Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 507 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 507 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Die beiden Schulfreunde Gero von Falk und Martin Baron Wildhagen staunen nicht schlecht, als sie sich nach vielen Jahren ausgerechnet vor einem Kreißsaal wiedertreffen. Fast zur gleichen Stunde werden ihre Kinder, ein süßes Mädchen und ein strammer Junge, geboren. Die beiden frischgebackenen Väter sind überglücklich, und auf ihrer anschließenden Feier fließt der Alkohol in Strömen.

Es graut schon der Morgen, als Martin von Wildhagen plötzlich ganz ernst wird. "Wir legen ein Gelübde ab", schlägt er dem Freund mit schwerer Zunge vor. "Wenn deine Tochter und mein Sohn einundzwanzig sind, sollen sie ein Paar werden."
Beide unterschreiben das Gelübde und hinterlegen es sogar bei einem Notar.
Einundzwanzig Jahre später stellt dieses Gelübde nicht nur das Leben ihrer beiden Kinder vollkommen auf den Kopf ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das verhängnisvolle Gelübde

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Eliseeva Alla / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9791-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das verhängnisvolle Gelübde

Es wird zwei jungen Menschen zum Schicksal

Die beiden Schulfreunde Gero von Falk und Martin Baron Wildhagen staunen nicht schlecht, als sie sich nach vielen Jahren ausgerechnet vor einem Kreißsaal wiedertreffen. Fast zur gleichen Stunde werden ihre Kinder, ein süßes Mädchen und ein strammer Junge, geboren. Die beiden frischgebackenen Väter sind überglücklich, und auf ihrer anschließenden Feier fließt der Alkohol in Strömen.

Es graut schon der Morgen, als Martin von Wildhagen plötzlich ganz ernst wird. „Wir legen ein Gelübde ab“, schlägt er dem Freund mit schwerer Zunge vor. „Wenn deine Tochter und mein Sohn einundzwanzig sind, sollen sie ein Paar werden.“

Beide unterschreiben das Gelübde und hinterlegen es sogar bei einem Notar.

Einundzwanzig Jahre später stellt dieses Gelübde nicht nur das Leben ihrer beiden Kinder vollkommen auf den Kopf …

Es war der neunte Oktober. Kurz vor Mitternacht.

Gero von Falk lauschte den Schritten, die auf dem langen Korridor vor dem Wartezimmer zu hören waren. Trapp, trapp, trapp … Ein entsetzliches Geräusch. Es zerrte an Geros Nerven. Schließlich sprang er auf und riss die Tür des Wartezimmers auf.

Ein hochgewachsener, jüngerer Mann ging über den Korridor und wandte ihm den Rücken zu.

Gero sah ein, dass er dem Mann nicht böse sein durfte. Er war offenbar in derselben Lage wie er selbst.

Schließlich wurde man nur einmal im Leben zum ersten Mal Vater.

Da – ein klägliches Babygeschrei war zu hören, es drang durch die Türen bis zu Gero hin. Reglos lauschte er.

Schließlich merkte Gero von Falk, dass der andere Mann langsam auf ihn zukam.

„Hallo“, murmelte der Fremde. „Ihnen geht es wohl genauso wie …“ Der Mann stutzte. „Hoppla, das ist doch Gero von Falk …“ Gero bekam einen freundschaftlichen Hieb auf die Schulter. „Altes Haus, du hier in München? Ich werde verrückt.“

Nun erkannte auch Gero von Falk den anderen Mann.

„Martin Graf Wildhagen!“

Die beiden Männer schüttelten einander die Hände.

„Ich habe mich oft gefragt, was aus euch allen geworden sein mag“, rief Gero. „Und du bist auch hier, weil …“

„Weil Luise, meine Frau, ihr erstes Kind bekommt“, bestätigte Martin. „Sie ist sehr zart, und ich mache mir große Sorgen um sie.“

„Meine Güte, was für ein Zufall“, murmelte Gero. „Auch Erika, meine Frau, liegt im Kreißsaal. Sollen wir in ein und derselben Nacht Väter werden?“

„Horch, dort hinten …“ Martin legte dem Schulfreund die Hand auf den Arm.

Die Türen des Kreißsaales hatten sich geöffnet. Zwei fahrbare Tragen wurden herausgeschoben.

Martin und Gero blickten einander an, dann eilten sie auf die Tragen zu. Doch die Schwester aus dem Kreißsaal drängte die beiden Männer energisch zurück.

