Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 528 - Karin Weber - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 528 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

"Ich verreise für drei Wochen mit unbekanntem Ziel und bin in dieser Zeit nicht erreichbar", informiert der Landesfürst Bertold von Tettenborn seinen Vetter. "Du wirst mich würdig vertreten."
Ab und zu zieht es den Fürsten in die Ferne, und niemand weiß, wo er sich genau aufhält. Prinz Udo von Purkhammer wünscht sich im Stillen, der Fürst möge sich den Hals brechen. Dann könnte er seinen Platz für immer einnehmen und den Thron besteigen. Vielleicht würde es ihm sogar gelingen, Bertolds Braut von seiner Liebe zu überzeugen und sie zum nächsten Hofball zu führen. Denn der Prinz liebt die entzückende Prinzessin Julie mehr als sein Leben. Und dann geschieht das Unfassbare: Der Landesfürst kehrt nicht von seiner Reise zurück und bleibt unauffindbar!


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Inhalt

Cover

Impressum

Hofball im Schloss

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Happy Author / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0598-1

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Hofball im Schloss

Ein zauberhafter Liebesroman aus der goldenen Zeit

Ich verreise für drei Wochen mit unbekanntem Ziel und bin in dieser Zeit nicht erreichbar«, informiert der Landesfürst Bertold von Tettenborn seinen Vetter. »Du wirst mich würdig vertreten.«

Ab und zu zieht es den Fürsten in die Ferne, und niemand weiß, wo er sich genau aufhält. Prinz Udo von Purkhammer wünscht sich im Stillen, der Fürst möge sich den Hals brechen. Dann könnte er seinen Platz für immer einnehmen und den Thron besteigen. Vielleicht würde es ihm sogar gelingen, Bertolds Braut von seiner Liebe zu überzeugen und sie zum nächsten Hofball zu führen. Denn der Prinz liebt die entzückende Prinzessin Julie mehr als sein Leben. Und dann geschieht das Unfassbare: Der Landesfürst kehrt nicht von seiner Reise zurück und bleibt unauffindbar!

»Wie lange wirst du diesmal fortbleiben?« Udo von Purkhammer ging unruhig im Raum auf und ab.

»Ich weiß es nicht genau. Zwei Wochen, vielleicht auch drei.«

»Und wo kann man dich erreichen?«

»Gar nicht. Ich verreise mit unbekanntem Ziel.«

Zwei- oder dreimal im Jahr fuhr der Landesfürst Bertold von Tettenborn fort, und niemand wusste, was er in der Zeit seiner Abwesenheit trieb. Sein Kammerdiener Karl, der ihn als Einziger begleitete, verriet mit keiner Silbe etwas.

Udo allerdings glaubte zu wissen, was seinen Vetter hinauszog. Ganz bestimmt hatte Bertold eine Liebschaft. Warum hätte er sonst solche Heimlichkeiten um seinen Aufenthaltsort aufgebaut?

»Etwas Besonderes ist nicht zu erwarten, und falls doch, werde ich aus den Zeitungen davon erfahren und zurückkehren.«

»Was sagt deine Braut Julie zu diesen Abstechern ins einfache Leben?«, wollte Udo wissen.

»Sie hat mir dazu geraten, mein Lieber.« Bertold ahnte die Gedanken seines Vetters, konnte darüber aber nur geringschätzig lächeln.

»Ich verstehe, dass du vorsichtig sein musst, aber mir könntest du ruhig etwas erzählen. Ist sie sehr hübsch?«

»Ja.«

Die Landschaft, dachte Bertold. Natürlich wusste er, dass seine Antwort durchaus missverständlich war. Manchmal machte es ihm einfach Spaß, seinen Vetter Udo ein bisschen aufzuziehen.

»Hübsch. Auf dich wartet eine Frau wie Julie, und du ...«

»Und ich verreise. Die Vollmachten für dich habe ich unterschrieben, und ich bitte dich herzlich, die Audienztage korrekt einzuhalten.«

»Wie du befiehlst.« Udo machte eine übertrieben tiefe Verneigung. »Du bist ja der Herr. Hast du sonst noch Befehle für mich?«

»Wir sind Vettern, lieber Udo. Sprich nicht in solch einem Ton zu mir.« Begütigend legte Bertold von Tettenborn dem Prinzen die Hand auf die Schulter.

