Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 530 - Wera Orloff - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 530 E-Book

Wera Orloff

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Beschreibung

Berauscht von der ersten Liebe verlässt Ursula von Blumenau das elterliche Schloss und zieht mit dem mittellosen Studenten Werner Reimann in eine ärmliche Mansardenwohnung. Es ist ein hartes Leben voller Entbehrungen, aber Ursula ist trotzdem glücklich - bis sie Werner gesteht, dass sie ein Kind bekommt. Da merkt sie an seiner entsetzten Reaktion, dass er sie niemals geliebt hat, sondern lediglich von der Verbindung mit einer Komtess profitieren wollte.
Ursula ist tief getroffen, doch ihr Stolz verleiht ihr ungeahnte Kräfte. Tapfer nimmt sie von diesem Tage an ihr Leben selbst in die Hand ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Doch Tränen ändern nichts

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Masson / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0600-1

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Doch Tränen ändern nichts

Nach einer Enttäuschung muss Ursula ihr Leben selbst in die Hand nehmen

Berauscht von der ersten Liebe verlässt Ursula von Blumenau das elterliche Schloss und zieht mit dem mittellosen Studenten Werner Reimann in eine ärmliche Mansardenwohnung. Es ist ein hartes Leben voller Entbehrungen, doch Ursula ist trotzdem glücklich – bis sie Werner gesteht, dass sie ein Kind bekommt. Da merkt sie an seiner entsetzten Reaktion, dass er sie niemals geliebt hat, sondern lediglich von der Verbindung mit einer Komtess profitieren wollte.

Ursula ist tief getroffen, doch ihr Stolz verleiht ihr ungeahnte Kräfte. Tapfer nimmt sie von diesem Tage an ihr Leben selbst in die Hand ...

»Das ist doch nicht möglich!« Die rundliche Mamsell von Schloss Blumenau reckte den Hals und spähte aufgeregt aus dem Küchenfenster. »Die Komtess kommt auf Besuch! O Gott, wird das wieder eine Aufregung geben! Und Tränen sicherlich auch.«

»Lass mich sehen, Frieda!« Leni, das Küchenmädchen, musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um aus dem Fenster schauen zu können. »Wahrhaftig, sie ist es«, seufzte sie. »Komtess Ursula von Blumenau. Was für eine blendende Erscheinung!«

»Ja, weiß Gott! Warum sie sich nur an einen Mann hängen musste, der ihr nichts als Unglück bringt! Ich kann die Tränen der Gräfin schon verstehen, glaub mir.«

»Ob sie nun für immer hierbleibt?« Leni ließ die Komtess, die langsam den Kiesweg der Auffahrt heraufkam, nicht aus den Augen.

»Unsinn! Du hast von allem keine Ahnung.« Frieda wandte sich vom Fenster ab und begann wie wild in einem Topf auf dem Herd zu rühren.

»Weshalb sie wohl gekommen ist?«, überlegte Leni, die sich wieder vor den großen Bottich gesetzt hatte, in den sie die geschälten Kartoffeln für die Herrschaften und das ganze Schlosspersonal warf.

Die Mamsell seufzte. »Das möchte ich auch gerne wissen. Vielleicht braucht sie Geld. Der junge Mann verdient ja noch nichts, wie ich gehört habe. Sicher, das wird es sein – sie wird ihre Eltern um Geld bitten«, sinnierte Frieda und hielt einen Moment im Rühren inne. »Die arme Komtess! Das wird ein harter Kampf mit ihrem Stolz gewesen sein, ehe sie sich zu solch einem Schritt entschloss.«

♥♥♥

»Schlag dir das aus dem Kopf, von mir auch nur einen Pfennig zu bekommen!«, tobte Graf von Blumenau. Er schritt nervös im Kaminsalon auf und ab und warf seiner einzigen Tochter böse Blicke zu. »Ich habe dir schon oft gesagt, dass ich diese Liaison nicht unterstütze. Mein Gott, man kann ja bestraft werden, wenn man für so etwas auch noch Geld gibt! Das hieße, alle Moralbegriffe über Bord zu werfen.«

»Eberhard!« Gräfin Eleonore warf ihrem Gatten einen beschwörenden Blick zu. »Nun rede doch nicht so hart mit Ursula! Freue dich lieber, dass sie uns besuchen kommt. Seit zwei Monaten war sie nicht mehr hier.«

Ursula von Blumenau saß in einem Sessel, dicht neben der Mutter. Sie hielt den Kopf gesenkt.

