd. Dann wandte sie sich langsam um und verließ schwerfällig das Haus.

♥♥♥

„Der Mann ist vernünftiger als du“, stellte Dietrich Brandenburg fest, als seine Frau von ihrem vergeblichen Gang zurückgekommen war. „Mir geht es auch schon besser.“

„Stimmt das auch? Soll ich nicht lieber den Doktor anrufen? Herr Steinhausen hat auch gemeint, es wäre besser, würde der Doktor nach dir sehen.“

„Lass mich in Ruhe, Mutter.“

Besorgt schaute Elfriede auf ihn hinab.

„Du hast heute Abend wieder nichts gegessen. Du wirst zu schwach, wenn du nichts isst.“

„Morgen hole ich alles nach. Ich lege mich jetzt ins Bett.“

„Aber wenn es schlimmer wird, Dietrich, versprich mir, dass du mir dann Bescheid sagst.“

„Mach ich.“

In der Küche saß Derk am Tisch und machte seine Schularbeiten. Sein junges Gesicht wirkte reifer, als es die Jahre vermuten ließen.