»Lebe wohl, Udo. Wenn ich zurück bin, dann kannst du verreisen. Ich bin froh, dass ich hier jemanden habe, auf den ich mich verlassen kann.«

Prinz Purkhammer wünschte sich, sein Vetter würde sich den Hals brechen. Nach Bertolds Tod könnte er den Thron besteigen, aber mit solch einem Glück durfte er wohl nicht rechnen.

»Leb wohl.« Er brachte es nicht fertig, seinen Vetter anzuschauen, als er die entgegengestreckte Hand nahm. »Erhole dich gut.«

»Danke, ich habe es nötig. Draußen in der freien Natur werde ich aufleben.«

»Ich würde sie gern kennenlernen«, stieß Udo von Purkhammer hervor. »Sie muss irgendetwas Besonderes haben, wenn sie dich so fesseln kann. Und das nun schon ein paar Jahre hindurch.«

Der Fürst zuckte die Achseln und ging hinaus. Von seiner Braut, Prinzessin Julie, hatte er sich schon verabschiedet.

Der Wagen stand vor dem Schloss, um ihn und Karl zum Bahnhof zu bringen. Er wartete allerdings am Hintereingang, und er trug auch nicht das fürstliche Wappen an den Türen.

Für seine Abreise pflegte Fürst Tettenborn einen Mietwagen aus der Stadt kommen zu lassen. Und wenn er einen unauffälligen Anzug trug, den Hut tief ins Gesicht gezogen, dann würde ihn niemand erkennen. In der Öffentlichkeit trug er stets eine Uniform, ganz selten einmal einen Zivilanzug.

Den im schlichten Mantel gekleideten Mann beachtete niemand, als er eine knappe Stunde später ausstieg. Karl entlohnte den Fahrer und trug die beiden Koffer auf den Bahnsteig.

Kurz darauf fuhr der Fürst seinen geliebten Bergen entgegen.

♥♥♥

»Herrlich!«, rief Fürst Tettenborn, als nach langem, beschwerlichem Weg die kleine Hütte vor ihnen auftauchte.

Karl blieb stehen und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er war etwas beleibt und konnte die Begeisterung seines Herrn für die schöne Natur nicht teilen.

Fürst Tettenborn schloss die Tür auf.

»Meine armen Füße«, murmelte Karl, als er ihm folgte.

»Ruh dich einen Moment aus, ich hole Wasser«, rief der Fürst Karl zu, der seinen Rucksack ächzend absetzte. »Du kannst ein Feuer im Herd anzünden. Ich freue mich auf eine Tasse Kaffee.«

»Sehr wohl, Königliche Hoheit.«

Karl war froh, dass er noch genügend Holz liegen hatte. Bei ihrem letzten Aufenthalt in der Hütte hatte er für einen ordentlichen Vorrat gesorgt.

Mit skeptischem Blick schaute Karl sich in der Hütte um. Wie primitiv hier alles war!

Waldarbeiter hatten diese Hütte wahrscheinlich einmal gebaut, später hatte der Förster sie erweitert und mit etwas Komfort versehen lassen. Aber primitiv war dennoch alles.

Als Fürst Tettenborn zurückkehrte, flackerte ein lustiges Feuer im Herd. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, da begann es in Strömen zu regnen.

»Da bin ich gerade im richtigen Moment zurückgekommen«, stellte er fest und goss das Wasser in den Kessel. Karl wollte ihm helfen, aber der Fürst winkte ab. »Lass mich nur. Mir macht es Spaß, den Kaffee mal selbst zu kochen.«

Er trug eine Lodenhose, ein bunt kariertes Hemd und eine schlichte Jacke, wie sie die Waldarbeiter bevorzugten.

Auf den ersten Blick konnte man ihn tatsächlich für einen Waldarbeiter halten, aber auch nur auf den ersten Blick, denn Seine Königliche Hoheit sah immer gut aus. Karl fand es ganz selbstverständlich, dass sein Herr die schönste und charmanteste Prinzessin zur Braut hatte.

»Es klart schon wieder auf«, stellte Bertold von Tettenborn nach dem Mittagessen fest.

»Das war ja eine richtige Sintflut«, meinte der Kammerdiener.

»Morgen früh wird wieder alles trocken sein. Dann klettern wir auf den Bocksberg. Oder bleibst du lieber hier?«, fragte der Fürst.

»Selbstverständlich komme ich mit, Königliche Hoheit.« Karl fand es nicht richtig, dass der Fürst allein ging. Allerdings taten ihm schon allein beim Gedanken an den beschwerlichen Aufstieg, der ihm bevorstand, die Beine weh.