Es war falsch von mir, herzukommen und Vater um Geld zu bitten, dachte sie. Er wird Werner nie akzeptieren. Aber ich musste es probieren, weil ich unser letztes Geld ausgegeben habe ...

»Werner ist ganz anders, als du denkst, Vater«, wagte sie noch einmal schüchtern vorzubringen.

»Wenn du ihn liebst, Kind«, warf ihre Mutter ein und drückte innig die Hände ihrer Tochter, »dann wird er schon in Ordnung sein.«

»Dummes Zeug!«, entgegnete Eberhard von Blumenau unwirsch. »Ein Student im zwölften Semester Jura! Wo gibt es denn so etwas? Da haben andere längst ihr Examen bestanden und sind erfolgreiche Rechtsanwälte oder tüchtige Referendare.«

»Er musste noch zwischendurch arbeiten, weil er Waise ist. Wovon sollte Werner sein Studium bezahlen?«, wagte Ursula leise zu sagen.

»Das ehrt den Herrn natürlich sehr, dass er wie viele andere auch selbst ein bisschen dazu beigetragen hat, sein Studium zu finanzieren. Bis er dich traf ...« Der Graf lachte bitter auf. »Jetzt hat er es nicht mehr nötig. Schickt seine Geliebte auf Betteltour. Was für ein Mensch ist das nur, der seine Frau zu Hause um Geld betteln lässt.«

»Eberhard! Gehst du nicht ein wenig zu weit?« Gräfin Eleonore legte beschützend einen Arm um die zuckenden Schultern ihrer Tochter. »Du kennst Herrn Reimann doch überhaupt nicht – wie also kannst du zu einem solchen Urteil kommen?«

»Diesen sauberen Herrn brauche ich nicht erst zu sehen, um mir ein Urteil zu bilden. Manche Leute erkennt man an ihren Handlungsweisen und Erfolgen im Leben.«

»Ich – ich gehe dann besser wieder«, sagte Ursula leise und wollte sich erheben, aber ihre Mutter drückte sie energisch in den Sessel zurück. Empörung lag auf dem Gesicht der Gräfin.

»Kommt überhaupt nicht infrage!«, protestierte sie. »Kaum bist du hier, willst du schon wieder gehen. Ich weiß ja bald nicht mehr, ob ich überhaupt noch eine Tochter habe.«

»Das weiß ich schon lange nicht mehr!« Graf Eberhard stand nun am Fenster und starrte verbissen hinaus. »Seit sie damals weggegangen ist ...«

»Sie ist volljährig, Eberhard. Sie konnte selbst bestimmen, was sie aus ihrem Leben macht.«

»Hat sie ja auch.« Der Graf wandte sich mit einem Ruck herum und schaute seine Gattin fast böse an. »Aber dann soll sie jetzt nicht kommen und uns um Hilfe angehen. Warum arbeitet dein hoher Herr denn nicht mit?«

»Er muss doch lernen ...«

»Ach, immer dasselbe! Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.«

»Gib ihr doch etwas, Eberhard ...« Die Gräfin, der die Tränen in den Augen standen, war aufgestanden und legte ihrem Gatten besänftigend die Hand auf den Arm.

»Ich pflege meine Entscheidungen nicht innerhalb weniger Minuten umzustoßen, Eleonore. Das solltest du wissen.« Der Graf wischte die streichelnde Hand von seinem Arm. »Ursula soll heimkommen und diesen zweifelhaften Status aufgeben, dann wird sie es so herrlich wie früher haben. Ich werde ihr auch nichts nachtragen, nur aus freien Stücken muss sie heimkommen.«

»Ich liebe Werner doch.« Ursula sagte es sehr innig. »Und er braucht mich. Ich kann ihn nicht aufgeben!«

»Gut, du hast dich entschieden, nun musst du die Konsequenzen tragen. Von mir bekommst du keinen Pfennig. So, und nun möchte ich nichts mehr davon hören. Ich werde einen Ausritt machen, Eleonore. Ich brauche ein bisschen frische Luft. Zum Essen bin ich wieder zurück.«

Der Graf verbeugte sich leicht vor seiner Gattin, schritt dann aufrecht zur Tür. Hart und energisch schloss er sie hinter sich.