„Meine Herren, bitte … Ihre Gattinnen liegen noch in Narkose. Es ist alles in Ordnung. Sie haben es beide gut überstanden.“

„Aber …“, rief Gero und brach ab.

„Nun reden Sie doch!“, drängte Martin.

„Herr von Falk, Ihre Gattin schenkte einer gesunden kleinen Tochter das Leben. Und Ihre Gattin, Graf Wildhagen, gebar einen reizenden Jungen. Sie können jetzt heimgehen.“

„Darf ich zu meiner Frau?“, bat Gero.

„Unmöglich. Sie wird noch ein paar Stunden schlafen, ehe sie aus der Narkose erwacht. Und Ihre Gattin auch, Graf Wildhagen. Morgen können Sie kommen.“

„Und das Kind … darf ich es sehen?“

„Nicht mehr heute Nacht. Auch morgen …“

Martin Graf Wildhagen und Gero von Falk sahen sich an. Dann marschierten sie den Korridor hinunter.

„Diese Krankenschwester ist ein Besen“, knurrte Martin. „Sie hätte ruhig eine Ausnahme machen können.“

„Ein Wunder, dass sie nicht auf einem Besen durch die Luft reitet“, pflichtete Gero ihm grimmig bei. „Nicht mal gratuliert hat sie mir. Sie glaubt wohl, dass eine Tochter kein Grund für einen Glückwunsch ist, wie? Aber ich bin mächtig stolz auf meine Tochter.“

„Lass dir gratulieren, Gero.“

„Und dir alles Gute für deinen Sohn … weißt du, mir ist’s egal, ob es ein Junge oder Mädchen ist, Hauptsache, Erika hat es gut überstanden.“

„Und was fangen wir jetzt an mit dem angebrochenen Abend?“, erkundigte sich Martin.

„Wir gehen zu mir. Oder wohnst du auch in München? Sollen wir zu dir gehen?“

„Nein. Ich wohne im Hotel. Du weißt doch, dass wir auf unserem Gut in der Nähe von Freising leben.“

„Du bist also Gutsbesitzer, Martin?“

„Ja. Und in dieser Hinsicht bin ich sehr froh, dass unser erstes Kind ein Junge ist. Jetzt ist wenigstens die Erbfolge gesichert. Eigentlich kam der Bengel viel zu früh. Ich fuhr mit Luise zu Einkäufen nach München, und da bekam sie auf einmal die Wehen.“

„Was für ein Zufall.“ Gero seufzte glücklich auf. „Jetzt sind wir in ein und derselben Nacht Väter geworden. Du, das muss gefeiert werden, einverstanden?“

„Hoffentlich hast du Champagner zu Hause.“

„Na klar. Ich bin auf diesen Fall gut vorbereitet, Martin.“

♥♥♥

Drei Flaschen Sekt und eine halbe Flasche Weinbrand waren geleert worden.

„Hör zu, Gero“, sagte Graf Wildhagen mit schwerer Zunge. „Wir sollten den Schicksalswink richtig deuten. Deine Tochter und mein Sohn wurden in ein und derselben Nacht – ja, sogar in ein und derselben Stunde – geboren. Und die Väter der Babys sind alte Schulkameraden. Ich mache dir einen Vorschlag, aufgepasst …“

„Ich bin gespannt“, murmelte Gero von Falk. „Kannst du jetzt wirklich noch einen klaren Gedanken fassen?“

„Kann ich. Mein Geist ist messerscharf. Fällt dir nicht auf, dass du eine Tochter bekommen hast und ich einen Sohn?“

„Nein, warum soll mir das auffallen? Das Schicksal hat so entschieden, und ich nehm’s als gegeben hin.“

„Du hast wirklich ein Brett vor dem Kopf“, schimpfte Martin. „Wir werden ein Testament aufsetzen. Weißt du, ob du in einundzwanzig Jahren noch lebst?“

„Das will ich doch stark hoffen. Hör mal, dann bin ich … zweiundsechzig, ja! Und dann will ich noch nicht abtreten.“

„Aber es könnte doch möglich sein. Nur mal angenommen, wir wären beide tot, wenn deine Tochter und mein Sohn ihren einundzwanzigsten Geburtstag feiern.“

„Das Gespräch macht mir keine Freude.“ Gero steckte sich mit zitternden Händen eine Zigarette an.