♥♥♥

Am nächsten Morgen lachte die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel herunter.

Nach dem Frühstück machten Bertold von Tettenborn und sein Diener sich auf den Weg und wanderten stundenlang durch die Berge.

»Bald haben wir es geschafft.« Karl schaute den steilen Hang zur rechten Seite empor. Noch ein paar Hundert Meter. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.

Da bewegte sich doch etwas? Dicke Felsen! Und eine verkrüppelte Fichte hatte sich in Bewegung gesetzt.

Plötzlich war ein Donnern in der Luft, und das bei blauem Himmel. Vögel stoben entsetzt hoch, während Karl wie angewurzelt dastand und starrte.

»Eine Gerölllawine!« Der Fürst hatte die Gefahr schneller erkannt als sein Kammerdiener. »Los, komm!«

Er packte Karls Arm und riss ihn mit sich fort. Zu verstehen war nichts mehr, aber sie brauchten auch keine Worte, um sich zu verständigen.

Karl lief, so schnell er konnte, hinter seinem Herrn her. Wir schaffen es!, dachte er, als er plötzlich stürzte. Es war eine Erhebung im Felsen, die er nicht beachtet hatte.

»Königliche Hoheit!«, schrie er.

Das waren seine letzten Worte auf dieser Welt. Dann hörte er nichts mehr und sah nichts mehr. Er war sofort tot.

Die Gerölllawine aber staute sich, wuchs und wuchs, bis die ganze Landschaft völlig verändert war.

Der Regen hatte das Gestein gelockert.

Ein paar Vögel flogen um den Mann herum, der mit dem Gesicht nach unten im Gras lag. Neben ihm lag ein kopfgroßer Felsbrocken, der seine Stirn getroffen hatte. Wie ein Geschoss war er heruntergekommen. Fürst Tettenborn hatte ihn nicht frühzeitig genug gesehen.

Allmählich wurde es ruhig in der Luft. Das Echo der Lawine verstummte, und die ersten Vögel ließen sich auf den Bäumen nieder.

♥♥♥

»Da hat es ganz schön was gegeben«, sagte der Waldarbeiter Dahlke zu seiner Frau und wies mit dem Daumen nach oben.

»Und wenn schon. Was macht es?« Frau Meta zuckte die Achseln. »Es ist ja kein Mensch hier in der Gegend.«

»Wäre ihm auch schlecht bekommen. Hast du noch eine Tasse Kaffee für mich, Frau?«

Meta Dahlke füllte seinen Becher noch einmal.

»Kommst du heute zum Mittagessen nach Hause?«

»Ja. Wir arbeiten nicht weit von hier entfernt. Also bis dann, Meta.« Ludwig Dahlke stand schwerfällig auf und reckte sich. »Werde mal sehen, was da oben los gewesen ist.«

»Wo Elsbeth nur so lange bleibt?«, wunderte Frau Meta sich. »Wenn ich sie ins Dorf schicke, braucht sie immer Stunden.«

»Lass sie doch, Frau, sie redet gern ein bisschen«, meinte der Mann gemütlich. »Sonst ist sie ganz fleißig.«

»Ich will ja auch nichts gegen sie sagen.« Ludwig nickte seiner besseren Hälfte zu und trat vor das niedrige Haus. Schön war es nicht, aber es gehörte ihm, und er fühlte sich hier wohl, auch wenn es ziemlich einsam lag.

Mit der Rechten beschattete Ludwig die Augen und schaute zum Berg hinauf. Er schüttelte ungläubig den Kopf.

»Fast der halbe Berg ist runtergekommen«, rief er seiner Frau zu. »Das gibt wieder allerhand Arbeit für uns.«

Vielleicht waren einige Bäume umgestürzt, sodass er sich Holz als Winterfeuerung holen konnte. Graf Heerdingen war nicht kleinlich, wenn es sich um umgestürzte Bäume handelte.

Gemächlich stieg Dahlke bergan. Auf dem schmalen Pfad nach oben traf er auf das erste Geröll. Er konnte kaum glauben, dass die Lawine so weit nach unten gekommen war.

Da lag doch etwas! Etwas Grünes. Ein Mensch! Ludwig Dahlke begann zu laufen. Minuten später kniete er an der Seite des Bewusstlosen und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken.

Der Mann war schwer verletzt, sein Gesicht blutüberströmt. Ludwig drückte sein Ohr auf die Brust des Verletzten. Das Herz schlug noch, aber er musste viel Blut verloren haben.