Ursula stand auf. »Vater hat recht, ich muss die Folgen meiner Entscheidung selbst tragen. Es war dumm von mir, ihn um Geld zu bitten.«

»Du willst also wirklich schon gehen? Obwohl du fast zwei Monate nicht mehr hier warst?«

»Ich komme bald wieder«, sagte Ursula und wusste zugleich, dass es leere Worte waren. Man sah ihrem Gesicht nicht die Scham und die Verzweiflung an, aber in ihrem Innern brannte sie heiß. »Darf ich noch einmal in mein Zimmer hinaufgehen?«, fragte sie die Mutter. »Ich meine – ich meine in mein früheres Zimmer ...«

Gräfin Eleonore schluchzte auf. »Wie du das sagst, Kind!«

»Es ist doch nicht mehr meins, Mutter.«

»Doch. Und wenn Eberhard tausendmal anders denkt – es wird immer dein Zimmer bleiben. Auch wenn du bei diesem Mann in der Ferne lebst.«

Bei diesem Mann ... Ursula zog unwillkürlich die Schultern hoch, als friere sie.

Im Grunde denkt Mutter auch so abwertend von Werner, sonst hätte sie nicht diese Bezeichnung gebraucht.

»Danke«, sagte sie ein wenig herber, als sie es gewollt hatte, »ich – ich gehe dann nach oben. Ich möchte ein paar Bücher holen, die Werner vielleicht für sein Studium ...«

Sie schwieg, als sie den abwehrenden Zug im Gesicht ihrer Mutter bemerkte. Sie lief mehr aus dem Zimmer, als sie ging. Auf dem Flur konnte sie fast nichts sehen, denn Tränen verschleierten ihr den Blick.

Zehn Minuten später verließ die junge Komtess das Schloss. Sie ging zu Fuß. Das Angebot ihrer Mutter, sich doch vom Chauffeur bis zum Bahnhof fahren zu lassen, hatte sie höflich abgelehnt.

Aber die zweihundert Mark, die die Mutter ihr beim Abschied verstohlen zugesteckt hatte, die hatte sie angenommen – und deswegen hielt sie den Kopf noch tief gesenkt.

Ich musste sie nehmen, sagte sie sich immer wieder. Ich durfte in diesem Fall keinen falschen Stolz zeigen, denn sonst wüsste ich nicht, wovon ich morgen einkaufen sollte. Und Werner hat keine Ahnung, dass wir kein Geld mehr haben ... Ich habe ihm nichts davon gesagt, um ihn nicht zu belasten.

Mit schwerem Herzen ging die junge Komtess in Richtung Bahnhof.

♥♥♥

»Du bist schon da, Werner?«

Ursula flog auf den geliebten Mann zu, nachdem sie die kleine Dachwohnung betreten hatte, die sie vor einem Jahr gemietet hatte. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und bettete ihren Kopf an seiner Brust.

»Halt mich ganz fest, Liebster«, flüsterte sie. »Du darfst mich niemals verlassen, hörst du?«

Werner Reimann, ein sportlich aussehender Mann, schob Ursula sanft von sich und sah ihr fragend ins Gesicht.

»Hast du zu Hause nichts erreicht?«

»Sag mir, dass du mich liebst«, bettelte die junge Komtess.

»Du hast also nichts erreicht«, schloss er.

Ursula schüttelte traurig den Kopf. »Vater wollte mir nichts von meinem Erbe auszahlen. Er – er war so hart ...«

»Verdammter Geizkragen!« Werner Reimann machte sich mit unwilligem Gesicht von Ursula frei. »Hockt auf seinem Geld und tut nichts für seine Tochter!« Er begann mit langen Schritten im Raum hin und her zu gehen. »Lässt dich einfach in so einem Loch hier hausen!«

Eigentlich wäre ja das Werners Aufgabe, dachte Ursula, die jäh ernüchtert war. Sofort aber schämte sie sich ihres Gedankens. Er hat ja keine Zeit zum Arbeiten, nahm sie ihn in Schutz. Er muss studieren, das nur ist für uns wichtig.