„Egal, ob wir nun tot sind oder leben, wir sollten in dieser ereignisvollen Nacht beide ein Gelübde ablegen. Du und ich.“

Gero starrte dem Freund in die Augen.

„Was … was für ein Gelübde, Martin?“

„Dass mein Sohn deine Tochter heiratet. Wäre das nicht eine tolle Idee?“

Gero runzelte die Stirn, doch der Sinn der Worte drang nicht mehr in sein Bewusstsein.

Da bemerkte er, dass Martin einen Block aus der Tasche gezogen hatte und hastig etwas draufschrieb.

„Was … was machst du da, Martin?“

„Ich schreibe das Gelübde nieder … störe mich nicht.“

„Ich bin müde.“ Gero gähnte. „Mein Bett hat eine unglaubliche Anziehungskraft auf mich.“

„Und mir kannst du in fünf Minuten deine Couch anbieten“, erlaubte Martin großzügig. „Hier, ich habe den Text entworfen. Warte, ich schreibe ihn gleich noch einmal ab, damit wir jeder ein Exemplar kriegen. Ist das nicht eine tolle Idee von mir?“

„Nun ja …“, meinte Gero, „findest du? Wenn meine Tochter aber deinem Sohn gar nicht gefällt? Bestimmt ist sie ein ausnehmend schönes Mädchen in einundzwanzig Jahren, schließlich ist sie ja meine Tochter. Aber vielleicht ist sie blond, und dein Sohn schwärmt für brünett …“

„Nichts da. Er muss sie heiraten. Dann weiß ich wenigstens, aus welchem guten Stall meine Schwiegertochter kommt.“

„Das ehrt mich sehr, Martin, aber wenn nun dein Sohn meiner Tochter gar nicht gefällt?“

„Erlaube mal! Er wird Gutsbesitzer sein, ein bildschöner Junge, nach dem sich jede Frau die Finger ablecken wird! Er muss deiner Tochter gefallen.“

Gero schob die Unterlippe vor.

„Meinst du?“

„Ich schwöre es dir. Es wird die ganz große Liebe. Hier, unterschreibe das Gelübde.“

„Brauchen wir nicht. Wir werden uns das Versprechen mit Händedruck geben.“

„Aber wenn nun einer von uns beiden stirbt?“, beharrte Martin Graf Wildhagen. „Nein, wir müssen unter dieses Gelübde unsere Unterschriften setzen. Komm, sei kein Spielverderber. Hier …“

Gero von Falk unterschrieb fahrig. Dann nahm ihm Martin den Füllhalter ab und setzte seinen Namenszug darunter.

„Hier, das zweite Exemplar …“

Dieselbe Prozedur wurde wiederholt.

Jeder steckte sich ein „Gelübde“ in die Brieftasche. Noch ein Glas Weinbrand wurde getrunken. Dann stand Gero von Falk schwankend auf.

„Komm, Gutsbesitzer“, lallte er, „ich zeige dir jetzt das Gästezimmer.“

In ihrem überschwänglichen Glücksgefühl, Väter geworden zu sein, hatten die beiden jungen Männer Schicksal spielen wollen. Sowohl Martin von Wildhagen als auch Gero von Falk vergaßen dieses „Gelübde“ noch in derselben Nacht. Sie dachten nicht mehr daran, und darüber vergingen mehr als zwanzig lange Jahre …

♥♥♥

Luise Gräfin Wildhagen lächelte Frank zu.

„Ich bin sicher, dass Papa deine Wahl billigt“, versicherte sie ihrem Sohn. „Es gibt weit und breit in Bayern keine feschere Person als die Kathrein! Und deshalb würde ich mich rasch mit ihr verloben, damit sie dir nicht ein anderer vor der Nase wegschnappt.“

„Kathrein ist noch sehr altmodisch erzogen, Mama“, erwiderte der junge Graf seufzend. „Zuerst muss der Mann, der sich um sie bemüht, ihr zu verstehen geben, dass er sie heiraten will. Eher erlaubt sie ihm nicht einmal, ihr die Hand zu küssen.“

„Dann ist sie vorzüglich erzogen“, freute die Gräfin sich. „Das freizügige Gehabe dieser jungen Dinger von heute ist mir ein Gräuel. Wie schön, dass es noch Mädchen wie Kathrein gibt, die noch in Sitte und Moral hohe Tugenden sehen.“

„Man könnte meinen, sie würde dir eine Vermittlungsgebühr dafür bezahlen, dass du mir gut zuredest“, gab Frank lachend zurück. „Du legst dich ja mächtig für sie ins Zeug. Aber es spricht ein gewichtiger Grund dagegen, sie zu heiraten: Sie ist nur die drittälteste Tochter des Bauern Burgstaller, und eigentlich kann ich mir ein armes Mädchen nicht leisten, Mama. Du weißt doch, nach dem Umbau des Gutshauses und der Anschaffung neuer Maschinen verfügen wir kaum noch über Bargeld. Wir brauchten eine neue Geldquelle.“

Luise sah ihren Sohn erschrocken an.