Ludwig Dahlke hob den Mann auf seine Arme und begann den Abstieg.

Als er mit dem Fuß gegen die Tür seines Hauses stieß, war der Waldarbeiter in Schweiß gebadet.

»Aufmachen, Meta, ich bin es!«, schrie er.

»Tot?«, fragte sie scheu, nachdem sie die Tür geöffnet hatte.

»Noch nicht, glaube ich. Ist Elsbeth zurück? Sie muss sofort wieder ins Dorf und den Arzt holen.«

»Elsbeth, lauf ins Dorf! Wir haben einen Verletzten!« Frau Meta öffnete die Tür des Schlafzimmers.

»Mein Gott!« Elsbeth Dahlke blieb auf der Schwelle der Küche stehen. »Der arme Mann!«, murmelte sie und hastete davon

»Wie gut, dass ich gerade Wasser heiß habe«, sagte Frau Meta. »Ich werde sein Gesicht waschen und die Wunde verbinden.«

»Tu das, Meta. Du kennst dich mit Verletzungen ja aus.« Ludwig Dahlke war mehr als einmal mit Schrammen nach Hause gekommen, die Meta sehr fachgerecht verbunden hatte.

»Wer mag das sein, Ludwig? Sieh nur seine Hände an. Gearbeitet hat der bestimmt noch nicht.«

»Ob er Papiere bei sich hat?« Ungeniert griff Ludwig in die Taschen des Rockes und leerte sie. »Eine Pfeife, Tabak, ein Tuch. Das ist alles, Meta. Wir können nicht einmal seine Angehörigen benachrichtigen. Vielleicht weiß man im Dorf von ihm. Er muss von unten gekommen sein.«

Seine Frau wusch das Gesicht des verletzten Mannes.

»Am besten wäre es, wir würden ihm den Bart abnehmen, Ludwig. Dann sitzt der Verband besser. Wie der Ärmste aussieht! Ich glaube nicht, dass er durchkommt.«

»Noch lebt er. Ob er allein war? Gesehen habe ich niemanden. Ich sage rasch dem Förster Bescheid, und dann suchen wir das Gelände noch einmal ab.«

»Geh ruhig, ich werde schon mit ihm fertig.« Immer wieder schüttelte Frau Meta den Kopf. Dass der Mann überhaupt noch lebte, erschien ihr wie ein Wunder.

♥♥♥

»Hier ist niemand mehr«, stellte Graf Heerdingens Förster nach stundenlanger, ergebnisloser Suche fest.

»Und wenn, ist er unter dem Geröll begraben.« Ludwig Dahlke wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Förster Busse zuckte die Achseln.

»Es war nicht vorauszusehen, dass der Berg so plötzlich herunterkommen würde. Im Winter muss man mit Lawinen rechnen, aber nicht in dieser Jahreszeit. Geht wieder an die Arbeit, Leute. Ich werde dem Herrn Grafen Bericht erstatten. Dahlke, Sie führen die Aufsicht.«

»Mache ich, Herr Förster.« Ludwig legte die Rechte an die Mütze. »Also dann los, Leute, keine Müdigkeit vorschützen.«

Der Weg der Kolonne führte in der Nähe seines Hauses vorbei. Ludwig Dahlke machte schnell einen kleinen Umweg, um sich nach dem Befinden des Verletzten zu erkundigen.

Der fremde Mann lag in seinem Bett, den Kopf bandagiert. Der Arzt schloss gerade seine Tasche.

»Wird er durchkommen?«, fragte Ludwig neugierig.

»Vielleicht. Er scheint ziemlich kräftig zu sein, hat aber viel Blut verloren. Er bleibt hier, bis er transportfähig ist. Hätten Sie ihn nicht gefunden und Ihre Frau ihn so gut versorgt, wäre er jetzt tot.«

»Meine Meta, das ist schon eine«, erklärte Ludwig stolz. »Und du stehst hier nur herum, Elsbeth? Hast du nichts zu tun?«

»Ich gehe ja schon, Vater.« Es fiel Elsbeth schwer, sich von dem Anblick des Verletzten loszureißen. »Wer mag er wohl sein?«

»Das wird er uns erzählen, wenn er wieder reden kann. Koch eine Suppe. Die kann er essen, wenn er zu sich kommt. Schön, dass Sie gleich gekommen sind, Herr Doktor.«

»Ich schaue heute Abend noch einmal nach ihm.«

Zusammen mit dem Arzt trat Dahlke vor die Tür seines Hauses.