»Eines Tages werden wir uns eine schöne, große Wohnung leisten können, Werner«, sagte sie, und ihre Augen leuchteten bei dieser Vorstellung auf. »Wenn du erst dein Examen hast und viel Geld verdienst.«

»Eines Tages ...« Werner Reimann winkte ungeduldig ab.

»Aber du wirst doch in drei Monaten so weit sein, Liebster!« Ursula trat auf Werner zu und schmiegte sich an ihn. »Bis dahin kann ich noch warten. Ich – und der kleine Reimann«, setzte sie kaum hörbar hinzu.

»Was sagst du da?« Werner Reimann schob Ursula fast grob von sich. Seine Augen weiteten sich ungläubig. »Bist du von Sinnen?«

Ursula lächelte selig. »Nein, ich weiß es ganz genau, Liebster. Dein Sohn wird geboren werden, wenn sein Vater schon stolzer Anwalt ist.«

»Um Gottes willen!« Werner Reimann war blass geworden. Er fuhr sich mit beiden Händen durch sein dunkles Haar. Sein Blick ruhte immer noch entsetzt auf Ursula.

»Freust du dich denn nicht, Werner?« Etwas Angst schlich sich in Ursulas Herz. Ihre Lider begannen zu flattern.

»Freuen?« Werner sah sie an, als ob er an ihrem Verstand zweifelte. »Wie kannst du so etwas überhaupt fragen? Wir können doch jetzt kein Kind gebrauchen! Wie stellst du dir das denn vor?«

»Vor einem Jahr wäre es schlecht gewesen, aber doch jetzt nicht mehr ...« Ursula schluckte ihre Enttäuschung herunter und lächelte Werner tapfer an. »Wenn du erst dein Examen hast ...«

»Examen, Examen!« Werner Reimann hieb mit der Faust durch die Luft. »Etwas anderes bekomme ich schon nicht mehr zu hören! Wer sagt dir denn, dass ich es überhaupt bestehe?« Fast böse klang seine Stimme.

»Aber du hast doch schon zwölf Semester ...«

Ursula erschrak vor seinem Gesichtsausdruck. So hatte sie ihn noch nie gesehen.

»Das sind die Worte deiner Eltern, die ich da vernehme. Zwölf Semester studiert er nun schon! Ein Versager ist er! Du wirst sehen, er wird nie sein Examen schaffen!« Werner Reimann lachte bitter auf.

»Bitte, Werner ...« Ursula kämpfte mit den Tränen. Sie hatte sich diesen Augenblick ganz anders vorgestellt. Sie hatte geglaubt, dass er sie glücklich in seine Arme nehmen würde.

»Aber ich habe doch recht, oder nicht?« Werner stampfte durch den Raum.

»Nein, das hast du nicht. Kein Wort ist von einem Versager gefallen.«

Werner Reimann lachte auf. »Zu höflich, die Herrschaften! Feines, aristokratisches Benehmen! Man lässt sich nicht einmal zum Schimpfen herab!«

»Hör bitte auf, Werner!« Ursula spürte, wie sie zornig wurde. Werner hatte kein Recht, auf ihre Eltern zu schimpfen. Sie wollten nichts von ihm wissen, damit musste er sich abfinden. Wenn er ihnen doch noch zeigte, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatten, dann würden sie ihn schon akzeptieren.

»Schon gut.« Er brummte es vor sich hin. Dann sah er Ursula prüfend an. Als sein Blick über ihren Leib flog, zitterte Ursula, denn Werner hatte Abwehr in den Augen. »Seit wann weißt du es?«

»Seit zwei Monaten«, gestand sie leise und fügte hinzu: »Ich – ich wollte dich nicht damit belasten. Du musst doch frei von allen Sorgen arbeiten können ...«

»Ach, arbeiten!« Wieder hieb Werner mit der Faust durch die Luft. »Das mit dem Kind ist viel wichtiger. Hättest du mich rechtzeitig infomiert, man hätte noch einen Arzt bemühen können. Ich kenne da eine Adresse. Ein Studienfreund hat sie mir im Vertrauen genannt.«

Ursula wich entsetzt vor ihm zurück. Unwillkürlich hob sie abwehrend die Hände.