„Zu dumm“, meinte sie, „dass wir Papa nicht um Rat fragen können. Doch solange er so schwer krank ist, darf man ihn im Sanatorium nicht mit solchen Problemen überfallen. Nein, wir müssen selbst versuchen, die richtige Entscheidung zu treffen.“

„Aber wie? Kathrein bekommt nicht einmal eine gute Mitgift, da bin ich ganz sicher!“ Frank vergrub sein Gesicht in den Händen. „Dabei habe ich sie wirklich lieb, Mama! Doch muss ich als künftiger Gutsherr nicht auch an unseren Besitz denken?“

„Mir ist, als hörte ich jetzt deinen Vater sprechen“, sagte die Gräfin. „Ich habe leider mein Privatvermögen auch schon restlos ans Gut verloren.“

„Seit Jahren bitte ich Papa, auf dem ungenutzten Land zwischen Gutshaus und Wald eine Holzhandlung einzurichten. Wir haben so riesige Baumbestände, dass damit wirklich Geld zu machen wäre. Papa aber hat sich immer gegen diese Idee gesträubt. Wir stünden heute ganz anders da, wenn Papa damals meinem Rat gefolgt wäre.“

„Papa hatte seine Gründe. Wenn er allerdings wüsste, wie schlecht das Gut finanziell dasteht, hätte er seinen Entschluss vielleicht doch geändert. Jetzt ist es zu spät. Wo willst du jetzt das Anfangskapital für die Holzhandlung hernehmen?“

„Bald ist mein einundzwanzigster Geburtstag, Mama! Kannst du Papa bitte fragen, ob er mir als Geschenk das westliche Waldstück und das Land gibt, das zwischen Gut und Wald liegt?“

„Aber dann merkt er doch genau, was du vorhast. Und er darf sich nicht aufregen.“

„Ich bin sicher, dass er gar nicht mehr an meinen Vorschlag von damals denkt, Mama. Er hat ihn nie ernst genommen.“

„Wenn ich nächstens zu ihm ins Sanatorium fahre, kann ich ja versuchen, das Thema einmal anzuschneiden!“, versprach die Gräfin. „Aber viel Hoffnung habe ich nicht. Weißt du, was er mir antworten wird: Der Junge ist unser einziges Kind. Er wird doch einmal alles erben. Warum sollen wir ihm vorab Land schenken?“

„Ja, Mama, du hast recht. Ich weiß aber sonst keinen Weg, um an Geld zu kommen.“

„Ich auch nicht. Ich habe sogar vor einem Jahr meine echten Perlen verkauft. Papa wusste es gar nicht. Damals – kurz nach seinem Unfall – mussten wir doch alles von ihm fernhalten, was ihm irgendwie Sorgen bereiten könnte.“

„Mama, vielleicht muss ich mich wirklich von Kathrein zurückziehen. Wenn ich keine reiche Partie mache, ist unser Gut verloren.“

Schmerzlich bewegt blickte die Gräfin ihrem Sohn in die Augen.

„Meine armer Junge“, murmelte sie.

„Aber ich glaube, es würde mir das Herz brechen, Kathrein zu verlieren. Ich liebe dieses Mädchen über alles.“

♥♥♥

Das große Passagierschiff „Nabucco“ hatte vor einer halben Stunde von Korsika abgelegt und glitt nun durch das Ligurische Meer auf San Remo zu.

Viele Passagiere standen an der Reling und schauten verzückt auf die rote Abendsonne.

Michael Baron Ried hatte darauf gewartet, dass das schöne Mädchen aus ihrer Kabine kam.

Wie jeden Abend – er beobachtete sie schon seit drei Tagen – stellte sie sich abseits der anderen Passagiere an die Reling und blickte verträumt übers Meer.

Der junge Mann hatte für keine andere Frau an Bord Interesse. Die brünette Unbekannte mit dem ausdrucksvollen Gesicht, dem langen goldbraun schimmernden Haar und der ebenmäßigen Figur lebte sehr zurückgezogen, aber sie musste heute eine Ausnahme machen.