»Was der da oben nur zu suchen hatte«, murmelte er. »Ein Jäger ist er nicht. Ich habe jedenfalls kein Gewehr gefunden, und das Revier gehört auch unserem Grafen. Vielleicht ein Gast vom Schloss? Wie ein feiner Herr ist er aber nicht gekleidet.«

»Es wird sich alles aufklären, lieber Dahlke. Ich muss jetzt weiter. Ihre Tochter hat mich aus der Sprechstunde herausgeholt.«

»Noch mal vielen Dank.« Die beiden Männer gingen in verschiedene Richtungen davon.

Förster Busse stand unterdessen im Arbeitszimmer des Grafen Heerdingen und erstattete seinen Bericht.

Wolfhard von Heerdingen hörte ihn an, ohne ihn zu unterbrechen.

»Haben Sie eine Ahnung, wer das sein könnte, Herr Graf?«, schloss Busse seinen Bericht.

»Nein. Ich werde mir den Mann nachher einmal anschauen. Allerhand, dass Dahlke ihn auf seinen Armen heruntergetragen hat. Werde dem Mann ein paar Flaschen Wein schicken lassen.«

»Wenn es gestattet ist, Herr Graf ...«

»Ja, reden Sie nur weiter, Busse«, forderte Heerdingen ihn auf, als er abbrach.

»Dahlke trinkt lieber härtere Sachen. Über eine Flasche Korn würde er sich mehr freuen.«

Wolfhard von Heerdingen schmunzelte.

»Sie haben recht. Er wird also Korn bekommen. Kommen Sie mit dem Holzeinschlag gut weiter?«

»Ich bin zufrieden, Herr Graf. Die Leute tun ihr Bestes.«

»Ich komme nachher vorbei und sehe es mir selbst an.« Mit einer lässigen Kopfbewegung verabschiedete der Graf seinen Revierförster. Gerölllawinen waren nicht so selten, und dass ein Mann verletzt war, berührte ihn nicht sehr. Er kannte ihn ja nicht.

»Willst du noch fort, Vati?«, fragte seine Tochter Claudia ihn, als er den Flur entlangging. »Ist wieder eine Lawine heruntergekommen?«

»Ja. Es hat einen Verletzten gegeben. Er liegt bei Dahlke. Ich will mir den Mann einmal anschauen. Soll ein Fremder sein, hat Busse mir gesagt.«

»Ein Fremder?« Komtess Claudia machte große Augen. »Darf ich mitkommen?« bat sie.

Der hochgewachsene Mann lächelte auf sie herab. Seine Tochter ähnelte sehr ihrer Mutter. Sie war einen Kopf kleiner als er und recht zierlich. Er nannte sie gern sein Püppchen. Dabei war Komtess Claudia alles andere als zimperlich.

»Ich sage nur noch rasch Mutti Bescheid.« Sie wirbelte davon, und Graf Heerdingen schaute ihr wohlgefällig nach. Sie würden sie wohl bald verlieren. In diesem Winter sollte Claudia das erste Mal zu einem Ball gehen. Sicher würde sie viele Verehrer finden.

Der Graf stand draußen vor dem Schloss in der Sonne und wartete. Schon zwei Minuten später kam Claudia herausgelaufen.

Sie war zwar noch ein kleiner Wildfang, aber sie hatte das Herz auf dem rechten Fleck.

Der Graf und die Komtess machten sich auf den Weg.

Als die beiden am Rande der Lichtung auftauchten, trat Elsbeth Dahlke gerade vor das Haus. Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte zurück.

»Der Herr Graf kommt!«, rief sie ihrer Mutter zu. »Vielleicht ist der Verletzte doch ein Gast vom Schloss. Er hat so etwas Vornehmes an sich, finde ich.«

Frau Meta riss sich hastig die Schürze herunter und warf sie in den Schrank.

Sie verneigte sich tief, als Graf Heerdingen und seine Tochter das Haus betraten. Es war für sie eine hohe Ehre, dass er herkam.

»Guten Tag, liebe Frau Dahlke«, grüßte Wolfhard von Heerdingen leutselig. »Sie haben heute allerhand Aufregungen erlebt, habe ich gehört.«

»Alles nicht so schlimm, Herr Graf, wenn er nur durchkommt. So ein netter junger Mann. Ich dachte, mein Herz bliebe vor Schreck stehen, als Ludwig mit ihm herkam. Wollen Sie ihn sehen?«

»Wenn es möglich ist und Ihnen keine Umstände macht?«