»Du – du meinst ...?« Sie brachte die schrecklichen Worte nicht über die Lippen.

»Was denn sonst?« Werner lachte wieder bitter. »Das geht doch schnell – und wir hätten die erste Zeit unserer Ehe ohne zusätzliche Sorgen leben können.«

»Werner ...« Ursula flüsterte es. Sie stand jetzt fast an der Wand – und hätte doch noch viel weiter von ihm abrücken mögen.

War das noch der Werner, den sie vor zwei Jahren kennengelernt hatte? Der lustige, manchmal ein wenig zu leichtsinnige Werner, dessen unkomplizierte Art ihr gefallen hatte? Der um sie mit tausend verliebten Worten geworben hatte.

Zum ersten Mal sah Ursula den geliebten Mann mit anderen Augen. Und auch die Worte ihrer Eltern fielen ihr in diesem Moment wieder ein. Anklagende Worte gegen ihn ...

Sie wehrte sich gegen diese Wahrheit. Werner war doch ihr Ein und Alles! Für ihn hatte sie alles aufgegeben. Sie, die lebenslustige, verwöhnte Komtess von Blumenau, für die es etwas Alltägliches war, mit Grafen und Fürstensöhnen auf glanzvollen Bällen zu tanzen.

Doch das war nun schon lange her. Ursula war in diesem Jahr, das sie mit Werner zusammengelebt hatte, stiller und bescheidener geworden.

»Warum sagst du nichts?«, knurrte er und zog eine Zigarette aus einer Packung. Mit hastigen Bewegungen riss er ein Streichholz an.

Ursula stützte sich mit den Händen gegen die Wand hinter ihr. Sie musste es, um nicht zu wanken, denn die Erkenntnis lag wie eine zentnerschwere Last auf ihren Schultern.

Werner wollte das Kind gar nicht! Er freute sich nicht. Im Gegenteil – er hatte von einem Arzt gesprochen ...

»Ich ... ich ...«

»Nun nimm es doch nicht so tragisch.« Werner kam auf sie zu, um sie an sich zu ziehen.

Aber plötzlich meinte Ursula, seine Berührung nicht ertragen zu können. Sie wich zurück, fühlte dann das Holz der Tür hinter sich. Und ehe sie noch wusste, was sie tat, hatte sie sie schon aufgerissen und war hinausgestürzt.

»Ursula!«, rief Werner ihr nach. »So stell dich doch nicht wie ein kleines Kind an! Komm zurück, Ursula!«

Ursula hörte ihn rufen, aber sie blieb nicht stehen. Einmal drehte sie sich um, um zu sehen, ob Werner ihr nachkäme. Aber die Straße war leer ...

♥♥♥

»Na, hast du dich wieder beruhigt?«, fragte Werner leichthin, als Ursula Stunden später in die kleine Dachwohnung zurückkehrte. Er stand an der Kochplatte und rührte in einem Topf. »Komm, setz dich. Ich habe Nudeln gekocht. Du wirst bestimmt Hunger haben.«

Ursula schüttelte den Kopf. Sie hatte keinen Hunger. Sie fragte sich sogar, wie Werner jetzt ans Essen denken konnte. Fühlte er denn gar nicht die Bedeutung dieser Stunde? Merkte er ihr nicht an, dass sie sich innerlich verändert hatte?

»Ich möchte nichts essen, Werner.« Ursula erhob sich und ging auf die Tür des kleinen Badezimmers zu, das vom Wohnraum abging. »Ich mache mich ein wenig frisch.«

»Aber du musst doch etwas essen!«

Sie blieb in der geöffneten Tür stehen. Ihre Stimme klang kalt, als sie sagte: »Du hast doch gehört, ich möchte nichts essen.« Dann schloss sie die Tür hinter sich.

Werner Reimann schaute ihr einen Moment verblüfft nach. So hatte sie ja noch nie mit ihm gesprochen! Was nur mit ihr los war?

»Das wird mit dem Kind zusammenhängen«, murmelte er und zuckte die Schultern. »Sie wird sich schon wieder einkriegen.«

Und er häufte sich eine große Portion Nudeln auf seinen Teller

♥♥♥

Ursulas und Werners Zusammenleben veränderte sich in der folgenden Zeit.