Michaels blaue Augen leuchteten auf, als er sie näher kommen sah. Sicher war ihr Kind schon eingeschlafen.

Schon oft hatte er sich gefragt, warum der Vater des Kindes die Kreuzfahrt durchs Mittelmeer nicht mitmachte. War die junge Frau vielleicht geschieden? Oder verwitwet?

Langsam ging Michael auf die Fremde zu.

„Gestatten Sie mir, ein paar Worte mit Ihnen zu wechseln?“, fragte er, als er neben ihr an der Reling lehnte. „Morgen legen wir in San Remo an und gehen von Bord. Ich würde Sie ungern aus den Augen verlieren.“

Langsam drehte die junge Frau sich zu ihm um.

„Bitte, ich möchte keine Bekanntschaften an Bord machen“, erklärte sie ihm.

„Warum nicht?“, erkundigte Michael sich. „Ich bin Michael Baron Ried. Ich komme aus Hannover. Ich bin ebenso einsam an Bord wie Sie. Oder haben Sie auf jemanden Rücksicht zu nehmen? Ich sehe keinen Trauring an Ihrem Finger.“

Die Fremde wandte sich wieder dem Anblick des Wassers zu.

„Ich habe auf mein Kind Rücksicht zu nehmen. Es ist drei Jahre alt.“

Michael konnte keinen Blick von ihr wenden. Ihre ebenmäßige gebräunte Haut, ihr schimmerndes Honighaar, ihr schön geschnittenes Gesicht und ihre aufregende Figur waren eine Symphonie der Vollkommenheit.

„Gottlob, Sie sprechen wenigstens mit mir. Ich habe Sie tagsüber oft mit Ihrem kleinen Töchterchen beobachtet. Es ist ganz allerliebst, und oft empfand ich den Wunsch, mit ihr Ball zu spielen oder im Sandkasten für sie eine Burg zu bauen.“

Die junge Frau schaute ihn ernst an.

„Schenken Sie mir diesen Abend“, bat Michael. „Ich verspreche Ihnen, dass ich sehr zurückhaltend sein werde. Ich bin Passagier der zweiten Klasse. Darf ich Sie in den Nachtklub an Deck einladen?“

„Bitte, geben Sie sich keine Mühe“, wies sie seine Einladung zurück. „Ich habe auf dieser zweiwöchigen Reise viele Angebote bekommen.“

„Heute ist der letzte Abend. Ich werde Ihnen in keiner Weise zu nahe treten. Ich möchte nur nicht allein sein. Auf dieser Reise bin ich viel zu oft ins Grübeln gekommen. Ich bin sehr froh, dass Sie mir begegnet sind. Bitte, geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß.“

Nachdenklich sah ihm die junge Frau in die Augen.

„Wer sind Sie?“, fragte Michael. „Darf ich nicht einmal Ihren Namen erfahren?“

„Doch, das dürfen Sie“, erwiderte sie überraschend freundlich. „Ich heiße Adelinde von Falk.“

„Was für ein schöner Name.“ Michael lagen viele Fragen auf der Zunge, doch er schwieg. Er war glücklich, dass sie ihm nicht die kalte Schulter zeigte.

„Wie steht es nun mit meiner Einladung?“, fragte er. „Wollen wir beiden Einsamen in den Nachtklub gehen und dort Abschied feiern? Die ‚Nabucco‘ hat uns doch brav durchs Mittelmeer gefahren, finden Sie nicht auch?“

Adelinde von Falk zögerte noch immer, doch dann nickte sie.

„Gut, einverstanden, aber ich muss noch schnell nachsehen, ob Binchen auch gut schläft.“

„Und ich ziehe mich rasch um“, entgegnete Michael. „Treffen wir uns in einer Viertelstunde wieder hier, Frau von Falk?“

„Nennen Sie mich nicht ‚Frau von Falk‘, Herr von Ried. Ich bin nicht verheiratet und war es auch nie.“

Michael schaute sie fragend an.

„Meine Tochter Sabine wurde unehelich geboren“, erklärte sie ihm da. „Haben Sie immer noch Lust, mit mir den Abend zu verbringen?“

Der junge Baron zog ihre Hand an seine Lippen.

„Als ob mich das stören würde!“, sagte er leise. „Halten Sie mich für einen engstirnigen Philister?“